| Titel: | Fabrikation von Schwefelsäure und künstlichen Düngemitteln in Nordamerika. | 
| Autor: | Leo | 
| Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 233 | 
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                        Fabrikation von Schwefelsäure und künstlichen
                           Düngemitteln in Nordamerika.
                        Nach einem Reisebericht von J. Gonell.
                        (Teknisk Tidskrift,
                              April 1895.)
                        Fabrikation von Schwefelsäure und künstlichen Düngemitteln in
                           Nordamerika.
                        
                     
                        
                           Die Erzeugung von Schwefelsäure ist in den Vereinigten Staaten in schnellem Wachsen
                              begriffen, zumeist in Folge der namentlich in den Oststaaten sehr stark gesteigerten
                              Anwendung von künstlichen Düngemitteln, deren Herstellung eine grosse Menge von
                              Schwefelsäure erfordert. Schwefelsäurefabriken finden sich vornehmlich in Boston,
                              New York, Philadelphia und in verschiedenen Orten von Süd-Carolina.
                           Im Allgemeinen sind die Fabriken nach englischem Muster angelegt und werden nach eben
                              solchem betrieben; ihr Betrieb stützt sich meist nur auf oberflächliche, grobe
                              Untersuchungen und man nimmt es dabei nicht so genau, wie z.B. in Deutschland, mit
                              der Beobachtung der Temperaturen, mit Gasanalysen und sonstigen schärferen
                              Untersuchungen.
                           In Rücksicht auf Apparate und auf die Construction der zugehörigen Gebäulichkeiten
                              für die Schwefelsäurefabrikation selbst aber stösst man nicht gar selten auf
                              amerikanische Originalität.
                           Mehrerenorts hat man nach Lunge's Vorschlag zwischen den
                              Bleikammern kleine Thürme aus säurefesten Thonfliesen, innen mit durchlöcherten
                              Zwischenböden, angebracht, in denen die auf dieselben hinaufgepumpte Schwefelsäure
                              beim Niedergange in Tropfenform vertheilt wird. In diesen Thürmen soll den
                              Kammergasen die in Dunstform von Kammer zu Kammer mitfolgende Schwefelsäure entzogen
                              werden, die einer energischen Säurebildung hinderlich ist. Nachdem die Gase durch
                              Anprall an die Thonplatten und in Begegnung mit den fallenden Schwefelsäuretropfen
                              dieser Schwefelsäuredünste ledig geworden, kann die Reaction neu beginnen und der
                              Rest von schwefliger Säure darin wird in kurzer Zeit unter Ersparung von Kammerraum
                              in Schwefelsäure umgesetzt werden. Wenn auch der eine oder andere Versuch dabei in
                              Folge verfehlter
                              Anordnungen missglückte, so fielen dieselben doch im Ganzen günstig aus.
                           Eine andere Construction amerikanischen Ursprungs ist an einigen Orten zum gleichen
                              Zweck in Anwendung gebracht worden. Man hat da die Verbindungsrohre der Bleikammern
                              unter einander, soweit es sich um deren senkrechten Theil handelt, zu einem Bau mit
                              quadratischem Querschnitt erweitert. Zwischen den einander gegenüberliegenden Wänden
                              desselben hat man wagerechte Rohre eingezogen gleich den Siederohren in einem
                              Locomobilkessel. Beim Durchstreichen dieses Aufbaus stösst das Gas gegen die Rohre
                              und es fällt dabei die dunstförmige Säure zum grössten Theile aus, so dass ihre
                              Neubildung wieder in flotten Gang kommen kann. Werden diese Rohre ein wenig geneigt
                              eingezogen oder werden ihre beiderseitigen Mündungen ausserhalb so verbaut, dass der
                              eine der damit gebildeten Kanäle abwärts, der andere nach oben mündet, so streicht
                              ein lebhafter Luftzug durch sie, welcher das Gas abkühlt und den Säuredunst
                              condensirt.
                           Um im Ofensysteme den nöthigen Zug hervorzurufen, werden oftmals maschinelle
                              Hilfsmittel, z.B. Dampfinjectoren, angewendet; man disponirt dieselben, wenn man
                              nicht Unbequemlichkeiten betreffs des Dampfes dabei begegnet, entweder hinter den
                              Glover- oder auch hinter den Gay-Lussac-Thurm. Zweckmässiger als Injectoren wendet
                              man dazu Ventilatoren an, die mit Blei ummantelt in passenden Rohrleitungen
                              angebracht und durch Elektromotoren oder andere Kraftmaschinen im Gange erhalten
                              werden.
                           In der Fabrik der Pennsylvania
                                 Salt-Manufacturing-Company zu Philadelphia und andernorts rechnet man für
                              das Kilogramm zu verbrennenden Schwefel 1 cbm Kammerraum als erforderlich, doch
                              hofft man durch wirksamere Einrichtungen zur Abscheidung der dunstförmigen Säure auf
                              demselben Kammerraum noch mehr Schwefel abbrennen zu können. Es werden bis zu 140 k
                              spanische 50procentige Schwefelkiese für 1 qm Rostfläche abgebrannt und es wird
                              dabei der Kies so abgeröstet, dass nur 2 bis 2,5 Proc. Schwefel darin zurückbleiben.
                              Der Verbrauch an Salpeter soll 3 Proc. vom Gewichte des im Kiese enthaltenen
                              Schwefels betragen.
                           Man bedient sich in Amerika wie in Europa zum Concentriren der Kammersäure der
                              bekannten Platinakessel nach Delplace's, Prentice's u.a. Construction; doch findet man in den
                              Vereinigten Staaten öfter Kessel Faure und Kessler's System mit Bleidom, sowie Platina- und
                              Eisenkessel. Ueberhaupt werden oft gusseiserne Kessel zur Concentrirung von
                              Schwefelsäure dann gebraucht, wenn ein kleiner Eisengehalt der Säure nicht von
                              Bedeutung ist; man concentrirt aber auch die anfänglich noch schwache Säure zuerst
                              bis zu einem gewissen Grade im Platinakessel und zum Schluss sodann im Eisenkessel,
                              weil starke Säure Eisen nur in geringem Maasse angreift.
                           In Chicago waren Apparate zum Concentriren von Schwefelsäure von Heraeus in Hanau und von Johnson Matthey in London ausgestellt; letztere Firma hatte als Neuheit in
                              einer im Uebrigen sehr interessanten Collection auch einen inwendig vergoldeten
                              Platinakessel exponirt. Ueber die Herstellung einer solchen Vergoldung und über ihre
                              Dicke war Authentisches nicht zu erfahren; nach Angaben von anderer Seite war die
                              letztere nur sehr gering.
                           Auch Heraeus hatte einen innen vergoldeten Platinakessel
                              ausgestellt; derselbe war etwa 120 cm weit und 15 bis 18 cm hoch, oben offen
                              und mit Falz ringsum zu hydraulischem Abschluss versehen. Der Auslauf der fertigen
                              Säure war unmittelbar über dem Boden disponirt, ausserdem aber auch ein Ablauf für
                              überschüssige Säure vorhanden; gefertigt war der Kessel aus goldplattirtem
                              Platinablech. Die Goldplattirung wird in nachstehend beschriebener Weise
                              hergestellt: auf eine dicke, bis nahe dem Schmelzpunkte erhitzte Platinaplatte wird
                              flüssiges Gold, welches bedeutend überhitzt sein muss, aufgegossen, wobei sich an
                              der Berührungsfläche beider Metalle eine Legirung bildet, welche die Metalle
                              untrennbar verbindet. Die so erzeugte Goldplatinaplatte wird sodann zur gewünschten
                              Dicke ausgewalzt. Gold und Platin können auf diese Weise in jedem beliebigen
                              Verhältnisse zusammenlegirt werden und der Fabrikant kann nach Wunsch und Erfordern
                              den Goldüberzug dünn oder dick in jedem zweckentsprechenden Maasse herstellen.
                           Der Gedanke, goldplattirtes Platinablech zur Herstellung von Concentrirungsgefässen
                              für Schwefelsäure zu verwenden, entsprang der Thatsache, dass starke warme
                              Schwefelsäure Platina in bedeutend höherem Grade angreift als Gold; man hatte
                              festgestellt, dass Platinablech bei Herstellung der gleichen warmen concentrirten
                              Schwefelsäure in gleicher Zeit siebenmal mehr Metall verliert, als ein gleich
                              grosses Goldblech. Bei einem Platinapreise von 1350 M. für 1 k und einem Goldpreise
                              von 2925 M. entspricht daher der Verlust an Platina im Werthe von 1350 M. einem
                              Goldverluste von nur 418,50 M.; der erstere ist mithin mehr als dreimal so gross als
                              der letztere.
                           Bei den erstgefertigten Apparaten verwendete man zum Boden und zur Umwandung nur bis
                              zur Höhe des Säurestandes bei der Concentrirung goldplattirtes Platinablech; dabei
                              stellte sich sehr bald heraus, dass der nicht durch Gold geschützte Theil von
                              Platina in ungleich höherem Maasse durch die aufkochende Säure und die Säuredämpfe
                              angegriffen wurde; deshalb schritt man dazu, die ganze innere Fläche des Apparates
                              durch Gold zu schützen, wobei die Dicke des Ueberzuges im Inneren der Haube
                              bedeutend geringer sein durfte, als im Inneren des Kessels; dort und da macht man
                              sie jetzt 0,05 bezieh. 0,15 mm dick. Kessel der beschriebenen Art werden vielfach in
                              Amerika benutzt; hätte der oben erwähnte Apparat Johnson
                                 Matthey's nicht eine solche Vergoldung gehabt, so würde sein Werth ein sehr
                              fraglicher gewesen sein.
                           Bei gewöhnlicher Vergoldung von Platina, wie auch von anderen Metallen, entstehen
                              leicht haarfeine Sprünge im Golde, durch welche die Säure an das darunterliegende
                              Platina herantritt. Dabei löst sich in Folge des elektrischen Gegensatzes das
                              Platina schneller, als wenn es nicht mit Gold in Berührung steht – eine solche
                              gewöhnliche Vergoldung schadet somit mehr, als sie nutzt.
                           Das Modell eines Concentrirungsapparates mit Bleihaube nach Faure und Kessler zeigte die Anordnung zweier
                              Apparate hinter einander; die Säure wird darin bis zu einem gewissen Grade zuerst in
                              einem Platinakessel concentrirt und tritt sodann über in einen zweiten
                              tieferstehenden. Das Modell hatte Platinakessel an beiden Stellen. Der Platinakessel
                              des hinteren Apparates kann aber auch mit einem gusseisernen vertauscht werden, in
                              welchem, wie oben bemerkt, die Schlussconcentrirung erfolgt.
                           
                           Nachdem in den Oststaaten in Folge des bisherigen landwirthschaftlichen Raubbaus
                              die Tragfähigkeit der Ackerkrume von Jahr zu Jahr sich als immer mehr erschöpft
                              herausgestellt, kommt man derselben neuerdings mit Kunstdünger zu Hilfe; dadurch ist
                              der amerikanische Bedarf erheblich und sehr rasch gewachsen und wächst noch weiter.
                              Er hat bereits zu einem erheblichen Aufschwung der Fabrikation von künstlichen
                              Düngemitteln geführt, die zudem günstig beeinflusst wurde durch das Auffinden
                              mächtiger Vorkommen von Phosphaten in Süd-Carolina und Florida; dass durch diese
                              Vorkommen die Localisirung der dieselben verarbeitenden Fabriken vorzugsweise in
                              ihre Nähe fallen muss, bedarf weiterer Begründung nicht.
                           In der Hauptsache befolgt man in Amerika dieselben Principien bei Herstellung von
                              Superphosphaten und arbeitet nach gleichem Verfahren dabei, wie in Europa. Dagegen
                              wenden die Amerikaner zum Mahlen und Pulverisiren der Phosphate vielfach andere
                              Maschinen an, als diesseits des Atlantis benutzt werden. Ausser mit dem Blak'schen Steinbrecher und mit französischen
                              Quarzsteinen zerkleinert man mit Sturtevant's, Griffin's und Frieben-Lusag's Mühlen, schlägt das gemahlene Gut durch Siebe Nr. 70 bis
                              80 und verausgabt für diese Operationen von 6,85 bis 9,35 M. für die gewonnene Tonne
                              Mehl.
                           Man mischt Phosphat und Säure mit einander in Intervallen und bei raschem Umlauf der
                              Mischmaschinen.
                           Die vorzugsweise hergestellten Superphosphate enthalten 10 bis 14 Proc. in Wasser und
                              Ammoniumcitrat lösliche Phosphprsäure. Ausser diesen Superphosphaten erzeugt man
                              auch sogen. Doppelsuperphosphat mit 40 bis 45 Proc. in Wasser und Citrat löslicher
                              Phosphorsäure, sowie zahlreiche andere concentrirte Düngemittel mit hohem
                              Stickstoffgehalt; Schlächterei abfalle werden zu Knochenmehl verarbeitet,
                              getrocknetes Blut, Gemenge von Knochen, Fett, Blut u.s.w. in getrocknetem und
                              pulverisirtem Zustande zu sogen. concentrirter Tankage und zu anderen Präparaten.
                              Wie die Engländer fabriciren auch die Amerikaner vielerlei Specialdünger für
                              verschiedene Arten von Culturgewachsen, z.B. Strawberryplant food, Homestead
                              superphosphate, Homestead tabacco grower, Homestead potato grower und dried animal
                              matter, die zum Theil aus reinem Knochenphosphat bestehen sollen.
                           Dr. Leo.