| Titel: | Ueber einige für den Haushalt wichtige Conservirungsmethoden. | 
| Autor: | W. Migula | 
| Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 239 | 
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                        Ueber einige für den Haushalt wichtige
                           Conservirungsmethoden.
                        Von W.
                                 Migula.
                        Ueber einige für den Haushalt wichtige
                           Conservirungsmethoden.
                        
                     
                        
                           Trotzdem die (Konservenfabriken gegenwärtig auf einer Höhe der Leistungsfähigkeit
                              stehen, dass die meisten Hausfrauen das Einmachen von Früchten u.s.w. als
                              überwundenen Standpunkt ansehen und lieber alles fertig einkaufen, gibt es doch auch
                              noch Hausfrauen, die ihren Stolz darein setzen, ihre Wintervorräthe an eingemachtem
                              Obst selbst herzustellen. Und die Zahl derselben würde jedenfalls eine weit
                              grössere sein, wenn nicht oft schon die ersten trüben Erfahrungen dauernd von
                              weiteren Versuchen abschrecken würden. Diese trüben Erfahrungen bestehen darin, dass
                              die mit nicht unbedeutenden Opfern von Zeit und Geld eingekochten Früchte nach
                              kürzerer oder längerer Zeit ungeniessbar werden oder doch in ihrem Geschmack so
                              wesentlich hinter den gekauften Conserven zurückstehen, dass man lieber – vielleicht
                              auch im Uebermaass der getäuschten Hoffnung – zu diesen zurückkehrt.
                           Das Ungeniessbarwerden, das „Umschlagen“ der eingemachten Früchte beruht auf
                              einem Zersetzungsprocess, den sie in Folge der Lebensthätigkeit einiger niederer
                              pflanzlicher Organismen, Schimmelpilze, Hefen und Bakterien erleiden. Hiernach ist
                              auch der Geschmack der umgeschlagenen Früchte ein wesentlich verschiedener, bald
                              werden sie sauer, bald dumpfig, bald tritt irgend ein anderer widerwärtiger
                              Nebengeschmack ein. Immer sind es aber Organismen, welche das Umschlagen bewirken.
                              Gelingt es nun auf irgend eine Weise diese Organismen, die in zahllosen, dem blossen
                              Auge völlig unsichtbaren Keimen an den Früchten selbst, an den Gefäss Wandungen, am
                              Zucker, am Kork haften, völlig zu vernichten und ihr Eindringen in die Gefässe zu
                              verhüten, so kann man auch sicher sein, dass die Früchte nicht umschlagen. Denn die
                              so häufig behauptete Ansicht, dass diese kleinsten Wesen aus der Substanz der
                              Früchte u.s.w. hervorgehen könnten, wenn z.B. der Keller, in dem sich die Gefässe
                              mit dem Eingemachten befinden, feucht und schlecht ist, ist völlig falsch.
                           Man hat nun verschiedene Methoden vorgeschlagen, um diese Keime zu vernichten oder
                              wenigstens so weit in ihrer Lebensthätigkeit zu beschränken, dass sie keine
                              zersetzende Wirkung mehr auszuüben im Stande sind. Die meisten Mittel werden auch
                              wohl ihren Zweck in besserem oder geringerem Grade erfüllen, wenn ein guter Keller vorhanden ist, in welchem die Gläser nicht
                              fortwährend der Gefahr einer Neuinfection ausgesetzt sind. In einem trockenen
                              Keller, in welchem Schimmelpilze und Bakterien sich nicht entwickeln und nicht als
                              feiner Ueberzug alle Gegenstände überspinnen, werden sie auch natürlich nur selten
                              in die Gefässe eindringen können. Es mag hier noch besonders darauf hingewiesen
                              werden, dass Kork durchaus kein pilzdichter oder bakteriendichter Verschluss ist,
                              und dass diese kleinen Organismen oft durch die Poren des Korkes oder zwischen
                              diesem und der Glaswand des Gefässes hindurch wachsen.
                           Wie oft hört man nicht eine Hausfrau klagen, es halte sich in ihrem Keller nichts und
                              sie könne daher gar nicht daran denken, etwas einzumachen. Und dennoch gibt es ein
                              Mittel, welches das Umschlagen der Früchte auch in dem schlechtesten Keller
                              verhindert, nämlich die Sterilisirung, ein namentlich dem Bakteriologen geläufiger
                              Process.
                           Alle lebenden Wesen werden durch einen genügenden Grad von Hitze getödtet, und die
                              Substanz, welche einer solchen Erhitzung unterworfen wird, wird sterilisirt,
                              keimfrei gemacht. Der Grad und die Dauer der Erhitzung ist für die einzelnen
                              Organismen sehr verschieden und es gibt Dauerzustände von Bakterien (Sporen), welche
                              selbst einstündiges Kochen ohne Nachtheil vertragen. Keimen diese Sporen aber aus,
                              was nach dem ersten Kochen in der Regel sehr bald geschieht, so sind sie als
                              gewöhnliche vegetative Bakterien schon durch einmaliges Aufkochen sicher zu
                              vernichten.
                           Wenn man sich daher streng an das in bakteriologischen Laboratorien gebräuchliche
                              Sterilisiren hält, wo es sich bei der Herstellung der Nährsubstrate um
                              ausserordentlich leicht zersetzbare Körper handelt, so muss es gelingen Früchte so
                              einzumachen, dass sie mit Sicherheit vor dem Umschlagen geschützt sind. Freilich
                              stehen der Hausfrau nicht alle Apparate zur Verfügung, die im bakteriologischen
                              Laboratorium zum Sterilisiren verwendet werden, aber sie lassen sich, wie weiter
                              unten gezeigt werden soll, in einfacher Weise ersetzen.
                           Ein wesentlicher Vortheil bei der hier zu beschreibenden Methode ist der, dass die
                              Früchte ohne Zucker eingemacht werden können, und dass erst den Früchten vor dem
                              jedesmaligen Gebrauch die entsprechende Menge Zucker bei nochmaligem Aufkochen
                              zugesetzt wird.
                           Als Gefässe zum Einkochen eignen sich gewöhnliche Bierflaschen oder Weinflaschen für
                              Beeren, weitere Gefässe, Krausen u.s.w. für grössere Früchte. Sie werden gut
                              gereinigt und mit den Früchten bis oben gefüllt. Man kann auch, weil die Früchte
                              beim Kochen meist sehr zusammenfallen – namentlich Beeren –, die vorher gekochte
                              Masse bis zu ¾, nicht höher, in die Gefässe füllen. Flaschen und Einmachgläser mit
                              engerer Mündung werden dann einfach mit einem Wattepfropf verschlossen. Haben die
                              Gefässe jedoch eine sehr weite Oeffnung (Krausen), so verschliesst man sie dadurch,
                              dass man eine doppelte Lage Fliesspapier (möglichst festes) über die Oeffnung bindet
                              und mit einer feinen Stricknadel zahlreiche feine Löcher durchsticht. Dann werden
                              die Gefässe in den Dampfsterilisationsapparat gestellt und 1 Stunde bei voller
                              Dampfentwickelung gekocht. Sie bleiben 2 Tage in dem verschlossenen Apparat stehen
                              und werden noch einmal 5 Minuten gekocht. Man lässt dann erkalten und nimmt erst
                              nach dem Erkalten die Gefässe heraus.
                           Da den meisten Hausfrauen ein Dampfsterilisationsapparat nicht zur Verfügung stehen
                              wird, so lässt sich ein Ersatz dafür in folgender Weise herstellen. Ein grosses,
                              möglichst tiefes emaillirtes Blechgefäss wird etwa 10 cm tief mit Wasser gefüllt. In
                              das Gefäss wird ein einige Centimeter über den Wasserspiegel reichendes Gestell
                              gebracht, welches die Flaschen trägt, die am besten der Gefahr des Zerspringens
                              wegen nicht direct mit dem Wasser in Berührung sein sollen. Ganz von Dampf umhüllt,
                              wird auch von schlechterem Glase nur selten eine Flasche springen. Sind die Flaschen
                              hineingestellt, so deckt man ein zweites, ganz gleich grosses Blechgefäss darüber;
                              die Gefässe müssen so hoch sein, dass die auf dem Gestell stehenden Flaschen nicht
                              von dem Boden des Deckelgefässes berührt werden. Erst dann wird das Ganze erhitzt
                              und von dem Augenblick an, wo sich die Dampfentwickelung auf ihrer vollen Höhe
                              befindet, noch genau 1 Stunde gekocht. Dann lässt man, ohne den Deckel abzunehmen,
                              erkalten und bringt nach 2 Tagen noch einmal zum Aufkochen. Nach dem Erkalten werden
                              die Gefässe herausgenommen und man kann nun sicher sein, dass keine lebenden Keime
                              mehr in dem Eingemachten sich befinden.
                           Indessen sind die auf diese Weise hergestellten Conserven noch durchaus nicht völlig
                              vor dem Verderben geschützt. Keime von Schimmelpilzen (oder Bakterien) fallen auf den Watte- oder
                              Fliesspapierverschluss, wachsen unter Umständen hindurch und können noch immer ein
                              Umschlagen bewirken. Dem begegnet man dadurch, dass man den Verschluss für diese
                              Organismen undurchdringlich macht und zwar sofort,
                              nachdem man die Gefässe aus dem Kochapparat herausgenommen hat. Man giesst zu diesem
                              Zwecke auf den Wattepfropf verflüssigtes Paraffin, bis der Pfropf in seinem oberen
                              Drittel vollgesogen ist, lässt erkalten und giesst noch einmal eine Paraffinlage
                              darüber. Ist der Verschluss Fliesspapier, so streicht man das flüssige Paraffin in
                              mehreren Lagen nach jedesmaligem Erkalten mit einem Borstenpinsel darüber, achtet
                              aber besonders darauf, dass das Paraffin auch an den Wänden des Glasgefässes gut
                              anhaftet bezieh. an diesen Stellen das Fliesspapier vollständig durchdringt. Hat man
                              etwas weithalsigere Gefässe mit Watte verschlossen, was dem Fliesspapierverschluss
                              unter allen Umständen vorzuziehen ist, so legt man zweckmässig ein rund
                              geschnittenes Stück Fliesspapier, nur ganz unbedeutend kleiner als die Oeffnung des
                              Glases, schon vor dem Sterilisiren darüber, die Abdichtung mit Paraffin lässt sich
                              dann weit leichter ausführen. Zuweilen kommt es vor, dass sowohl Wattepfropf als
                              Fliesspapier beim Oeffnen des Kochapparates nicht ganz trocken sind. Das schadet
                              aber gar nichts; wenn auch bei dem ersten Ueberzug das Paraffin nicht überall
                              haftet, bei den folgenden wird das Wasser überall verdrängt.
                           Ein solcher Paraffinverschluss ist absolut bakteriendicht und ebenso wenig vermögen
                              Schimmelpilze ihn zu durchwachsen. Dagegen schützt er nicht vor dem Auslaufen des
                              Inhaltes beim Transport der Gefässe. Will man derartig eingemachte Früchte
                              versenden, so muss man den Verschluss in anderer Weise herstellen. Man bindet dann
                              zweckmässig ein Stück starker grauer Leinwand über die in der angegebenen Weise
                              verschlossenen Flaschen, übergiesst sie mit Paraffin und drückt rasch eine dünne
                              Korkplatte darauf, die man entweder mit Siegellack am Glase befestigt oder fest
                              aufbindet. Gewöhnlich wird ja aber ein Transport der selbst eingemachten Gemüse oder
                              Früchte nicht erforderlich sein.
                           Bei dieser Gelegenheit mag noch auf ein Verfahren aufmerksam gemacht werden, welches
                              sich ganz gut eignet, z.B. Rebhühner in gebratenem Zustande für eine Zeit zu
                              conserviren, in welcher dieses Wild nicht zu haben ist. Die gebratenen Rebhühner
                              werden in vorher sorgfältig gereinigte und ausgekochte Blechbüchsen (z.B.
                              Cacaobüchsen, wenn sie gut und wasserdicht verlöthet sind) gebracht und zwar so,
                              dass die Büchsen bis oben hin mit Hühnern und Sauce gefüllt sind. Dann wird der
                              Deckel zunächst nur ganz lose aufgesetzt und die Büchse ½ Stunde lang bei einer dem
                              Kochen des Wassers nahe liegenden Temperatur gehalten, oder einige Mal leicht
                              aufgekocht, worauf der Deckel sofort fest aufgesetzt wird. Am zweckmässigsten wird
                              nun die Büchse sofort verlöthet. Ist dies nicht möglich – auf dem Lande dürfte dies
                              zuweilen Schwierigkeiten haben –, so wird um den unteren Rand des Deckels, wo er der
                              Büchse aufliegt, ein starkes, straff anliegendes Gummiband gezogen und hierauf der
                              Deckel auf die Büchse durch mehrmaliges Umschnüren mit starkem Bindfaden
                              festgebunden. Dann wird die Büchse an drei auf einander folgenden Tagen je 1 Stunde
                              bei 90 bis 95° C. im Wasser erhitzt – Kochen darf nicht eintreten; wird die
                              Temperatur zu hoch, so ist durch Zufügen von kaltem Wasser eine Abkühlung auf
                              90° herbeizuführen. Dieser Process muss mit dem Thermometer überwacht werden. Nach
                              dem dritten Erhitzen wird die Büchse aus dem Wasser genommen. Das anhaftende Wasser
                              verdunstet rasch, und sowie dies geschehen ist, werden das Gummiband und die
                              anstossenden Flächen der Büchse mit einem breiten, mehrmals aufzutragenden
                              Paraffinstreifen überzogen. – Die Haltbarkeit dieser „eingemachten Rebhühner“
                              ist unbegrenzt und der Geschmack tadellos.