| Titel: | Neuerungen an Locomotiven. | 
| Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 39 | 
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                        Neuerungen an Locomotiven.
                        Mit Abbildungen.
                        Neuerungen an Locomotiven.
                        
                     
                        
                           1) Einzeltheile der Locomotiven.
                           Um mit Verbundwirkung arbeitende Locomotiven nach Erforderniss, namentlich beim
                              									Anfahren schwerer Züge und behufs leichterer Ueberwindung bedeutender Steigungen, in
                              									gewöhnliche Locomotiven mit Frischdampf in beiden Cylindern umwandeln zu können,
                              									schlägt J. Richardson in Leeds nach Industries and Iron vom October 1894 S. 408 die
                              									nachstehend beschriebene Einrichtung vor.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 299, S. 39
                              Locomotive für Verbundwirkung und mit Frischdampf von Richardson.
                              
                           In dem zwischen Hoch- und Niederdruckcylinder angeordneten Rohre A (Fig. 1 und 2) ist, um die Verbindung
                              									beider Cylinder unterbrechen zu können, ein Hahn D
                              									eingeschaltet. E ist das Auspuffrohr des
                              									Hochdruckcylinders B mit Abschlusschieber F, G dasjenige des Niederdruckcylinders C; letzteres verbindet den Ausblasestutzen H mit dem Rohre E. Der
                              									Kesseldampf gelangt durch das Rohr I in den
                              									Hochdruckcylinder B, während eine andere Rohrleitung
                              										K mit Absperrschieber L zur Ueberführung von Kesseldampf in den Niederdruckcylinder C dient. Behufs Regulirung der Spannung des in den
                              									grossen Cylinder strömenden Kesseldampfes derart, dass beide Cylinder gleiche
                              									Arbeiten verrichten, dient ein Reducirventil M. Der auf
                              									einem Vierkant des Hahnes D sitzende Hebel N ist durch eine Stange N1 mit dem Hebel P einer Welle R verbunden, welche den
                              									Abschlusschieber F bethätigt; ein zweiter Hebel S auf der Stange R steht
                              									mittels angreifender Lenkstange T mit dem Hebel V des Absperrschiebers L
                              									der Dampfleitung K in Verbindung. Ausserhalb der
                              									Rauchkammer liegt noch ein mit dem Schieber L
                              									verbundener Hebel W, welcher mittels Stange vom
                              									Führerstande aus bewegt wird.
                           Soll die Locomotive als gewöhnliche Zwillingsmaschine arbeiten, so wird durch Drehung
                              									des Hebels W der Schieber L geöffnet; hierbei erhält auch der mit letzterem verbundene Hebel V eine Drehbewegung, welche mittels der Stange T auf den Hebel S und die
                              									Stange R übertragen wird, so dass sich gleichzeitig der
                              									Schieber F öffnet. Durch Drehung der Stange R und des auf ihr befestigten Hebels P wird ferner mittels der Zugstange N1 der Hebel N entsprechend bewegt und damit der Hahn D geschlossen. In Folge der Bethätigung der genannten
                              									Schieber mittels eines einzigen Zuges vom Führerstande aus findet nun eine directe
                              									Einströmung von Kesseldampf in beide Cylinder durch die Rohre I und K statt, während der
                              									Abdampf der Cylinder ebenfalls direct durch die Rohre E
                              									und G in den Ausblasestutzen H bezieh. den Schornstein entweicht, da die Verbindung
                              									zwischen beiden Cylindern durch den Hahn D jetzt
                              									unterbrochen ist.
                           Denselben Zweck suchen H. Tyler und E. de Vesian in
                              									London nach Industries and Iron, 1894 S. 120, an mit je
                              									einem Hochdruck- und zwei Niederdruckcylindern arbeitenden Verbundmaschinen in
                              									folgender Weise zu erreichen.
                           Wie Fig. 3 und 4 ersichtlich, liegen die
                              									drei Cylinder A, B und C
                              									innerhalb der Rahmengestelle, und zwar der mittlere Hochdruckcylinder A vor und unterhalb der beiden Niederdruckcylinder B und C.
                           Fig. 5 und 6 veranschaulichen zwei
                              									Stellungen des Vertheilungsschiebers.
                           Die Pleuelstangen der drei Cylinder arbeiten auf eine dreifach gekröpfte Welle, deren
                              									Kurbeln um gleiche Winkel aus einander liegen.
                           Der vom Kessel kommende Frischdampf strömt durch das Rohr 1 in den Schieberkasten 2. Sollen alle
                              									Cylinder mit frischem Dampf arbeiten, so wird der Vertheilungsschieber in die Fig. 5 ersichtliche
                              									Stellung gebracht. Der in den Schieberkasten 2 tretende
                              									Dampf strömt dann durch das Rohr 13 in den
                              									Schieberkasten des Hochdruckcylinders A, sowie durch
                              									die Oeffnung 5 in der Gleitfläche des
                              									Vertheilungsschiebers und das Rohr 14 in den
                              									gemeinschaftlichen Schieberkasten der beiden Niederdruckcylinder B und C. Nach vollbrachter
                              									Arbeit im Hochdruckcylinder entweicht der Dampf durch das Rohr 15, die Oeffnungen 10 und
                              										11 in der Gleitfläche des Vertheilungsschiebers,
                              									sowie das Rohr 12 in das Exhaustrohr 8 und der in den beiden Niederdruckcylindern wirksam
                              									gewesene Dampf aus dem Schieberkasten 7 ebenfalls in
                              									das Rohr 8. Soll die Maschine mit Verbund Wirkung
                              									arbeiten, so wird der Vertheilungsschieber in die Fig. 6 ersichtliche
                              									Stellung gebracht. Der Dampf strömt dann nach vollbrachter Arbeit im
                              									Hochdruckcylinder durch das Rohr 15, die Oeffnung 10 in der Schiebergleitfläche und die Höhlung 3 des Schiebers durch die Oeffnung 5 und das Rohr 14 in den
                              									Schieberkasten der beiden Niederdruckcylinder. Nach vollbrachter Arbeit in den
                              									letzteren entweicht der Dampf in das Auspuffrohr 8.
                              									(Englisches Patent Nr. 14324 vom 25. Juli 1893.)
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 299, S. 39
                              Verbundlocomotive von Tyler und de Vesian.
                              
                           Auch die neueren vierachsigen Schnellzuglocomotiven der württembergischen Staatsbahn
                              									mit je drei gleich grossen Cylindern, von denen der eine zwischen den Rahmen liegt
                              									und eine gekröpfte Treibachse bedingt, können je nach Wunsch des Führers mit
                              									Volldruck oder als Verbundmaschine arbeiten. Im ersteren Falle bekommen alle drei
                              									Cylinder frischen Dampf, im anderen Falle nur der mittlere Cylinder, aus dem der zum
                              									Theil ausgenutzte Dampf dann gleichmässig in die Aussencylinder übertritt.
                           Die Locomotiven sollen 150 t auf längerer Steigung 1 : 100 mit 60 km Geschwindigkeit
                              									befördern und sind deshalb mit einem äusserst leistungsfähigen Kessel aus Flusseisen
                              									mit einer Gesammtheizfläche von 148,1 qm bei einer Rostfläche von 2 qm versehen. Die
                              									rechnungsmässige Zugkraft für das Anfahren beträgt 4230, diejenige, welche sich aus
                              									dem Adhäsionsgewichte ergibt, 4140 k.
                           Ueber die Achsenbeweglichkeit dieser Locomotiven folgen untenstehend weitere
                              									Angaben.
                           L. T. Kossuth, Oberingenieur der italienischen
                              									Staatsbahnen, hat eine Anzahl sechsräderiger gekuppelter Locomotiven der
                              									Mittelmeerbahnen mit einer Einrichtung versehen, welche gestattet, einen Theil der
                              									heissen Rauchkammergase, bevor dieselben in den Schornstein treten, um die äusseren
                              									Wandungen der Cylinder, sowie deren vordere Deckel herumzuführen, und mit der
                              									Ausnutzung der andernfalls verloren gehenden Wärme dieser Gase sehr günstige Erfolge
                              									erzielt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 299, S. 40
                              Locomotive von Kossuth.
                              
                           Wie Engineering vom 4. Januar 1895 S. 25 berichtet,
                              									haben die betreffenden Locomotiven Aussencylinder mit Schieberkasten zwischen den
                              									Rahmen. In der Rauchkammer ist, wie Fig. 7 und 8 ersichtlich, ein
                              									Ejector A untergebracht, welchem der Abdampf durch die
                              									Rohre B zugeführt wird. In die an seinem unteren Ende
                              									angebrachte Kammer münden zwei Rohre CC, welche nach
                              									den die vorderen Deckel der Cylinder umgebenden Gehäusen D führen. Letztere stehen durch Rohre E mit
                              									den Mänteln der Arbeitscylinder in directer Verbindung, während durch Rohre FF eine freie Verbindung zwischen diesen Mänteln und
                              									der Rauchkammer geschaffen ist. Der dem oberen Theile des Exhaustors G entströmende Auspuffdampf bewirkt, dass ein Theil der
                              									heissen Rauchkammergase sich gewissermaassen im Kreislauf durch die Rohre F, die Mäntel der Cylinder und die Rohre C in das Auspuffrohr bewegt. Die Rohre F, welche die heissen Gase aus der Rauchkammer zunächst
                              									aufnehmen, sind mit ihren oberen erweiterten Mündungen, wie die Abbildungen
                              									erkennen lassen, der Rohr wand zugekehrt; sie können erforderlichenfalls leicht
                              									entfernt werden. Die Wandungen der Cylindermäntel bestehen aus zwei eisernen
                              									Blechplatten mit zwischengelegten Asbeststreifen, die mit einander vernietet sind.
                              									Da in Folge der Kreisbewegung der heissen Rauchkammergase erhebliche Mengen von
                              									Staub- und Aschentheilchen in die Mäntel gelangen, sind dieselben zweitheilig
                              									gehalten, derart, dass der eine Theil fest ist, der andere nach Lösen einiger
                              									Schrauben leicht entfernt werden kann. Diese Anordnung ist nothwendig, um die
                              									Mäntel, nachdem die Locomotive einige Tage Dienst verrichtet hat, reinigen zu
                              									können. Wie Fig. 7
                              									erkennen lässt, sind Diaphragmen in die Cylindermäntel eingeschaltet, um die
                              									Circulation der Gase derart regeln zu können, dass der ganze Cylinder gleichmässig
                              									erwärmt wird. Die Gehäuse der vorderen Cylinderdeckel sind ähnlich wie die Mäntel
                              									der Cylinder gehalten, nur dass, da sich Aschentheilchen in ihnen nicht ansammeln
                              									können, auswechselbare Theile fehlen. Der Ejector besteht aus zwei in der Linie HI zusammengeschraubten Theilen, von denen der untere,
                              									aus Gusseisen gefertigte Theil mit der Rauchkammer vernietet und mit Stutzen für den
                              									Abdampf, sowie für die heissen Gase versehen ist; seine Form variirt bei den
                              									verschiedenen Typen von Locomotiven. Das Exhaustrohr K
                              									aus Gusseisen wird zur Erleichterung genauer Aufstellung durch drei schwache Stifte
                              									in seiner Stellung gehalten.
                           Um vergleichende Zahlenwerthe bei Locomotiven mit und ohne Benutzung der besprochenen
                              									Einrichtung zu erhalten, wurden entsprechende Versuche angestellt. Die hierzu
                              									dienende Locomotive der Mittelmeerbahnen zeigte folgende Hauptabmessungen:
                           
                              
                                 Heizfläche der Feuerbüchse
                                 8,300
                                 qm
                                 
                              
                                         „        in den Rohren
                                 116,000
                                 qm
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 1,600
                                 qm
                                 
                              
                                 Arbeitsspannung des Dampfes
                                 9
                                 at
                                 
                              
                                 Durchmesser der Cylinder
                                 450
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 650
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Räder
                                 1,330
                                 m
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 39,400
                                 t
                                 
                              
                                 Expansionsverhältniss
                                 0,25
                                 
                                 
                              
                           Die Dampfspannung betrug bei Beginn der Versuche mit erwärmten Cylindern 8,310 at und
                              									ohne Erwärmung derselben durch heisse Verbrennungsgase 8,155 at. Hierbei stellte
                              									sich die mittlere Dampfspannung im ersteren Falle auf 4,425, im letzteren auf 3,980
                              									at, so dass sich zu Gunsten der Einrichtung von Kossuth
                              									ein Gewinn von 0,445 at ergibt. Bei anderen Versuchen mit derselben Maschine, welche
                              									mit einem Expansionsverhältniss des Arbeitsdampfes in den Cylindern von nur 0,20
                              									angestellt wurden, ergab sich mit der Erwärmung der Cylinder sogar eine um 0,551 at
                              									höhere mittlere Dampfspannung als ohne Benutzung der Einrichtung. Als Ergebniss des
                              									mehrere Monate andauernden regelmässigen Dienstes einer mit der Wärmeeinrichtung
                              									versehenen Locomotive stellte sich eine Kohlenersparniss von 11 Proc. gegenüber einer ohne
                              									Heizvorrichtung arbeitenden, denselben Dienst verrichtenden Locomotive von gleicher
                              									Bauart heraus.
                           Die Bahnordnung für die Haupt- und Nebenbahnen Deutschlands schreibt vor, dass bei
                              									angeheizten Locomotiven, solange sie still stehen, der Regulator geschlossen sein
                              									und die Locomotive unter beständiger Aufsicht stehen soll. Ist letzteres nicht der
                              									Fall, so kann es vorkommen, wie z.B. am 14. Februar 1893 auf einer westfälischen
                              									Station, dass der Regulatorhebel von einem Unberufenen geöffnet und dadurch die
                              									Maschine in Gang gesetzt wird. Glücklicher Weise war in dem genannten Falle ein
                              									Unglück irgend welcher Art nicht eingetreten, obwohl die Locomotive mehrere
                              									Stationen mit einer angeblichen Geschwindigkeit von 60 km durchfahren hat, bis sie
                              									in Folge Dampfmangels von selbst zu stehen kam.
                           Um derartige Vorfälle überhaupt unmöglich zu machen, schlägt J. Hochstein in Wanne i. W. die Anbringung einer Feststellvorrichtung am
                              									Regulator vor.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 299, S. 41
                              Feststellvorrichtung von Hochstein.
                              
                           Zu dem Zwecke ist, wie das Centralblatt der
                                 										Bauverwaltung vom 9. Mai 1891 S. 192 berichtet, in dem entsprechend grösser
                              									zu gestaltenden Schlussknaggen oder Anschlag D (Fig. 9 und 10) des Regulatorbügels
                              										B ein mittels Schlüsselzapfens a1 zu verstellender
                              									Haken a angebracht, welcher bei Schliesstellung des
                              									Regulatorhebels A (Fig. 9) in eine passende
                              									Aushöhlung oder Auskerbung des letzteren eingreift und ihn festhält. Um den Hebel
                              										A nicht zu schwächen, ist auf die hintere Seite
                              									desselben eine mit geeigneter Eingriffsöffnung für den Haken a versehene Platte A1 aufgenietet. Der eigentliche Regulatorhebel
                              									schliesst auf diese Weise gleichzeitig die Aushöhlung der Platte A1 nach aussen hin ab.
                              									Dementsprechend müsste die Regulatorwelle C um die
                              									Stärke der Platte A1
                              									(etwa 10 mm) länger sein als bisher, was sich eventuell sehr leicht durch Strecken
                              									der Welle erreichen lässt. Der Schlussknaggen oder Anschlag, gegen welchen sich der
                              									Regulatorhebel in der Schliesstellung anlegt, besteht aus einer Deckplatte I),
                              									welche auf das Ende des Bügels B aufgeschraubt ist. Ein
                              									unbefugtes Losdrehen dieser Schrauben kann durch Bleiplombensicherung verhindert
                              									werden.
                           Die Deckplatte D weist eine für die Bewegung des Hakens
                              										a erforderliche Aushöhlung auf; letztere ist
                              									mittels eines körnerartigen Ansatzes b in der
                              									Grundplatte (Regulatorbügel) und mittels eines kleinen Bundes c des Schlüsselstiftes a1 in der Deckplatte D gelagert, so dass man den Haken aus der
                              									Schliesstellung in die Fig.
                                 										9 durch punktirte Linien angedeutete geöffnete Stellung, in die Aushöhlung
                              									der Deckplatte hinein zurückdrehen kann. In beiden Stellungen wird der Haken durch
                              									eine in der Grundplatte B unter Federdruck gelagerte
                              									Muffe d gesichert, welche in den beiden genannten
                              									Endstellungen des Hakens mit ihrer Spitze zur Hälfte in die entsprechend
                              									ausgehöhlten Kanten des Sperrhakens a vorspringt.
                           Die Biegung des Sperrhakens geht etwas nach innen, so dass bei einem Versuch,
                              									den geschlossenen Hebel A zu öffnen, der Haken den
                              									Hebel nur noch mehr nach dem Anschlage D hin anzieht.
                              									Die Einsteckmuffe für den Schlüssel ist etwas über den Schlüsselstift a1 hinaus erhöht, um
                              									ein Oeffnen der Feststellvorrichtung mit Hilfe eines Werkzeuges unmöglich zu machen.
                              									Um die jeweilige Stellung des Sperrhakens auch äusserlich sichtbar zu machen, sind
                              									geeignete Marken an dem Schlüsselstift und der Einsteckmuffe für den Schlüssel
                              									vorgesehen. Falls der Schlüssel verloren gegangen ist, kann nach Zerstören der
                              									Plombe und Abschrauben der Deckplatte der Haken a mit
                              									der Hand geöffnet und in die Ruhestellung gebracht werden. Um ein Oeffnen des Hakens
                              									von der unteren oder hinteren Seite her zu verhüten, ist der Führungsbügel B so breit zu wählen, dass er die Aushöhlung der
                              									angenieteten Platte A1
                              									vollständig überdeckt.
                           Die Einstellung der zur Dampfvertheilung in den Cylindern dienenden Schieber einer
                              									Locomotive erfolgt in der Regel mittels einer Coulissensteuerung, welche für jeden
                              									Schieber aus zwei Excentern, deren Stangen und einer die Schieberstange
                              									bethätigenden Coulisse besteht, durch deren Heben und Senken jeder gewünschte
                              									Expansionsgrad erhalten bezieh. eine Umkehr der Bewegung erreicht wird. Diesen
                              									immerhin complicirten Mechanismus sucht David Joy, der
                              									Erfinder der bekannten Lenkersteuerung, durch einen einfacheren, mittels
                              									Flüssigkeitsdruckes in Gang gebrachten Mechanismus zu ersetzen, der sich aus je nur
                              										einem Excenter für Vor- und Rückwärtsgang und
                              									angreifender Stange zusammensetzt, welche letztere die Schieberstange unmittelbar
                              									bethätigt.
                           Um dieses zu erreichen, ist nach Mittheilungen in Revue
                                 										industrielle vom 6. April 1895 S. 133 auf der Treibachse der Locomotive ein
                              									viereckig gestalteter Muff B (Fig. 11 und 12) befestigt, über
                              									welchen die zur Bewegung der Vertheilungsschieber beider Cylinder dienenden Excenter
                              										E greifen. Dieselben sind derart ausgebildet, dass
                              									sie sich auf dem Muffe B, der beiderseits Kolben R mit Dichtungsringen trägt, welche in mit Oel
                              									angefüllte Cylinder an den Enden der coulissenartigen Aussparungen der Excenter
                              									eindringen, hin und her bewegen, und zwar geschieht dies, sobald das Oel in dem
                              									einen dieser Cylinder comprimirt wird und aus dem anderen ausströmt. Die Cylinder
                              									entfernen bezieh. nähern sich dann ihren Kolben und die Excenter führen eine
                              									entsprechende Querbewegung hinsichtlich ihrer Achse aus, so dass die mit ihnen
                              									verbundenen Schieber aus der der Vorwärtsbewegung der Locomotive entsprechenden Lage
                              									in jene für die Rückwärtsbewegung oder umgekehrt bezieh. in irgend welche
                              									Zwischenlage gelangen, wenn die Wirkung des Oeles in einem passenden Augenblicke
                              									unterbrochen wird.
                           Die zwei Paar Kolben R des Muffes B stehen rechtwinklig zu einander, so dass die Excenter
                              										E in bekannter Weise auf die Schieber einwirken.
                              									Der Muff B besteht aus zwei in diagonaler Richtung
                              									durch Ansätze zusammengefügten Theilen, wie auch die Excenter sich aus zwei
                              									symmetrischen, durch Schraubenbolzen mit einander verbundenen Hälften
                              									zusammensetzen. Die coulissenartigen Aussparungen der Excenter liegen derart, dass
                              									letztere eine Ortsveränderung rechtwinklig zur Kurbelachse auszuführen im Stande
                              									sind, wenn der Kolben an dem einen oder anderen äussersten Ende seines Hubes steht.
                              									Liegen Schieberstange und Achse des Cylinders der Maschine in der gleichen
                              									Verticalebene nicht zu einander parallel, so müssen die Excenter und ihr Muff derart
                              									auf der Achse angebracht werden, dass bei der einen oder anderen Todtpunktlage der
                              									Kurbeln die Coulissen mit den zugehörigen Schieberstangen und nicht mit ihren
                              									Kolbenstangen einen rechten Winkel bilden.
                           Damit die Excenter ihre nöthigen Bewegungen ausführen können, sind die Cylinder
                              									derselben durch eine mit Oel angefüllte Leitung, welche vom Innern der Kurbelwelle
                              									ausgeht und nach einem stets mit Oel gefüllten Cylinder auf der Plattform der
                              									Locomotive führt, verbunden. Der Führer bethätigt den Kolben dieses Cylinders mit
                              									Hilfe eines Schraubenmechanismus, wie er sich auch an Locomotiven mit
                              									Coulissensteuerungen nach Stephenson, Allan u.a. zur
                              									Regulirung des Ganges vorfindet. Das Oel wird an dem einen Ende des Cylinders
                              									herausgedrückt, während es in gleicher Menge am anderen Cylinderende wieder
                              									zuströmt. Die von beiden Enden des Oelcylinders ausgehenden Leitungen münden an den
                              									Stirnflächen der Treibachse in mit Drehzapfen versehene Stopfbüchsen, welche derart
                              									construirt sind, dass sie hohen Drücken genügenden Widerstand entgegensetzen; von da
                              									tritt das Oel, wie Fig.
                                 										13 erkennen lässt, durch Bohrungen der Achse und der Kurbelarme in
                              									diametral gegenüber liegende, beiden Excentern gemeinschaftliche Aushöhlungen SS (Fig. 11) des Muffes B und schliesslich durch Oeffnungen derselben in das
                              									Innere der ringförmigen Kolben R bezieh. aus diesen in
                              									den Oelcylinder zurück.
                           Das Oel bewegt sich hiernach in der einen Leitung aus dem Steuercylinder bis zu den
                              									Excentern und veranlasst die Verschiebung derselben nach der einen oder anderen
                              									Richtung, und zwar je nach der zugeführten Oelmenge um grössere oder kleinere
                              									Beträge, während das in Folge der Excenterbewegung austretende Oel in der anderen
                              									Leitung nach dem Steuercylinder zurück gelangt, um dort den durch die
                              									Ortsveränderung des Steuerkolbens entstandenen leeren Raum wieder auszufüllen.
                           Um die Stabilität der beiden Excenter zu sichern und ferner eine Bewegung derselben
                              									in jedem Augenblicke zu ermöglichen, hat man sie durch eine auf der inneren Fläche
                              									des einen von ihnen befestigten Gleitbackens, welcher sich in einer in der
                              									entsprechenden Wandung des anderen Excenters um 45° geneigt angebrachten Nuth führt,
                              									mit einander verbunden. Bewegt man behufs Umsteuerung der Maschine das eine Excenter
                              									nach abwärts, so wird auch das andere Excenter in Folge der schrägen, um 45°
                              									geneigten Lage der Nuth um einen gleichen Betrag wagerecht verschoben. In allen
                              									Zwischenstellungen behalten nun die Excenter ihre Lage zu einander und unterstützen
                              									sich bei Verschiebungen gegenseitig, wodurch die zu ihrer Bewegung erforderliche
                              									Spannung des Oeles herabgemindert werden kann; letztere variirt von 4,20 bis
                              									ungefähr 7 k auf jeden Quadratcentimeter Druckfläche. Die Kolbenstange des mit Oel
                              									gefüllten Steuercylinders tritt mit ihrer Verlängerung in einen kleinen
                              									Luftcylinder, welcher nach Oeffnen eines Vierwegehahnes auf der einen oder anderen
                              									Seite seines Kolbens comprimirte Luft von der Westinghouse-Bremse erhält, so dass
                              									eine Aenderung des Ganges der Maschine mit Leichtigkeit bewirkt werden kann.
                           Falls Oelverluste in den Leitungen oder Beschädigungen der aus Leder gefertigten
                              									Dichtungsscheiben der Kolben R eintreten sollten,
                              									gelangen die Excenter je nach der Bewegung der Locomotive ohne weiteres in ihre
                              									äussersten Vor- bezieh. Rückwärtsstellungen und es kann dann der Führer immer noch
                              									die Geschwindigkeit der Maschine durch Drosselung des Einströmdampfes mittels des
                              									Regulators regeln; irgend welche Gefahr bleibt vollständig ausgeschlossen.
                           Versuche, welche mit einer mit der besprochenen Einrichtung versehenen Locomotive der
                              									London und Brighton-Eisenbahn angestellt wurden, ergaben nach unserer Quelle
                              									gegenüber einer Locomotive mit gewöhnlicher Coulissensteuerung eine Kohlenersparniss
                              									von 4 Proc.
                           Der Mechanismus soll sich namentlich auch für Schiffsmaschinen vorzüglich eignen.
                           The Engineer vom 6. April 1894 bringt einen vor der
                              									Institution of Naval Architects gehaltenen Vortrag von D.
                                 										Joy, in welchem derselbe die Anordnung seiner Erfindung an einer mit
                              									dreifacher Expansion des Dampfes arbeitenden Schiffsmaschine bespricht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 299, S. 42
                              Umsteuerung von Joy.
                              
                           Die Baldwin'schen Locomotivwerke haben nach der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und
                                 										Architektenvereins vor Kurzem eingehende Versuche über die Verwendbarkeit
                              									des Erdöls als Brennmaterial für Locomotiven angestellt (1893 287 * 30). Die hierzu verwendete Locomotive war eine Verbundlocomotive,
                              									System Vauclain (1893 287 *
                              									25), und hatte nachstehende Hauptabmessungen:
                           
                              
                                 Durchmesser des Hochdruckcylinders
                                 355
                                 mm
                                 
                              
                                          „            „   Niederdruckcylinders
                                 610
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 610
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Treibräder
                                 1,8
                                 m
                                 
                              
                                 Gesammte Heizfläche
                                 198
                                 qm
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 2,51
                                 qm
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 60,4
                                 t
                                 
                              
                           Zunächst wurde der Erdölbrenner in der Feuerbüchsenthür angebracht und über der Thür
                              									im Innern der Feuerbüchse ein Ziegelgewölbe hergestellt; weiter entfernte man die
                              									Roststäbe und legte längs den zwei Seitenwänden und der Rückwand eine Ziegelschaar
                              									von 100 mm Stärke; auch der Boden der Feuerbüchse wurde mit Ziegeln belegt, daselbst
                              									jedoch ein entsprechendes Stück in der Mitte frei gelassen. Vor der Rohrwand befand
                              									sich das übliche Gewölbe. Probefahrten mit dieser Locomotive fanden bei zwei
                              									gewöhnlichen Zügen statt; der eine, bestehend aus 25 beladenen Wagen mit einem
                              									Gesammtgewicht von 724 t, verkehrte auf der 41,35 km langen Strecke von Philadelphia
                              										bis East
                              									Junction, der andere, bestehend aus 20 beladenen Wagen mit einem Gesammtgewicht von
                              									584 t, auf der 103 km langen Strecke von East Junction bis Canton. Bei diesen
                              									Versuchsfahrten verbrannte das Erdöl ohne Rauchentwickelung, die Verdampfung vollzog
                              									sich rasch. Der Verbrauch an Oel belief sich bei beiden Fahrten zusammen auf 3010 k,
                              									das ist 180 k in der Stunde und für 1 qm Rostfläche; an Wasser wurden 32202 k
                              									verbrannt, das ist 24,6 k in der Stunde und für 1 qm Heizfläche oder 10,69 k auf 1 k
                              									Oel.
                           Bei einem zweiten Versuche wurde das Gewölbe oberhalb des Brenners entfernt, die
                              									Oeffnung am Boden der Feuerbüchse nach rückwärts etwas vergrössert, das
                              									Ziegelgewölbe vor der Feuerrohrwand um einen Ziegel verlängert und überdies mittels
                              									des Blasrohres ein kräftiger Luftzug erzeugt. Diese Einrichtung ergab bessere
                              									Resultate als die erste. Bei der Versuchsfahrt, die mit einem Güterzuge, bestehend
                              									aus 30 Wagen mit einem Bruttogewicht von etwa 563 t, auf der 88 km langen Strecke
                              									von Wayne-Junction nach Bound-Brook unternommen wurde, betrug der Verbrauch an Erdöl
                              									1452 k, das ist 197 k in der Stunde und für 1 qm Rostfläche, und verdampfte eine
                              									Wassermenge von 15491 k, das ist 26,7 k in der Stunde und für 1 qm Heizfläche oder
                              									10,67 k auf 1 k Oel. Die Dampfspannung im Kessel erhielt sich während dieser Fahrt
                              									beständig auf 12 at.
                           Bei dem dritten Versuche änderte man die Einrichtung dahin ab, dass man den
                              									Erdölbrenner unterhalb der Feuerthür am Schlussring der Feuerbüchse derart
                              									anbrachte, dass das Erdöl unter einem spitzen Winkel nach aufwärts in die
                              									Feuerbüchse gespritzt wurde; gleichzeitig machte man das Gewölbe vor der
                              									Feuerrohrwand etwas niedriger, um den Raum zwischen demselben und der
                              									Feuerbüchsendecke zu vergrössern, und entfernte auch die Ziegel vom Boden der
                              									Feuerbüchse, indem man an ihre Stelle einige Roststäbe, welche mit Chamotteziegel
                              									bedeckt wurden, einlegte. Diese Einrichtung lieferte die besten Ergebnisse. Die
                              									Versuchsfahrt fand auf der 84 km langen Strecke von Wayne-Junction nach Port Reading
                              									mit einem aus 26 beladenen und einem leeren Kohlenwagen bestehenden, 661 t schweren
                              									Zuge statt. Die mittlere Dampfspannung im Kessel betrug auch in diesem Falle 12 at.
                              									Es wurden hierbei 1680 k Erdöl, das ist 200 k in der Stunde und für 1 qm Rostfläche,
                              									verbraucht und 17767 k Wasser, das ist 26,9 k in der Stunde und für 1 qm Heizfläche
                              									oder 10,58 k auf 1 k Oel, verdampft.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)