| Titel: | Rundstuhl mit elektrischem Antriebe. | 
| Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 132 | 
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                        Rundstuhl mit elektrischem Antriebe.
                        Mit Abbildung.
                        Rundstuhl mit elektrischem Antriebe.
                        
                     
                        
                           Zum Betrieb von Rundwirkmaschinen für Tricotagenerzeugung wird neuerdings
                              									Elektricität direct verwendet. Um die zu erwartende Bedeutung derselben für diesen
                              									Industriezweig zu erkennen, genügt es, darauf hinzuweisen, wie bei den heutigen
                              									Verhältnissen zwischen Gross- und Kleinbetrieb die Lage des letzteren sich immer
                              									ungünstiger gestaltet. Während der Grossbetrieb mit Hilfe der ihm meistens zu Gebot
                              									stehenden bedeutenden Geldmittel die Handarbeit mehr und mehr durch motorische Kraft
                              									ersetzt, ist der Kleinbetrieb in den meisten Fällen dazu nicht in der Lage; er kann
                              									nicht so billig wie jener fabriciren, er ist also bedeutend im Nachtheil.
                           Bis zu Anfang der 70er Jahre trat dieser Unterschied weniger hervor, es musste eben
                              									jeder Rundstuhl mit Hand betrieben werden. Bei sehr grossen Stühlen hatte man schon
                              									früher ab und zu Antriebscheiben für Riemenbetrieb angebracht. Nichtsdestoweniger
                              									bedurfte jeder Stuhl einer aufmerksamen Bedienung, weil es an einer zuverlässigen
                              									Abstellvorrichtung fehlte, welche den Stuhl zum Stillstand bringen konnte, sobald
                              									Fadenbruch oder irgend welche Störungen im Mechanismus eintraten. Die einzige
                              									Vorrichtung dieser Art war ein Apparat, der beim Verarbeiten einfacher Fäden Verwendung finden konnte und welcher lediglich auf die
                              									Abschlagsohle wirkte, wenn eine Spule abgelaufen war oder ein Fadenbruch während des Ganges vorkam. Damit konnte lediglich
                              									verhütet werden, dass das Stoffstück – der Sack – von den Nadeln abgeworfen, wenn
                              									kein Faden zugeführt wurde; der Stuhl selbst lief ungestört weiter.
                           Zu Anfang der 70er Jahre trat eine gründliche Aenderung und damit ein bedeutender
                              									Aufschwung dieses Industriezweiges ein. An Stelle des Handbetriebes konnte
                              									Motorbetrieb treten in der Art, dass man eine neu erfundene, für diesen Zweck sehr
                              									geeignete Riemenscheibe mit Frictionsvorrichtung, ebenso eine Klauenkuppelung auf
                              									die Antriebwelle setzte und damit in sinnreicher Weise eine neu geschaffene
                              									Vorrichtung in Verbindung brachte, die dann in Thätigkeit treten konnte, wenn bei
                              									einer Kulirstelle zwei Fäden zugeführt wurden und von diesen bloss einer ausging. Es wurde alsdann nicht allein der
                              									Abschlagapparat ausgerückt, sondern auch der Stuhl selbst stillgestellt.
                           Diese Vorrichtung trat damals, mit ziemlicher Vollkommenheit ausgeführt, an die
                              									Oeffentlichkeit und ist im Princip volle 20 Jahre hindurch unverändert geblieben. Im
                              									Detail hat die Ausführung sich vervollkommnet, aber eine Grundbedingung ist eben
                              									immer geblieben: eine Transmission mit den entsprechenden Riemen musste vorhanden
                              									sein, mochte nun die Krafterzeugung durch Dampf, Wasser, Gas, Wind oder Elektricität
                              									erfolgen.
                           Es lag in der Natur der Sache, dass man bestrebt sein musste, in Arbeitssälen die
                              									Stühle in grosser Anzahl aufzustellen, wo sich auch die Transmissionsanlagen vortheilhaft verwerthen
                              									liessen. Dies alles hat aber in erster Linie dem Grossbetrieb neue Bahnen geöffnet,
                              									der Kleinbetrieb konnte wenig und meist nur dann Vortheil davon ziehen, wenn sich
                              									seine Betriebsmaschinen mit einer für andere Zwecke vorhandenen Kraftanlage in
                              									Verbindung bringen liessen.
                           In ein neues Stadium tritt der Betrieb von Rundstühlen durch den von der Firma R. Stahl in Stuttgart construirten und ihr geschützten
                              									directen Antrieb mittels Elektricität. Hierdurch wird der Kraftbetrieb auch
                              									ermöglicht bei nur einzelnen vorhandenen Stühlen und wo selbe auch immer aufgestellt
                              									sein mögen, ebenso wie in den grossen und grössten Anlagen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 299, S. 132
                              Wirkmaschine mit elektrischem Betriebe.
                              
                           Ein Stahl'scher Rundstuhl, zu dem die bekannte
                              									elektrotechnische Fabrik C. und E. Fein in Stuttgart
                              									den Elektromotor aptirt hatte, war unter anderem auf der Nordböhmischen
                              									Industrieausstellung und internationalen Ausstellung von Kleinmotoren in Teplitz in
                              									Betrieb zu sehen, wo demselben die goldene Medaille zuerkannt wurde.
                           Ein Stahl'scher Rundstuhl von gleicher Bauart, bloss
                              									eine Nummer grösser als der vorgenannte, war inzwischen in Karlsruhe in der
                              									elektrotechnischen Ausstellung – Abtheilung C. und E. Fein
                                 										– in Betrieb zu sehen und hat viel Interesse erregt.
                           Die Bedienung des Rundstuhles bietet gar keine Schwierigkeit und kann jedem
                              									Rundstuhlkundigen ohne weiteres übertragen werden. Wie die Abbildung zeigt, ist in
                              									die Maschinenstange des Rundstuhles ein zierlicher Elektromotor eingebaut, welcher
                              									bei 2000 minutlichen Umdrehungen etwa 1/15  entwickelt. Er überträgt mittels eines
                              									auf seiner Achse angebrachten Rohhauttriebes seine Kraft auf Zahnräder, welche den
                              									Stuhlkörper, der bekanntlich kreisrunde Form hat und auf der Hauptachse drehbar
                              									montirt ist, mit etwa 25 bis 30 minutlichen Umdrehungen in Thätigkeit setzen. Durch
                              									Bewegung eines kleinen Hebels kann die Maschine zum Stillstand oder in Bewegung
                              									gebracht werden.
                           Die Maschine ist ausserdem mit einer automatischen Vorrichtung versehen, welche es
                              									ermöglicht, dass sie ohne Aufsicht arbeiten kann. Beim Bruch eines Fadens oder einer
                              									Nadel tritt eine selbsthätige Abstellvorrichtung in Thätigkeit, welche momentan den
                              									Rundstuhl zum Stillstand bringt, bis ein neuer Faden eingezogen oder der Fehler
                              									gehoben ist.
                           Tritt durch irgend einen Umstand eine Ungleichmässigkeit, ein Loch o. dgl. in der
                              									Waare ein, so kommt ebenfalls die erwähnte Abstellvorrichtung in Thätigkeit, während
                              									bei einer Hemmung am Stuhlkörper der Elektromotor durch Auslösung einer
                              									Frictionskuppelung von demselben getrennt wird, so dass der erstere ruhig weiter
                              									läuft, während der Rundstuhl selbst stillsteht. Dadurch wird erreicht, dass
                              									einestheils der Rundstuhl vor schädlichen Kraftäusserungen des Motors, anderentheils
                              									der Elektromotor vor Ueberlastung geschützt wird.