| Titel: | Ueber die Weiterentwickelung der Dampfmaschine. | 
| Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 265 | 
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                        Ueber die Weiterentwickelung der
                           								Dampfmaschine.
                        (Schluss der Abhandlung S. 241 d. Bd.)
                        Ueber die Weiterentwickelung der Dampfmaschine.
                        
                     
                        
                           Man spricht häufig von einer Heizung des expandirenden Dampfes durch den Dampfmantel,
                              									und doch ist leicht nachweisbar, dass hier von einer nennenswerthen Wärmezufuhr zum
                              									Betriebsdampfe nicht die Rede sein kann. Andererseits ist es auffällig, dass die
                              									Expansionscurve des Dampfes sowohl bei ungeheizten als bei geheizten Cylindern sich
                              									über die Mariotte'sche Linie erhebt, und man schreibt
                              									die Hauptursache dieser Erscheinung der Einwirkung der Cylinderwand zu. Wiederum ist
                              									es leicht nachweisbar, dass die Cylinderwand in der kurzen Dauer einer Hubperiode
                              									gar nicht so viel Wärme aufzuspeichern vermag, als nöthig wäre, um die
                              									Expansionscurve so stark zu heben, und wir stehen hier anscheinend vor einem
                              									Räthsel.
                           Zur Klarstellung der Sache muss ich zunächst auf die drei hauptsächlichsten Curven
                              									hinweisen, nach denen die Expansion des Dampfes im Cylinder möglicher Weise
                              									stattfinden kann.
                           Da ist zunächst die adiabatische Curve, welche entsteht, wenn der Dampf ohne
                              									Zuleitung von Wärme sich arbeitverrichtend ausdehnt. Die Gesammtwärme des Dampfes
                              									von niedrigerem Druck ist bekanntlich geringer als diejenige des Dampfes von höherer
                              									Spannung. Während also der Dampfdruck bei der Expansion sinkt, wird ein Theil dieser
                              									Wärme frei. Andererseits leistet der Dampf aber Arbeit. Das Wärmeäquivalent dieser
                              									mechanischen Arbeit ist beim Wasserdampf nun grösser als die frei werdende Wärme,
                              									und das Deficit kann nur dadurch gedeckt werden, dass ein Theil des Dampfes sich
                              									condensirt, also die grosse Dampfwärme frei macht. Daher wird der Wasserdampf bei
                              									der Expansion nach der adiabatischen Curve immer nässer, je weiter die Expansion
                              									fortschreitet. Beim Aether ist das erwähnte Verhältniss zwischen der frei werdenden
                              									Wärme und der Arbeitsleistung ein umgekehrtes. Wenn Aetherdampf adiabatisch
                              									expandirt, so überhitzt er sich.
                           Denkt man sich dem Wasserdampfe während der Expansion so viel Wärme zugeführt, dass
                              									keine Condensation entsteht, sondern der Dampf beständig trocken und gesättigt
                              									bleibt, so entsteht die Grenzcurve oder eine Curve constanter Dampfmenge, und, wenn
                              									wir die Wärmezufuhr weiter vergrössern, so kann eine gleichseitige Hyperbel
                              									entstehen. Das ist die Mariotte'sche Linie.
                           Bei der Expansion des ursprünglich trockenen gesättigten Dampfes unterhalb der
                              									Grenzcurve findet also Condensation statt, bei der Expansion oberhalb der Grenzcurve
                              									dagegen Ueberhitzung. Also auch während der Expansion nach der Mariotte'schen Curve müsste anfangs trockener
                              									gesättigter Dampf sich überhitzen.
                           Wir haben aber im Cylinder der Dampfmaschine, ohne dass Ueberhitzung einträte,
                              									eine Expansionscurve, welche die Mariotte'sche Linie
                              									noch übersteigt.
                           Bei Maschinen ohne Dampfmantel verläuft die Curve zunächst unterhalb der Mariotte'schen Linie, erhebt sich aber im Verlaufe der
                              									Expansion über dieselbe. Bei Maschinen mit Mantel verbleibt die Curve von Anfang an
                              									oberhalb der Mariotte'schen Linie.
                           Ermitteln wir einmal, welche Wärmemenge nöthig ist, um die Expansion von der
                              									adiabatischen Curve nur bis zur Grenzcurve zu verlegen.
                           Es mögen die gleichen Verhältnisse wie in dem letzterwähnten Beispiele angenommen
                              									werden, also ein Druck von 7,7824 k vor und von 1 at nach der Expansion.
                           Die Expansionsarbeit für die Grenzcurve ist (s. Zeuner, T.
                                 										Th., Bd. 2 S. 97):
                           Le=
                              									15,48 (p1v1 – pv) . . . . . . (7)
                           
                              
                                 Le= 15,48 (19263 – 17057)
                                 = 34149 mk
                                 
                              
                                 die Expansionsarbeit der Adiabate da-          gegen (s. oben)
                                 = 30464  „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 die Mehrleistung also
                                      3685 mk
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 auf eine Gesammtleistung (s. oben) von
                                    34501 mk
                                 
                              
                           Die während der Expansion auf der Grenzcurve zuzuführende Wärmemenge ist (s. Zeuner, T. Th., Bd. 2 S. 101):
                           Q = (q + ϱ) – (q1+ ϱ1) + AL
                           
                              Q=(170,322+442,225)-(100,5+496,3)+\frac{34149}{424}=96,32\mbox{
                                 										Cal.}
                              
                           Es muss also der Wärmeaufwand um 14,6 Proc. vergrössert werden, während die
                              									mechanische Arbeit nur um 10,7 Proc. wächst. Die Mantelheizung hat also direct
                              									schädlich gewirkt. Ferner geht aber auch aus der Rechnung hervor, dass der
                              									Wärmeaufwand für die Mantelheizung ein ganz ungeheurer sein müsste, wenn die
                              									Expansionscurve auch nur die Grenzcurve erreichen soll; denn wie nachgewiesen,
                              									müsste durch den Mantel der siebente Theil derjenigen Wärme in den Cylinder
                              									eintreten, welche die gesammte Kesselfeuerung erzeugt. Das ist undenkbar. Wollte man
                              									andererseits die Wirkung derjenigen Wärme, die thatsächlich durch den Mantel geht,
                              									als Veränderung der adiabatischen Curve veranschaulichen, so würde diese Abweichung
                              									in einer Diagrammzeichnung von üblicher Grösse noch kaum erkennbar sein.
                           Woher stammt denn nun die grosse Abweichung von der adiabatischen Curve, und woher
                              									kommt es, dass die Mantelheizung bei den ausgeführten Anlagen thatsächliche und zum
                              									Theil recht erhebliche Vortheile ergibt?
                           ZeunerTechn. Thermodynamik, Bd. 2 S. 94
                                       											ff. sucht für die Abweichung der Curve eine Erklärung darin
                              									zu finden, dass der Dampf im Cylinder eine nicht umkehrbare Zustandsänderung
                              									durchmacht.
                           
                           Dafür gibt es aber nicht den geringsten Anhalt. Die Kolbengeschwindigkeit ist
                              									keineswegs so gross, dass der Druck am Kolben geringer sein könnte, als am
                              									Cylinderdeckel. Auch an einer verkehrten Anzeige des Indicators, etwa einem
                              									Nacheilen des Indicatorkolbens, kann es nicht liegen, sonst müsste zwischen der
                              									indicirten und der effectiven Arbeit ein Missverhältniss sein; auch ist ein solches
                              									Nacheilen des Indicatorkolbens bei grossen langsam laufenden Maschinen, die doch
                              									auch die Abweichung der Curve zeigen, nicht anzunehmen.
                           Es ist nur noch eine Ursache denkbar, in Folge deren die Expansionscurve flacher
                              									verlaufen könnte als die Adiabate, nämlich der Wassergehalt des Dampfes. Nun kann
                              									der in den Cylinder eintretende Dampf ja einen gewissen Procentsatz Wasser
                              									mitführen; aber die Expansionscurve würde, etwa durch 5 Proc. oder 10 Proc.
                              									Wassergehalt, noch nicht wesentlich beeinflusst werden. Erst wenn der Wassergehalt
                              									etwa 50 Proc. beträgt, wird die Dampfmenge nach der Expansion ungefähr ebenso gross
                              									sein wie zu Anfang derselben, und erst bei noch grösserem Wassergehalt wird die Mariotte'sche Linie überschritten. Wenn nun auch ein so
                              									grosser Wassergehalt im Dampfe nicht vorkommt, so genügt doch das Vorhandensein
                              									einer dem Volumen nach ganz geringen Wassermenge im
                              									Cylinder vor Eintritt des Dampfes, um den Verlauf der Expansionscurve, wie wir ihn
                              									in den ausgeführten Maschinen beobachten, zu erklären.
                           Es ist bekannt, dass man die Cylinder, auch die geheizten, durch Sicherheitsventile
                              									gegen Wasserschlag schützt. Das Vorhandensein einer gewissen Wassermenge im Cylinder
                              									kann überhaupt als unzweifelhaft vorausgesetzt werden.
                           Man denke sich einen Cylinder von 900 l Inhalt mit einer Füllung von 240 l. Dann wird
                              									bei Schluss des Einlassventils bei 8 at Spannung gerade 1 k Dampf hinter dem Kolben
                              									enthalten sein. Ist nun im schädlichen Raume, also in einem Raume von etwa 50 l, nur
                              										ein Liter Wasser vorhanden, so ist dessen Gewicht
                              									schon dem Gewichte der ganzen Dampffüllung gleich, und diese mehr oder weniger
                              									zusammenhängende Wassermenge wird sich fast genau so verhalten, als ob das gleiche
                              									Wassergewicht in dem Dampfe in Nebelform vertheilt sein würde.
                           Es ist also das entscheidende Gewicht auf das im Cylinder bei Eintritt des Dampfes
                              									bereits vorhandene Wasser zu legen.
                           Sind z.B. in dem erwähnten Cylinder 2 l Wasser von 100° C. vorhanden, und würde man
                              									nun 1 k Dampf von 8 at in den Cylinder eintreten lassen, so müssten von der
                              									Gesammtwärme dieses Dampfes von 658 Cal. 143 Cal. aufgewendet werden, um die 2 l
                              									Wasser bis auf 170° C. zu erwärmen. Von dem eintretenden Dampfe gehen also 22 Proc.
                              									verloren, welche die gleiche Füllung mehr erfordert, und die Expansionscurve wird so
                              									verlaufen, als ob der Dampf 74 Proc. Wasser enthielte.
                           Die Erhitzung des eingeschlossenen Wassers wird mit grosser Schnelligkeit geschehen,
                              									weil an die Stelle des condensirten Dampfes beständig frischer Dampf tritt. Bei der
                              									schnell erfolgenden Expansion des Dampfes versiedet ein Theil des Wassers
                              									explosionsartig, daher der nicht ganz regelmässige Verlauf der Expansionscurve.
                              									Durch dieses Versieden des Wassers erscheint die anfänglich bei hohem Druck
                              									verschwundene Dampfmenge bei niedrigerem Druck wieder, und es wird so nur ein
                              									kleinerer Theil der verlorenen Kraft wiedergewonnen.
                           Jede Wasseransammlung im Cylinder wirkt also
                                 										kraftvernichtend. Die Wasseransammlung entsteht bei ungeheizten Cylindern
                              									leicht in Folge der Condensation an den kühleren Wänden. Aber auch bei geheizten
                              									Cylindern muss man annehmen, dass sich beständig geringe Wassermengen in Folge
                              									Ausschleuderns aus dem mehr oder weniger nassen Dampfe beim Eintritt ausscheiden.
                              									Von jeder so ausgeschiedenen kleinen Wassermenge verdampft während der Admission
                              									nichts und während der Expansion nur ein Theil, so dass nach Verlauf einiger Zeit
                              									sich eine ständige Wasseransammlung auch in einem mit Betriebsdampf geheizten
                              									Cylinder bilden wird.
                           Der ganze Unterschied in dem Verhalten des Dampfes in Cylindern mit und ohne
                              									Dampfmantel liegt anscheinend darin, dass in den ungeheizten Cylindern die Erhitzung
                              									der übrigens grösseren Wassermenge nach Schluss des Dampfeintrittes noch fortdauert,
                              									das Versieden also erst während der Expansion beginnt, während die Erhitzung dieses
                              									Wassers bei den mit Betriebsdampf geheizten Cylindern schon vor Ventilschluss
                              									beendet ist.
                           Hinsichtlich des Einflusses der Cylinderwand ist die geringe specifische Wärme des
                              									Eisens = 0,114 zu berücksichtigen; hauptsächlich aber der Umstand, dass die mittlere
                              									Temperaturschwankung in der Cylinderwand eine sehr geringe ist im Vergleich zur
                              									Temperaturschwankung des im Cylinder enthaltenen Wassers. Als Beweis kann auch
                              									gelten, dass der Einfluss der Cylinderwand bei überhitztem Dampf und bei
                              									atmosphärischer Luft ein sehr geringer ist, obgleich bei beiden die
                              									Temperaturdifferenzen bei der adiabatischen Zustandsänderung viel grosser sind als
                              									beim gesättigten Wasserdampfe. Es erscheint somit der Einfluss des Wassers im
                              									Cylinder der Dampfmaschine grosser als der Einfluss der Cylinderwand und ersterer
                              									als eigentliche Ursache des erheblichen Abweichens der Expansionslinie von der
                              									Adiabate.
                           Ganz besonders verursacht das Wasser auch einen Kraftverlust bei der Compression;
                              									denn die Compressionscurve verläuft in Folge der vermehrten Condensation sehr flach
                              									und, damit die nöthige Druckhöhe erreicht werde, muss die Compression früher
                              									beginnen, als es ohne Wasseransammlung erforderlich sein würde. Die Fläche, welche
                              									die Compressionscurve umschliesst, vergrössert sich also, je mehr Wasser im Cylinder
                              									vorhanden ist, ohne dass doch mit dem vermehrten Kraftaufwande auch eine
                              									entsprechend vermehrte Kraftaufspeicherung verbunden wäre.
                           In Folge der Mantelheizung mit Betriebsdampf sind gegenüber den Maschinen ohne
                              									Dampfmantel recht erhebliche Ersparnisse an Dampf erreicht worden, bei
                              									eincylindrigen Auspuffmaschinen bis zu 35 Proc. Da aber auch die Expansionscurve der
                              									Maschinen mit Mantelheizung immer noch das Vorhandensein von Wasser im Cylinder und
                              									somit dessen schädlichen Einfluss beweist, so sollte demnach, um weitere Ersparnisse
                              									zu erreichen, dahin gestrebt werden, Wasseransammlungen im Cylinder gänzlich zu
                              									beseitigen, und das kann am richtigsten geschehen, wenn man den Mantel, der
                              									natürlich auch die Cylinderdeckel umfassen muss, aus einem besonderen kleinen
                              									Hilfskessel mit Dampf von etwas höherer Spannung heizt, als sie der Betriebsdampf
                              									besitzt. Das im Cylinder tropfbar flüssig vorhandene Wasser wird dann fortdauernd
                              									versieden und dadurch entfernt werden. Damit nun nicht neues Wasser mit dem
                              									eintretenden Dampfe ausgeschieden werde, müsste dieser durch einen gleichfalls aus dem
                              									Hilfskessel geheizten Ueberhitzer um wenige Grad überhitzt werden, nicht zu dem
                              									Zwecke, das Volumen zu vergrössern, was bei grossen Maschinen, wie nachgewiesen,
                              									nutzlos sein würde, sondern lediglich zu dem Zwecke, den Dampf zu trocknen. Die
                              									Benutzung eines Hilfskessels zum Ueberhitzen empfiehlt sich besonders deshalb, weil
                              									der Wärmedurchgang von den Verbrennungsgasen direct zum Dampfe unvortheilhaft ist
                              									oder doch eine sehr grosse Heizfläche erfordern würde.
                           Eine Heizung der Receiver erscheint schädlich, wie jede Wärmezufuhr zum expandirenden
                              									Dampfe. Die Wasserabscheidung in den Receivern ist wegen der geringen
                              									Druckschwankungen im Receiver dagegen unschädlich und sogar nothwendig, damit der
                              									Dampf nicht mit zu grossem Wassergehalt in die Niederdruckcylinder eintritt.
                           Es würde noch die Frage zu erörtern sein, ob man letztere mit Dampf von höherer
                              									Spannung, mit Betriebsdampf oder mit Dampf aus dem Receiver heizen soll. Der den
                              									Niederdruckcylindern zuströmende Dampf ist auf alle Fälle nass. Die Heizung muss nun
                              									dauernde compacte Wasseransammlungen verhindern, ohne dem Dampfe eine erhebliche
                              									Wärmemenge zuzuführen.
                           Vielleicht würde es sich empfehlen, die Mitte des Cylinders, also den Mantel im
                              									mathematischen Sinne mit Dampf aus dem Receiver, die Deckel dagegen mit
                              									Betriebsdampf zu heizen. Vielleicht empfiehlt es sich mehr, den ganzen Mantel des
                              									Niederdruckcylinders mit gedrosseltem Dampf zu heizen von einer Spannung, welche
                              									zwischen dem Druck im Receiver und der Kesselspannung liegt.
                           Rechnerisch lässt sich der Sache nur schwer beikommen, aber der praktische Versuch
                              									kann hier noch viel Nutzen schaffen, sobald man das zu erstrebende Ziel: Entfernung
                              									des Wassers ohne Heizung des Dampfes, nicht aus den Augen verliert.
                           Was nun den der Wasserdampfmaschine eigenthümlichen Verlust in Folge ungenügender
                              									Expansion anbelangt, so ist dessen Beseitigung nur bei Verwendung anderer
                              									Flüssigkeiten möglich. Nehme ich als Maass für die Expansion das Volumen des
                              									gesättigten Dampfes bei den verschiedenen Drucken an, so liegt bei der heutigen
                              									Condensationsdampfmaschine zwischen den Drucken 10,26 k = 180° C. und 0,6 k
                              									eine 14,4fache Expansion vor. Bei 0,6 k ist die Temperatur des Dampfes aber noch
                              									85,5° C. Wollte man nun die Expansion zu einer vollkommenen machen bis 30° C. oder
                              									einer Dampfspannung von 0,043 k herunter, so müsste man eine 174fache Expansion
                              									anwenden, was unmöglich ist, da man schon heute an den Grenzen des Möglichen bezieh.
                              									praktisch Erlaubten angelangt ist. Setzt man für den Hubraum einer heutigen
                              									Condensationsdampfmaschine die Zahl 100, so würde man für den Hubraum einer
                              									Wasserdampfmaschine mit vollkommener Expansion die Zahl 1011 erhalten.
                           In nachstehender Tabelle sind vier Flüssigkeiten aufgeführt, welche als Ersatz für
                              									das Wasser benutzt werden können. Bei diesen Flüssigkeiten verbietet sich eine
                              									Heizung mit directem Feuer. Die Kessel müssten vielmehr mit Wasserdampf aus einer
                              									Kesselanlage geheizt werden, die in einem Nebengebäude, oder doch völlig getrennt
                              									von dem die brennbare Flüssigkeit enthaltenden Kessel, aufgestellt ist. Es wird
                              									hierdurch ein gewisser, wenn auch nicht erheblicher Wärmeverlust entstehen. Als
                              									höchste Temperatur für den Kessel mit secundärer Heizung möge 180° C. angenommen
                              									werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 299, S. 267
                              Gewicht der Flüssigkeit; Expansion;
                                 										Hubraum den Hubraum einer Condens-Wasser-Dampfmaschine mit Expansion; Wasser;
                                 										Aether; Aceton; Chlorkohlenstoff; Schwefelkohlenstoff; Wasser und Aether; Wasser
                                 										und schwefl. Säure; Wasser und Ammoniak
                              
                           Beim Aether ist der Druck sehr hoch, etwa 37 k, doch hindert dieses die Ausführung
                              									der Maschine nicht wesentlich, weil man einen secundär geheizten Kessel doch
                              									vorzugsweise als Röhrenkessel construiren wird. Die Expansion ist 40fach, also auch
                              									bedeutend grösser als bei einer heutigen Dampfmaschine; aber auch dieser Uebelstand
                              									fällt nicht weiter ins Gewicht; denn die Aetherdampfmaschine beansprucht trotzdem
                              									nur einen Hubraum von 54, wenn der Hubraum einer heutigen Condensationsdampfmaschine
                              									von gleicher Cylinderzahl zu 100 angenommen wird.
                           Dieses Verhältniss der Hubräume kann wie folgt gefunden werden. Die Erzeugung des
                              									Wasserdampfes von 180° C. erfordert 661,4 Cal. oder, da man die Temperatur des
                              									Speisewassers mit 30° C. annehmen kann, 631,4 Cal. Aether dagegen von 180° C. hat
                              									eine Gesammtwärme von 157 Cal. und Aether von 30° C. eine Flüssigkeitswärme von
                              									16,14 Cal., so dass die Erzeugung von 1 k Aetherdampf 140,86 Cal. kostet. Nun nimmt
                              									Aetherdampf von 30° C. einen Raum ein von 0,3986 cbm, Wasserdampf von 0,6 k, also
                              									85,5° C, aber einen Raum von 2,755 cbm, und endlich ist hinsichtlich der Kraftleistung die
                              									Aetherdampfmaschine, welche keinen Expansionsverlust hat, der Wasserdampfmaschine um
                              									19,4 Proc. überlegen. Es ergibt sich hieraus die Formel
                           
                              \frac{(661,4-30)\,.\,0,3986\,.\,100}{(157-16,4)\,.\,2,755\,.\,119,4}\,.\,100=54,3
                              
                           Nach gleicher Weise sind auch die Verhältnisse für die mit den anderen Flüssigkeiten
                              									betriebenen Maschinen ausgerechnet.
                           Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass der Druck im Condensator dieser Maschinen den
                              									atmosphärischen Druck übersteigt; denn andernfalls würde allmählich Luft in den
                              									Condensator eindringen, und diese Luft könnte ohne Dampfverlust nicht unmittelbar
                              									wieder entfernt werden.
                           Nun ergibt sich aber, dass alle vier aufgeführten Flüssigkeiten bei 30° C. ein
                              									gewisses Vacuum verlangen würden, und zur Vermeidung desselben müsste man die
                              									niedrigste Temperatur höher nehmen, mit dem Temperaturgefälle dann aber auch die
                              									Wärmeausnutzung um ein Gewisses verringern.
                           
                              
                                 Aether siedet unter atm. Druck bei 34,96° C., was  
                                    											gegen 30° C. einem Effectverlust gleichkäme von
                                   3,3
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Aceton siedet unter atm. Druck bei 56,32° C., was  
                                    											gegen 30° C. einem Effectverlust gleichkäme von
                                 17,3
                                 „
                                 
                              
                                 Chlorkohlenstoff siedet unter atm. Druck bei   76,52°
                                    											C., was gegen 30° C. einem Effectverlust   gleichkäme von
                                 31,0
                                 „
                                 
                              
                                 Schwefelkohlenstoff siedet unter atm. Druck bei   46,25°
                                    											C., was gegen 30° C. einem Effectverlust   gleichkäme von
                                 11,2
                                 „
                                 
                              
                           Nun beträgt der bei der Wasserdampfmaschine zu beseitigende Effectverlust überhaupt
                              									nur 19,4 Proc. Man dürfte also nur noch an die Verwendung des Aethers denken; denn
                              									auch beim Schwefelkohlenstoff würde der Verlust noch zu erheblich sein.
                           Die einheitliche Aetherdampfmaschine würde also der Theorie nach wohl ausführbar sein
                              									und Vortheile gegenüber der Wasserdampfmaschine versprechen. Namentlich würden keine
                              									Flüssigkeitsansammlungen in den Cylindern zu befürchten sein; denn Aetherdampf ist
                              									der einzige unter allen untersuchten Dämpfen, welcher sich bei der Expansion
                              									überhitzt. Der Cylinder einer Aetherdampfmaschine braucht also keinen Dampfmantel,
                              									sondern nur eine schützende Umhüllung. Nur der Condensator müsste jedenfalls
                              									verhältnissmässig gross gemacht werden, weil der überhitzte Dampf sich im
                              									Condensator erst sättigen muss und hierzu einer grösseren Kühlfläche bedarf, als
                              									gesättigter Dampf zur Condensation brauchen würde.
                           Vortheilhaft erscheint es, eine Wasserdampfmaschine und eine Aetherdampfmaschine mit
                              									einander zu combiniren, so dass der Condensator der Wasserdampfmaschine den
                              									Aetherkessel heizt. Die passendste Temperatur für den Condensator der
                              									Wasserdampfmaschine würde 100° C. sein oder etwas darüber, weil alsdann die
                              									Luftpumpe für den Condensator fortfallen und ein schwach belastetes Ventil an deren
                              									Stelle treten kann, welches Luftansammlungen mit noch grösserer Sicherheit aus dem
                              									Condensator entfernen wird als eine Luftpumpe. Desgleichen müsste die Temperatur im
                              									Condensator der Aetherdampfmaschine etwas über 35° C. gehalten werden, damit auch
                              									hier ein Ueberdruck gegen die äussere Luft vorhanden ist.
                           Es würde dann vom Kessel der Aetherdampfmaschine folgende Wärmemenge aus dem
                              									Condensator der Wasserdampfmaschine aufgenommen werden.
                           Von der ursprünglichen Gesammtwärme des Wasserdampfes von 180° C. = 661,4 Cal.
                              									werden in dem Kreisprocess der Wasserdampfmaschine annähernd verbraucht
                              										1-\frac{100+273}{180+273}=17,7\mbox{ Proc.}=117\mbox{ Cal.},
                              									es bleiben also 544 Cal. ÷ 100 Cal. für die Flüssigkeitswärme des condensirten
                              									Wassers = 444 Cal. Die Erzeugung des Aetherdampfes erfordert 141 Cal., also müsste
                              									die Heizfläche des Aetherkessels so bemessen werden, dass auf jedes verdampfte Kilo
                              									Wasser \frac{444}{141}=3,15\mbox{ k} Aetherdampf erzeugt werden,
                              									welche bei 30° C. einen Raum einnehmen von 3,15 . 0,3998 = 1,259 cbm. Die Summe der
                              									Hubräume der beiden Cylinder wird daher
                           
                              =\frac{(1,6508+1,259)\,.\,100}{2,755\,.\,119,4}\,.\,100=88
                              
                           den Hubraum einer heutigen Condensationsdampfmaschine gleich
                              									100 gesetzt.
                           Mit der Wasserdampfmaschine würde sich ebenfalls eine Ammoniakmaschine, sowie ein mit
                              									schwefliger Säure betriebener Motor verbinden lassen. Die Drucke und Dimensionen
                              									dieser Maschinen sind in der Tabelle angegeben.
                           Legt man das Temperaturgefälle zu Grunde, so würde von der Gesammtarbeit der
                              									Wasserdampfcylinder 0,58, der andere Cylinder 0,42 leisten.
                           Wenn nun auch die Anwendung von Ammoniak und schwefliger Säure es erlauben würde, mit
                              									dem Temperaturgefälle bis auf den niedrigsten durch Kühlwasser erzeugbaren Grad
                              									herabzugehen, so erscheint doch die Verwendung dieser Dämpfe bis zu 100° C. hinauf
                              									nicht gut thunlich. Um demnach alle durch die Combination verschiedener Dämpfe
                              									erreichbaren Vortheile zu erlangen, nämlich grosses Temperaturgefälle bei mässigen
                              									Drucken und mässigen Dimensionen, erscheint es als das beste, drei Flüssigkeiten zu
                              									vereinigen, so dass der Condensator der ersten Maschine den Kessel der zweiten und
                              									der Condensator der zweiten Maschine wieder den Kessel der dritten Maschine
                              									heizt.
                           Nimmt man z.B. Wasser, Aether und Ammoniak, so würde das Verhältniss der Leistungen
                              									der drei Cylinder sein:
                           
                              
                                 Wasser
                                 180° C. – 100° C. = 0,54
                                 
                              
                                 Aether
                                 100° C. –   40° C. = 0,33
                                 
                              
                                 Ammoniak
                                   40° C. –   15° C. = 0,13
                                 
                              
                           und als Summe der Hubräume würde sich finden etwa die Zahl
                              									87.
                           Auf rein theoretischem Wege ist es recht wohl möglich, eine Auswahl von Flüssigkeiten
                              									zu geben, welche in Combination mit dem Wasserdampfe sich zur Krafterzeugung eignen;
                              									aber es ist nicht möglich, auf diesem Wege auch die Abnutzung bezieh. die Mittel
                              									gegen eine zu grosse Abnutzung der Maschinen zu bestimmen und die Frage nach
                              									geeigneten Schmiermitteln zu erledigen. Das muss dem praktischen Versuch vorbehalten
                              									bleiben.
                           Resumire ich nun das Gesagte, so komme ich zu dem Schlusse:
                           1) Dass eine grössere Dampfmaschine nicht vervollkommnet
                              									werden kann durch Anwendung einer erheblicheren Ueberhitzung zum Zweck der
                              									Volumvergrösserung des Dampfes, dass aber eine ganz geringe Ueberhitzung zum Zweck
                              									der Dampftrocknung von grossem Vortheil ist.
                           2) Dass die Heizung des Dampfes während der Expansion unnütz ist, also auch die
                              									Heizung der Receiver.
                           
                           3) Dass dagegen die Entfernung auch von geringen compacten Wassermengen aus den
                              									Cylindern geboten ist, und zwar durch Heizung der Cylinder mit Dampf von höherer
                              									Spannung als der Admissionsdampf, also beim Hochdruckcylinder durch Heizung mit
                              									Dampf von höherer Spannung als derjenigen des Betriebsdampfes.
                           4) Dass der einzige Verlust, welcher speciell der Wasserdampfmaschine eigenthümlich
                              									ist, und welcher allein als eine Unvollkommenheit der Wasserdampfmaschine gelten
                              									darf, nämlich der Verlust in Folge unvollständiger Expansion, sich nur durch
                              									Combination einer Wasserdampfmaschine mit einer anderen Dampfmaschine beseitigen
                              									lässt, besonders aber durch Combination von drei Dämpfen, z.B. Wasser, Aether,
                              									Ammoniak, oder Wasser, Aether und schweflige Säure.
                           Hamburg, den 12. Januar 1896.
                           
                              Johs. A. F. Engel.Nach einem Vortrag, gehalten im Hamburger
                                          												Bezirksverein des Vereins deutscher Ingenieure.