| Titel: | Elektrische Zeitgebung in den Krupp'schen Stahlwerken zu Essen. | 
| Fundstelle: | Band 300, Jahrgang 1896, S. 207 | 
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                        Elektrische Zeitgebung in den Krupp'schen
                           								Stahlwerken zu Essen.
                        Mit Abbildungen.
                        Elektrische Zeitgebung in den Krupp'schen Stahlwerken zu
                           								Essen.
                        
                     
                        
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 300, S. 207
                              Fig. 1.Elektrische Zeitgebung in den Krupp'schen Stahlwerken.
                              
                           In den ausgedehnten Gusstahlwerken von Friedrich Krupp
                              									in Essen steht seit 2½ Jahren eine elektrische Uhren- und Zeitsignaleinrichtung in
                              									Betrieb, welche nach den Angaben des Leiters der Krupp'schen Beleuchtungs- und Kraftstation, Ingenieurs Renisch, ausgeführt ist und sich in jeder Hinsicht vorzüglich bewährt. Die
                              									betreffende Anlage hat nach West's Mittheilungen in der
                              										E.-T. Z. vom 2. Januar 1896 S. 2 fürs erste die
                              									Aufgabe, den Antrieb und Gleichgang einer Reihe von, derzeit 20, elektrischen Uhren
                              									zu besorgen, welche in den verschiedenen Diensträumen, Werkstätten und Höfen des
                              									Etablissements vertheilt sind, sowie zweitens den Zweck, behufs einheitlicher
                              									Zeitgebung für die Arbeiter drei auf den Hauptpunkten der Werksanlage angebrachte
                              									Nebelhörner zu Beginn und am Schlusse der Arbeitsstunden auf elektrischem Wege
                              									regelmässig und selbsthätig in Wirksamkeit zu bringen und wieder abzustellen. Sowohl
                              									die zum Betriebe der sympathetischen Uhren erforderlichen Stromgebungen als die rechtzeitigen und
                              									gleichzeitigen Auslösungen der drei Nebelhörner geschehen durch eine im Bureau des
                              									obengenannten Elektroingenieurs aufgestellte, von der bekannten Firma C. Theodor Wagner in Wiesbaden gelieferte Normaluhr,
                              									deren innere Einrichtung Fig. 1 und 5 des näheren ersichtlich machen.
                           Ausser dem eigentlichen Chronometerwerke (Fig. 1), zu
                              									dem das Zifferblatt A gehört, können an der Normaluhr
                              									noch zwei Haupttheile unterschieden werden, nämlich das Contactwerk für die
                              									sympathetischen Uhren und das Contactwerk für die Nebelhörner, wovon das erstere ein
                              									Stromwender, das letztere lediglich ein Stromschliesser ist. Das Uhrencontactwerk
                              									besteht aus den beiden Federn w1 und w2, von welchen die eine
                              									mit der zu den Nebenuhren führenden Leitung L1 und die andere mit der von dort zurückkommenden
                              									Leitung L2 verbunden
                              									ist; beide haben das Bestreben, sich mit einem Contactstift gegen die Spange v zu lehnen, welche mit dem Zinkpole einer aus fünf Hellesen'schen Trockenelementen gebildeten Batterie in
                              									Verbindung steht. Zwischen den beiden Contactfedern dreht sich ein mit dem
                              									Kupferpole der vorbezeichneten Batterie verbundenes Excenter, das seinen Antrieb
                              									durch ein eigenes Laufwerk erhält, welches gleich dem Schlagwerke einer gewöhnlichen
                              									Uhr vom Chronometerlaufwerke ausgelöst wird. Es geschieht dies mit Hilfe der beiden
                              									auf der Excenterachse festsitzenden und von derselben speichenartig abstehenden
                              									Stifte c, welche, dem Antriebe des Excenterlaufwerkes
                              									folgend, sich abwechslungsweise an einem Achtertrieb b
                              									der Hauptuhr fangen und von letzterem nach 1 Secunde wieder losgelassen werden,
                              									demgemäss das Excenter für jeden Stiftabfall eine halbe Umdrehung macht, wobei es
                              									also einmal mit w2 und
                              									darauf mit w1 in
                              									Berührung gelegt und zugleich die Contactfeder von der Spange v abhebt. Bei diesem Vorgange wird ersterenfalls ein
                              									Strom nach L2
                              									entsendet, der bei L1
                              									zum Zinkpole zurückkehrt, während der letzterenfalls entstehende Strom über Li in die Uhrenleitung tritt und über L2 wieder
                              									zurückgelangt. Mit diesen Strömen wechselnder Richtung werden also die 20 Nebenuhren
                              									angetrieben, welche nach der bekannten, auch an dieser Stelle seiner Zeit
                              									ausführlich besprochenen Grau-Wagner'schen Bauart für
                              									sympathetische Uhren angeordnet sind. Damit die stromschliessende Berührung zwischen
                              									Excenter und Contactfedern erst eintritt, nachdem die betreffende Feder bereits von
                              										v abgehoben wurde, was nothwendig ist, damit
                              									überflüssige Kurzschliessungen der Batterie hintangehalten werden, trägt n an jener Seite, mit welcher es zunächst an die Feder
                              									gelangt, ein Achatschildchen, das nebenbei auch noch zum Reinscheuern der
                              									Contactstelle dient. Dem Entstehen von Oeffnungsfunken wird dadurch vorgebeugt, dass
                              									sich jedesmal eine Widerstandsspule in den Schliessungskreis schaltet, bevor das
                              									Excenter die abgehobene Contactfeder völlig loslässt; in diesem Momente tritt
                              									nämlich ein Platinstift mit der betreffenden Feder w1 oder w2 in Contact, der in einem Scheibchen steckt, dessen
                              									Nabe isolirt auf der Excenterachse fest sitzt und mit der Widerstandsrolle leitend
                              									verbunden ist. Das Excenter hat die Feder w1 oder w2 bereits verlassen, bis letztere, vom obigen
                              									Platinstifte losgelassen, ihre Ruhestellung zurückgewinnt.
                           Was das Signalcontactwerk anbelangt, so muss vorerst vorausgeschickt werden, dass die
                              									Aufgabe desselben darin besteht, ganz genau zu bestimmten Tagesstunden einen
                              									Stromweg über die Spulen zweier Relais herzustellen, deren Localcontacte sodann den
                              									Stromweg zu den Auslöseapparaten der Nebelhörner schliessen. Das Signalcontactwerk
                              									hat kein eigenes Uhrwerk, sondern wird lediglich von dem Laufwerke der Normaluhr
                              									beeinflusst; es besteht der Hauptsache nach aus den beiden zweiarmigen Contacthebeln
                              										ll1 und gg1, welche den eigentlichen Stromgeber bilden, ferner aus
                              									der Stiftscheibe k, dem Auslösehebel P und der gezahnten Einstellscheibe Q. Letztere greift in das Zahnrad d der Normaluhr ein und macht innerhalb 24 Stunden eine
                              									volle Umdrehung; dementsprechend ist sie mit einer die 12 Tages- und Nachtstunden
                              									ersichtlich machenden Theilung versehen, in welcher auch noch die Unterabtheilungen
                              									von 5 zu 5 Minuten eingezeichnet sind. Knapp neben dem Theilkreise dieses
                              									Zifferblattes sind an der Scheibe Q in gleichen
                              									Entfernungen von einander 144 Gewindbohrungen vorhanden, deren Abstand sonach einem
                              									Scheibenwege von 10 Minuten entspricht. Würde in eines dieser Löcher ein Daumenstift
                              									eingeschraubt sein, so trifft er zu der seinem Standpunkte auf der Scheibe
                              									entsprechenden Stunde und Minute auf die Nase e des
                              									Auslösehebels P und rückt diesen nach und nach so weit
                              									zur Seite, dass das obere Ende von P aus dem Bereiche
                              									des aus g vorstehenden Stiftes h weggerückt wird. Bis dahin war g durch P verhindert, dem Zuge der Spiralfeder f1 zu folgen, und es
                              									konnte demgemäss auch eine Berührung zwischen g1 und l1, d.h. eine
                              									Stromschliessung nicht stattfinden. Eine solche bleibt aber selbst nach der
                              									Verrückung von P verwehrt, weil nunmehr g von einem der zwölf Stifte i des Rades k aufgehalten wird; erst bis nach
                              									genügender Weiterdrehung von k das Schwanzende g vom betreffenden Stifte i abfällt, gelangen g1 und l1 in Berührung,
                              									welche so lange anhält, bis auch das etwas längere Schwanzende des Armes l von i losgelassen und
                              									dann durch den Zug der Feder f2 gekippt wird. In der Scheibe Q können an beliebigen Schraubenlöchern Daumenstifte
                              									eingesetzt werden und durch dieselben, sowie durch gehörige Einstellung des Rades
                              										k lässt sich die Thätigmachung der Nebelhörner auf
                              									die Secunde genau durchführen und ebenso kann auch die Dauer des Signals beliebig
                              									angeordnet werden, je nachdem man das Schwanzende von l
                              									kürzer oder länger wählt. Das soeben geschilderte Contactwerk ist ferner mit einem
                              									selbsthätigen Ausschalter in Verbindung gebracht, durch welchen es regelmässig alle
                              									Sonntage ausser Wirksamkeit gesetzt wird. Diese Vorrichtung besteht aus einem auf
                              									der Welle m der Scheibe Q
                              									sitzenden Schneckentrieb n, das in ein Zahnrad o eingreift und dieses innerhalb 7 Tagen einmal
                              									herumdreht. Auf der Welle des Rades o sitzt eine
                              									Scheibe r (Fig. 5),
                              									welche mit einem flachen, aus Platiniridium angefertigten Ring versehen ist, der an
                              									passender Stelle einen Ausschnitt hat. Auf dem Ringe schleift eine Contactfeder s: r und s sind in die
                              									durch q1l1 geführte Leitung
                              									eingeschaltet, welche somit intact bleibt, solange s
                              									auf r schleift, und dagegen eine Unterbrechung
                              									erleidet, wenn s in den Ausschnitt des Contactreifens
                              									einfällt und demzufolge die Berührung zwischen s und
                              										r aufhört. Die Lage der mittels Klemmschrauben
                              									verstellbaren Scheibe r und des Ausschnittes ist derart
                              									bemessen, dass die beschriebene Unterbrechung genau alle Samstag Abends 8 Uhr
                              									eintritt und am Montag Morgens 5 Uhr wieder aufhört.
                           
                           Die beiden für die Signalleitung benutzten Relais, welche in verglasten
                              									Schutzkästen stehen und im Aufstellungsraume der Normaluhr rechts und links von
                              									derselben auf der Zimmerwand angebracht sind, besitzen die in Fig. 2 und 3 im Auf- und Grundriss,
                              									sowie theilweise als Querschnitt dargestellte Form und Einrichtung. Mit besonderer
                              									Sorgfalt ist die Isolirung der Elektromagnetspule durchgeführt, die aus 5680
                              									Windungen 0,4 mm starken, übersponnenen Kupferdrahtes von etwa 126 Ohm Widerstand
                              									besteht. Der Hebelcontact s ist aus Platiniridium und
                              									der Ständercontact k aus Leuchtkohle hergestellt. Damit
                              									der beim Oeffnen des Localschlusses sk etwamöglichen
                              									Flammenbildung vorgebeugt werde, erhält der Relaishebel einen aussergewöhnlich hohen
                              									Hub. Behufs weiterer Minderung der Funkenbildung bei sk
                              									ist auch noch ein grosser Plattencondensator zwischengeschaltet, der einerseits an
                              									den Relaisständer, andererseits an den Relaishebel angeschlossen wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 300, S. 209
                              Elektrische Zeitgebung in den Krupp'schen Stahlwerken.
                              
                           Die Anordnung des Apparates, welcher zur Thätigmachung eines Nebelhornes dient und im
                              									Wesentlichen lediglich aus einem Elektromagneten mit Ankerhebel besteht, zeigt Fig. 4; aus dieser schematischen Darstellung lässt
                              									sich ferner leicht ersehen, dass beim Niedergehen des Ankerhebels M der Arm N mitgenommen
                              									und auf diese Weise durch den Druck des kurzen Hebelarmes q das Drosselventil des Dampfhornes H
                              									geöffnet wird und dass sich dieses durch Federkraft wieder schliesst und auch N wieder in seine Ruhelage zurückgelangt, sobald die
                              									Wirkung des Elektromagnetes aufhört. Die Spule des letzteren hat 3120 Windungen aus
                              									1,6 mm starkem, übersponnenem Kupferdrahte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 300, S. 209
                              Fig. 4.Elektrische Zeitgebung in den Krupp'schen Stahlwerken.
                              
                           Aus Fig. 5 erhellt schliesslich das Zusammenwirken der
                              									sämmtlichen Theile der Einrichtung und die Anordnung der Stromläufe. Bei der
                              									dargestellten Lage des Uhrencontactwerkes geht vom
                              									Kupferpol der Batterie ein Strom über Knw1 nach L1, passirt sämmtliche zwischen L2 und L1 parallel
                              									eingeschaltete sympathetische Uhren U und kehrt über
                              										L2w2vZ zum Zinkpole zurück; tritt später n mit w2 in Contact, dann gelangt der Batteriestrom
                              									ersichtlichermaassen in verkehrter Richtung zu den Uhren. Der Signalstromkreis umfasst die hinter einander
                              									geschalteten Relais, die beiden Ausschalter I und II und das in der Normaluhr vorhandene
                              									Signalcontactwerk. Gelangen l1 und g1 in Contact, dann
                              									wird von der Dynamomaschine ein Strom über den Ausschalter I, über b1,
                              										a1, die Spulen des Relais I,
                              									über d1, K, s, r, g1, l1, S, d2, die Spulen des Relais II,
                                 										a2, b2 und den Ausschalter II seinen Weg nehmen und die Anziehung der Relaishebel bewirken,
                              									demzufolge der obige Strom noch einen Nebenweg von geringerem Widerstände findet,
                              									nämlich von b1 über den
                              									Localcontact des Relais L ferner über c1, die
                              									Blitzschutzvorrichtung in die Elektromagnetwindungen der zu einander parallel
                              									geschalteten drei Nebelhornapparate, von da zurück wieder über die
                              									Blitzschutzvorrichtung, ferner über c2, den Localcontact des
                              									Relais II, über b2 und den Ausschalter II. Zur Speisung dieser beiden Schliessungskreise, welche nur wenige Male
                              									im Tage Strom brauchen, wird aus der Beleuchtungs- und Kraftstation des
                              									Gusstahlwerkes ein Dynamostrom von 110 Volt Spannung entnommen. Die beiden
                              									Ausschalter I und II haben
                              									nebst dem gewöhnlichen Zwecke solcher Vorrichtungen noch den besonderen, die
                              									Signalleitung damit auch an Feiertagen, die nicht Sonntage sind und wo der
                              									automatische Ausschalter in der Normaluhr also nicht in Wirksamkeit tritt, leicht
                              									und bequem ausser Dienst stellen zu können. Sowohl Ausschalter als Relais sind
                              									zweimal vorhanden, um doppelte Unterbrechungspunkte zu schaffen, wodurch ein
                              									unzeitiges Ansprechen der Nebelhörner auch für den Fall verhütet wird, als etwa
                              									Zuleitungsdrähte reissen und Erdschluss bilden würden. Für die Elektromagnete der
                              									Nebelhornapparate wurde die Parallelschaltung gewählt, um nebst dem günstigeren
                              									Widerstandsverhältniss auch noch den Vortheil zu erreichen, dass jeder der drei
                              									Apparate hinsichtlich eines möglicher Weise in den Leitungen oder Spulen
                              									eintretenden Fehlers von den anderen unabhängig wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 300, S. 209
                              Fig. 5.Elektrische Zeitgebung in den Krupp'schen Stahlwerken.
                              
                           Dass die Condensatoren zwischen den Klemmen b und c, also zum
                              									Localschlusse der betreffenden Relaishebel parallel eingeschaltet sind, lässt sich
                              									ohne weiteres aus
                              									der Zeichnung ersehen. Die Blitzschutzvorrichtung und die Anschlussklemrnen für die
                              									zu den Nebelhornapparaten führenden Leitungen sind an der äusseren die Normaluhr,
                              									die beiden Relais, Ausschalter und Condensatoren an einer inneren Wand des
                              									elektrotechnischen Bureaus angebracht, und zwar letztere so ziemlich in derselben
                              									Vertheilung, wie es Fig. 5 andeutet.