| Titel: | Neuere Dampfkessel. | 
| Fundstelle: | Band 300, Jahrgang 1896, S. 279 | 
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                        Neuere Dampfkessel.
                        (Vorhergehender Bericht 1895 297 * 153.)
                        Mit Abbildungen.
                        Neuere Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Solignac's Kessel combinirt mit Ueberhitzer.
                           Der Dampfkessel nach dem System Solignac zeigt einige
                              									bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten, die ihn vor den bisher üblichen Constructionen
                              									auszeichnen. Er wird, wie P. Chevillard in Revue industrielle vom 10. August 1895 mittheilt, von
                              									der Compagnie de la chaudière mixte in Paris (Rue de
                              									St. Lazare 28) ausgeführt und verbreitet sich, wie es scheint, rasch in weiteren
                              									Kreisen. Unter Benutzung der von der angeführten Quelle entnommenen Zeichnung (Fig. 1 bis 6) und der zugehörigen
                              									Beschreibung sei hier die Construction kurz erläutert. Der Oberkessel A von cylindrischer Form dient gleichzeitig als Wasser-
                              									und Dampfraum und steht mit der Feuerung nicht in unmittelbarer Berührung. Zur
                              									Entwickelung des Dampfes dient ein Bündel von Heizröhren B, welche von den Heizgasen lebhaft umspült werden. Die Röhren bilden die
                              									Verbindung zwischen der Wasserkammer D, von dem aus die
                              									Speisung erfolgt, und der vorderen Wasserkammer H. An
                              									letzterer Stelle sammelt sich der in den Röhren B
                              									entwickelte Dampf und steigt mittels einer später zu erörternden Vorrichtung, dem
                              									Commutator, in das Rohr C und bläst dort mittels eines
                              									düsenartigen Mundstückes in den Oberkessel A ab, wo das
                              									Wasser auf die Temperatur des Dampfes erwärmt wird. Die Erwärmung erfolgt also
                              									indirect und es ist der Dampfentwickelungsraum ganz für sich bestehend ausgebildet.
                              									Ein etwaiges Zurückfliessen aus dem Kesseltheile A
                              									würde durch das selbsthätige Rückschlagventil bei C
                              									verhindert werden. Wie ein Blick auf den Wasserkasten D
                              									zeigt, sind die Enden der Röhren B daselbst je mit
                              									einer Düse versehen, welche bewirkt, dass das Wasser in die Röhren B in feinvertheilter Form eintritt, so dass die
                              									Dampfentwickelung dort sehr lebhaft erfolgt. Entsprechend ordnet der Erfinder einen
                              									sehr lebhaften Wasserumlauf an. Die Pumpe K ist daher
                              									so angeordnet, dass sie sowohl diesen Umlauf bewirkt als auch die Speisung des
                              									Kessels bedient. Sie ist nach dem System Blake gebaut
                              									und soll nachher zur näheren Erörterung kommen.
                           Der Weg des Kesselumlaufwassers ist mithin folgender: Von der Pumpe K aus, durch das Rohr F
                              									(senkrecht aufwärts und wagerecht über den Kessel) in den Wasserkasten B, durch die Heizröhren B,
                              									durch H in den Kesselraum A, von hier durch das Saugrohr I wieder
                              									zurück zur Umlaufpumpe K. Damit ist der Wasserumlauf
                              									abgeschlossen. Die Umlaufsgeschwindigkeit soll 5 m in der Secunde betragen und nach
                              									Schätzung eines Sachverständigen soll das ganze Wasserquantum nach 200 Umläufen
                              									verdampft sein. Der grossen Umlaufsgeschwindigkeit schreibt der Erfinder einen
                              									grossen Theil des Erfolges zu, den der Kessel bezüglich der günstigen
                              									Dampfentwickelung gezeigt hat. Angeblich beträgt die Verdampfung 8 k Dampf auf 1 k
                              									Kohle, und der in der Zeichnung dargestellte Kessel soll stündlich 500 k Dampf
                              									liefern.
                           
                           Der vorhin erwähnten Pumpe nach dem System Blake
                              									wird der Betriebsdampf aus dem Dampfsammler A durch das
                              									Rohr E zugeführt. Der Antrieb des
                              									Circulationspumpenkolbens erfolgt nicht direct durch die Kolbenstange, sondern durch
                              									Querhäupter und Verbindungsstangen. Das Querhaupt sitzt auf dem vorderen Ende des
                              									mit der Kolbenstange gekuppelten Plungers der Kesselspeisepumpe. Das Gehäuse dieser
                              									letzteren ist mit dem der Pumpe in einem Stück gegossen. Der Dampfcylinder wird mit
                              									diesem Gehäuse durch zwei Anker verbunden. Die Saugventilkästen sind mit dem
                              									Pumpengehäuse in einem Stück gegossen, die Druckventilkästen hingegen auf dasselbe
                              									gesetzt. Bei y befindet sich der Saugstutzen und bei
                              										y1 der Druckstutzen
                              									der Umlaufpumpe, bei y2
                              									der Saugstutzen und bei y3 der Druckstutzen der Speisepumpe angeordnet. Letztere drückt das Wasser
                              									durch das Rohr L in den Kessel.
                           Für die Grössen beider Pumpen werden folgende Zahlen angegeben:
                           
                              
                                 1)
                                 Speisepumpe:
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                     Plungerdurchmesser
                                 55
                                 mm
                                 
                              
                                 
                                     Kolbenhub
                                 100
                                 mm
                                 
                              
                                 
                                     Stündliches Lieferquantum
                                 800
                                 l
                                 
                              
                                 2)
                                 Circulationspumpe:
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                     Plungerdurchmesser
                                 75
                                 mm
                                 
                              
                                 
                                     Kolbenhub
                                 100
                                 mm
                                 
                              
                                 
                                     Theoret. Leistung in der Stunde
                                 1600
                                 l
                                 
                              
                                 
                                     Leistung der Pumpe in Liter        Wasser
                                    											umgerechnet
                                 500
                                 l
                                 
                              
                           Das Speiserohr, welches zur Beförderung des Speisewassers in den Kessel A dient, mündet unmittelbar vor demselben in einen
                              									Speisekopf.
                           An dem Kopfe des Kesselgemäuers ruht in wagerechter Stellung der als
                              										„Commutator“ bezeichnete Apparat (Fig. 2, 5 und 6), der sowohl die
                              									Vorwärmung des von der Speisepumpe gelieferten Druckwassers bewirkt, als auch
                              									selbsthätig verhindert, dass bei einem Stillstande der Pumpe während des Betriebes
                              									eine Wasserentnahme aus dem Röhrensysteme stattfinde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 300, S. 280
                              Solignac's Kessel.
                              
                           Der Commutator besteht in der Hauptsache aus zwei Differentialkolben, welche in den
                              									Cylindern m und n an einer
                              									Kolbenstange arbeiten. Auf den Plunger m wird durch das
                              									Rohr t derjenige Druck übertragen, welcher normal im
                              									Speiserohr L (Fig. 1) herrscht. Der
                              									Plunger n hingegen steht durch das Rohr O in directer Verbindung mit der hinteren Wasserkammer
                              										D. Bei normaler Function aller Theile verschliesst
                              									der Plunger n die Oeffnung des am Dampfsammler A unterhalb des Normalwasserstandes befestigten
                              									Verbindungsstutzens G. Andererseits verschliesst ein
                              									Kolbenschieber p, welcher auf der Stange m befestigt ist, den Stutzen P am Körper n; p verbindet durch ein Rohr den
                              									Dampfraum des Sammlers A mit dem Hohlraume des
                              									Cylinders m. Letzterer ist ausserdem mit der vorderen
                              									Wasserkammer H in Verbindung gebracht. Sobald also die
                              									Stutzen nicht durch den Kolbenschieber p verdeckt sind,
                              									ist die directe Verbindung zwischen dem Dampfraume im Sammler A und der vorderen Wasserkammer H hergestellt.
                           Um den Kessel in Betrieb zu setzen, wird zunächst der Dampfsammler A bis zur vorgeschriebenen normalen Wasserstandshöhe
                              									mit Wasser angefüllt, alsdann werden die Plunger mn
                              									mittels eines Bügels in ihre äusserste Linkslage verschoben. Damit tritt dann das
                              									Wasser aus dem Sammler A durch den Stutzen g und das Rohr O in die
                              									Kammer D. Es füllt diese und damit auch das
                              									Röhrensystem B. Der während dessen entwickelte Dampf
                              									wird durch das Wasser aus der Kammer H durch die
                              									Stutzen am Commutator hindurch getrieben. Aus diesem gelangt er in den Dampfsammler A. Nach und nach erhöht sich unter dem Einflüsse der
                              									Rauchgase der Druck im Kessel und wenn derselbe 1 at beträgt, wird die Blake-Pumpe
                              									in Thätigkeit versetzt; der wachsende Druck in dem an das Speiserohr
                              									angeschlossenen, dünnen Rohre übt seine Wirkung auf den Plunger m aus, in Folge dessen verschiebt sich der Plunger m nach rechts und treibt den Plunger n bis zum Anschlage. In dieser Stellung unterbricht der
                              									Plunger n die directe Wassercirculation vom Stutzen G nach dem Rohre O und der
                              									Kolbenschieber p sperrt die Stutzen von einander ab.
                              									Dagegen empfängt zur selben Zeit die Circulationspumpe K heisses Wasser aus dem Sammler A durch das
                              									Rohr I und befördert dasselbe durch das Rohr L in die hintere Kammer D.
                              									Dort entsteht jetzt eine Pressung der schon vorhandenen Wassermenge, wobei diese
                              									durch die Rohrdüsen mit grosser Energie in die Röhren B
                              									geblasen wird. Es tritt dabei eine Zerstäubung des Wassers ein, welche dazu
                              									beiträgt, die Verdampfung in den Röhren B zu
                              									erhöhen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 300, S. 281
                              Solignac's Kessel.
                              
                           Der Vollendung dieses Kreislaufes folgt ein rasches Wachsen des Druckes im Sammler
                              										A, so dass in verhältnissmässig kurzer Zeit alle
                              									Wassertheile im Kessel eine gleich hohe Temperatur angenommen haben.
                           Ein Rohr, welches den Sammler mit dem tiefsten Punkte der vorderen Wasserkammer H verbindet, soll ermöglichen, dass Dampf blasen direct
                              									in den Dampf enthaltenden Theil des Sammlers übertreten. Zur Verbesserung des
                              									Wasserumlaufes trägt ferner der Einbau des Blasapparates C (Fig. 1)
                              									bei. Der Apparat C besteht aus einem Absperrventil,
                              									dessen Kegel den directen Abfluss von Wasser aus dem Sammler A in die Kammer H verhindert, hingegen den
                              									Uebertritt von Dampfwasser aus der Kammer in den Sammler A gestattet. Das mit höherer Spannung in die Düse C eintretende Gemisch reisst durch die Bohrungen Wasser aus dem Sammler
                              									mit sich und schleudert dasselbe durch die Mündung wieder in den Sammler.
                           Kommt im Laufe des Betriebes die Pumpe plötzlich zum Stillstand, so vermindert sich
                              									der Druck auf den Kolben m des Commutators, wohingegen
                              									der Druck in der Kammer D wächst und schliesslich auch
                              									auf den Plunger n des Commutators wirksam wird. Dadurch
                              									wird der Plunger n nach links verschoben und treibt den
                              									Plunger m vor sich her. Der Bügel geht dabei von
                              									rechts nach links zurück. Auf diese Weise kann der Heizer stets sofort erkennen, wie
                              									der Kessel steht. Bringt man schliesslich eine Glocke an und lässt den Bügel beim
                              									Zurückgehen an dieselbe anschlagen, so hat man die Möglichkeit, den Heizer durch ein
                              									lautes Signal noch besonders aufmerksam zu machen.
                           Im Falle eines Rohrbruches schliesst sich das Ventil bei C automatisch und sperrt die Kammern HD und
                              									das ganze Rohrsystem B ab. Diese Theile enthalten nur
                              									ein kleines Quantum Wasser, welches dann in die Feuerung abfliesst. Ueber den Inhalt
                              									der einzelnen Kesseltheile kann man sich am besten eine Vorstellung machen, wenn man
                              									sich vergegenwärtigt, dass ein Fig. 4. Kessel von 12 qm Heizfläche, bei einem Fassungsraume von total
                              									535 l, im Ganzen nur 283 l Wasser enthält. Ein solcher Kessel hat 82 Röhren B von je 1,56 m Länge, 50 mm äusserem Durchmesser und 3
                              									mm Wandstärke. Die Rostfläche des 12-qm-Kessels beträgt 1 qm. Der normale
                              									Betriebsdruck darf 12 at betragen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 300, S. 281
                              Solignac's Kessel.
                              
                           Die Compagnie de la chaudière mixte veröffentlicht
                              									gleichzeitig folgendes Versuchsergebniss:
                           
                              
                                 Rostfläche des untersuchten Kessels
                                 1,00
                                 qm
                                 
                              
                                 Heizfläche
                                 6,10
                                 qm
                                 
                              
                                 Anzahl der Heizrohre
                                 30
                                 
                                 
                              
                                 Kesseldruck auf 1 qc
                                 5,00
                                 k
                                 
                              
                                 Temperatur des Speisewassers
                                 5°
                                 C.
                                 
                              
                                 Verdampftes Wasser in der Stunde
                                 650,0
                                 k
                                 
                              
                                 Brutto-Kohle in der Stunde
                                 75,50
                                 k
                                 
                              
                                 Asche
                                 7,5
                                 k
                                 
                              
                                 Netto-Kohle in der Stunde           75,5 – 7,5 =
                                 68,0
                                 k
                                 
                              
                                 Verdampftes Wasser auf 1 qm Heizfläche
                                 100
                                 k
                                 
                              
                                          „                 „      „  1 k Brutto-Kohle
                                 8,6
                                 k
                                 
                              
                                          „                 „      „  1 k Netto-Kohle
                                 9,5
                                 k
                                 
                              
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)