| Titel: | Rettungswesen auf See. | 
| Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 1 | 
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                        Rettungswesen auf See.
                        Mit Abbildungen.
                        Rettungswesen auf See.
                        
                     
                        
                           Die statistischen Aufzeichnungen aller seefahrenden Nationen lehren, dass der Verkehr
                              									auf den Meeren die relativ meisten Unglücksfälle nach sich zieht, eine
                              									unverhältnissmässig hohe Zahl von Opfern Jahr aus, Jahr ein fordert. Und wenn noch
                              									im J. 1798 ein von Robert Crane an die Humane Society gesandter Apparat zur Rettung
                              									Schiffbrüchiger verheimlicht wurde, damit den gepressten Matrosen keine Gelegenheit
                              									zum Entspringen gegeben würde, die ersten derartigen Vorrichtungen vielmehr 1820
                              									bekannt gegeben wurden, so haben sich doch vereinzelte Bestrebungen zur Einführung
                              									von Rettungsmitteln schon damals bemerkbar gemacht. Mit der Steigerung in der
                              									Benutzung der Wasserstrassen, mit lebhafter werdendem Betriebe haben sich die Völker
                              									veranlasst gesehen, besondere Vorkehrungen zu treffen und im internationalen
                              									Austausch Bestimmungen zu erlassen, um die Vergrösserung der natürlichen Gefahren
                              									durch solche, welche dem Verkehr entsprungen, thunlichst hintanzuhalten,
                              									andererseits aber auch gefahrdrohenden Ereignissen durch rechtzeitige Hilfe die
                              									Spitze abzubrechen. So hat man Nothsignale eingeführt, man hat den Seeschiffen eine
                              									Reihe Rettungsvorrichtungen vorgeschrieben, welche sie zu eigenem Nutzen, wie zur
                              									Hilfeleistung auf See verwenden müssen; und wo früher Strandräuber die Wracks zu
                              									plündern pflegten, da haben jetzt Rettungsgesellschaften ihre Sitze
                              									aufgeschlagen.
                           
                        
                           1) Nothsignale.
                           Um eine Zeichensprache einzuführen, welche die Nothlage eines Schiffes einem
                              									Uneingeweihten in unzweifelhafter Weise zu erkennen geben könnte, hatte sich im J.
                              									1872 das englische Handelsamt mit der Admiralität und dem Trinity-House über einige
                              									Signale geeinigt, die lediglich für den Zweck der Verständigung im Nothfall
                              									vorbehalten bleiben sollten. In dieses Uebereinkommen, welches die Grundlage für die
                              									Nothsignale der ganzen seefahrenden Welt zu bilden bestimmt war, hatten sich jedoch
                              									Unbestimmtheiten eingeschlichen, denen man eine Beeinträchtigung der Wirkung solcher
                              									Zeichen zusprechen musste, und die deshalb auszumerzen waren.
                           Im J. 1873 hatten die Vorschläge zu der Aufnahme der Signale in die englischen
                              									Handelsschiffahrtsacte (Merchant Shipping Acts, Amendment
                                 										Act, 1873) geführt und zwar in folgender FassungMitth. Seew., 1874
                                    											S. 96.:
                           Schiffe in Noth. Bei Tage:
                              									Die folgenden Signale Nr. 1, 2 und 3, wenn zusammen oder einzeln gebraucht, sollen
                              									als Nothsignale bei Tage angewendet werden:
                           1) Kanonenschüsse in Intervallen von etwa 1 Minute abgefeuert;
                           2) das Nothsignal des internationalen Signalbuchs N. C.;
                           3) das Fernsignal, bestehend aus einer viereckigen Flagge, über oder unter welcher
                              									sich eine Kugel befindet, oder etwas, was einer Kugel ähnlich sieht.
                           Bei Nacht: Die folgenden Signale Nr. 1, 2 und 3, wenn
                              									zusammen oder einzeln gebraucht, sollen als Nothsignale bei Nacht angesehen
                              									werden.
                           1) Kanonenschüsse in Intervallen von etwa 1 Minute abgefeuert;
                           2) Flammen auf dem Schiffe (wie von einer brennenden Theer- oder Oeltonne o.
                              									dgl.);
                           3) Raketen oder Leuchtballen jeder Gattung und Farbe, je eine zur Zeit in kurzen
                              									Intervallen abgefeuert.
                           Im gleichen Jahre ist auch Dänemark zur Annahme obiger Signale geschrittenTimes vom 24. Juni
                                    											1874., während sich Deutschland durch die Noth- und
                              									Lootsensignalordnung vom 14. August 1876 anschloss.
                           Die See-Berufsgenossenschaft setzt in ihren
                              									Unfallverhütungsvorschriften vom 14. Juni 1890 fest, dass ein jedes Schiff zur
                              									Abgabe von Noth- und Lootsensignalen ausserhalb der räumlichen Grenzen der kleinen
                              									Fahrt mindestens 12 Raketen oder entsprechende Anzahl Leuchtkugeln, 12 Blaulichter,
                              									sowie 12 Kanonenschläge oder einen gleichwertigen Apparat mit genügender Munition
                              									für Signalschüsse an Bord führe.
                           Zu Ungewissheiten und Zweideutigkeiten geben jedoch auch die so revidirten
                              									Anweisungen Veranlassung, da ja Roth- und Blaulichter, Raketen einzelnen Linien als
                              									Erkennungszeichen in der Nacht dienen. Dieser Umstand erschwert natürlich die
                              									gesetzliche Einführung bestimmter Nothsignale sehr. Man hatte auch Blickfeuer zum
                              									vorliegenden Zwecke in Vorschlag gebracht, diesen Vorschlag aber mit Rücksicht auf
                              									die vielfache Verwendung dieser Signalart auf Anregung Frankreichs
                              									ausgeschieden.
                           Bei Erzeugung der Blitzfeuer fiel dem Magnesium die wesentlichste Rolle zu. Im J.
                              									1873 hatte man in London das von Capitän Colomb
                              									angegebene Verfahren, welches darin bestand, dass Magnesiumpulver in die Flamme
                              									einer Spirituslampe eingeblasen wurde, als vorzüglich befunden; es liessen sich auf
                              									die Colomb'sche Weise Feuer erzielen, welche bei klarem
                              									Wetter 20 Seemeilen sichtbar waren. Noch auffälliger hat sich aber das Paire'sche Nothsignal erwiesen, welches sich durch
                              									Reibung entzündet, ein paar Secunden ruhig brennt, sodann 200 bis 300 m hoch steigt
                              									und explodirt, also in der Wirkung einer Rakete gleichkommt. In St. Leonards machte
                              									(1890) die Nothsignalrakete der Cotton Powder Company
                              									viel Eindruck. Die Rakete wurde aus einem 178 mm hohen Sockel aus Phosphorbronze abgefeuert; sie stieg
                              									150 bis 180 m hoch, in welcher Höhe sie mit hellem, bei klarem Wetter 12 Seemeilen
                              									sichtbar gewesenem Feuerschein explodirte und dabei farbige Sterne ausstreute. Von
                              									einem Chemiker Jaksch rührt ein besonderes Recept für
                              									ein Magnesiumpulver her; es soll bestehen aus 30 Th. salpetersaurem Baryt, 20 Th.
                              									Magnesiumpulver, 4 Th. Schwefelblüthe und 7 Th. Rindstalg. Das letztere wird in
                              									geschmolzenem Zustande zugesetzt, worauf die Mischung durch ein Sieb geschlagen
                              									wird. Man füllt die Masse in starke Zinkblechbüchsen von 10 cm Höhe und 8 cm
                              									Durchmesser, deren Inhalt ein Licht von 20000 Kerzen und von 100 km Sichtweite 20
                              									Secunden lang geben soll. Für Raketen würde der Mischung Talg nicht zugesetzt
                              									werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 2
                              Fig. 1.Holmes'sches Licht.
                              
                           Als ein im Wasser selbst entzündliches Mittel hatte natürlich auch das
                              									Phosphorcalcium eine ausgedehnte Verwendung zum vorliegenden Zwecke gefunden. Man
                              									entsinnt sich noch des Patent Storm and Danger Light von Nathaniel J. Holmes, welches in der Hauptsache aus einem mit
                              									Phosphorcalciumstücken gefüllten Blechcylinder bestand. Es brannte im Wasser 30 bis
                              									40 Minuten lang mit der hellen weissen Phosphorwasserstofflamme, entzündete sich
                              									aber schwer durch Schlag und Reibung, war also ohne Gefahr an Bord zu führen. Der
                              									Dampfer Woolwich machte mit dem Holmes'schen Licht 1872 die ersten eingehenden Versuche, welche das
                              									Marinebureau des Board of Trade in London damals
                              									veranlassten, eine Anzahl Blaufeuer denjenigen Schiffen zu erlassen, die das Licht
                              									mitführten. Auf dem englischen Kriegsschiffe Bosphorus
                              									hatte man sich des Hohnes'schen Lichtes mit Erfolg zur
                              									Auffindung eines ins Wasser gefallenen Matrosen bedient. Auch vom Bord des Challenger sind sehr befriedigende Versuche angestellt
                              									worden. Als Nothlampe (Fig. 1)D. p. J. 1871 201 203. wird ein zinnernes Gefäss
                              									verwandt, welches mit dem Phosphorcalcium gefüllt und dann verlöthet wird. Ein
                              									hölzerner Schwimmer macht die Vorrichtung schwimmfähig. Bei Gebrauch wird die Spitze
                              									abgeschnitten und unten eine Oeffnung eingestossen, durch welche nach Einwurf der
                              									Lampe in das Wasser letzteres eindringt, so die Bildung von Phosphorwasserstoff
                              									veranlassend, welcher oben austritt und sich an der Luft entzündet. Auch auf der
                              									Themse seinerzeit angestellte Tauchversuche hatten gezeigt, dass überstürzende
                              									Wellen ohne Einfluss auf die Flamme sind.
                           Eine Nothbeleuchtung für Schiffe, die auch als Nothsignal wirken kann, ist von C. Wiese (Pöseldorf vor Hamburg) angegeben worden (Fig. 2). An den Topmasten des Schiffes sind mehrere
                              									Magnesiumbandlampen mit selbsthätigem Nachschub angeordnet. Zu denselben führen vom
                              									Maschinenraum ausgehende, über die Commandobrücke geführte elektrische Leitungen,
                              									welche das Entzünden der Magnesiumlampen bewirken sollen. Wird die vorhandene
                              									elektrische Beleuchtung gestört, so wird von der Commandobrücke aus die
                              									Nothbeleuchtung in Betrieb gesetzt. Dies kann auch geschehen, wenn Nothsignale
                              									abzugeben sind. Selbsthätig tritt die Anlage in Wirksamkeit, wenn eindringendes
                              									Wasser einen im Kielraum eingesetzten Schwimmer hebt, der den Strom schliesst. Eine
                              									allzu grosse praktische Bedeutung kann dieser Einrichtung allerdings kaum
                              									beigemessen werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 2
                              Fig. 2.Nothbeleuchtung für Schiffe.
                              
                           
                        
                           2) Rettungsgürtel, -westen, -bojen.
                           Ist eine Gefahr im Verzüge, welche zum Verlassen des Schiffes zwingt, so tritt die
                              									Nothwendigkeit heran, jeden einzelnen Insassen vor dem Versinken zu sichern um ihn
                              									zu einer späteren Gelegenheit bergen zu können, wenn die sofortige Aufnahme in einem
                              									Boot nicht angängig gewesen oder das rettende Boot selbst ein Raub der Wellen
                              									geworden. Die Frage, ob der Mensch an sich schwimmfähig, d.h. specifisch leichter
                              									als Wasser ist, kann bei der Auswahl geeigneter Rettungsmittel unerörtert bleiben.
                              									Denn selbst wenn ein geringer Auftrieb für den nackten Körper zugelassen würde –
                              									nach Ansicht einiger Beobachter nimmt er bei luftgefülltem Brustkorb im Durchschnitt
                              									eine solche Grösse an, dass Mund und Nase über Wasser gehalten werden können – hätte
                              									derselbe eine praktische Bedeutung für den vorliegenden Fall nicht zu beanspruchen;
                              									einmal hat man es hier mit einem sehr bewegten Element zu thun, welches an dem
                              									schwimmenden Körper die Beschleunigung der Schwere in einem dem Auftrieb stets
                              									schädlichen Sinne zur Wirkung kommen lässt, dann sind die Kleidungsstücke
                              									beschwerend, endlich soll man in der Lage bleiben, die Arme frei bewegen bezieh.
                              									über Wasser heben zu können. Es machen sich demnach besondere Hilfsmittel
                              									erforderlich, welche den menschlichen Körper in gewünschtem Maasse über Wasser zu
                              									halten vermögen.
                           Die Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft vom 14. Juni 1890 sehen (§ 15) für jede an Bord
                              									befindliche Person einen Rettungsgürtel (Schwimmweste, Korkjacke) von mindestens 8 k
                              									Tragfähigkeit vor. Die Gürtel müssen an jederzeit und für Jedermann erreichbaren
                              									Orten aufbewahrt und mindestens einmal jährlich auf ihre Beschaffenheit untersucht
                              									werden. Es ist zur Zeit wohl allgemein bei Seefahrern eingeführt, die Schwimmwesten
                              									o. dgl. für jeden Passagier in dessen Schlafraum bezieh. unter die Kopfkissen zu
                              									legen.
                           Eine von der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger insbesondere für
                              									Passagierschiffe empfohlene Westenconstruction zeigen Fig. 3 und 4; es sind schmale
                              									Korkstreifen auf Segeltuch genäht. Die Jacken müssen 10 k Eisen 24 Stunden lang im
                              									Wasser tragen können und dürfen in dieser Zeit nicht über 500 g Wasser ziehen. Die
                              									Gebrauchsanweisung ist auf den Tragbändern aufgedruckt und die Anlegung der Jacke
                              									ist ohne fremde Hilfe leicht zu bewerkstelligen. Für die Rettungsmannschaften werden
                              									die Bänder mit Schnallen versehen, um die Jacke besser dem Körper anpassen zu
                              									können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 3
                              Rettungsgürtel.
                              
                           Die am 24. Februar 1879 in Gegenwart des Marineministers v.
                                 										Stosch vorgenommenen Proben einer Reihe von Schwimmgürteln mit
                              									Tragfähigkeiten von 14 bis 35 Pfund hatten die Prüfungscommission zu der Erkenntniss
                              									geführt, dass
                           die sogen. Ward'schen Korkjacken, wie
                              									sie von der englischen Nationale life-boat Institution und der Deutschen
                              									Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger für ihre Bootsmannschaften geliefert
                              									werden, als die zur Anschaffung auf deutschen Handelsschiffen am
                              									zweckentsprechendsten den Rhedern zu empfehlen wären. Die aus schmalen, auf
                              									Segeltuch genähten Korkstücken bestehenden Korkjacken erfüllten die an gute
                              									Vorrichtungen zu stellenden Anforderungen, nämlich: 1) genügende Tragfähigkeit, 2)
                              									leichtes und schnelles Anlegen ohne fremde Hilfe, 3) Dauerhaftigkeit, 4)
                              										Billigkeit.Mitth. Seew., 1879 Bd. 7 S. 303.
                           Als Bedingungen wurden abgeleitet:
                           1) Das Gewicht der trockenen Korkjacke soll 2,5 k nicht übersteigen; dabei soll
                              									letztere 10 k Eisen 24 Stunden im Wasser tragen und während dieser Zeit nicht über
                              									0,5 k Wasser ziehen. (Die oben genannten Gesellschaften schreiben als 24stündige
                              									Belastung 23 k Eisen vor.) Dass unter diesen Umständen nur feines Korkholz
                              									Verwendung finden kann, zeigen die von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung
                              									Schiffbrüchiger mit gleichen Stücken Kork verschiedener Qualität angestellten
                              									Proben; nach diesen betrug
                           
                              
                                 
                                 Gewicht,trocken
                                 Gewicht,nass nach24 Stunden
                                 Gewichts-zunahme
                                 
                              
                                 
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                                 für feines Holz
                                   600
                                   750
                                 150
                                 
                              
                                   „  weniger gut
                                   700
                                   950
                                 250
                                 
                              
                                   „  ordinär
                                 1000
                                 1375
                                 375
                                 
                              
                           2) Vorn geschlossenen Jacken soll der Vorzug gegeben werden, schon wegen deren
                              									Tendenz, den Körper etwas nach hinten zu neigen.
                           3) Guttaperchagürtel werden wegen umständlicher Handhabung (Aufblasens) und
                              									leichter Verletzlichkeit ebenso wenig empfohlen, wie mit Segeltuch überzogener Kork,
                              									welcher bezüglich seiner Beschaffenheit nicht controlirbar ist.
                           Kork ist ein altes Hilfsmittel des Seemanns.
                           Egerton SmithMechanics Magazine, 1826 S. 273.
                              									hatte ein aus Kork gefertigtes Halsband benutzt, welches mittels Riemen am Brustkorb
                              									festgemacht wurde. Für eine 170 bis 180 Pfund schwere Person besass der Ring 16 Zoll
                              									Durchmesser, innen 3 Zoll, aussen ½ Zoll Dicke, und wog 3 Pfund.
                           Vertrauenerweckender war die Schwimmjacke, welche aus einem leinenen Brust- und
                              									Rückenblatt sich zusammensetzte, über den Kopf gezogen und mit Bändern am Leib
                              									verschnürt wurde. Die Leinwand war mit Korkstücken von 4 bis 7 Zoll Breite und 6 bis
                              									9 Zoll Länge bedeckt; diejenigen der Vorderseite hatten etwas mehr als 1 Zoll Dicke
                              									und wogen 2 Pfund, während der Korkbelag der Rückseite nur 1½ Pfund schwer war.
                              									Ausserdem befand sich vorn noch ein 5 Zoll vorstehender Korkkragen von ½ Pfund
                              									Gewicht. Auch hier war die Absicht erkenntlich, den Vorderkörper des Schwimmers
                              									höher zu heben, als die Rückseite.
                           Man verwirft mit Recht jene Mittel, welche erst vor Gebrauch wirksam gemacht werden
                              									müssen. Eine Gummijacke, welche erst aufzublasen ist, besitzt schon deshalb einen
                              									illusorischen Werth, und die Möglichkeit einer allzu leichten Betriebsstörung machen
                              									sie nicht empfehlen. Es sei nur beiläufig auf den Merriman'schen Rettungsanzug hingewiesen, welcher, aus Kautschuk
                              									hergestellt, Jacke, Hut und Beinkleid einbegriff und mit Luft aufgeblasen wurde. Mit
                              									diesem führte der bekannte amerikanische Schwimmer Paul
                                 										Boyton (1875)Times, 1875. anfangs an der irischen
                              									Küste mehrere Fahrten aus, unternahm auch am 10. April 1875 eine Schwimmtour von
                              									Dover nach Boulogne, freilich, nachdem ihn Kanallootsen einer günstigen Witterung
                              									versichert hatten. Boyton hatte in 15 Stunden 40 bis 50
                              									Seemeilen zurückgelegt, wurde aber bei Eintritt starken Sturmes vom Begleitdampfer
                              									aufgenommen. Man vermochte festzustellen, dass der Schwimmer noch gut 6 Stunden
                              									hätte rudernd im Wasser verweilen können.
                           In neuerer Zeit sind Rennthierhaare als Tragemittel in Aufnahme gekommen. Die Gürtel
                              									werden dann aus gewöhnlichem oder wasserdicht präparirtem, doppeltgelegtem
                              									Baumwollsegeltuch mit Rennthierhaarfüllung angefertigt und zwar je nach Vorschrift
                              									3- bis 12theilig, so dass ein bequemes Umlegen erfolgen kann. Die Tragfähigkeit
                              									eines 1 k schweren Gürtels wird mit 11 k, diejenige eines solchen von 1,3 k
                              									Eigengewicht zu 11 k Eisen gewährleistet und zwar nachdem die Gürtel 24 Stunden im
                              									Wasser gelegen haben.
                           Die Vorschriften der See-Berufsgenossenschaft bestimmen
                              										weiterVgl. § 16 der
                                    											Vorschriften. für jedes Schiff bis zu 700 cbm Bruttogehalt
                              									mindestens eine, für jedes grössere Schiff mindestens zwei Rettungsbojen (Ringe) von weisser oder rother Farbe und 12 k
                              									Mindesttragkraft. Passagierschiffe werden eine erheblich grössere Anzahl Ringe
                              									mitführen, deren Anordnung an Bord so erfolgt, dass sie leicht zu erreichen und
                              									abzuwerfen sind. Demgemäss haben alle Fahrzeuge Rettungsringe an Bord, welche aus Kork
                              									oder Rennthierhaaren mit geeigneter Hülle bestehen. Der Dampfer des Norddeutschen Lloyds Kaiser Wilhelm II beispielsweise
                              									führt 12 Ringe mit.
                           Auch Ball- und Kissenform unter dieser Art Rettungsvorrichtungen sind lange bekannt.
                              										MacintoshGlasgow Mechanics Magazine, Nr. 128 S.
                                    										212. hatte aus einer Doppellage Leinwand, welche mit einer
                              									Kautschukcomposition luftdicht gemacht war, ein cylindrisches Kissen hergestellt;
                              									dasselbe wurde bei Gebrauch aufgeblasen. Schnüre dienten zum Anfassen an dem 24 bis
                              									26 Loth schweren Schwimmkörper.
                           Von einer Reihe italienischer Schiffahrtsgesellschaften ist vor Jahren der Frattini-Ingaramo'sche Rettungsgürtel eingeführt
                              									worden, welcher aus einem hohlen, aus elastischem Material erzeugten Gürtel von 15
                              									cm Breite besteht. Derselbe enthält in getrennten Abtheilungen verschiedene
                              									Chemikalien – Säuren und Basen –, welche, durch Zug an zwei Schnüren mit einander in
                              									Berührung gebracht, den Ring aufblähende Gase entwickeln. Die Einrichtung ist wohl
                              									auch dahin abgeändert worden, dass die Chemikalien ohne weiteres zusammen kommen,
                              									wenn eine in Wasser lösliche Sperrvorrichtung die Scheidewand freigibt.
                           Eine Unzahl solcher theils mit Luft, theils mit besonders präparirten Gasen
                              									abblähbaren Bojen ist in die Welt geschleudert worden, ohne dass der Schiffsbetrieb
                              									ihnen grossen Werth beigemessen hätte. Denn in der That hat sich die stete
                              									Bereitschaft mit wachsendem Verkehr zu einer der wichtigsten Eigenschaften der
                              									Rettungsmittel entwickelt. So sind specifisch leichte, massive Medien bei
                              									Herstellung auch der Bojen herrschend geblieben. Von dem englischen Admiral Ryder rührt der Vorschlag her, die Hängematten aus
                              									Netzwerk mit Korkmatratzen zu versehen, so dass die Schlaflager selbst zu
                              									Rettungsmitteln werden. Ueberhaupt wird man ja danach streben, soviel wie thunlich
                              									Gebrauchsgegenstände, insbesondere leicht transportable, wie Kissen, Stühle, aber
                              									auch Schiffstheile, wie Reelings u. dgl., zum gleichen Zweck geeignet zu machen.
                           Rotationskörper, deren Rotationsachse im Wasser wagerecht zu liegen kommt, wie es bei
                              									Bällen und Cylindern der Fall ist, werden gern gemieden, weil sie stets das
                              									Bestreben haben, sich zu drehen, wenn eine Person sich einseitig anzuklammern
                              									versucht. Man müsste denn geeignete Mittel benutzen, um diesem Uebelstande zu
                              									steuern, und eines davon besteht darin, dass man die Körper unten beschwert, d.h.
                              									ihre Schwerachse nicht mit der Drehachse zusammenfallen lässt. Ein österreichischer
                              									Officier hatte im J. 1871 als Boje einen hohlen Balken mit excentrischer
                              									Bohrung und einer Metallschiene als Kiel vorgeführt. Als Stütze für zwei bis drei
                              									Personen musste der Balken 9 Fuss Länge und 9 Zoll Durchmesser haben; in seinem
                              									Inneren waren Blechbehälter für Nahrungsmittel vorgesehen. Er sollte auf Deck an den
                              									Reelingen oder hinter der Schanzverkleidung aufbewahrt werden.
                           Um den Werth der Rettungsbojen, die ja vom Bord aus zugeworfen werden, nicht
                              									illusorisch zu machen, ist es erforderlich, dass dieselben auch sichtbar sind, dass
                              									ihr Standort im Wasser bezieh. der Weg, den sie nehmen, sowohl für den Rettung
                              									Suchenden, wie für das Schiff erkennbar bleibt. Am Tage wird ja die gegen das
                              									Meerwasser abstechende Farbe der Schwimmkörper diesen zu erkennen geben; in der
                              									Dunkelheit dagegen muss man zum künstlichen Licht seine Zuflucht nehmen, man muss
                              									die Boje beleuchten. Die Schwierigkeit einer solchen Beleuchtung liegt aber darin,
                              									dass Wind und überstürzende Wellen gleich störend einwirken.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 4
                              Rettungsobjekte von Meller.
                              
                           Soweit feststellbar die älteste, in Anwendung gekommene Rettungsboje mit
                              									Leuchtapparat ist wohl die vom Engländer Cook,
                              									vermuthlich 1822 construirte. Dieselbe bestand in der Hauptsache aus einem hölzernen
                              									Kreuz, dessen unteres Ende beschwert war und dessen wagerechte Arme zwei kupferne
                              									Schwimmkugeln aufnahmen. An dem oberen aus dem Wasser ragenden Ende befand sich eine Lunte
                              									(fuse) nebst Flintenschloss und Zündschnur, welch ersteres unter dem Einfluss einer
                              									Feder stand. Unter Spannung dieser Feder wurde die Boje am Spiegel des Segelschiffes
                              									derart aufgehängt, dass ein etwa vom Steuermann ausgeübter Zug an einer Leine
                              									genügte, um den Apparat abzuwerfen und gleichzeitig die Feder des Flintenschlosses
                              									auszulösen, so dass die Zündung der Lunte erfolgte. Die letztere brannte ¼ bis ½
                              									Stunde und wurde selbst durch öfteres Untertauchen nicht gelöscht. Abwerfen und
                              									Entzünden nahmen nach den zu Neufahrwasser bei Danzig angestellten Versuchen etwa 10
                              									Secunden in Anspruch.
                           Trotzdem hatte die damalige Prüfungscommission die allgemeine Einführung der Cook'schen Boje auf Kauffahrteischiffen nicht empfehlen
                              									können. In der britischen, russischen, holsteinischen und dänischen Flotte bildete
                              									sie aber einen vorschriftsmässigen Ausrüstungsgegenstand und soll dort vielfach in
                              									Anwendung gekommen sein.
                           Dass bei den weiteren Constructionen insbesondere auch solcher Mittel gedacht worden
                              									war, welche sich im Wasser selbst entzünden und darin brennen, wie Phosphorcalcium,
                              									ist naheliegend; indessen haben alle derartigen Apparate trotz der Wichtigkeit der
                              									in ihnen zum Ausdruck gebrachten Bestrebungen eine lange Lebensfähigkeit nicht
                              									gezeigt, zum Theil auch eine solche überhaupt nicht erhalten. Erst die Neuzeit, in
                              									welcher der Sicherheit im Seeverkehr ein vollberechtigtes Interesse geschenkt wird,
                              									scheint unter Verwendung der elektrischen Glühlampe eine annehmbare Lösung der
                              									Aufgabe gefunden zu haben. Es seien hierzu folgende Beispiele angeführt.
                           Die Einrichtung der vom Capitän Meller in Kiel
                              									entworfenen elektrisch beleuchteten Rettungsboje ist aus den Fig. 5 bis 11 ersichtlich. Der
                              									Constructeur ist von der richtigen Ansicht ausgegangen, dass nur ein sicher und
                              									sofort wirkender Apparat von Nutzen sein könne. Die Wirksamkeit soll sich aber nicht
                              									allein auf die Tragfähigkeit, sondern auch auf die Kenntlichmachung des Standortes
                              									der Boje erstrecken; was sowohl für die hilfsbedürftige Person, als auch für die
                              									Rettungsmannschaft von Wichtigkeit ist. Meiler
                              									verbindet deshalb den Signalträger mittels cardanischen Gehänges oder eines
                              									Universalgelenkes so mit dem Schwimmer, dass ersterer unabhängig von der Lage des
                              									letzteren stets senkrecht stehen bleibt. Der aus beliebigem, schwimmfähigem Material
                              									– wie Kork, allenfalls mit innerer Holz- oder Metallversteifung, oder Papier,
                              									Holzfasern, Blechrohr – hergestellte Ring A trägt
                              									mittels der Streben a einen Ring b und dieser einen Reifen c, in welchem die senkrechte hohle Stange C
                              									pendeln kann. Ein Netz e und Rettungsbälle d können die Armatur des Gürtels vervollständigen. Die
                              									Stange C trägt an ihrem oberen Ende die Laterne B; sie wird durch den Batteriebehälter D aufrecht erhalten und durch ihr Inneres gehen die
                              									Leitungsdrähte von den Elementen zur Lampe. Wie Fig. 10 erkennen lässt,
                              									sind die Enden F der Drähte durch Schutzrohre G geführt; die Einführung könnte jedoch auch central
                              									erfolgen. In der Laterne a1 bekannter Construction hängt die Glühlampe e1 an einem Ausschalter D1, welcher an der
                              									Isolationsplatte A1
                              									befestigt ist. Eine Ueberwurfklappe d1 sichert das Ganze gegen die Decke der Laterne.
                              									Liegt der von der Feder I nach oben gedrückte Ring H an der Platte E an, so
                              									geht der elektrische Strom durch die Klemme C1, Platte E, Ring H
                              									in die Lampe und dann zur Klemme B1. Wird aber der Ring H
                              									von aussen durch den Stift L niedergedrückt, so ist der
                              									Strom unterbrochen. Die Boje hängt nun in der in Fig. 11 angedeuteten
                              									Weise mittels der Gabel m so aussenbords, dass ein
                              									Hebel h den Stift L der
                              									Lampe niedergedrückt, d.h. den Strom offen hält. Ein am Schiff festes Gehänge
                              									sichert die Vorrichtung in ihrer Lage am Bootskörper. Im Falle der Noth wird der
                              									Hebel h zurückgeschoben, wodurch die Boje abgeworfen
                              									und der Strom für die Lampe geschlossen wird. Ein Handausschalter N soll es ermöglichen, die Lampe ausschalten zu können,
                              									wenn ein längerer Aufenthalt im Wasser zu erwarten steht und ein dementsprechend
                              									sparsamer Verbrauch der elektrischen Energie angezeigt erscheint.
                           Wohl die ersten Prüfungen hatte im J. 1894 das Panzerschiff Wörth in Kiel an dem Meller'schen Apparat
                              										vollzogen.Electrical Eng., 17. l. S. 276. Er
                              									wurde bei 16 Knoten Fahrt abgeworfen, verlor sich auf etwa 12 Secunden im
                              									Heckwasser, erschien dann aber wieder und blieb gut sichtbar. Einer allgemeinen
                              									Einführung in die Marine hatten die glücklichen Versuche nur das Wort reden können.
                              									Die Grösse und die Leistung lassen sich natürlich den Bedürfnissen anpassen.
                              									Beispielsweise würde eine Vorrichtung von 1,5 m äusserem, 0,90 m innerem
                              									Bojenringdurchmesser für 12 bis 15 Personen Tragfähigkeit besitzen; bei einer
                              									Laternenhöhe von 1 m ist eine Sichtweite des Lichtes zu 2,5 Seemeilen
                              									anzunehmen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 5
                              Fig. 12.Nachtrettungsapparat der Allgemeinen
                                 										Elektricitätsgesellschaft.
                              
                           Der Nachtrettungsapparat mit elektrischem Licht der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft in Berlin ist in Fig. 12 verständlich. Der Bojenring trägt nach unten
                              									einen Kasten, in welchem die Sammlerbatterie untergebracht ist, und oberhalb auf
                              									einem starken Drahtgerüst eine mit Glühlicht versehene Laterne; die Verbindungen der
                              									einzelnen Theile sind hier starr. Der Schwimmkörper besteht aus einer doppelten Lage
                              									wasserdichter Leinwand mit Rennthierhaarfüllung; seine Abmessungen sind so
                              									getroffen, dass er drei Personen sicher trägt. In einer mit Holz ausgekleideten
                              									Kammer des Schwimmkörpers ist in doppeltem Kasten eine Sammelbatterie untergebracht,
                              									welche die Glühlampe 6 Stunden lang speisen und an jeder Gleichstromdynamomaschine
                              									geladen werden kann. Die elektrische Energie wird 2 Monate sicher gehalten, so dass
                              									eine Füllung an Bord nicht nothwendig wird. Die Glühlampe ist 16kerzig, ihre
                              									Sichtweite beträgt 2000 m. Hängt der Apparat mit Hilfe der über der Laterne
                              									angeordneten Oese am Bord, so ist der Strom geöffnet; fällt die Boje ab, so
                              									schliessen vier starke Federn den Strom. Das Abwerfen lässt sich entweder an Ort und Stelle von Hand
                              									bewirken, oder die Einrichtung wird so getroffen, dass dasselbe elektrisch von jeder
                              									Stelle des Schiffes stattfinden kann. Greifringe oder grosse Rettungsringe mit Sack
                              									lassen sich natürlich an der Boje anordnen; die letzteren werden da angebracht sein,
                              									wo ein Angriff von Seiten der Haie zu erwarten steht. Die Rettungsvorrichtung hat
                              									sich bereits seit ein paar Jahren praktisch bewährt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 6
                              Rettungsbojen von Meller.
                              
                           Zur Aufnahme einzelner Personen werden die Bojen auch so eingerichtet, dass sich die
                              									betreffende Person setzen kann. Capitän Meller benutzt
                              									hierzu einen Rahmen A (Fig. 13 und 14), an dem die
                              									Schwimmkörper BC befestigt sind. Unter dem Polster F, auf dem man rittlings sitzt, ist der Batteriekasten
                              										E angeordnet; die Leitungen gehen durch die
                              									Rahmenrohre zur Lampe D. An Bord hängt die Boje, stets
                              									zum Gebrauch bereit, in einem besonderen Gestell, an welchem zugleich eine Talje zum
                              									Aufholen des Apparates aus dem Wasser angeordnet ist.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)