| Titel: | Neues über Explosivstoffe und Sprengarbeit. | 
| Autor: | O. Guttmann | 
| Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 17 | 
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                        Neues über Explosivstoffe und
                           								Sprengarbeit.
                        Von O.
                                 								Guttmann.
                        Neues über Explosivstoffe und Sprengarbeit.
                        
                     
                        
                           In meinem Werke über „Die Industrie der
                                    											Explosivstoffe“1896 299 240. (Braunschweig 1895) habe ich
                              									über die Zusammensetzung und die Erzeugung des britischen Militärpulvers
                              										„Cordit“ (von cord, die Schnur) wohl die
                              									ersten eingehenden Mittheilungen gebracht. Man wird begreifen, dass ich vielfache
                              									Rücksichten zu beobachten habe, und deshalb trotz meiner genauen Kenntniss dieses
                              									Pulvers nur solche Nachrichten der Oeffentlichkeit übergeben kann, welche mehr oder
                              									weniger auch Anderen zugänglich sind. Aus verschiedenen Berichten, welche entweder
                              									im Parlamente gegeben wurden, oder in kleinen Notizen in Zeitungen verstreut sich
                              									fanden, sowie aus einer Vorlesung von Oberst Barker in
                              									der United Service Institution und einem offenbar halbamtlichen Communique im Engineer vom 13. März 1896 ergänze ich nachfolgende
                              									Skizze dieses interessanten Pulvers.
                           Wie erinnerlich, besteht Cordit aus einer Mischung von 58 Tb. Nitroglycerin und 37
                              									Th, Schiessbaumwolle (etwa 10 Proc. löslicher Nitrocellulose enthaltend), welche von
                              									Hand gemengt und sodann in einer Knetmaschine mit 19,2 Th. Aceton 3½ Stunden lang
                              									behandelt wird. Hierauf werden 5 Th. Vaseline hinzugefügt und weitere 3½ Stunden
                              									lang geknetet, wonach der entstandene Teig zu Schnüren gepresst wird. Dies geschieht
                              									entweder in Schrauben- oder hydraulischen Pressen. Die Abbildung einer
                              									Schraubenpresse ist in meinem Buche gegeben und sie zeichnet sich dadurch aus, dass
                              									ein hydraulischer Buffer vorgesehen ist, welcher beim Ueberschreiten des
                              									vorgeschriebenen Druckes den Treibriemen ausrückt. Die hydraulischen Pressen sind
                              									von der üblichen Construction, und bei beiden Arten von Pressen liegt das
                              									Schwergewicht für die regelmässige und gute Erzeugung des Cordits in den Formen und
                              									Stempeln. Die Form trägt je nach der Dicke der zu erzeugenden Schnur ein oder
                              									mehrere Mundstücke, durch welche der Teig in einer endlosen Schnur austritt. Diese
                              									wird entweder, bei dickeren Gattungen, sofort in die für die Patronen erforderliche
                              									Länge geschnitten, oder, für Gewehrpulver, wird sie selbsthätig, wie beim
                              									Zwirnspulen, auf aus Stahlblech gestanzte Trommeln in Mengen von etwa 1 Pfund
                              									aufgewickelt. Das Schneiden der dickeren Gattungen geschieht entweder auf Trommeln,
                              									wie Wachsdraht, oder die Schnur läuft auf ein Transportband, welches in
                              									entsprechenden Entfernungen Messer eingesetzt hat, und geht mit diesem unter eine
                              									kleine Walze hindurch. Dies bewirkt, dass die auf den Messern liegende Schnur von
                              									der sich drehenden Rolle abgekneift wird, worauf der bedienende Junge die
                              									Schnüre abnimmt und sie auf flache Trockenrahmen legt. Das fertige Cordit kommt in
                              									Trockenhäuser, wo es einem Luftstrome von 100° F. (377/9° C), je nach der Dicke der Schnur 3
                              									bis 8 Tage lang ausgesetzt wird, um möglichst alles Aceton auszutreiben. Das
                              									getrocknete Cordit wird einer Vermengungsoperation unterzogen, wie dies bei Pulver
                              									stets der Fall war, um gleichmässige grössere Quantitäten zu erzielen. Beim
                              									Gewehrcordit geschieht dies, indem je zehn Trommeln auf eine einzige Trommel (Nr.
                              									2), und je sechs Trommeln Nr. 2 auf eine dritte abgewickelt werden. Von dieser
                              									werden dann die 60 Schnüre auf einmal in die Patrone eingeführt und auf die
                              									erforderliche Länge abgeschnitten.
                           Wie alle colloïdalen rauchlosen Pulver verbrennt auch das Cordit, selbst unter dem
                              									hohen in Geschützen herrschenden Drucke, von der Oberfläche aus nach innen, und dies
                              									hat sich bei theilweise unverbrannt herausgeschleuderten Ballistit- und
                              									Corditstücken klar gezeigt, indem erstere ihre cubische, letztere ihre cylindrische
                              									Form so glatt beibehielten; als ob sie erst die Maschine verlassen hätten, jedoch
                              									ihre Grösse bezieh. ihr Durchmesser war bedeutend vermindert. Durch diese
                              									Eigenthümlichkeit ist es möglich, eine einzige Pulvermischung zu verwenden, und je
                              									nach dem Kaliber des Geschützes, dem Laderaume und der Rohrlänge nur die Grösse der
                              									Würfel beim Ballistit und die Dicke der Schnur beim Cordit zu verändern, um eine
                              									mehr oder minder lebhafte Verbrennung zu erzielen, da ja die
                              									Verbrennungsgeschwindigkeit in diesem Falle in dem Verhältnisse der Oberfläche zur
                              									Masse steht. Am lebhaftesten verbrennt dann natürlich solches Cordit, bei welchem
                              									die Schnüre in dünne Scheibchen, in der Form wie das österreichische Militärpulver,
                              									geschnitten werden, und man verwendet solches, bei welchem auch die die Verbrennung
                              									mässigende Vaseline weggelassen ist, zu Exercirpulver.
                           Die in Dienst gestellten Corditgattungen sind die folgenden:
                           
                              
                                 
                                 0,0100
                                 Zoll (in kurze
                                 Stückchen geschnitten) fürArmeerevolver
                                 
                              
                                 
                                 0,0375
                                   „   Durchm.
                                 für das 0,303zöllige Magazins-gewehr
                                 
                              
                                 11 Zoll lang
                                 0,05
                                   „         „
                                 für das 12pfündige Hinterlade-geschütz
                                 
                              
                                 14 Zoll lang
                                 0,200,300,50
                                   „         „  „         „  „         „
                                 für das 4,7zöllige Schnell-feuergeschützfür das 6zöllige
                                    											Schnellfeuer-geschützfür die 12zöllige Draht-kanone
                                 
                              
                           Die Dicke des Cordits richtet sich, wie erwähnt, nach den Geschützverhältnissen, und
                              									von grosser Wichtigkeit ist insbesondere das Verhältniss des Laderaumes zur
                              									Ladedichte. 17¾ Cubikzoll Cordit wiegen 1 englisches Pfund, was fast ganz genau
                              									einem specifischen Gewichte von 1,600 entspricht. Man kann annehmen, dass der
                              									Gasdruck in Schnellfeuergeschützen nicht über 40 t für 1 Quadratzoll (630 at) und in
                              									den meisten gewöhnlichen Geschützen 20 t (315 at) beträgt. Würde Cordit mit einer
                              									Ladedichte von 1,600 benutzt werden, so entstünde ein Gasdruck von fast 1900 at, was
                              									keinem Geschütze zugemuthet werden kann. Bei einer Ladedichte von 54 Cubikzoll für 1
                              									Pfund (0,525) erhält man aber nur 630 at und bei 100 Cubikzoll (0,284) niemals mehr
                              									als 315 at Gasdruck. Hieraus folgt, dass etwaige klimatische Veränderungen des
                              									Pulvers und
                              									Geschützes, sowie der Zustand der Geschützseele und des Projectiles bei hoher
                              									Ladedichte grösseren Einfluss üben, als bei kleinerer.
                           In dem britischen Reiche, in welchem die Sonne niemals untergeht, hat ein Pulver noch
                              									ganz anderen Ansprüchen zu genügen, als sie z.B. in einem continentalen Staate
                              									gestellt werden dürften. Von den furchtbaren Winterkälten in Canada bis zu den
                              									tropischen Hitzen in Guyana, von den Sümpfen in Ashanti bis zu der wasserlosen Ebene
                              									in Aden, gibt es eine solche Abwechslung an Sonne und Schneefall, an Fieberfeuchte
                              									und Dürre, dass ein Reich, welches nicht überall stehende Heere und grosse
                              									Kriegsvorräthe halten kann, sondern im Falle der Noth rasch Truppen und Material
                              									zuschicken muss, auch sein Pulver so einzurichten hat, dass es möglichst überall mit
                              									gleich gutem Erfolge zu verwenden sei. In den 6 Jahren, während welcher Cordit den
                              									verschiedensten Proben unterzogen wurde, hat es sich stets sehr gut bewährt.
                           Es ist bekannt, dass fast alle Nitrokörper enthaltenden Explosivstoffe eine
                              									Temperatur von 45° C. nicht auf die Dauer vertragen, ohne eine Zersetzung zu
                              									erleiden, welche wohl keine unmittelbare Gefahr mit sich bringt, dafür aber die
                              									ballistischen Ergebnisse des Pulvers beeinflusst. Bei Nitroglycerinpulvern, wie
                              									Cordit und Ballistit, ist auch noch die Verdampfung des Nitroglycerins in Rücksicht
                              									zu ziehen, welche, wie ich an anderen Orten nachgewiesen habe, selbst bei nur 40° C.
                              									dazu führen kann, dass in verhältnissmässig kurzer Zeit der Nitroglyceringehalt des
                              									Pulvers bedeutend fällt und das Pulver dadurch brisanter wird. Bei colloïdalen
                              									Pulvern tritt diese Verdunstung viel langsamer ein, als z.B. bei Kieselguhrdynamit,
                              									und wenn das Pulver gut hergestellt ist, so wird, wie dies bei Ballistit und Cordit
                              									thatsächlich der Fall ist, der ballistische Effect sich noch innerhalb der
                              									zulässigen Grenzen halten, selbst wenn das Pulver jahrelang unter ungünstigen
                              									Verhältnissen lagert. Ausgedehnte Versuche mit Cordit in Indien lassen dies sicher
                              									behaupten.
                           Andererseits ist es gleichfalls von der Sprenggelatine her bekannt, dass sie beim
                              									Aufthauen nach dem Gefrieren Nitroglycerin austreten lässt, und eine der in
                              									Grossbritannien vorgeschriebenen Proben besteht darin, dass die Sprenggelatine
                              									dreimal hinter einander frieren und aufthauen gelassen wird. Auch Cordit lässt beim
                              									Aufthauen minimale Mengen von Nitroglycerin austreten, welche jedoch allmählich
                              									wieder aufgesaugt werden, nachdem bei der grossen Dichte des Cordits nur die
                              									Aussenflächen hierbei ins Spiel kommen können. Der ballistische Effect wird jedoch
                              									weder durch grosse Kälte noch durch Aufthauen wesentlich beeinträchtigt, wie
                              									Experimente, welche einen ganzen Winter hindurch in Quebec durchgeführt wurden,
                              									darthaten.
                           Ueber die allgemeinen Eigenschaften des Cordits spricht sich Engineer wie folgt aus: Die gelegentliche Aussetzung in höheren
                              									Temperaturen als 100° F. in den Patronentaschen der Mannschaft und in den
                              									Munitionskästen der Kanonen verursacht keine nachtheilige Wirkung. Directes
                              									Sonnenlicht verwandelt Cordit rasch in eine stark dunkel gefärbte Masse und
                              									zerstreutes Licht hat dieselbe Wirkung, jedoch nur nach sehr viel längerem
                              									Aussetzen. Directes Licht bewirkt langsame Zersetzung; aber Schnüre, welche mehrere
                              									Jahre lang zerstreutem Lichte ausgesetzt waren, zeigten keine schätzbare chemische
                              									Veränderung, obzwar ihre Farbe viel dunkler wurde. In Folge gänzlicher
                              									Abwesenheit von Staub ist Cordit ein bemerkenswerth sicherer Explosivstoff in der
                              									Handhabung. Es kann durch einen starken Schlag zur Explosion gebracht werden, wie
                              									z.B. wenn eine auf einen Amboss gelegte Schnur mit einem Hammer getroffen wird; in
                              									einem solchen Falle explodirt der Theil, welcher sich unmittelbar unter dem Hammer
                              									befindet, aber die Explosion verpflanzt sich nicht auf die Schnur zu beiden Seiten
                              									des Hammers. Wenn es in freier Luft, oder selbst in die reglementsmässigen Kisten
                              									von 100 Pfund eingeschlossen, angezündet wird, so brennt es nur mit einer starken
                              									Flamme, auch wenn dies mit beträchtlichen Mengen geschieht. Es hat so ein
                              									Scheiterhaufen, welcher um acht auf einander gelegte Kisten errichtet wurde, nur den
                              									Inhalt der Kisten nach einander in dem Maasse angezündet, als das Holz derselben
                              									verbrannte, und es fand nicht nur keine Explosion statt, sondern die Deckel der
                              									Kisten wurden nur so weit geöffnet, um die Verbrennungsproducte entweichen zu
                              									lassen. Auch ein provisorisches Magazin, in welchem 2 t Cordit auf Gitterrahmen
                              									vertheilt waren, wurde 14 Tage lang auf einer Temperatur von 100° F. erhalten und
                              									dann angezündet. Es fand keine Explosion statt. Das Schieferdach wurde durch die
                              									plötzliche Gasentwickelung abgehoben, auf der Seite des Gebäudes zur Erde gebracht,
                              									und war nicht mehr beschädigt, als dem Falle zugeschrieben werden konnte; die
                              									Fenster in den Mauergiebeln waren nicht gebrochen, und die Thür musste aufgesperrt
                              									werden, um die Feuerwehr einzulassen. Es ist überhaupt schwer, Cordit zu entzünden,
                              									selbst in der Ladung eines Geschützes, und es müssen für Kanonen Initialzündungen
                              									aus Schiesswolle oder Schwarzpulver und für Kleingewehre Zündhütchen mit einer
                              									Ladung von stark feuergebendem Satze verwendet werden. Wenn aber die Initialzündung
                              									genügend ist, so sind Versager und Nachbrenner selten.
                           Mit Bezug auf Erosion kann gesagt werden, dass sie gewiss nicht grösser als bei
                              									Schwarzpulver und von einer günstigeren Art ist. Schwarzes und braunes Pulver fräsen
                              									aus und erzeugen rauhe unregelmässige Kanäle im Laufe, während Cordit die Oberfläche
                              									gleichmässig auszufegen scheint. Diese Wirkung ist wahrscheinlich dem Umstände
                              									zuzuschreiben, dass in den Verbrennungsproducten sich weder feste noch flüssige
                              									Bestandtheile finden, und dass ein grosser Procentsatz von Kohlenoxyd bei hoher
                              									Temperatur vorhanden ist. Die Erosion erstreckt sich nur auf einige Kaliberlängen im
                              									Laufe, und aus diesen Gründen ist es möglich, mit Expansionsführungsringen am
                              									Geschosse die Kanone länger dienstfähig zu erhalten, als mit Schwarzpulver. Es muss
                              									berücksichtigt werden, dass die ballistischen Resultate mit Cordit in der Regel viel
                              									grösser sind, als mit Schwarzpulver; bei der 12zölligen Schiffskanone z.B. ist die
                              									dem Geschosse mitgetheilte Energie 1,8mal grösser, als in der Kanone alten Modells,
                              									deshalb ist auch grössere Abnutzung zu erwarten.
                           Die britische Regierung wurde bekanntlich von Alfred
                                 										Nobel wegen Verletzung seines Ballistitpatentes durch die Erzeugung des
                              									Cordits verklagt. Die angerufenen drei Instanzen waren der Ansicht, dass Nobel nur die Verwendung von löslicher Nitrocellulose,
                              									und zwar mit absichtlichem Ausschlusse der unlöslichen, patentirte, und dass deshalb
                              									die Regierung, welche unlösliche Nitrocellulose (gewöhnliche Schiessbaumwolle mit einem der
                              									Fabrikation anhaftenden Procentsatze löslicher Nitrocellulose) gebraucht, eine
                              									Patentverletzung nicht begangen habe. Da der Process sich hauptsächlich um die
                              									Lösung dieser einzigen Frage drehte, so war die 14tägige Verhandlung ziemlich
                              									eintönig, doch war bemerkenswerth die Anzahl von deutschen Sachverständigen, u.a.
                              									die Professoren Benedikt und Lunge, und der Referent. Nun steht der Regierung ein neuer Process bevor,
                              									diesmal von Hiram Stevens Maxim, dem Erfinder der
                              									bekannten Schnellfeuergeschütze. Maxim hat die Mischung
                              									von Nitrocellulose, Nitroglycerin und Oel, insbesondere Ricinusöl, patentirt,
                              									während die Regierung die beiden ersteren mit Vaseline vermengt. Vom chemischen und
                              									kriegstechnischen Standpunkte aus dürfte dieser bald zur Verhandlung gelangende
                              									Process weit grösseres Interesse erwecken.
                           Seit etwa 2 Jahren waren Gerüchte über ein in der russischen Armee eingeführtes neues
                              									rauchloses Pulver im Umlaufe, das von Prof. Mendelejew
                              									erfunden und Pyrocollodion genannt sein sollte. Im vorigen Jahre hatte Referent
                              									Gelegenheit, Prof. Mendelejew zu sehen, konnte aber
                              									bloss erfahren, dass Pyrocollodion eine vollkommene Art von Nitrocellulose sei. Nun
                              									bringt das Journal der russischen Marine und aus ihm
                              									auszugsweise die Revue Industrielle, October 1895, ein
                              									amtliches Communique über das neue Pulver, dem Folgendes entnommen ist:
                           Ueber Auftrag des Marineministers haben sich Mendelejew
                              									und Tscheltsow, unterstützt von einer grösseren Anzahl
                              									von Chemikern, mit dem Studium des rauchlosen Pulvers in den Jahren 1891 bis 1895
                              									beschäftigt. Das Resultat ist die Erzeugung einer „Pyrocollodion“ (aus Pyroxylin und Collodion)
                              									genannten Nitrocellulose und eines offenbar aus Pyrocollodion allein bestehenden,
                              									mit Hilfe eines Lösungsmittels gelatinirten rauchlosen Pulvers, welches zu Blättchen
                              									verschiedener Dicke verarbeitet wird.
                           Mendelejew ging von der Idee aus, dass beim Nitriren von
                              									Baumwolle sich ausser der sogen. löslichen und unlöslichen Nitrocellulose auch noch
                              									solche in reinem Alkohol lösliche, ferner Hydrocellulose u.s.w. bilden. Es ist
                              									bekannt, dass die beiden ersteren zur Erzeugung rauchloser Pulver Verwendung finden.
                              										Mendelejew scheint nun die ausschliessliche
                              									Verwendung einer bestimmten Nitrocellulosegattung nicht als wünschenswerth zu
                              									betrachten, vielmehr darauf hingearbeitet zu haben, eine solche Nitrocellulose zu
                              									erhalten, deren Stickstoffgehalt sich zwischen der Hexa- und Tetranitrocellulose
                              									bewegt. Er beleuchtet dieses Bestreben durch den Hinweis auf sogen.
                              										„pyroxylische“ Pulver, welche aus einem Gemenge von Schiessbaumwolle und
                              									Collodiumwolle bestehen, und bei welchen, wie er sagt, das Pyroxylin der explosive
                              									Factor und das „Collodion“ das gelatinirende Agens sei. (?) Mendelejew fand, dass manche lösliche Nitrozellulosen
                              									in Alkohol und Aether eine Gelatine bilden, andere, niedriger nitrirte aber sich
                              										„wie Zucker“ auflösen, und sein Bestreben ging dahin, eine Nitrocellulose
                              									herzustellen, welche einen der Eder'schen
                              									Pentanitrocellulose nahekommenden Stickstoffgehalt besitzt und sich doch „wie
                                 										Zucker“ löst. Dies ist ihm durch blosse Behandlung der Baumwolle mit einem
                              									Gemische von Salpetersäure und Schwefelsäure gelungen und er gibt dieser
                              									Nitrocellulose die Formel C30H38(NO2)12O25. Sie steht
                              									nach ihm zwischen der Eder'schen Pentanitrocellulose
                              									mit 12,75 Proc. Stickstoff und der gewöhnlichen Collodionwolle mit 11,5
                              									(11,11?) Proc. Stickstoff, und sie hat nach dieser Formel 12,44 Proc. Bei seinen
                              									Versuchen hat er sie, von der Eder'schen
                              									Pentanitrocellulose ganz verschieden, durch directe Reaction bekommen.
                           Mit diesem Pyrocollodion begannen nun im J. 1892 Versuche zur Herstellung eines
                              									rauchlosen Pulvers. Es gelatinirt sich vollständig, lässt sich leicht in Platten
                              									formen, und sobald es getrocknet ist, bildet es eine homogene, transparente Masse,
                              									welche Leim oder Celluloid ähnlich ist. In geschlossenem Gefässe explodirt,
                              									hinterlässt es keine Spur eines Rückstandes. Das Pyrocollodion hält die Abel'sche Wärmeprobe bei 65° stundenlang aus, besonders
                              									wenn es vorher mit Wasser und Alkohol ausgewaschen wurde. Zu Pulver verwandelt,
                              									verträgt es Erwärmung auf 110° durch 8 Stunden, ohne Lackmuspapier zu röthen.
                           Versuche in der Berthelot'schen Bombe und mit der
                              									Stauchprobe zeigten, dass man aus dem Pyrocollodion Blättchen mit einer
                              									Verbrennungsgeschwindigkeit zwischen 10 und 200 Zehntausendstel – Secunden
                              									herstellen könne, und dass die Verbrennungsdauer der Dicke der Blättchen
                              									proportional sei. Die Blättchen für Gewehrpulver haben ¼ mm Dicke, und durch
                              									thermochemische Versuche im Laboratorium wurde constatirt, dass die gleichen
                              									Geschwindigkeiten und Gasdrücke wie mit Schiesswollpulvern durch um 40 Proc. dünnere
                              									Blättchen zu erzielen sind. Das Pulver zeichnet sich durch regelmässige Resultate
                              									und durch die progressive Vergrösserung der Drucke und Geschwindigkeiten mit der
                              									Ladung aus.
                           Nachstehend sind einige Resultate von Schiessversuchen:
                           Gewehr mit 805 mm Lauflänge, Kaliber 8 mm, Gewicht des Geschosses 13,77 g,
                              									Pyrocollodionpulver in Blättchen von 0,250 mm Dicke, spec. Gew. 1,621.
                           
                              
                                 Ladung
                                 Gasdruck
                                 Anfangsgeschwindigkeit
                                 
                              
                                 g
                                 at
                                 m
                                 
                              
                                 2,3
                                 2081
                                    622,5
                                 
                              
                                 2,4
                                 2108
                                 643
                                 
                              
                                 2,5
                                 2352
                                 717
                                 
                              
                           Dasselbe Gewehr, specifisches Gewicht des Pulvers zwischen 1,618 und 1,621, Ladung
                              									2,30 g.
                           
                              
                                 Dicke der Blättchen
                                 Gasdruck
                                 Anfangsgeschwindigkeit
                                 
                              
                                 mm
                                 at
                                 m
                                 
                              
                                 0,225
                                 2431
                                 627
                                 
                              
                                 0,255
                                 2081
                                    622,5
                                 
                              
                                 0,300
                                 1588
                                 563
                                 
                              
                           Auch mit Schnellfeuergeschützen und Kanonen bis zu 12 Zoll wurden sehr gleichmässige
                              									Resultate und hohe Geschwindigkeiten erzielt, wobei nur die Dicke der Körner
                              									geändert wurde. Mit einer Ladung von 100 k wurde in einer 12zölligen Kanone eine
                              									Geschwindigkeit von 786 m bei 2540 at Druck erreicht.
                           Das Pyrocollodion soll auch schon in Bergwerken und für Granaten verwendet
                              									werden.
                           Prof. Mendelejew ist von Nitroglycerinpulvern nicht
                              									besonders eingenommen. Vor allem sagt er, enthalten sie zu wenig Sauerstoff, um den
                              									vorhandenen Kohlenstoff und Wasserstoff in Kohlenoxyd und Wasser zu verwandeln.
                              									Sodann fährt er wie folgt fort: Die Nitroglycerinpulver haben die Aufmerksamkeit
                              									nicht bloss deshalb erregt, weil ihre Herstellung leicht und billig ist, sondern
                              									auch weil sie gleichmässig und plastisch sind und sich leicht in Fäden, Streifen,
                              									Würfel und Körner verschiedener Grössen, je nach der Waffe, welcher sie dienen
                              									sollen, verarbeiten lassen. Wenn man diese Pulver auf 110° erwärmt, so haben sie mehr Neigung zur
                              									Zersetzung als Schiesswollpulver. Diese Erscheinung erklärt sich durch die
                              									Thatsache, dass das zu deren Herstellung verwendete Nitroglycerin häufig mit fremden
                              									Stoffen von sehr niedrigem Schmelzpunkte vermischt ist. Wenn das unreine
                              									Nitroglycerin durch reines und krystallisirtes Nitroglycerin ersetzt wird, so ist
                              									man sicher, diesen Fehler zu vermeiden. Nichtsdestoweniger haben die fast überall
                              									zur Verwendung der Nitroglycerinpulver angestellten Versuche gezeigt, dass diese
                              									Pulver, welche für Gewehre und Kanonen von kleinem Kaliber gut sind, in Kanonen von
                              									9 bis 12 Zoll oft schwer zu verwenden sind. Würde man den Nitroglyceringehalt
                              									vergrössern, so würden diese Pulver die Geschütze rapid zerstören. Dennoch hat man
                              									mit diesen Pulvern noch kein Bersten der Geschütze beobachtet, während solche
                              									Unfälle mit Schiesswollpulvern häufig vorkommen. Abgesehen davon, dass die Erzeugung
                              									der letzteren kostspielig ist, geben sie auch Anfangsgeschwindigkeiten, welche nicht
                              									dem durch die Explosion entwickelten Maximaldrucke entsprechen, so dass, um sie für
                              									Geschützzwecke zu verwenden, es nothwendig wäre, für jedes Kaliber die
                              									Zusammensetzung und die Dimensionen der Körner oder Blättchen zu verändern.
                           Es ist natürlich nicht möglich, auf so dürftige Nachrichten hin ein neues Pulver zu
                              									beurtheilen. Dass man Pulver herstellen könne, deren Zusammensetzung selbst für die
                              									grössten Geschütze stets die gleiche ist, und bei welchen nur die Dimensionen der
                              									Körner oder Schnüre geändert werden, hat man ja beim Ballistit und Cordit unter
                              									anderen gefunden. Prof. Mendelejew hat seinen Vergleich
                              									einigermaassen erleichtert, indem er sich mehrfach auf „pyroxylische“ Pulver
                              									bezieht, aber solche mit einem absichtlichen Gemenge von löslicher und unlöslicher
                              									Nitrocellulose gibt es doch nur wenige und sie haben eine geringe Verbreitung;
                              									andererseits geht es doch nicht an, der löslichen Nitrocellulose bloss eine
                              									gelatinirende Wirkung im Pulver zuzuschreiben. Die Wärmeprobe bei 65° ist wohl jetzt
                              									schon überall aufgelassen, und entweder 76⅔° (180° F.) wie in England, oder 80° wie
                              									in Deutschland vorgeschrieben. Dass es möglich sei, Nitrocellulosen herzustellen,
                              									welche „löslich wie Zucker“ sind, war Kennern geläufig. Ueberhaupt ist nächst
                              									der Cellulose selbst wohl nichts so complicirt als Nitrocellulose. Es gibt einige
                              									wenige Leute, welche diesen Körper eingehend studiren; aber nach jahrelangem Mühen
                              									sind sie der Frage wohl etwas näher an den Leib gerückt, gelöst haben sie dieselbe
                              									noch nicht. So viel scheint jetzt mit Berechtigung gesagt werden zu können, dass es
                              									keine scharf abgegrenzten Zwischenstufen von Nitrocellulose gibt, sondern dass es,
                              									von einer bloss in Alkohol löslichen angefangen, bis zu einer bloss in Aceton
                              									löslichen Nitrocellulose alle möglichen Varianten herzustellen möglich ist, von
                              									welchen manche in Aetheralkohol unlöslich sein mögen und doch einen geringeren
                              									Stickstoffgehalt haben als solche, die darin löslich sind. Welches Verhalten die
                              									Nitrocellulose in den Lösungsmitteln zeigt, ist ebenso wenig aufgeklärt, und es
                              									scheint mir auch hier kaum möglich, eine scharfe Grenze zu ziehen. Wenn ich Prof.
                              										Mendelejew richtig verstehe, wo er von „Gelatine
                                 										bildender“ und „wie Zucker löslicher“ Nitrocellulose spricht, so
                              									denkt er sich unter ersterer eine solche, welche mit dem Lösungsmittel bloss
                              									aufquillt, ohne ihre Structur zu verändern, während die letztere eine homogene,
                              									structurlose Lösung geben soll, wie sie eben wirkliche Lösungen darstellen. Dies,
                              									ich befürchte sehr, dürfte nicht der Fall sein. Schon Dr. Hartig, der Mitarbeiter Otto's, hat im J.
                              									1846 gefunden, dass mit wenig Essigäther eine dicke Gelatine entstehe, wenn aber
                              									viel davon verwendet wird, so werde sie leichtflüssig. Im J. 1847 schrieb de Vrij an Pelouze:
                              									„L'acétone transforme lapyroxyline immédiatement en une gelée transparente qui
                                 										est coagulée par l'eau en des flocons blancs ayant beaucoup de ressemblance avec
                                 										le coton. En employant une grande quantité d'acétone la pyroxyline est tout à fait dissoute“ (Aceton verwandelt
                              									Pyroxylin sofort in eine transparente Gelatine, welche durch Wasser in weisse, der
                              									Baumwolle sehr ähnliche Flocken coagulirt wird. Wenn man eine grosse Menge von
                              									Aceton verwendet, so wird das Pyroxylin vollständig gelöst). Dem unbewaffneten Auge
                              									erscheinen Gemenge von Schiesswolle und z.B. Aetheralkohol bald als bloss
                              									aufgequollene Mischung, bald als vollständige, mehr oder weniger klare Lösung.
                              									Untersucht man aber solche Lösungen unter dem Mikroskope, so findet man,
                              									vorausgesetzt, dass dem Brechungsindex der einzelnen Bestandtheile Rechnung getragen
                              									wird, dass eine wirkliche Lösung, wie z.B. bei Zucker, nicht stattfindet, sondern
                              									dass die Schiesswolltheilchen noch immer erkennbar sind. Dies findet z.B. bei
                              									Nitroglycerinpulvern in noch deutlicherem Maasse statt, und es ist möglich, das
                              									Nitroglycerin aus einem solchen ganz zu extrahiren und eine schwammförmige, poröse
                              									Masse von der ursprünglichen Form zu erhalten, die nur aus Nitrocellulose besteht.
                              									Es scheint mir alles darauf hinzudeuten, dass das Bestreben der Pulvertechniker
                              									lediglich dahin gerichtet sein muss, eine solche Nitrocellulose zu erzeugen, welche
                              									neben dem gewünschten Stickstoffgehalte noch die Eigenschaft hat, sich durch das gewählte Lösungsmittel nach dessen
                              									Verdampfung in eine vollständig homogene, möglichst dichte Masse zu verwandeln, und
                              									diesen Bedingungen scheint das Pyrocollodion vollständig zu entsprechen.
                           Die Frage der Verwendung von Explosivstoffen in Schlagwetter führenden Kohlengruben
                              									hat trotz der in den meist interessirten Ländern gebildeten Schlagwettercommissionen
                              									bisher leider keinen erheblichen Fortschritt gemacht. Es würde zu weit führen, stets
                              									die, oft sehr langathmigen, Berichte hier auch nur auszugsweise wiederzugeben. Die
                              									französische Commission kam schon im J. 1889 zu dem Schlusse: „Wegen der
                                 										Complicirtheit und Unsicherheit der durch Detonation an freier Luft entstehenden
                                 										Erscheinungen wird es stets gerathen sein, das Abfeuern von Schüssen in solchen
                                 										Grubenstrecken zu vermeiden, wo das Gemenge von Luft und Methan entzündlich ist,
                                 										selbst wenn der verwendete Explosivstoff einer jener ist, welche als am meisten
                                 										sicher gelten. Die Wahl eines solchen Explosivstoffes sollte als die
                                 										Explosionsgefahr beträchtlich vermindernd, aber nicht als sie absolut
                                 										verhindernd betrachtet werden.“ Alle bisher angestellten Versuche haben noch
                              									nicht die Richtigkeit dieses dem gesunden Menschenverstände entsprechenden Urtheiles
                              									umstossen können. Noch ärger ist es, dass, wenn an einem Orte ein Explosivstoff als
                              									sicher befunden wurde, dies an einem anderen nicht gelingt, und dass dadurch eine
                              									Zeitlang Fabrikant und Publicum sich in falschen Hoffnungen wiegen. Ein
                              									Explosivstoff, welcher die gefährlichste Mischung von Methan und Luft nicht zündet, mag
                              									Kohlenstaub allein zünden, bei einem anderen ist eine kleine Ladung sicher, eine
                              									grössere aber nicht mehr.
                           Die englische Commission hat vorgeschlagen, dass das Schiessen mit Schwarzpulver ganz
                              									zu verbieten sei, und hat sich doch mit Rücksicht auf die durch ein solches Verbot
                              									schwer getroffene Industrie nicht entschliessen können, mehr zu thun, als die
                              									Verwendung einschränken zu lassen. Ueber den Werth der Sicherheitssprengstoffe waren
                              									die Meinungen noch mehr getheilt. Schliesslich hat man prophylaktische Maassregeln,
                              									wie die ausschliessliche Verwendung von Lehmbesatz, das Befeuchten der Strecken, die
                              									Benutzung dicht schliessender „Hunde“ u.s.w. vorgeschlagen.
                           Von Interesse sind Versuche, welche in neuerer Zeit Bergassessor Winkhaus auf der Grube „Consolidation“ in
                              									Schalke mit verschiedenen Sicherheitssprengstoffen durchführte. 100 g
                              									Gelatinedynamit (deutscher Zusammensetzung) zünden sicher ein 6procentiges
                              									Schlagwettergemenge oder Kohlenstaub. Dagegen hat sich bisher am sichersten das
                              									Kohlencarbonit (siehe unten) gezeigt, welches selbst in Ladungen über 600 g keine
                              									Entzündung hervorrief. Wie ersichtlich, ist dieses Kohlencarbonit eigentlich das
                              									altbekannte Dynamit Nr. 3 und enthält kein Ammonnitrat, welches nach den Versuchen
                              									von Mallard und Le
                                 										Chatelier als Panacee galt. Dagegen ist wieder nach Versuchen, welche
                              									Oberingenieur Franz Brzezowski und Director Alfred Siersch in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen vom 4. Januar 1896
                              									veröffentlichten, Progressit als jener Sprengstoff anzusehen, welcher „bis jetzt
                                 										bezüglich der Sicherheit von keinem Präparate übertroffen wurde“. Klar
                              									werden wir erst dann in dieser Frage sehen können, wenn eine internationale
                              									Commission von Sachverständigen, sowohl Bergleuten wie Sprengstoffabrikanten, auf
                              									vollkommen wissenschaftlicher und doch gesund praktischer Basis eingehendste
                              									Versuche gemacht haben wird, – wozu allerdings sehr viel Geld gehört.
                           Einen guten Anfang in richtigem Sinne hat Director Alfred
                                 										Siersch von der Pressburger Nobel'schen
                              									Dynamitfabrik gemacht, indem er die Flammenerscheinungen bei der Explosion
                              									verschiedener Sprengmittel photographisch aufnahm, und die prachtvolle Reproduction
                              									derselben in der Oesterreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 										Hüttenwesen vom 4. Januar 1896 (nebenbei bemerkt eine kostspielige
                              									Musterleistung für eine doch mit beschränkten Mitteln arbeitende Fachzeitschrift)
                              									ist ebenso ausserordentlich lehrreich, als sie ein neues Feld für die Beobachtung
                              									eröffnet. Zwar hat es nicht sofort an Stimmen gefehlt, welche der Sache die Neuheit
                              									absprachen, weil solche Aufnahmen vereinzelt auch schon früher gemacht wurden, und
                              									auch dem Referenten liegt ein Circular aus dem Jahre 1888 über Securit vor, auf
                              									welchem solche Photographien zu sehen sind. Man war aber bei solchen sporadischen
                              									Photographien stehen geblieben, und das Verdienst Siersch's, die Sache in ein System gebracht und eine grosse Anzahl solcher
                              									Aufnahmen mit verschiedenen Sprengmitteln unter gleichen Bedingungen zum Behufe der
                              									Forschung und Vergleichung gemacht zu haben, kann dadurch nicht geschmälert
                              									werden.
                           Aus einer Bekanntmachung für die Eisenbahnen Deutschlands wegen des Verkehres mit
                              									sogen. Sicherheitssprengstoffen
                              									ist die qualitative Zusammensetzung derselben von allgemeinerem Interesse.
                           Es bestehen:
                           Dahmenit aus Ammonnitrat,
                              									Kaliumnitrat und Naphtalin,
                           Dahmenit A aus Ammonnitrat,
                              									Kaliumdichromat und Naphtalin,
                           Favier's Sprengstoff aus
                              									Ammonnitrat und Mono- oder Dinitronaphtalin,
                           Progressit aus Ammonnitrat und
                              									Anilinchlorat mit oder ohne Ammonsulfat,
                           Roburit aus Ammonnitrat,
                              									Chlordinitrobenzol und Chlordinitronaphtalin,
                           Roburit I aus Ammonnitrat,
                              									Dinitrobenzol und Kaliumpermanganat,
                           Ruborit aus Ammonnitrat und
                              									Dinitrobenzol,
                           Securit aus Ammonnitrat,
                              									Kaliumnitrat und Dinitrobenzol,
                           Sicherheitssprengpulver der vereinigten
                                 										Cöln-Rottweiler Pulverfabriken aus Ammonnitrat mit oder ohne ganz geringem
                              									Zusätze von Ammonium- oder Bariumbicarbonat und einem pflanzlichen oder thierischen
                              									Oele mit oder ohne Schwefel,
                           Voswinkel'scher
                                 										Sicherheitssprengstoff aus Ammonnitrat, Dinitrobenzol, Harzen, Paraffin,
                              									Fetten und Lacken,
                           Wachspulver aus Kaliumchlorat,
                              									Carnaubawachs und Lykopodiummehl,
                           Westphalit aus Kaliumnitrat, Harz,
                              									Naphtalin und rohen Theerölen mit oder ohne Zusatz von Lacken und Firnissen, sowie
                              									Kaliumdichromat.
                           Bei den vorhin erwähnten Versuchen von Bergassessor Winkhaus wurden die verschiedenen Sprengmittel auch chemisch untersucht,
                              									grösstentheils durch Dr. Broockmann aus Bochum.
                              									Nachfolgend sind die Resultate dieser Analysen:
                           
                              
                                 
                                    Kohlencarbonit.
                                    
                                 
                              
                                 Nitroglycerin
                                   25,0 Proc.
                                 
                              
                                 Kaliumnitrat
                                   34,0    „
                                 
                              
                                 Roggenmehl
                                   38,5    „
                                 
                              
                                 Holzmehl
                                     1,0    „
                                 
                              
                                 Bariumnitrat
                                     1,0    „
                                 
                              
                                 Natriumbicarbonat
                                     0,5    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                    Dahmenit A.
                                    
                                 
                              
                                 Ammonnitrat
                                   91,4 Proc.
                                 
                              
                                 Naphtalin
                                     5,2     „
                                 
                              
                                 Kaliumbichromat
                                     2,6     „
                                 
                              
                                 Wasser, Ammoniumchlorid etc.
                                     0,8     „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           
                              
                                 Dahmenit (aus Castrop bezogen).
                                 
                              
                                 Ammonnitrat
                                   93,3 Proc.
                                 
                              
                                 Naphtalin
                                     4,8    „
                                 
                              
                                 Kaliumchlorat
                                     1,6    „
                                 
                              
                                 Ammoniumchlorid
                                     0,1    „
                                 
                              
                                 Ammoniumsulfat
                                     0,2    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                    Westphalit.
                                    
                                 
                              
                                 Ammonnitrat
                                   94,0 Proc.
                                 
                              
                                 Harz
                                     5,4    „
                                 
                              
                                 Ammoniumchlorid
                                     0,1    „
                                 
                              
                                 Ammoniumsulfat
                                     0,4    „
                                 
                              
                                 Farbstoff
                                     0,1    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                    Progressit.
                                    
                                 
                              
                                 Ammonnitrat
                                 89,1 Proc.
                                 
                              
                                 Anilinchlorid
                                   4,7    „
                                 
                              
                                 Ammoniumsulfat
                                   6,0    „
                                 
                              
                                 Farbstoff
                                   0,2    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 
                                    
                                    Securit.
                                    
                                 
                              
                                 Mono- und Dinitrobenzol
                                   29,0 Proc.
                                 
                              
                                 Ammonnitrat
                                   37,0    „
                                 
                              
                                 Kaliumnitrat
                                   34,0    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                    Roburit.
                                    
                                 
                              
                                 Dinitrobenzol
                                   17,8 Proc.
                                 
                              
                                 Ammonnitrat
                                   79,2     „
                                 
                              
                                 Amraoniumchlorid und Sulfat
                                     0,3     „
                                 
                              
                                 Feuchtigkeit
                                     2,7     „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           
                              
                                 
                                    Grisoutit.
                                    
                                 
                              
                                 Nitroglycerin
                                   52,9 Proc.
                                 
                              
                                 Magnesiumsulfat  (MgSO4
                                    											+ 7H2O)
                                   32,7    „
                                 
                              
                                 Kieselguhr
                                   14,4    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                           Es wäre sehr verwunderlich gewesen, wenn man nicht versucht hätte, die Röntgen'schen Strahlen auch in der Explosivtechnik
                              									nutzbar zu machen, und solches ist in der That in London geschehen. Die
                              									Polizeibehörde hat nämlich den Inhalt von verdächtigen Bündeln, Bomben und
                              									explosiven Ladungen mit Hilfe der neuen Strahlen untersuchen lassen und gefunden,
                              									dass mancher wichtige Aufschluss dadurch erhalten werden kann, so dass es in Zukunft
                              									nicht nöthig sein wird, derlei Untersuchungen mit Gefährdung des Experimentators
                              									vorzunehmen. Nägel, Schrauben, Patronenhülsen und selbst Pulverkörner konnten auf
                              									diese Weise in den Umhüllungen entdeckt werden. Pikrinsäure und Schwarzpulver lassen
                              									die Strahlen durch, Schwefel, Kaliumchlorat und Knallquecksilber nicht. Nun fehlt
                              									nur noch, dass man bei einer Höllenmaschine die Zeit ablesen könne, auf welche der
                              									Attentäter seine Uhr eingestellt hat.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)