| Titel: | Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch desselben in Sulfitstoffabriken. | 
| Autor: | August Harpf | 
| Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 41 | 
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                        Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch
                           								desselben in Sulfitstoffabriken.
                        Von Dr. August
                                 								Harpf.
                        (Schluss der Abhandlung S. 21 d. Bd.)
                        Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch desselben in
                           								Sulfitstoffabriken.
                        
                     
                        
                           b) Stückkiesöfen.
                           Bezüglich dieser ist unsere Uneinigkeit nicht gross. Prof. Lunge findet, dass meine Gasanalysen bei diesen Oefen zu schwankenden
                              									Gasgehalt ergäben. Ich fand nämlich an verschiedenen
                                 										Tagen 5,54, 8,92, 7,70, 5,4, 10,36, 10,71 und 9,28 Vol.-Proc. SO2 im Röstgas.
                           In seinem Werke: Handbuch der Sodafabrikation, 2. Aufl.
                              									Bd. I, sagt Prof. Lunge selbst, dass der Gasstrom bei
                              									diesen Oefen nicht gleichmässig ist und dass man zum Beispiel an einem Tage Gehalte von 6,5, 6,5, 6,0, 8,0, 9,0 und
                              									8,7 Vol.-Proc. SO2 erhalten könne.
                           Der Gehalt an Schwefel im Abbrand ist nach meiner eigenen Erfahrung und Angabe in den
                              									Cellulosefabriken leider oft viel zu hoch, wovon sich
                              									jeder durch einfaches Zerschlagen von Abbrandstücken leicht überzeugen kann. Nicht
                              									um etwas Neues zu bieten, sondern um die Cellulosefabrikanten recht eindringlich auf
                              									diese Quelle von Verlusten aufmerksam zu machen, brachte ich in meiner Abhandlung
                              									sogar zwei Zeichnungen von Durchschnitten solcher schlecht gerösteter Abbrandstücke.
                              									Man fand in einzelnen Fällen bei monatlichen Durchschnittsmustern einmal 6,570 Proc.
                              									S (bei zinkreichem norddeutschem Kies), das andere Mal 7,71 und 10,1 Proc. (bei
                              									wenig zerkleinertem Schmöllnitzer Kies). Ich habe diese Fälle keineswegs als
                              									richtigen Betrieb bezeichnet, sondern streng getadelt; die Schwefelsäurefabrikanten
                              									können übrigens in dieser Beziehung den Cellulosemachern die Hände reichen, denn
                              									nach Lunge selbst enthält der Abbrand bei
                              									Schwefelsäurefabriken oft mehr, als er haben sollte,
                              									und zwar bis 6 und 8 Proc. Schwefel.
                           Wie eine solche mangelhafte Abröstung in Cellulosefabriken hintanzuhalten ist, habe
                              									ich in meiner Arbeit deutlich angegeben. Der Hauptgrund dafür ist meiner
                              									Ueberzeugung nach in der ungenügenden Zerkleinerung des Kieses zu suchen, welche
                              									Arbeit in vielen Fabriken noch immer nur mit der Hand vorgenommen wird. Ich kann
                              									daher nur nochmals empfehlen, zu dieser Zerkleinerung Steinbrechmaschinen, sogen. „Backenquetschen“, zu benutzen und
                              									dieselbe auf eine Korngrösse von etwa 30 bis 40 mm im Durchmesser zu führen.
                           
                        
                           c) Malétra's Plattenofen mit Anwendung
                                 										von Kiesblende.
                           Die Hauptursache der Lebhaftigkeit unseres Streites scheint mir von dem verschiedenen
                              									Urtheil über diese Oefen herzustammen. Prof. Lunge
                              									betont in seinem Werke über die Schwefelsäurefabrikation, dass dieselben sich in der
                              									genannten Industrie sehr gut bewährt haben. Diesem
                              									Urtheil Lunge's kann ich, nicht etwa in blindem
                              									Autoritätenglauben, sondern aus eigener Erwägung
                              									vollkommen beistimmen, selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Oefen in einer Schwefelsäurefabrik zur Anwendung kommen. Aber was den
                              									Schwefelsäurefabriken recht ist, braucht darum den Sulfitstoffwerken noch lange
                              									nicht billig zu sein. Obwohl Prof. Hoyer in seinem
                              									Werke über Die Fabrikation des Papiers, S. 198, diese
                              									Oefen auch für letztere Industrie empfiehlt und Carl
                                 										Hofmann in seinem Handbuch der
                                 										Papierfabrikation dieselben beim Kapitel „Sulfitstoff“ ebenfalls,
                              									wie wenn sie hier oder dort gebräuchlich wären, erwähnt, so kann ich mich doch aus
                              									Gründen, die theils in meiner Abhandlung schon dargelegt sind, theils hier noch
                              									Besprechung finden sollen, nicht dafür erwärmen.
                           In meiner Arbeit (vgl. Centralblatt, 1895 Nr. 15 ff.,
                              									Sonderabdruck S. 29) beschrieb ich nämlich zum Schlusse einen ausgedehnten Versuch,
                              									welcher mit diesen Malétra'schen Plattenöfen (in
                              									Verbindung mit Mitscherlich-Thürmen) in einer deutschen Sulfitstoffabrik angestellt
                              									wurde. Indem ich auf die dort niedergelegte ausführliche Beschreibung der Oefen und
                              									ihres Betriebes einfach verweise, sei hier nur wiederholt, dass in denselben ein
                              									eigenthümliches Erz: Eisenkies, welcher von Zinkblende schalenförmig umgeben war,
                              									sogen. Kiesblende zur Abröstung gelangte. Dabei
                              									oxydirte sich zuerst das Schwefeleisen, und der Arbeiter musste das Erz aus dem Ofen
                              									ziehen, sobald diese Oxydation vollendet war, während das Schwefelzink noch roh
                              									gelassen wurde; das halb geröstete Erz kam dann nochmals zur Aufbereitung, um
                              									Eisenoxyd und Schwefelzink von einander zu trennen und letzteres auf Zink weiter zu
                              									verarbeiten.
                           Prof. Dr. Lunge hebt nun hervor, dass dieses Material,
                              									von welchem meiner Berechnung nach nur etwa 30 Proc. Schwefel abgeröstet, also für
                              									die Zwecke der Sulfitlaugendarstellung zu gute gemacht werden konnten, als durchaus
                              									ungenügend anzusehen sei, indem es erfahrungsgemäss bekannt sei, dass bei solch
                              									unvollständigem Abrösten von Schwefelerzen nur „arme Gase
                                    											von sehr unregelmässiger Zusammensetzung entstehen“. Mit diesen
                              									Erfahrungen Lunge's stimmen denn auch meine
                              									Gasanalysen, welche ich in meiner Arbeit veröffentlichte, überein. Ferner darf hier
                              									nicht unerwähnt bleiben, dass die ersten Gasanalysen (bei einem Ofen) aus der Zeit der Inbetriebsetzung mit allen ihren
                              									Unregelmässigkeiten stammen und dass die späteren Analysen bei einem System von drei an einander geschlossenen Malétra-Oefen gemacht
                              									wurden, welche bei der Verbindung mit dem Mitscherlich-Thurm kaum genügend Zug
                              									hatten; hierauf komme ich jedoch später noch zurück.
                           Die Verantwortung für den ganzen Versuch muss ich selbstverständlich ablehnen, indem
                              									derselbe von Seiten der Fabrikdirection unternommen wurde; ich übernahm nur
                              									später den Betrieb der fertigen Oefen und verfolgte denselben nach Maassgabe der mir
                              									zur Verfügung stehenden Zeit mit Analysen, zu deren Veröffentlichung ich jetzt erst
                              									(nach 6 Jahren) Gelegenheit fand. Nebenbei sei übrigens bemerkt, dass das vollkommen
                              									gleiche Erz bei gleicher Betriebsart auch in einer Schwefelsäurefabrik der
                              									betreffenden Gegend benutzt wird, oder wenigstens damals benutzt wurde; mit welchem
                              									pecuniären Erfolg, bin ich nicht im Stande anzugeben.
                           Die Kritik Prof. Lunge's veranlasste mich, in meinen
                              									Notizen nach weiterem Material zur Beurtheilung des Erfolges dieser Oefen,
                              									allerdings in der von mir angegebenen Betriebsart und mit dem beschriebenen Erz, zu
                              									suchen, und ich bin im Stande, über die dabei erzielte Ausbeute an Schwefel mit folgenden interessanten Daten zu dienen.
                              									Ich verfolgte nämlich die Zusammensetzung der Kochlaugen bei jeder Kochung, indem
                              									ich eine Probe der Lauge vor dem Einlassen in den Kocher nach dem von Dr. Adolf Frank in der Papierzeitung, 1887 Nr. 5, veröffentlichten Verfahren titrirte. Die Fabrik
                              									hatte grosse liegende Mitscherlich-Kocher von etwa 120 cbm Inhalt, und die
                              									durchschnittliche Menge der Lauge, welche in den mit Holz gefüllten Kocher
                              									hineingelassen wurde, betrug nach zahlreichen Messungen 85 cbm. Diese Beobachtungen
                              									sind in der nun folgenden Tabelle I beispielsweise für den Monat Juli 1889
                              									zusammengestellt.
                           Tabelle I.
                           
                              
                                 Kochung
                                 Bezeich-nung desKochers
                                 Gelangtam
                                 Zusammensetzung der Lange
                                 
                              
                                 Gesammt-SO2
                                 FreieSO2
                                 GebundeneSO2
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Nr. 1
                                 B
                                 12. 7. 89
                                 1,856
                                 1,120
                                 0,736
                                 
                              
                                  „   2
                                 B
                                 16. 7. 89
                                 1,744
                                 0,960
                                 0,784
                                 
                              
                                  „   3
                                 A
                                 19. 7. 89
                                 2,304
                                 1,280
                                 1,024
                                 
                              
                                  „   4
                                 B
                                 22. 7. 89
                                 2,528
                                 1,504
                                 1,024
                                 
                              
                                  „   5
                                 A
                                 25. 7. 89
                                 2,288
                                 nicht bestimmt
                                 
                              
                                  „   6
                                 B
                                 28. 7. 89
                                 2,432
                                 1,312
                                 1,120
                                 
                              
                                  „   7
                                 A
                                 31. 7. 89
                                 2,224
                                 1,280
                                 0,944
                                 
                              
                           Danach hatte die Lauge im Durchschnitt des ganzen Monats 2,197 Proc. Gesammt-SO2 oder es wurden, da 7 Kochungen à 85 cbm Lauge
                              									durchgeführt wurden, im ganzen Monat gebraucht: 13072,15 k SO2 oder 6536,08 k Schwefel.
                           Hierzu kommt noch diejenige Menge Schwefel, welche in der Kochlauge in Form von
                              									Schwefelsäure enthalten ist; das Mittel aus meinen Analysen (vgl. Centralblatt, 1895 Nr. 18, Sonderabdruck S. 46) beträgt
                              									0,176 Proc. SO3, das sind also 0,0704 Proc.
                              									Schwefel, oder in den Laugen des ganzen Monats Juli 1889 waren 418,88 k S in Form
                              									von SO3 und 6954,96 k Schwefel überhaupt enthalten.
                           Wenn ich nun eine ähnliche Berechnung für die Zeit, während welcher die Plattenöfen
                              									in der Cellulosefabrik allein in Betrieb waren, anstelle und dieselbe mit den in
                              									meiner Abhandlung bereits angegebenen Daten über die wirklich in der Fabrik
                              									abgerösteten Schwefelmengen vergleiche, so erhalte ich nachfolgende
                              									Zusammenstellung:
                           
                           Tabelle II.
                           
                              
                                 Monat und Jahr
                                 VerbrauchteKocher-füllungen (je85
                                    											cbm Lauge)
                                 Durchschnitt-licher Gehaltder Lauge
                                    												anGesammt-SO2
                                 DementsprechendeMenge Schwefel in denin dem
                                    											genanntenMonat verbrauchtenKochlaugen in Formvon SO2
                                 Gehalt an Schwefelin diesen Laugen
                                    											inForm von SO3
                                 Gesammtgehaltan Schwefel in
                                    											denKochlaugen desbetreffenden Monats
                                 In demselben Moantaus der Kiesblende
                                    											ab-gerösteter Schwefel*
                                 
                              
                                 1889
                                 
                                 Proc.
                                 k
                                 k
                                 k
                                 k
                                 
                              
                                 Mai
                                   7
                                 2,436
                                   7247,10
                                 418,88
                                   7665,98
                                 10723
                                 
                              
                                 Juni
                                 10
                                 2,153
                                   9150,25
                                 598,40
                                   9748,65
                                 17735
                                 
                              
                                 Juli
                                   7
                                 2,197
                                   6536,08
                                 418,88
                                   6954,96
                                 15473
                                 
                              
                                 August
                                 12
                                 2,183
                                 11133,30
                                 718,08
                                 11851,38
                                 19080
                                 
                              
                                 September
                                   8
                                 2,402
                                   8166,80
                                 478,72
                                   8645,52
                                 17819
                                 
                              
                                 October
                                 10
                                 2,498
                                 10616,50
                                 598,40
                                 11214,90
                                 18034
                                 
                              
                                 November
                                   8
                                 2,857
                                   9713,80
                                 478,72
                                 10192,52
                                 16783
                                 
                              
                                 December
                                   8
                                 2,592
                                   8812,80
                                 478,72
                                   9291,52
                                 16033
                                 
                              
                                 1890
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Januar
                                   9
                                 2,630
                                 10059,75
                                 538,56
                                 10598,31
                                 17091
                                 
                              
                                 Februar
                                 10
                                 2,803
                                 11912,75
                                 598,40
                                 12511,15
                                 19753
                                 
                              
                                 März
                                 10
                                 2,664
                                 11322,00
                                 598,40
                                 11920,40
                                 17361
                                 
                              
                           * Laut Centralblatt f. d. ö.-u. P.
                                 										J., 1895 Nr. 16; Sonderabdruck S. 38.
                           Aus obiger Tabelle ergibt sich Folgendes: In der Zeit vom 1. Mai 1889 bis letzten
                              									März 1890 wurden
                           
                              
                                 185885,00 k
                                 Schwefel aus der Kiesblendeabgeröstet, d. s.
                                 100,0 Proc.
                                 
                              
                                 104671,13 k
                                 S waren in Form von SO2 inder Lauge
                                    											enthalten, d. s.
                                   56,3    „
                                 
                              
                                 5924,16 k
                                 S waren in Form von SO3 inder Lauge
                                    											enthalten, d. s.
                                     3,2    „
                                 
                              
                                 110595,29 k
                                 S waren überhaupt in derLauge enthalten, d. s.
                                   59,5    „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Folglich Verlust an Schwefel
                                   40,5 Proc.
                                 
                              
                           Für den sulfitstoff-technischen Betrieb waren eigentlich nur die 56,3 Proc. Schwefel,
                              									welche als SO2 in der Lauge vorhanden waren,
                              									werthvoll; da aber alle Sulfitlaugen zugleich gesättigte Gypslösungen sind,
                              									gleichgültig, welche Oefen man benutzt und ob man Schwefel oder Kies brennt, so wäre
                              									es gegen die Malétra-Oefen ungerecht, wenn man den in Form von Gyps vorhandenen
                              									Schwefel nicht als in der Lauge verwendet berechnen würde. Daher habe ich diesen
                              									dazu gerechnet und es ergab sich sonach eine faktische Ausbeute von 59,5 Proc.
                           Wo blieben nun die 40,5 Proc. Schwefel, welche verloren gingen? Soweit sie nicht in
                              									Folge der Schwäche des Gases und des stärkeren Zuges, welchen die Malétra-Oefen
                              									erfordern, unabsorbirt durch den Thurm hindurchstrichen, blieben sie theils im
                              									Flugstaub als condensirte Schwefelsäure, theils im Thurm in Form ganzer Haufen von
                              									Kalkkrusten, welche aus Gyps und Calciummonosulfit bestanden, zurück. Diese
                              									Kalkkrusten verstopften sehr häufig den Thurm, störten empfindlich den Betrieb,
                              									indem die Oefen ausstiessen und dunkel wurden, wodurch die Laugenbereitung manchmal
                              									vollständig ins Stocken gerieth, und waren in Folge dessen die ärgste Sorge des
                              									Betriebschemikers.
                           Prof. Lunge wird nun sagen, diese Erfahrungen seien doch
                              									nur „einseitig“, indem die Plattenöfen mit einem sehr ungünstigen Schwefelerz
                              									arbeiten mussten; dieser Einwand entbehrt nicht einer gewissen Berechtigung, aber
                              									ich verfolge seit 10 Jahren die sulfitstoff-technische Litteratur, soweit sie in
                              									deutscher Sprache erscheint, und es ist mir kein Fall bekannt, dass irgend
                              									anderwärts ein derartiger oder auch nur ähnlicher, wirklich
                                 										angestellter Versuch beschrieben worden wäre. Dass die papier-technischen
                              									Werke von Hoyer und Hofmann auch Beschreibungen von Malétra-Oefen enthalten, ist bekanntlich
                              									noch lange kein Beweis, dass solche Oefen in Zellstoffabriken auch wirklich in
                              									Betrieb sind. Erfahrungen mit reichem Schwefelkies,
                              									welcher vollständig todt geröstet worden wäre, wären sicher werthvoller; diese
                              									liegen jedoch bis heute nicht vor (sind wenigstens von keiner Seite veröffentlicht
                              									worden) und die Cellulosefabrik, von der ich hier spreche, ist sonach wohl überhaupt
                              									die einzige, welche einen Malétra-Ofen mit einem Mitscherlich-Thurm zusammengespannt
                              									hat, und diese eine Fabrik verwendete eben, wie gesagt, nur Kiesblende. Prof. Lunge betont wiederholt in etwas eigenthümlicher Weise,
                              									dass ich von meinen „praktischen Erfahrungen“ in dieser Sache gesprochen
                              									habe; nun, wenn ein Chemiker, der an einer österreichischen technischen Hochschule
                              									studirt hat, wo bekanntlich die von Lunge mit Recht so
                              									hervorgehobenen technologischen Studien in ausgedehntem
                              									Maasse getrieben werden, solche Oefen 1½ Jahre unter den Augen hat, so wird er sich
                              									wohl selbst ein Urtheil darüber bilden können. Ich habe
                              									also diese „praktischen Erfahrungen“ mit Malétra-Oefen im Sulfitcellulosebetriebe und Prof. Lunge hat dieselben, wie er ja selbst zugesteht (in Cellulosefabriken!),
                              									nicht, und diese Erfahrungen sprechen sich entschieden ungünstig aus.
                           Was ferner die Bildung von Schwefeltrioxyd in den Malétra-Oefen anbelangt, so muss
                              									ich bei meiner bereits im Centralblatt, 1895 Nr. 17,
                              									Sonderabdruck S. 42, ausgesprochenen Meinung bleiben. Dass ich keine Bestimmungen
                              									desselben angestellt habe, ist richtig; Fabrikslaboratorien sind bekanntlich oft
                              									sehr mangelhaft eingerichtet und der Betriebsbeamte hat nur wenig Zeit für eigene
                              									Untersuchungen übrig. Scheurer-Kestner fand in dem Gase
                              									allerdings im Durchschnitt 3,5 SO3 in Procenten des
                              									Gesammtschwefels ausgedrückt, aber seine Zahlen liegen weit aus einander: er fand
                              									nämlich 0,0 bis 9,3; es hängt dies eben davon ab, wie heiss der Ofen geht, wie gross
                              									die Oberfläche der Contactsubstanzen ist, wie viel Luft überschüssig zugeführt wird
                              									u.s.w. Dass er im Stückkiesofen 3,1 Proc. des gesammten Schwefels zu SO3 oxydirt fand, habe ich übrigens auf S. 19 meiner
                              									Abhandlung genau citirt.
                           Nach allen Versuchen Lunge's stieg der SO3-Gehalt im Gase, gleichgültig, ob dasselbe aus Schwefel oder
                              									Pyrit gewonnen war, beim Durchlesen durch glühenden Abbrand auf das Drei- und
                              									Mehrfache. Unser Plattenofen hatte nun fünf Platten, welche ich der Reihe nach von
                              									unten mit p1, p2, p3, p4 und p5 bezeichnen will; p4 glühte am stärksten,
                              									dort war der Ofen hellroth, p5 und p3
                              									waren etwas dunkler, p2
                              									noch dunkler und die unterste Platte p1 meistens ganz dunkel. In der chemischen Technik
                              									ist es nun etwas ganz Gewöhnliches, Gase über auf Etagen ausgebreitete feste Körper
                              									streichen zu lassen, und so ist es auch hier. Die Gase der unteren Platten müssen
                              									über die stark glühenden oberen Platten streichen und kommen hier in genügend innige
                              									Berührung mit dem glühenden Erz. Luft wird genügend zugeführt, um SO2 in SO3 zu
                              									verwandeln, da der Ofen eine Menge Thüren hat, durch deren Ritzen dieselbe
                              									einströmen kann, und da man ja überdies noch die halbe Zeit bei offenen Thüren im
                              									Ofen herumschürt. Ja, um die Gase gleichsam in noch innigere Berührung mit dem Erze
                              									zu bringen, rührt man dasselbe beim jedesmaligen Rangiren tüchtig auf, wodurch
                              									glühender Flugstaub aufgewirbelt wird, welchen die Gase mit sich forttragen. Endlich
                              									ist es ja bekannt, dass nicht bloss Eisenoxyd, sondern auch gebrannter Thon und nach
                              									Meister Plattner sogar Quarz als Contactsubstanzen
                              									wirken und SO2 mit Sauerstoff vereinigen. Und woraus
                              									besteht denn unser Ofen? Aus Chamotteplatten, welche in den oberen Etagen ebenfalls
                              									heftig glühen! Und durch den engen Zwischenraum zwischen glühendem Erz und glühenden
                              									Chamotteplatten streicht das Gas, geschwängert mit glühenden Flugstaubtheilehen, und
                              									soll da nicht Gelegenheit genug haben, die Contactwirkung dieser Körper zur
                              									Oxydation auszunutzen?! Diese Oxydation zu SO3 ist
                              									in Schwefelsäurefabriken ja nicht schädlich, wohl aber in Cellulosefabriken, und so
                              									erklärt sich denn auch die massenhafte Bildung von Gypskrusten im
                              									Mitscherlich-Thurm.
                           Es ist also kein „Irrthum“, in dem ich mich befunden habe. Um mir einen
                              									solchen nachzuweisen, spricht Prof. Lunge von meinen
                              									eigenen Analysen der Sulfitlaugen und weist darauf hin, dass dieselben immer, gleichgültig, ob Schwefel oder Stückkies oder
                              									Kiesblende gebrannt wurde, dieselbe Menge SO3, im
                              									Mittel 0,176 Proc. enthalten (vgl. Centralblatt, Nr.
                              									18, Sonderabdruck S. 46). Diese Uebereinstimmung des SO3-Gehaltes in den Laugen beweist gar nichts,
                              									denn es ist doch eine bekannte Thatsache und wurde von mir schon vor Jahren
                              									veröffentlicht (vgl. Papierzeitung, 1891 Nr. 66 bis
                              									74), dass die Sulfitlaugen gesättigte oder schwach
                              									übersättigte Gypslösungen sind und entsprechend obigem
                              									Gehalt an SO3: 0,299 Proc. CaSO4 enthalten. Sie können davon beim besten Willen
                              									nicht mehr enthalten und wenn das Gas noch so reich an SO3 ist. Der Ueberschuss desselben bleibt eben in Form von Gyps in den
                              									Laugenbottichen oder im Thurme zurück und kann natürlich nicht in der Lauge
                              									nachgewiesen werden.
                           Zum Schlusse muss ich noch folgender Erwägung Raum geben: Die Staubkiesöfen erfordern
                              									nach Lunge selbst (vgl. dessen Handbuch) bedeutend mehr Zug als
                                 										Stückkiesöfen. Es ist nun ein bedeutender Unterschied, ob ein solcher
                              									Staubkies- oder Plattenofen in einer Schwefelsäurefabrik oder in einer Sulfitcellulosefabrik angewendet wird; in der Schwefelsäurefabrik gibt man
                              									demselben ohnedies bedeutend mehr Luft, als zur Abröstung nöthig ist. Ferner
                              									schliesst sich dort an den Ofen ein senkrecht aufsteigendes Rohr an, welches in
                              									eine Reihe weiter Räume, in die Bleikammern führt, in welchen die Gase fortwährend
                              									zu Flüssigkeiten condensirt werden, so dass diese Bleikammern stets saugend auf den Ofen wirken. Hinter denselben steht
                              									endlich noch die Esse, in welcher die warmen Gase aufsteigen und im ganzen System
                              									einen kräftigen Zug erzeugen. Gay-Lussac- und Glover-Thurm bereiten demselben ja
                              									wohl Hindernisse, welche jedoch durch die saugende Wirkung der Kammern und der Esse
                              									gewiss leicht überwunden werden können.
                           In der nach Mitscherlich eingerichteten Sulfitstoffabrik
                              									schliesst sich an den Ofen allerdings auch ein senkrecht aufsteigendes Rohr an, um
                              									den nöthigen Zug zu erzeugen, aber auch um die Gase abzukühlen. Nun aber folgt ein
                              									ebenso hohes absteigendes Rohr, um die Gase
                              									herunterzuleiten und vollständig abzukühlen, und endlich ein etwa 30 m hoher Thurm,
                              									dessen freier Querschnitt, da derselbe mit Kalktuffstücken gefüllt ist, bedeutend
                              									verengt erscheint, und in welchem Wasser herunterrieselt. Dieser Thurm wirkt nun
                              									keineswegs ebenso wie die Esse in der Schwefelsäurefabrik, denn das Gasgemenge ist
                              									darin kalt und das Schwefeldioxyd ist bekanntlich bedeutend schwerer als das aus dem Kalke frei gemachte
                              									Kohlendioxyd; es herrscht darin auch nicht Depression wie in einer Esse, sondern
                              									schwacher Ueberdruck. Die beiden Theile, das herabsteigende Rohr und der Thurm,
                              									bilden vielmehr zusammen ein Communicationsgefass, in welchem durch den Druck der
                              									schwereren SO2 die im Thurm entwickelte Kohlensäure
                              									oben zum Ueberfliessen gebracht wird. Ausführlicher habe ich diese Ansicht von der
                              									Wirkung des Mitscherlich-Thurmes übrigens in D. p. J.
                              									1892 286 * 84 niedergelegt und bewiesen (vgl. auch Hofmann's Handbuch, 2. Aufl. S. 1488 ff.).
                           Es dürfte also für den Malétra-Ofen durchaus nicht gleichgültig sein, ob er sein Gas
                              									in ein gut ziehendes Bleikammersystem oder in einen unter schwachem Ueberdruck
                              									stehenden Mitscherlich-Thurm abgibt. Nehmen wir statt des Thurm es ein Bottichsystem
                              									nach Karl Kellner, so stünden die Verhältnisse für den
                              									Ofen ja deshalb etwas günstiger, weil hier der nöthige Zug durch einen Dampf- oder
                              									Wasserstrahlejector hervorgerufen wird, aber doch sind sie auch hier nicht so günstig wie in einem Schwefelsäurewerk, weil der
                              									Widerstand der Füllung der Kalkmilchbottiche zu überwinden ist; darüber liegen
                              									jedoch bis heute keinerlei Erfahrungen vor.
                           Dass der Plattenofen für reichhaltigen (französischen) Feinkies und
                              									Schwefelsäurefabriken die beste Einrichtung ist, habe ich schon oben zugegeben;
                              									halte ich aber obige Erwägungen mit meinen Erfahrungen zusammen, so kann ich den Sulfitstoffabrikanten keinesfalls anrathen, denselben
                              									in ihrem Betriebe anzuwenden; ihren verhältnissmässig geringen Bedarf an
                              									Schwefeldioxyd werden sie sich gewiss immer leicht in Form von Stückkies oder in
                              									Form von gediegenem Schwefel, wobei der Betrieb ja, wie Prof. Lunge sehr richtig hervorhebt, selbstverständlich viel
                              									einfacher ist, beschaffen können.
                           Zum Schlusse kann ich nicht umhin, Prof. Lunge für die
                              									Mühe, welche er sich mit meiner Arbeit gegeben, meinen Dank öffentlich
                              									auszusprechen. War ich auch gezwungen, mich in diesen Zeilen gegen einige seiner
                              									kritischen Ausführungen zu vertheidigen, so sehe ich dennoch aus den einleitenden
                              									Worten Lunge's zu seiner Kritik, worin er meine Arbeit
                              									jedem Interessenten zum Studium empfiehlt, dass er meinem Streben Anerkennung zollt
                              									und es daher auch einem jüngeren Fachgenossen nicht übel nehmen wird, wenn derselbe
                              									nicht in allen Stücken mit ihm einer Meinung ist.
                           Przibram in Böhmen, Mai 1896.