| Titel: | J. v. Schroeder's Versuche über den Enthaarungsprocess durch „Schwitzen“ und durch „Aeschern“. | 
| Autor: | F. H.Haenlein | 
| Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 66 | 
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                        J. v. Schroeder's Versuche über den
                           								Enthaarungsprocess durch „Schwitzen“ und durch „Aeschern“.
                        Nach mündlichen Mittheilungen und hinterlassenen
                           								schriftlichen Aufzeichnungen von v. Schroeder's bearbeitet
                           								von Dr. F. H.Haenlein in Freiberg.
                        v. Schroeder's Versuche über den Enthaarungsprocess durch
                           									„Schwitzen“ und durch „Aeschern“.
                        
                     
                        
                           Der für die Gerberei so wichtige Enthaarungsprocess, dem die rohe Haut behufs
                              									Ueberführung in gerbfertige Blösse unterworfen werden muss, ist bisher
                              									wissenschaftlich nur sehr wenig bearbeitet worden. Die Litteratur darüber beschränkt
                              									sich fast ausschliesslich auf dasjenige, was Villon in
                              									seinem „Lehrbuch der Gerberei“Villon, Traité pratique de la fabrication des
                                    											cuirs et du travail des peaux. und Eitner in seiner Zeitschrift Der Gerber
                              									darüber gesagt haben, letzterer theils in mehreren besonderen Artikeln„Ueber Enthaarung und Aescher.“Der Gerber, 1874/75 S. 3 ff.„Ueber Schwitzen der Häute.“Der Gerber, 1877 S. 49 ff.„Ueber das Verhalten der grünen und aufgetrockneten Haut gegen Kalk,
                                       												Schwitze und Schwefelnatrium.“Der Gerber, 1880 S. III ff.„Die Extractgerberei in Anpassung an unsere Verhältnisse. Enthaarung,
                                       												Schwitzverfahren, Aeschern.“Der Gerber, 1881 S. 51 ff.„Aescherfragen.“Der Gerber, 1888 S. 150 ff.„Quantum der Kalkgabe.“Der Gerber, 1888, S. 198 ff.„Die Oberlederfabrikation der Neuzeit.“Der Gerber, 1891 S. 13 ff.„Normal-Aescherung.“Der Gerber, 1892 S. 223 ff.„Grundhaar und Epidermis.“Der Gerber, 1892 S. 65., theils in
                              									einer Reihe von gelegentlichen Bemerkungen, die sich in anderen Aufsätzen zerstreut
                              									durch viele Jahrgänge der genannten Zeitschrift vorfinden.
                           Der für die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiete der Gerberei leider zu früh
                              									verstorbene Professor v. Schroeder hatte den Plan, den
                              									Enthaarungsprocess und eine Reihe anderer damit zusammenhängender Vorgänge einer
                              									erneuten experimentellen Prüfung zu unterwerfen. Wenn dieser Plan nun auch nicht
                              									ganz bis zu Ende durchgeführt ist, so enthalten die bereits abgeschlossenen Versuche
                              									doch so viel interessante Ergebnisse, dass ihre Veröffentlichung nicht bloss aus
                              									Pietät gegen den verstorbenen Forscher, sondern auch um ihrer selbst willen
                              									wünschenswerth ist.
                           Nicht unerwähnt möge bleiben, dass an der Ausführung der Versuche sich auch Dr. Schmitz-Dumont und der Referent betheiligt haben.
                           
                        
                           Vorbereitung des Hautmaterials.
                           Um bei den folgenden Versuchen immer mit einem möglichst gleichartigen Hautmaterial
                              									arbeiten zu können, wurden einige ganze Rindshäute und zwar alsbald nach der Schlachtung im
                              									möglichst frischen Zustande extra für den vorliegenden Zweck hergerichtet. Die
                              									Häute, theils braunhaarige, theils schwarzhaarige, wurden in einer Gerberei in
                              									Tharand zunächst gut mit Wasser abgewaschen und auf der Aasseite von allen
                              									anhängenden Fleischtheilchen, Adern, Blut u. dgl. sorgfältig gereinigt. Die dünnen
                              									Randpartien der Haut (Bauch, Flemme, Extremitäten) wurden von vornherein
                              									weggeschnitten, um ein Material von annähernd gleichmässiger Dicke zu erhalten.
                           So vorbereitet kamen die Häute aus der Gerberei ins Laboratorium, wo sie zunächst
                              									noch mehrmals ausgiebig mit Wasser gespült wurden. In diesem Zustande wurden sie in
                              									quadratische Stücke zerschnitten von je 10 cm Seitenlänge und so in eine reine
                              									Kochsalzlösung gebracht, welche sich in einem grossen hölzernen Bottich befand. Die
                              									Kochsalzlösung hatte ursprünglich eine Stärke von 20° Be., ging aber in Berührung
                              									mit den Hautstücken nach einigen Tagen in ihrer Stärke zurück. Die Lösung wurde
                              									daher abgezogen und durch eine frische gesättigte Kochsalzlösung ersetzt, die 3 bis
                              									4 Tage in dem Bottich verblieb. Nach dieser Zeit war abermals eine Abnahme der
                              									Concentration zu bemerken, jedoch schwächer als das erste Mal. Die zurückgegangene
                              									Lösung wurde nun abermals mit einer gesättigten Kochsalzlösung vertauscht und dies
                              									im Ganzen drei- bis viermal wiederholt, bis keine bemerkenswerthe Abnahme der
                              									Beaumé-Grade mehr eintrat, bis also die Hautstücke so stark mit Kochsalzlösung
                              									imbibirt waren, dass eine weitere Aufnahme von Kochsalz aus der Lösung nicht mehr
                              									stattfinden konnte.
                           Die Hautstücke wurden hierauf in grössere Glasgefässe mit abgeschliffenem Rande
                              									gebracht und mit gesättigter Kochsalzlösung übergössen bis zum Rande des Gefässes.
                              									Letzteres wurde dann mit einer Glasplatte verschlossen und zwar so, dass keine
                              									Luftblasen im Innern übrig blieben. Wenn einzelne Stücke zu Versuchszwecken
                              									herausgenommen worden waren, wurde der freigewordene Raum jedesmal wieder mit
                              									frischer Kochsalzlösung angefüllt. Die Conservirung der Hautstücke war, wie die
                              									spätere Erfahrung zeigte, bei dieser Aufbewahrungsmethode eine ganz vorzügliche.
                           Um nun ein zu einem Versuch bestimmtes Hautstück wieder in den ursprünglichen
                              									frischen Zustand zu versetzen, war nur nöthig, das aufgenommene Kochsalz zu
                              									entfernen, was durch 2- bis 3tägiges Auswässern in reinem fliessenden Wasser
                              									geschah. Von den quadratischen Versuchsstücken wogen die braunhaarigen
                              									durchschnittlich ungefähr 70 g, die schwarzhaarigen waren etwas leichter.
                           
                        
                           Methode des Enthaarens.
                           Da der praktische Zweck des Aescherns hauptsächlich darin besteht, die Haut in einen
                              									Zustand zu versetzen, dass die Haare mit leichter Mühe entfernt werden können, so
                              									musste auch bei den nachfolgenden Versuchen vornehmlich darauf geachtet werden, in
                              									welchem Grade dieser Zweck erreicht wurde unter den verschiedenen äusseren
                              									Bedingungen, welche bei den einzelnen Versuchen in Betracht kamen. Will man aber den
                              									Erfolg der Aescherung vergleichsweise prüfen, so tritt sofort eine Schwierigkeit
                              									auf, welche in der Unsicherheit besteht, den Zeitpunkt zu fixiren, wo die Aescherung
                              									beendigt ist. Unter der Beendigung des Aescherns soll hier der Eintritt des
                              									Zustandes verstanden werden, in welchem die Haare nebst Epidermis leicht und
                              									bequem abgehen und von wo ab ein längeres Verweilen der Haut in der
                              									Aescherflüssigkeit keine wesentliche Steigerung in der Leichtigkeit des Enthaarens
                              									bewirken würde. Um aber die Frage zu entscheiden, ob sich eine Haut mehr oder minder
                              									leicht, oder schwerer, oder sehr schwer enthaaren lässt, dafür gibt es zur Zeit
                              									überhaupt keinen bequemen objectiven Maasstab. Theoretisch würde es ja am
                              									richtigsten sein, die zum Herausziehen der Haare erforderliche Kraft in Gewichten zu
                              									bestimmen.
                           In der That hatte sich auch VillonVillon, l. c. S.
                                    											485. für seine Enthaarungsversuche eine mechanische Vorrichtung
                              									construirt, durch welche er das Herausziehen der Haare aus der Haut bewirkte. Er
                              									bezeichnet das in Grammen ausgedrückte Gewicht, welches zum gleichzeitigen
                              									Herausziehen von hundert Haaren erforderlich ist, als Widerstandscoefficienten der
                              									Enthaarung. Indessen lassen sich einerseits gegen die so gewonnenen Zahlenwerthe
                              									mehrere Einwendungen erheben und andererseits würde die Anwendung complicirter
                              									Apparate für manche der nachfolgenden Versuche eine neue Quelle zu
                              									Beobachtungsfehlern geworden sein, so dass von vornherein darauf verzichtet wurde,
                              									zu zahlenmässigen Ausdrücken für die Leichtigkeit oder Schwierigkeit des Enthaarens
                              									zu gelangen.
                           Es blieb also gerade so wie für den praktischen Gerber lediglich das subjective
                              									Gefühl als Maasstab übrig.
                           Um die Enthaarungsfähigkeit zu prüfen, wurden die Hautstücke mit der Aasseite auf
                              									eine Glasplatte gelegt und dann wurden die Haare in der Richtung des sogen. Striches
                              									mit einem Hornspatel unter Anwendung eines sanften Druckes herunter zu streichen
                              									versucht. Man erhält sehr bald ein richtiges Gefühl dafür, ob die Haare
                              										„gehen“ oder nicht, und die Entscheidung der ganzen Frage hat man daher
                              									im Gefühl. Jedenfalls zeigte die Erfahrung, dass bei diesem Verfahren niemals ein
                              									Zweifel darüber bestand, ob die Haut fertig zum Enthaaren war oder noch nicht.
                           
                        
                           Schwitzversuche über das Enthaaren.
                           Das sogen. Schwitzen ist die primitivste Methode, eine Haut zum Enthaaren
                              									vorzubereiten, und besteht einfach darin, die frische oder wiedererweichte Haut
                              									einige Zeit in einer mit Wasserdampf gesättigten Atmosphäre zu belassen. Dabei sind
                              									in der Praxis aber mehrere Modifikationen gebräuchlich, welche sich unterscheiden
                              									durch die angewandte Temperatur, durch die Art und Weise, wie der Schwitzraum mit
                              									Wasserdampf gesättigt wird und durch die Aufbewahrungsart der Häute, ob liegend oder
                              									hängend, einzeln oder in Haufen zusammengepackt u.s.f.
                           Als Schwitzraum diente eine gewöhnliche feuchte Kammer, wie sie zu bakteriologischen
                              									Arbeiten gebräuchlich ist. Diese bietet den Vortheil, dass man die Vorgänge bequem
                              									beobachten kann, die Regulirung der Temperatur in der Hand hat, eventuell Gase
                              									einleiten oder durchleiten kann u.s.w. In die feuchte Kammer wurden nun die
                              									Hautstücke auf Petri'sche Schälchen gelegt und zwar mit
                              									den Haaren nach oben.
                           Für den ersten Versuch, die Haare in der feuchten Kammer abzuschwitzen, dienten vier
                              									in der oben beschriebenen Weise conservirte Hautstücke, nachdem dieselben durch Wässern und Waschen vom
                              									Kochsalz wieder befreit worden waren. Sie wurden in vier feuchte Kammern vertheilt
                              									und zwar am 1. Mai Abends 6 Uhr bei einer Temperatur von beiläufig 16° C.
                           Am 4. Mai Vormittags 10 Uhr war noch keine merkbare Lockerung der Haare eingetreten;
                              									wohl aber war ein ganz schwacher Fäulnissgeruch wahrzunehmen. Ein Stück
                              									angefeuchtetes rothes Lackmuspapier in die feuchte Kammer gebracht wurde nach
                              									Verlauf von ¼ bis ½ Stunde gebläut. Es war also bereits Ammoniak vorhanden, ohne
                              									dass das Stadium der Enthaarungsfähigkeit erreicht worden war.
                           Zwei Tage später, am 6. Mai 10 Uhr Vormittags, trat der Fäulnissgeruch stärker auf.
                              									Feuchtes Lackmuspapier wurde schnell gebläut. Die Menge des Ammoniaks in der
                              									feuchten Kammer hatte also sehr zugenommen. Das Enthaaren konnte jetzt nach der oben
                              									beschriebenen Methode mit Leichtigkeit vorgenommen werden. Nur einige sogen.
                              										„Grundhaare“ (vgl. weiter unten) sassen noch fest.
                           Von den vier Versuchsstücken wurde das eine (als Nr. 1 bezeichnet) nun vollständig
                              									enthaart, während die anderen drei (Nr. 2 bis 4) noch länger in der feuchten Kammer
                              									gelassen wurden.
                           Die Haare lösten sich bei Nr. 1 sehr leicht ab und die Narbenseite der Haut zeigte
                              									sich nach dem Enthaaren vollkommen gesund und normal. Es dürfte daher wohl auch der
                              									gerberisch richtige Zeitpunkt für das Enthaaren gewesen sein, im vorliegenden Falle
                              									also beiläufig nach 4½ bis 5 Tagen bei einer durchschnittlichen Temperatur von 16°
                              									C.
                           Die Epidermis der Haut löste sich gleichzeitig in ganzen, mehrere Quadratcentimeter
                              									grossen Fetzen ab, deren jeder eine ganze Gruppe von Haaren umschloss.
                           Dass sich Epidermis und Haare nach dem Schwitzen oder Aeschern gleichzeitig von der
                              									Lederhaut lostrennen, wird verständlich, wenn man die histologischen Beziehungen
                              									berücksichtigt, in denen beide Organe zu einander stehen. Die Epidermis überzieht
                              									die gesammte Lederhaut an ihrer ganzen Oberfläche als eine ununterbrochene,
                              									zusammenhängende Decke; sie folgt allen Unebenheiten der Lederhaut, den Erhebungen
                              									und Vertiefungen, Falten und Runzeln und lässt im gesunden und unversehrten Zustand
                              									der Haut keinerlei Unterbrechung in Form von Löchern o. dgl. erkennen. Auch an den
                              									Stellen, wo die Haare sitzen, hat die Epidermis keineswegs Löcher, durch welche die
                              									Haare hindurchgesteckt wären – wie es bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen
                              									könnte –, sondern sie ist in die Vertiefung der Lederhaut, in welcher das Haar
                              									sitzt, selbst eingestülpt und kleidet die ganze Einsenkung (den Haarbalg) bis auf
                              									den Grund wie eine Tapete aus, so dass das Haar trotz seiner tiefen Einsenkung in
                              									die Lederhaut doch nirgends mit dem Gewebe der letzteren in unmittelbarer Berührung
                              									steht. An der tiefsten Stelle geht die Epidermis in das Haar selbst über und, wie
                              									die Entwickelungsgeschichte lehrt, hat sich das Haar an dieser Stelle lediglich aus
                              									dem Epidermisgewebe heraus gebildet und stellt überhaupt nichts anderes dar, als ein
                              									langgestrecktes Anhängsel der Epidermis selbst.
                           Der epidermoidale Charakter der Haare zeigt sich aber nicht nur in der
                              									Entwickelungsgeschichte, sondern macht sich auch im fertigen Zustande noch geltend
                              									durch den anatomischen Bau und durch das chemische Verhalten. Während in dem
                              									Faserbündelgeflecht der Lederhaut die Zellenstructur völlig verloren gegangen ist,
                              									zeigen die Epidermis sowohl als die Haare einen durchaus zelligen Aufbau. In der
                              									Epidermis sind die Zellen der oberflächlichsten Lagen ausgetrocknet und verhornt und
                              									dadurch sowohl gegen mechanische als auch chemische Einwirkungen sehr
                              									widerstandsfähig geworden. Die am tiefsten liegenden Zellen aber, welche unmittelbar
                              									an die Lederhaut grenzen und das sogen. Malpighi'sche Schleimnetz bilden, sind noch
                              									dicht mit lebensfähigem Protoplasma erfüllt, lassen in der Regel auch einen
                              									deutlichen Zellkern erkennen und vermehren sich durch Theilung.
                           Die Wände dieser Zellen sind sehr zart und ebenso wie der protoplasmatische
                              									Zellinhalt der Lösung durch eiweisslösende Mittel, also besonders alkalische
                              									Flüssigkeiten, sehr leicht zugänglich. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigen die
                              									Haare. Auch bei ihnen sind die der Peripherie zunächst gelegenen Zellen, welche die
                              									Haarrinde bilden, stark verhornt und, soweit das Haar über die Hautoberfläche
                              									hervorragt, völlig ausgetrocknet. Der am tiefsten in die Haartasche eingesenkte
                              									Theil des Haares, die Haarzwiebel, aber besteht aus theilungsfähigen, dicht mit
                              									Protoplasma angefüllten und mit Zellkernen versehenen Zellen mit zarten Wänden, die
                              									sich gegen die Einwirkung von Alkalien ähnlich verhalten, wie die Zellen der
                              									Malpighi'schen Schleimschicht.
                           Es sind nun immer die am tiefsten gelegenen Zellen der Epidermis und ebenso die
                              									untersten Zellen der Epidermisanhänge, also der Haare, welche durch den
                              									Schwitzprocess bei hinreichend langer Dauer desselben zerstört bezieh. gelöst
                              									werden, oder deren Festigkeit bei kürzerer Einwirkung wenigstens soweit verringert
                              									wird, dass die kleinste Kraft hinreicht, um eine mechanische Trennung zu bewirken.
                              									Durch die Enthaarungsmittel (Schwitzen oder Kalken) wird also die gesammte Haut in
                              									zwei Theile gespalten, deren einer aus der Lederhaut nebst dem Unterhautgewebe
                              									besteht und deren anderer die Epidermis in ihrer ganzen Ausdehnung sammt ihren
                              									Anhängseln, den Haaren, darstellt. Dass sich dieser andere Theil nicht als
                              									zusammenhängendes Ganze abtrennen lässt, beruht eben auf dem zelligen Bau der
                              									Epidermis, und der Zerfall in die einzelnen Haare und einzelne Stücke, ja selbst in
                              									einzelne Zellen ist erst eine secundäre Folge des zerstörenden Einflusses der
                              									Enthaarungsmittel und der mechanischen Zerreissungen während der Operation des
                              									Enthaarens selbst. Dass. aber die Zellen der Epidermis unter sich auch nach
                              									Beendigung des Schwitzprocesses oder der Aescherung noch ein zusammenhängendes
                              									Gewebe – wenn auch von sehr geringer Festigkeit – bilden, davon kann man sich durch
                              									folgenden Versuch überzeugen:
                           Unterwirft man ein Stück Haut dem Schwitzprocesse so lange, bis es zum Enthaaren
                              									völlig reif ist, und härtet es dann, ohne das Enthaaren selbst vorzunehmen, in
                              									Alkohol, so wird durch die wasserentziehende Wirkung des Alkohols das ganze
                              									Zellgewebe der Epidermis zwar bis zu einem gewissen Grade wieder hart, fest und
                              									widerstandsfähig – aber der bereits gelockerte oder schon ganz verloren gegangene
                              									Zusammenhang zwischen der Lederhaut und der Malpighi'schen Schleimschicht wird nicht
                              									wieder hergestellt. Es gelingt nun leicht, grössere Stücke der Epidermis loszulösen,
                              									welche sehr schön die sackartigen Einstülpungen in die Haartasche erkennen lassen. Freilich erhält
                              									man keinen unten geschlossenen Sack mit dem Haar, weil in der Regel an der Stelle,
                              									wo die Mündungen der Haarbalgdrüsen eine Unterbrechung der Epidermis bedingen, ein
                              									Zerreissen stattfindet.
                           Wie bereits weiter vorn bemerkt, wurden die mit Nr. 2 bis 4 bezeichneten Hautstücke
                              									noch länger in ihren feuchten Kammern gelassen, um zu beobachten, wie sich die Haut
                              									verhält, wenn sie über die erforderliche Zeit hinaus in der Schwitze bleibt.
                           Im Einzelnen war hierbei Folgendes zu bemerken: Am nächsten Tage (7. Mai, 10 Uhr
                              									Vormittags) wurde Nr. 2 enthaart. Diese Manipulation wurde mit Leichtigkeit
                              									ausgeführt. Nach Entfernung der Hauptmasse der Haare zeigte sich die Haut noch
                              									völlig gesund und normal und liess keinerlei verdorbene Stellen erkennen.
                           Die sogen. Grundhaare liessen sich mit dem Hornspatel nur schwer entfernen, mit einer
                              									Pincette aber ebenso leicht wie die anderen Haare. Leicht liessen sie sich auch
                              									beseitigen mit einem stumpfen Messerrücken, nachdem die übrigen Haare bereits
                              									entfernt waren.
                           Es finden sich stets zwischen der übrigen Masse der Haare zerstreut, mehr vereinzelt
                              									stehend, einige Haare, welche nach dem Abstreichen der Hauptmenge der Haare
                              									zurückbleiben und die Blösse noch spärlich bedecken.
                           Diese zurückbleibenden Haare bezeichnet der praktische Gerber als
                              									„Grundhaare“; sie bieten ihm einen Anhalt, um die Geschicklichkeit des
                              									Arbeiters zu beurtheilen. Je geschickter der Arbeiter ist, um so weniger
                              										„Grundhaare“ lasst er in der Blösse sitzen. Betrachtet man diese
                              									Grundhaare etwas näher, so lasst sich im Vergleich mit den übrigen Haaren kein
                              									anderer Unterschied bemerken als höchstens der, dass der Haarschaft, d. i. der über
                              									die Hautoberfläche hervorragende Theil, meistens ziemlich kurz ist. Die Haarwurzel
                              									reicht bis in dieselbe Region der Lederhaut hinab und ist an ihrer Basis bald mehr,
                              									bald weniger, bald gar nicht zwiebelartig verdickt, wie dies bei den sonstigen
                              									Haaren der Fall ist.
                           Bei den praktischen Gerbern findet man verschiedene Ansichten über die Ursache des
                              									Sitzenbleibens der Grundhaare verbreitet. Manche sind der Ansicht, dass der
                              									Zusammenhang zwischen der Basis der Haarzwiebel und der die letztere tragenden
                              									Haarpapille ein festerer sei als bei den gewöhnlichen Haaren. Andere meinen, dass
                              									bei den Grundhaaren die Haartasche und mithin auch die Haarwurzel am Grunde
                              									hakenförmig gekrümmt sei und dadurch das Herausziehen des Haares erschwert werde.
                              									Solche Krümmungen kommen zwar in bald stärkerem, bald schwächerem Grade thatsächlich
                              									vor, aber doch nicht regelmässig, sondern nur ausnahmsweise und können schon deshalb
                              									zur Erklärung einer allgemeineren Erscheinung nicht herangezogen werden.
                           Die plausibelste Erklärung ist wohl die, dass die Grundhaare wegen der Kürze des
                              									Haarschaftes von dem Instrumente nicht gefasst werden, weil die benachbarten, sie
                              									überragenden, grösseren Haare einen Schutz davor bilden. Dafür spricht auch die oben
                              									erwähnte Beobachtung über die leichte Entfernung der Grundhaare bei dem Hautstück
                              									Nr. 2 nach Beseitigung der übrigen Haare,
                           Das Hautstück Nr. 3 wurde am 10. Mai Vormittags 10 Uhr enthaart, also nach 8½ Tagen.
                              									Die Haare gingen dabei durchgängig sehr leicht und beim Enthaaren trat unter
                              									dem Drucke des Spatels eine ziemlich beträchtliche Menge von Schleim aus. Der Narben
                              									zeigte sich zwar überall stark erweicht, ohne aber irgend welche Beschädigungen
                              									erkennen zu lassen.
                           Das Hautstück Nr. 4 endlich wurde noch bis zum 2. Juni liegen gelassen. Es erschien
                              									nun gänzlich verdorben. Grösse Mengen von Schleim liessen sich schon mit leichtem
                              									Drucke ausstreichen; eigentliche Beschädigungen aber in Form von Löchern oder
                              									überhaupt von missfarbigen, gegen ihre Umgebung abgegrenzten Flecken waren nicht zu
                              									bemerken.
                           
                        
                           Einfluss des Kochsalzes auf den Schwitzprocess.
                           Um den Einfluss zu untersuchen, welchen die Gegenwart des Kochsalzes auf den Verlauf
                              									des Schwitzprocesses ausübt, wurde am 4. Juni ein Hautstück aus der Salzlösung
                              									genommen und direct, so wie es war, also mit dem Salze
                              									in eine feuchte Kammer gebracht und bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen.
                           Am 10. Juni, also nach 6 Tagen, wurde nachgesehen und die Haut noch vollkommen frisch
                              									wie zu Anfang befunden. Auch an allen folgenden Beobachtungstagen konnte keinerlei
                              									Veränderung wahrgenommen werden, bis sich zuerst Mitte Juli eine Spur von Geruch in
                              									der feuchten Kammer bemerkbar machte. Die Haut selbst erschien aber auch zu dieser
                              									Zeit noch ganz frisch und die Haare ganz fest.
                           Am 3. August war der Befund noch derselbe: die Haut frisch, die Haare fest; etwas
                              									Ammoniak lässt sich mit Lackmuspapier in der feuchten Kammer nachweisen.
                           Am 19. August liessen sich einzelne Haare loslösen, wenn auch schwer. Auch weiterhin
                              									schritt die Veränderung ausserordentlich langsam vorwärts. Mitte October trat zwar
                              									der Ammoniakgeruch etwas deutlicher auf und es gingen einige Haare mehr, aber erst
                              									im November, also nach beiläufig 5 Monaten, war der Schwitzprocess so weit gediehen,
                              									dass sich die Haut einigermaassen und mit Mühe enthaaren liess.
                           Für die Praxis, wo die Zulassung so langer Zeiträume selbstredend absolut
                              									ausgeschlossen ist, muss die Gegenwart erheblicher Mengen von Kochsalz nicht nur als
                              									ein Hemmniss, sondern geradezu als ein Hinderniss für den Schwitzprocess betrachtet
                              									werden.
                           Ein ehemaliger Schüler von uns erzählte uns einst auch als einen merkwürdigen Fall
                              									aus der Praxis, dass in der Gerberei seines Vaters einmal die Häute trotz längeren
                              									Verweilens in der Schwitze durchaus nicht dazu zu bringen waren, dass sie sich
                              									enthaaren liessen. Bei näherer Erörterung des Falles stellte sich denn auch heraus,
                              									dass die betreffenden Häute Salzhäute waren und dass sie ohne vorherige Reinigung
                              									vom Salz direct in den Schwitzraum gebracht worden waren.
                           Zugleich mit dem vorstehend geschilderten Versuch wurde ein Controlversuch ohne Salz angestellt. Es wurde dem Vorrath ein zweites
                              									Stück Haut entnommen und zunächst 3 Tage lang (vom 1. bis 4. Juni) durch Wässern
                              									sorgfältig vom Salze befreit. Am 4. Juni Vormittags wurde dieses Hautstück zu
                              									gleicher Zeit mit dem anderen, salzhaltigen in eine feuchte Kammer gebracht und bei
                              									einer Zimmertemperatur von 18,8 bis 20,2° C. sich selbst überlassen.
                           Am 7. Juni Nachmittags liessen einige Haare bereits eine Lockerung bemerken,
                              									jedoch erforderte das Enthaaren noch Mühe und die Haut war offenbar für den
                              									Enthaarungsprocess noch nicht reif.
                           Am 8. und 9. Juni konnte nicht nachgesehen werden; am 10. Juni Vormittags aber liess
                              									sich die ganze Haut so vollständig und glatt bis auf wenige Grundhaare mit
                              									Leichtigkeit enthaaren, dass die Annahme gerechtfertigt war, der Schwitzprocess sei
                              									bereits ein oder anderthalb Tag vorher in der Hauptsache beendigt gewesen.
                           Nach dem Enthaaren wurde die Haut wieder in die feuchte Kammer zurückgebracht, um im
                              									Vergleich zu obigem Salzversuch den deutlichen Beginn der Fäulniss zu beobachten.
                              									Nach dem Aussehen der Haut und der Stärke des Ammoniakgeruches konnte schon nach 8
                              									Tagen die eingetretene Fäulniss constatirt werden.
                           
                        
                           Einfluss der Kalkmenge und Einfluss einer Beigabe von
                              									gebrauchtem Aescher auf die Aescherzeit.
                           Ausserordentlich aus einander gehen die Ansichten der praktischen Gerber über die Art
                              									und Weise, wie ein Aescher richtig geführt werden muss, besonders in Bezug auf die
                              									viel umstrittenen Punkte, ob der Aescher viel oder wenig ungelösten resp.
                              									suspendirten Kalk enthalten soll, wie oft ein und derselbe Aescher gebraucht werden
                              									darf, ob die ganze Aescherung in einem Geschirr zu Ende
                              									zu führen ist, ob die Häute von vornherein in einen frisch angestellten, sogen.
                              									Weissäscher oder zunächst in einen alten bezieh. faulen Aescher gebracht werden
                              									sollen u.s.f.
                           Den stark divergirenden und oft mystischen Ansichten entsprechend, ist auch die
                              									Handhabung des Aescherns in der Praxis sehr verschieden. Von einem förmlichen Geizen
                              									mit Kalk bis zu wahrer Kalkverschwendung kann man alle möglichen Mittelstufen
                              									finden. Nicht selten findet man bei den Praktikern die Ansicht, dass grosse Mengen
                              									von Kalk im Aescher deshalb zu vermeiden seien, weil sie die Haarlockerung
                              									beeinträchtigen oder auch ganz verhindern würden.
                           Bei den meisten praktischen Gerbern aber ist die Ansicht verbreitet, dass die
                              									Verwendung eines reinen frischen Kalkäschers nicht zweckmässig sei, sondern dass man
                              									vortheilhaft immer etwas faulen oder wenigstens gebrauchten Aescher zusetzen
                              									müsse.
                           Zur Beleuchtung dieser verschiedenen Ansichten diente folgende Reihe von Versuchen,
                              									bei denen die Aescherung der Haut vorgenommen wurde theils mit, theils ohne Zusatz
                              									von bereits gebrauchter Aescherflüssigkeit und bei denen die Kalkmengen in weiten
                              									Grenzen schwankten und zwar von gänzlicher Abwesenheit des Kalkes bis zu solchen
                              									Mengen, dass der Aescher eine breiartige Consistenz erhielt.
                           Als Aeschergefässe dienten Batteriegläser von etwas mehr als 1 1 Inhalt, welche in
                              									jedem Versuche mit 1 l Aescherflüssigkeit gefüllt wurden.
                           In jedes Gefäss wurden aus dem Salzvorrath drei gut ausgewässerte Hautstücke von
                              									zusammen etwa 210 g Grüngewicht gebracht. Auf 1 Gew.-Th. Grünhaut kamen daher 4,8
                              									Gew.-Th. Aescher – ein Verhältniss, wie es in der Praxis sehr häufig gebraucht
                              									wird.
                           Die für die Versuche verwendete gebrauchte Aescherflüssigkeit wurde einer Lohgerberei
                              									in Tharand entnommen. Vor dem Gebrauch wurde umgeschüttelt, der Kalk absetzen
                              									gelassen und nur die überstehende Flüssigkeit verwendet.
                           Für die Bereitung eines frischen oder Weissäschers ist ein in der praktischen
                              									Gerberei vielfach gebrauchtes, normales Verhältniss: 6 k gebrannter (ungelöschter)
                              									Kalk auf 1 cbm Wasser. In diesem Verhältniss wurde auch bei den folgenden Versuchen
                              									der Aescher mit der kleinsten Kalkmenge zubereitet, während die anderen eine
                              									steigende vielfache Menge davon erhielten. Der Kalk wurde jedesmal als gebrannter
                              									Kalk abgewogen und dann erst gelöscht.
                           Die Aescherflüssigkeiten in den einzelnen Versuchen hatten nun überhaupt folgende
                              									Zusammensetzung: Es enthielten:
                           
                              
                                 Nr. 1:
                                 1 l reines Wasser,
                                 
                              
                                   „   2:
                                 1000 cc Wasser + 6 g gebrannten Kalk,
                                 
                              
                                   „   2a:
                                 750 cc Wasser + 250 cc gebrauchte Aescherflüssigkeit+ 6 g gebrannten
                                    											Kalk,
                                 
                              
                                   „   3:
                                 1000 cc Wasser + 18 g gebrannten Kalk,
                                 
                              
                                   „   3a:
                                 750 cc Wasser + 250 cc gebrauchte Aescherflüssigkeit+ 18 g gebrannten
                                    											Kalk,
                                 
                              
                                   „   4:
                                 1000 cc Wasser + 30 g gebrannten Kalk,
                                 
                              
                                   „   4a:
                                 750 cc Wasser + 250 cc gebrauchte Aescherflüssigkeit+ 30 g gebrannten
                                    											Kalk,
                                 
                              
                                   „   5:
                                 1000 cc Wasser + 100 g gebrannten Kalk,
                                 
                              
                                   „   6:
                                 1000 cc Wasser + 300 g gebrannten Kalk.
                                 
                              
                           Hierzu sei noch bemerkt, dass das in Nr. 2 angewandte Verhältniss zwischen Wasser und
                              									Kalk in der Lehrgerberei der Deutschen Gerberschule gebräuchlich ist. Nr. 4 stellt
                              									ungefähr die Grenze dar, bis zu welcher manche Gerber noch gehen, welche den Kalk
                              									verschwenden. Nr. 6 war ganz dickflüssig, wie Mauerbrei.
                           Von den zu den Versuchen dienenden Hautstücken kamen am 4. Juni Vormittags je drei
                              									Stück in jeden Aescher, nachdem sie zuvor 3 Tage lang, wie gewöhnlich, gewässert
                              									worden waren.
                           Am 7. Juni Nachmittags wurde die Enthaarungsfähigkeit geprüft und dabei ergab sich
                              									bei Nr. 1 ein ganz negatives Resultat. Die mit Nr. 2 bis 6
                                 										bezeichneten Hautstücke dagegen liessen sich alle ohne Ausnahme ziemlich leicht
                                 										enthaaren bis auf einige wenige sogen. Grundhaare. Irgend ein gradueller
                              									Unterschied in der Weise, dass die kalkreichen Aescher die Haut besser zum Enthaaren
                              									vorbereitet hätten, oder dass die mit gebrauchter Aescherflüssigkeit versetzten
                              									Aescher stärker oder schwächer gewirkt hätten als die reinen frischen Aescher, war
                              									nirgends zu bemerken.
                           Nach der Enthaarung wurden die Hautstücke alle wieder in ihre respectiven Aescher
                              									zurückgebracht, bezieh. Nr. 1 mit den Haaren weiter darin belassen.
                           Am 10. Juni Vormittags wurde Folgendes beobachtet: Die Flüssigkeit in Nr. 1 beginnt
                              									einen fauligen Geruch zu entwickeln. Die Haarlockerung ist stellenweise eingetreten.
                              									An einzelnen, aber ganz ungleichmässig vertheilten Stellen lassen sich auch die
                              									Haare zugleich mit der Epidermis entfernen. Eine richtige Enthaarung ist indessen
                              									nicht möglich, da die Hautstellen mit noch festsitzenden und solche mit bereits
                              									gelockerten Haaren ganz unregelmässig mit einander abwechseln und da das Enthaaren
                              									selbst an den Stellen, wo es überhaupt möglich war, nur schwierig und unter
                              									Anwendung von starkem Druck ausgeführt werden konnte. Der Geruch, welchen diese Haut
                              									verbreitet, ist übrigens deutlich verschieden von demjenigen, wie er sich in der
                              										„Schwitze“ bemerkbar macht.
                           Vergleicht man mit diesem Versuche Nr. 1 den oben beschriebenen, gleichzeitig
                              									angestellten Schwitz versuch in der feuchten Kammer, so zeigt sich im Effecte ein
                              									wesentlicher Unterschied. Während die Haare in der feuchten Kammer ganz gut gingen,
                              									gehen sie nach gleichlangem Aufenthalt der Haut unter Wasser theils schwer, theils
                              									gar nicht. Will man nach einer Erklärung hierfür suchen, so kommt es zuvörderst
                              									darauf an, ob man den ganzen Process der Lockerung der Oberhaut und der Haare als
                              									eine reine und directe Bakterienwirkung auffasst oder als eine Wirkung von
                              									alkalischer Flüssigkeit, wie sie im Kalkäscher von vornherein vorhanden ist und wie
                              									sie sich in der Schwitze oder im Wasser erst durch Entstehung von Ammoniak aus der
                              									Haut bildet.
                           Im ersteren Falle würde man zu der Ansicht gelangen, dass die Fäulnissbakterien,
                              									welche am Schwitzprocess betheiligt sind, den Sauerstoff der Luft gebrauchen. VillonVillon, l. c. S. 484. bezeichnet
                              									sein Bactérie pilline auch ausdrücklich als aërob.
                           An demselben Beobachtungstage (10. Juni) wurde in den mit Nr. 2 bis 6 bezeichneten
                              									Aeschern zuerst das Auftreten eines Geruches bemerkt, der indessen entschieden weit
                              									schwächer war als bei Nr. 1. 8 Tage später (am 18. Juni) zeigte sich sehr deutlich,
                              									dass die Fäulniss in reinem Wasser am stärksten vorgeschritten war, wenn man das
                              									Gefäss Nr. 1 mit Nr. 2 bis 6 verglich – abgesehen natürlich von den mit Nr. 2a, 3a
                              									und 4a bezeichneten, welche von vornherein alte
                              									Aescherflüssigkeit enthielten. Jedenfalls ist der Unterschied in der Wirkung der
                              									kalkfreien und der kalkhaltigen Flüssigkeiten auf die antiseptischen Eigenschaften
                              									des Kalkes zurückzuführen. Es erscheint insbesondere bemerkenswerth, dass die
                              									Hautstücke in Nr. 1 am 18. Juni zwar schwache, aber entschiedene Anfänge der
                              									Fäulniss zeigten, dass aber trotzdem die Enthaarung noch nicht ordentlich, sondern
                              									nur stellenweise und ungleichmässig ausgeführt werden konnte.
                           Im Ganzen geht aus den Versuchen Nr. 1 bis 6 hervor, dass die
                                 										Menge des Kalkes innerhalb weiter Grenzen keinen Einfluss auf die Aescherzeit
                                 										hat und dass es deshalb zwecklos ist, dem Aescher irgend welche
                              									erheblichere Mengen von Kalk behufs Abkürzung der Aescherzeit zuzusetzen.
                           Es ergibt sich aber ferner, dass der Zusatz von gebrauchtem Aescher zu frischem für
                              									die Zeitdauer der Aescherung auch keine wesentliche Bedeutung hat, wenigstens nicht,
                              									soweit die Enthaarung in Betracht kommt. Zwei andere, an sich sehr wichtige
                              									Wirkungen, welche der Aescher auf die Haut ausübt, nämlich die Lockerung und die
                              									Schwellung des Hautgewebes, blieben bei diesen Versuchen unberücksichtigt.
                           
                        
                           Einfluss des Kochsalzes auf die Aescherzeit.
                           Hieran schloss sich noch eine kleine Versuchsreihe über die Frage, ob es einen
                              									bemerkenswerthen Unterschied in der Zeitdauer oder im Effecte der Aescherung
                              									bedingt, wenn das Salz zuvor ausgewässert wird oder nicht.
                           Als Aeschergefässe dienten wieder Batteriegläser von reichlich 1 l Inhalt. In jedes
                              									Gefäss wurden drei Hautstücke und 1 l Wasser gebracht, so dass das Verhältniss
                              									zwischen Grünhaut und Wasser dasselbe blieb, wie im vorigen Versuche. Die Haut wurde
                              									diesmal aus dem conservirten Vorrath direct mit dem
                                 										Salze in die Aeschergefässe gebracht und zwar am Vormittag des 23. Juni.
                              									Die verwendeten Aescherflüssigkeiten waren folgendermaassen zusammengesetzt: Es
                              									enthielt
                           
                              
                                 Nr. 1:
                                 1000 cc Wasser und   6 g gebrannten Kalk
                                 
                              
                                   „  2:
                                 1000 cc       „       „   18 g         „            „
                                 
                              
                                   „  3:
                                 1000 cc       „       „   30 g         „            „
                                 
                              
                           Schon am 25. Juni Nachmittags fingen die Haare zum Theil an zu gehen und am 26. Juni
                              									Vormittags konnten sämmtliche Hautstücke aus allen drei Gläsern ohne jede
                              									Schwierigkeit enthaart werden.
                           Die Menge des Salzes, welches an und in der Haut enthalten ist, ist im Verhältniss
                              									zur Menge des Wassers nur sehr gering. Es wird nach dem Einbringen der Haut in die
                              									Aescherflüssigkeit bald ausgelaugt und es entsteht eine Kochsalzlösung, welche
                              									freilich so verdünnt ist, dass sie eine conservirende Wirkung nicht mehr ausüben
                              									kann. Die Hautstücke verhalten sich in Folge dessen der Aescherflüssigkeit gegenüber
                              									so, als ob sie zuvor ausgewässert worden wären, und der Unterschied besteht nur
                              									darin, dass hier die Aescherflüssigkeit selbst das Auswässern besorgt hat.
                           Aus diesem Versuchsresultat soll nun aber keineswegs geschlossen werden, dass das
                              									Auswaschen des Salzes vor der Aescherung in der Praxis eine überflüssige Operation
                              									ist und füglich unterbleiben kann; aber es geht daraus hervor, dass ein minder
                              									sorgfältiges Auswässern des Salzes vor dem Aeschern keinen direct schädlichen
                              									Einfluss auf den Aescherprocess selbst hat.
                           Uebrigens bildet dieser Versuch auch noch eine Bestätigung des vorhergehenden
                              									insofern, als sich auch hier die grösseren Kalkmengen als gänzlich belanglos für die
                              									Aescherzeit erwiesen haben.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)