| Titel: | Anwendung des Glases in der Elektrotechnik. | 
| Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 112 | 
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                        Anwendung des Glases in der
                           								Elektrotechnik.
                        (Schluss des Berichtes S. 88 d. Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Anwendung des Glases in der Elektrotechnik.
                        
                     
                        
                           Eines der dankbarsten Verwendungsgebiete hat sich jedoch in jüngster Zeit das Glas
                              									als Gefäss für elektrische Accumulatoren erobert. Ursprünglich waren die zur
                              									Aufnahme der Accumulatorenplatten und der angesäuerten Erregungsflüssigkeit
                              									erforderlichen Tröge in der Regel aus Holz hergestellt, das auf der Innenseite einen
                              									Bleiüberzug erhielt. Desgleichen benutzte man wohl auch Gefässe aus verschiedenen,
                              									an den Innenflächen durch einen Kautschuk- oder Guttaperchaüberzug isolirten
                              									Metallblechen, oder solche aus gepresstem Papierstoff, aus Ebonit, aus Celluloid u.
                              									dgl. und schliesslich aus Glas. Gleich anfänglich, als man Accumulatoren in der
                              									Industrie zu verwenden begann, haben die damit beschäftigten Techniker es als einen
                              									schweren Uebelstand empfunden, dass die Holzgefässe mit Bleiüberzug viel Raum
                              									einnehmen und ein überaus grosses Gewicht besitzen. Da ferner der Bleiüberzug der
                              									Holzwände nur sehr dünn sein darf, wenn der Preis der Gefässe nicht übermässig hoch
                              									werden soll, so ist das Löthen der Bleiblechstösse eine ebenso schwierige als
                              									heikele Arbeit, die nur wenigen, ganz besonders geschickten Händen anvertraut werden
                              									darf. Wenn diese kostspielige Verrichtung nicht sehr sorgfältig ausgeführt wird,
                              									steht das Auslaufen der Erregungsflüssigkeit zu befürchten, was übrigens selbst bei
                              									ursprünglich ganz solid ausgeführten Löthungen im Laufe der Zeit zufolge der im
                              									elektrolytischen Wege eintretenden Zerstörung des Materials leicht und häufig
                              									vorkommt. Aber ein Accumulator, der ausläuft, ist bekanntlich nicht nur in seiner
                              									Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, sondern derselbe gefährdet auch die Isolirung und
                              									die Thätigkeit der ganzen Batterie. Die Gefässe aus Holz und aus allen übrigen, oben
                              									angeführten Stoffen, ausser Glas, haben ferner den Nachtheil, undurchsichtig zu sein
                              									und sonach hinsichtlich der jeweiligen Zustände im Inneren keinen Aufschluss zu
                              									gestatten, wenn nicht erst die Platten selbst ausgehoben werden, wodurch der ganze
                              									Accumulator ausser Dienst kommt. Eine solche Nachschau fordert also viel Mühe und
                              									Zeit, sowie, während des Betriebes, auch noch eine Aenderung der Schaltung. Die
                              									Holzgefässe müssen überdem auch vom Fussboden oder von den Trägern, auf welchen sie
                              									ruhen, durch besondere Zwischenstücke isolirt werden. Um allen diesen Uebelständen
                              									auszuweichen, bin ich in Gemeinschaft mit dem Accumulatorenfabrikanten Sarcia vor Jahren schon bestrebt gewesen, praktische
                              									Standtröge aus Glas zu gewinnen, und bestand der erste diesfällige Versuch aus einem
                              									prismatischen Eisenrahmen, in welchen vorn und rückwärts je eine Spiegelscheibe und
                              									rechts wie links je eine starke Tafel von gewöhnlichem Rohglas eingeschoben und
                              									mittels eines heissen Gemenges aus Ziegelmehl, Wachs und Mastix festgekittet wurden.
                              									Eine Anzahl solcher Gefässe, denen man, der Aehnlichkeit wegen, den Namen
                              										„Aquarium“ gegeben hat, leisten derzeit noch gute Dienste; sie werden
                              									jedoch längst nicht mehr erzeugt, da sie an und für sich ziemlich kostspielig sind
                              									und auch leicht zu Grunde gehen, wenn der Anstrich des Eisenrahmens nicht fleissig
                              									erneuert und sehr geschont wird. Wir waren daher bald der Ueberzeugung, dass nur
                              									ganz aus Glas hergestellte Tröge entsprechen können, und luden daher zwei
                              									hervorragende Glasfabrikanten ein, in dieser Richtung Versuche zu machen. Zahlreiche
                              									Muster, die von den beiden Hütten voll des freundlichsten Entgegenkommens für uns
                              									angefertigt worden sind, haben sich jedoch leider allesammt als unbrauchbar
                              									erwiesen, weil diese durch Blasen mit dem Rohr oder mit Hilfe von Pressluft
                              									erzeugten Gefässe an einzelnen Stellen, insbesondere in den Ecken und am Boden,
                              									stets ungleich stark ausfallen und daher keine verlässliche Haltbarkeit besitzen.
                              									Anderntheils hat sich gezeigt, dass das Product der zum Blasen geeigneten Glasmasse,
                              									welche ein Uebermaass von kohlensaurem Natron und Kali enthalten muss, gegen die
                              									Erregungsflüssigkeit (verdünnte Schwefelsäure) sowohl, als insbesondere gegen die
                              									Elektrolyse, welche in den elektrischen Accumulatoren eine noch nicht zureichend
                              									erklärte zerstörende Rolle spielt, keinen genügenden Widerstand bietet, ferner, dass
                              									diese Gläser zufolge ihrer ungleichen Stärke weder das Gewicht der Platten, noch die
                              									in den Zellen vorkommenden Temperaturunterschiede auszuhalten vermögen. Sehr häufig
                              									brachen die geblasenen Glaströge wenige Tage nachdem sie in Verwendung genommen
                              									wurden, und daher sahen wir uns sehr bald wieder in die bedauerliche Notwendigkeit
                              									versetzt, zu den ursprünglich angewendeten, mit Blei ausgefütterten Holzgefässen
                              									zurückzugreifen.
                           Die Frage der Glasgefässe wurde aber neuerdings eifrig aufgenommen, als ich zufällig
                              									Gelegenheit hatte, die grossen Glashütten werke in Saint-Gobain zu besuchen und dort die Herstellung von gegossenen Röhren zu
                              									beobachten, die sich durch eine überraschend grosse Widerstandskraft gegen das
                              									Zerdrücken und ebenso grosse Unempfindlichkeit gegen äussere chemische Einflüsse
                              									auszeichnen. Es war sofort meine Anschauung, dass sich in ähnlicher Weise wie diese
                              									Röhren auch mein Ideal für ein Accumulatorenstandglas verwirklichen lassen müsste,
                              									und dank dem bereitwilligen Entgegenkommen der Saint-Gobain-Gesellschaft und ihres wohlwollenden Generaldirectors A. River ist dies in der That mit dem vorzüglichsten
                              									Erfolge gelungen. Ich bin dieser vom Ingenieur Henrivaux geleiteten Fabrikation, welche allerdings nicht nur
                              									nennenswerthe materielle Opfer seitens der Glasfabriksgesellschaft, sondern
                              									anfänglich mancher Fehlversuch, viel Geduld und reichliche Mühe gekostet hat, mit
                              									grösster Aufmerksamkeit gefolgt und war glücklich, als ich endlich alle
                              									Schwierigkeiten überwunden sah und einen glänzenden Erfolg constatiren konnte. Die
                              									betreffende Herstellungsweise ist äusserst interessant und beruht in erster Linie
                              									auf einem neuen, von Appert und Henrivaux erfundenen Giessverfahren, welches die Genannten in einer unter
                              									dem Titel „Die Glasmacherei seit 20 Jahren“
                              									herausgegebenen Schrift verflossenen Jahres veröffentlicht haben. Das Eigenthümliche
                              									dieser Herstellungsweise besteht darin, dass erstens die Gussmasse ihre endgültige
                              									Gestalt durch allmähliche mechanische Einwirkung des Formkerns erhält, und dass
                              									zweitens die Giessformen so eingerichtet sind, dass die aus dem Schmelzhafen
                              									entnommene Gussmasse während der ganzen Dauer des Gusses ihre Temperatur und sonach
                              									auch ihre Bildsamkeit nicht ändert. Zur Erzeugung der Glasröhren benutzt man Formen
                              									aus Metall, deren äussere, cylindrische Schalen entsprechend kräftig ausgeführt und,
                              									um jeder Deformation vorzubeugen, mit Rippen verstärkt sind; jede solche Schale
                              									besteht aus zwei der Länge nach durch Scharniere verbundenen Hälften und ist
                              									lothrecht stehend auf einem eisernen Formtisch angebracht. Vor dem Giessen wird
                              									die Form mit einem Gitter oder einem Blechmantel umgeben, innerhalb welchem ein
                              									heftiges Feuer angefacht ist, damit die erstere die gewünschte Temperatur erhält. In
                              									die hohle Formschale bringt man sodann mittels einer gewöhnlichen Glaskelle eine
                              									entsprechende Menge des Glasflusses, worauf der Formkern, eine eiserne Spindel, die
                              									bis dahin unterhalb des Formtisches seinen Platz einnimmt, mit Hilfe von Dampf- oder
                              									Wasserdruck innerhalb der Formschale senkrecht hochgetrieben wird, so dass sie das
                              									flüssige Material zwischen sich und der zu ihr haargenau concentrisch stehenden
                              									Schale ganz gleichmässig – wie man sieht, unter einem gewissen Drucke – vertheilt.
                              									Zur Freimachung der entstandenen Glasröhre muss die Feuerung entfernt, die
                              									Formschale geöffnet und die Kernspindel in ihre Ruhelage nach abwärts zurückgeführt
                              									werden. Ziemlich übereinstimmend mit diesem Vorgange ist auch das Verfahren bei der
                              									Herstellung der prismatischen Accumulatorentröge. Die betreffende theils aus
                              									Gusseisen theils aus Schmiedeisen bestehende Vorrichtung (Fig. 1) hat zwei bewegliche Schalentheile A
                              									und B, welche den Gefässeiten entsprechen und auf
                              									Schlitten angebracht sind, die sich längs der Deckplatte C des Formentisches mit Hilfe der Schraubenspindeln D und D1 verschieben und zum Gebrauche so dicht an einander
                              									rücken lassen, dass die beiden Theile durch gewöhnliche Hebelklemmen zu einem
                              									einzigen hohlen Prisma fest zusammengefügt werden können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 113
                              Fig. 1.Herstellung der Accumulatorentröge.
                              
                           Der prismatische Kern der Form hat seine Ruhestellung im
                              									Untertheil des Formgestelles und kann in einem Ausschnitte der Platte C senkrecht auf und nieder bewegt werden; wenn er sich
                              									in seiner normalen Lage befindet, so fällt seine obere Fläche mit der Platte C in eine Ebene zusammen. In Fig. 1 ist dieser Formkern bei R in halb
                              									gehobener Lage, d.h. in jener Stellung dargestellt, welche er auf der Hälfte seines
                              									Weges einnimmt. Zur Gebrauchsnahme werden also vorerst die zwei Schalenstücke A und B an einander
                              									gerückt und verklemmt und der Kern M erhält seine
                              									tiefste Lage. Sodann sind mittels einer eigenen zu diesem Zwecke vorgesehenen
                              									Anordnung die in der Formvorrichtung angebrachten, unter einander communicirenden
                              									Hohlräume mit dem Schmelzofen so in Verbindung zu bringen, dass die ersteren von den
                              									überhitzten Gasen des letzteren durchströmt werden, damit die Form die nothwendige
                              									Temperatur erlangt. Sobald die Vorbereitungen so weit gediehen sind, erfolgt das
                              									Eingiessen der für den ganzen Trog erforderlichen Menge Glasflusses in den von A und B gebildeten
                              									Hohlraum und darauf das langsame Auftreiben des Kernes R, dessen Weg genau so bemessen ist, dass er seinen höchsten Punkt
                              									erreicht, wenn die oberste Fläche noch so tief unter dem Rande der Formschalen
                              									steht, als der Boden des Glasgefässes dick sein soll. Was an Glasmasse überschüssig ist, rinnt
                              									über die für diesen Zweck absichtlich schräg gemachten oberen Ränder der Schalen A B aus, oder wird durch eine ziemlich schwere,
                              									entsprechend breite Walze, mit der man nach vollzogenem Gusse über die Form
                              									hinwegfährt und den Gefässboden ebnet, beseitigt. Indessen werden die Feuerungsgase
                              									abgesperrt und die Masse erstarrt so weit, um seine Gestalt zu behalten; sodann
                              									öffnet man wieder die Schalen A und B und bringt den Formkern R
                                 										– dessen Bewegungen mittels Dampf- oder hydraulischen Druckes geschieht –
                              									in seine Ruhelage unter den Formtisch zurück, worauf das fertige Stück M (Fig. 3) nun zur
                              									weiteren Behandlung dem Kühlofen überantwortet werden kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 114
                              Fig. 2.Herstellung der Accumulatorentröge.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 114
                              Fig. 3.Herstellung der Accumulatorentröge.
                              
                           Die grösste Gattung der auf solche Weise erzeugten
                              									prismatischen Glasgefässe, welche beispielsweise bei der französischen Nordbahn in
                              									regelmässiger Verwendung stehen, haben einen Rauminhalt von 100 l, und das Gewicht
                              									der Füllung jeden solchen Troges, nämlich die Erregungsflüssigkeit sammt den
                              									Accumulatorenplatten und sonstigem Zubehör, beläuft sich bis auf 360 k. Noch
                              									grössere und leistungsfähigere Gefässe herzustellen, ist vorläufig nicht versucht
                              									worden. Eine Hauptaufgabe und Schwierigkeit bleibt immerhin die gute Herstellung des
                              									Gefässbodens, der aussen eine möglichst ebene Fläche bilden und an allen seinen
                              									Theilen genau dieselbe Stärke besitzen soll. Anfänglich erwiesen sich in dieser
                              									Richtung die Wirkungen des einseitigen Luftdruckes, welche beim Zurückziehen des
                              									Formkernes eintraten, als sehr störend und schädlich, bis man es lernte, diesen
                              									Uebelstand nicht nur zu bekämpfen, sondern geradezu zur Gewinnung guter Gefässboden
                              									mitzubenutzen. Immerhin bleibt es angezeigt, die Glaströge nicht unmittelbar auf
                              									ihre eigentliche Unterlage zu stellen, sondern eine Filzplatte zwischenzubreiten,
                              									weil dadurch der auf das Gefäss lastende Druck am sichersten gleichmässig auf die
                              									ganze Bodenfläche vertheilt wird. Da man hinsichtlich der Glasdicke des Gefässbodens
                              									aus Rücksicht für die gleichmässige Kühlung beschränkt war und nicht leicht über 10
                              									mm hinausgehen konnte, so verstärkte man ihn wenigstens auf der Innenseite durch
                              									dreikantige Rippen, was sich auch bewährt hat. Leicht ist es, die Seitenwände der
                              									Accumulatorentröge an beliebigen Stellen mit senkrechten Falzen oder Leisten
                              									zum Festmachen der Bleiplatten zu versehen, indem einfach nur der Formkern den
                              									entsprechenden Querschnitt erhält.
                           Nebst den vorstehend etwas näher betrachteten Trögen für Accumulatoren, die in
                              									verschiedenen Grössen gebraucht und geliefert werden, besorgen die Glasindustriellen
                              									in neuerer Zeit auch eine Menge Isolirvorrichtungen für diese Secundärbatterien, wie
                              									Glasstäbe, Röste, Manchetten, Untergestelle u. dgl. m. Um den Accumulatoren eine
                              									möglichst vollkommene Isolirung zu geben, stehen sie bekanntlich nie direct auf dem
                              									Fussboden, sondern auf getheerten Holzunterlagen, welche ihrerseits wieder auf
                              									doppelten Isolirfüssen ruhen, deren Hohlräume mit schwerem Oel ausgefüllt sind.
                              									Frankreich war früher für diese Vorrichtungen, welche aus Glas oder Porzellan und in
                              									der Regel aus zwei in einander zu stellenden Gefässen bestanden, an Deutschland und
                              									Belgien zinspflichtig, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Dasselbe gilt hinsichtlich
                              									ähnlicher Isolirstützen für Dynamomaschinen. Mit wirklichem Vortheil wird neuerer
                              									Zeit das gepresste Glas auch für grosse Rheostaten an Stelle des Porzellans
                              									angewendet und ebenso, insbesondere in der Form des sogen. Opalin, an Stelle von Marmor o. dgl. bei den Umschaltern in Leitungsnetzen
                              									für hoch gespannte Ströme. Schliesslich bleibt etwa noch zu erwähnen, dass die oben
                              									besprochenen gegossenen Glasröhren, welche für Wasserleitungen oder ähnliche
                              									Röhrenanlagen gebraucht werden, ebensowohl zur Einbettung von Leitungskabeln unter
                              									den verschiedensten Verhältnissen vorzüglich geeignet erscheinen und in dieser
                              									Anwendungsform die weitgehendste Ausnutzung verdienen.
                           Wie man sieht, ist das noch vor wenigen Jahren seitens der Elektrotechniker gehegte
                              									Vorurtheil gegen gewisse Verwendungen des Glases in keiner Weise mehr
                              									gerechtfertigt; man wird vielmehr die Vortheile, welche gegossenes Glas in
                              									Anbetracht seiner Unveränderlichkeit und seines grossen mechanischen Widerstandes
                              									darbietet, immer mehr und mehr zu würdigen lernen, da ja auch sein Preis
                              									verhältnissmässig niedrig ist, und ausserdem sein specifischer Leitungswiderstand –
                              									vorausgesetzt, dass stets Hartglas gewählt wird, das nur geringe Mengen alkalischer
                              									Basen enthält – den Leitungswiderstand der sonstigen Isolirmaterialien
                              									übertrifft.