| Titel: | Elektrolytische Erzeugung von Bleichflüssigkeit. | 
| Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 234 | 
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                        Elektrolytische Erzeugung von
                           								Bleichflüssigkeit.
                        Elektrolytische Erzeugung von Bleichflüssigkeit.
                        
                     
                        
                           Bei der diesjährigen Hauptversammlung der deutschen elektrochemischen Gesellschaft,
                              									die vom 25. bis 27. Juni in Stuttgart tagte, gelangte unter anderem zur Vorführung
                              									und Besprechung der von Dr. Kellner-Hallein construirte
                              									Apparat für elektrolytische Erzeugung von Bleichflüssigkeit durch Elektrolyse von
                              									Kochsalzlösung. Die Durchführung dieser Elektrolyse in einer für die Technik
                              									brauchbaren Weise ist für eine Reihe von Industrien, wie für die Cellulose- und
                              									Strohstoffabrikation, sowie insbesondere für die Textilindustrie von grösster
                              									Wichtigkeit, da die Verwendung von elektrolytisch erzeugter Bleichflüssigkeit für
                              									die genannten Industriezweige eine wesentliche Ersparniss bedeutet gegenüber der
                              									seither üblichen Verwendung des Chlorkalkes.
                           Bedingung für die praktische Durchführbarkeit eines derartigen elektrolytischen
                              									Verfahrens ist einerseits, dass als Betriebsspannung bei demselben die gewöhnliche,
                              									d.h. die bei Starkstromanlagen übliche Spannung angewandt wird, so dass keine
                              									besonderen, eigens zu diesem Zwecke gebauten Dynamomaschinen und Leitungsnetze
                              									erforderlich sind, und andererseits, dass die Anlagekosten keine zu hohe werden.
                           Beides ist in dem Dr. Kellner'schen Apparate, über
                              									welchen wir Näheres der Leipziger Monatsschrift für
                                       										Textilindustrie, IX. 1895, entnehmen, dadurch erreicht, dass in ein und
                              									demselben Zersetzungstroge eine der Betriebsspannung entsprechende Anzahl von
                              									Elektroden, die aus Platin in eigenthümlicher Weise geformt sind, hintereinander
                              									geschaltet werden.
                           Die Anwendung dieser sogen. Zwischenelektroden, d.h. einer ganzen Reihe von
                              									Elektroden, die in einer einzigen Zersetzungszelle in Hintereinanderschaltung sich
                              									befinden, derart, dass nur die beiden äussersten mit den Polen der Stromquelle
                              									verbunden sind, ermöglicht die Anwendung einer beliebig hohen Spannung, wenn die
                              									Zahl der Zwischenelektroden entsprechend gewählt wird. Gleichzeitig werden dadurch
                              									die Schwierigkeiten beseitigt, die sich bei der früher üblichen Parallelschaltung
                              									der einzelnen Zersetzungszellen mit je zwei Elektroden bei Anwendung niederer
                              									Spannung in Folge der Ungleichheit der Contacte und der Uebergangswiderstände
                              									ergaben.
                           Diese Hintereinanderschaltung der Elektroden in ein und derselben Zersetzungszelle
                              									war schon früher zur Anwendung gelangt und bedeutete einen wesentlichen Fortschritt
                              									in dem genannten Verfahren. Immerhin aber war die Anwendbarkeit desselben eine
                              									beschränkte, so lange nicht ein Material für die Elektroden gefunden war, welches
                              									keiner Abnutzung unterworfen war und keine zu hohen Anlagekosten bedingte. Diesen
                              									Anforderungen ist bei dem Dr. Kellner'schen Apparate
                              									durch Anwendung von Platin in Form der sogen. „Spitzenelektroden“ in sehr
                              									sinnreicher Weise genügt, indem diese Elektroden bei äusserst geringem Platingewicht
                              									doch grosse Stromdichten zulassen. Die Elektroden bestehen aus Hartgummiplatten, die
                              									in eigenthümlicher Weise mit dünnen Platinstiftchen in Form einer Bürste versehen
                              									sind. An den beiden äussersten Platten sind diese Stifte zum Zwecke der
                              									Stromzuführung zu gemeinschaftlichen Contacten vereinigt. Die Elektroden sitzen in
                              									einem Hartgummikasten, in welchen von unten die Kochsalzlösung eingeleitet wird.
                              									Dieselbe verlässt den Apparat, nachdem sie zwischen den Elektroden durchgeflossen
                              									ist, durch zwei am oberen Theile des Kastens seitlich angebrachte Kanäle und wird
                              									nun durch eine Kühlschlange geleitet, um ihr die im Zersetzungsapparat entwickelte
                              									Wärme zu entziehen, worauf sie wieder in den Apparat zurückkehrt.
                           Die Geschwindigkeit, mit der die Lösung in dieser Weise circulirt, wird so geregelt,
                              									dass der Gehalt der Lösung an activem Chlor bei jedem Durchgang durch den Apparat um
                              									etwa 0,05 Proc. zunimmt, und das Verfahren so lange fortgesetzt, bis der Gehalt der
                              									Lösung an activem Chlor etwa 1 Proc. beträgt.
                           Die auf diese Weise gewonnene Bleichflüssigkeit erleidet ebenso wie die
                              									Chlorkalklösungen bei längerem Stehen eine Abnahme ihrer Bleichkraft. Doch haben
                              									Versuche ergeben, dass die elektrolytisch erzeugte Bleichflüssigkeit im Lichte sich
                              									nicht so rasch zersetzt als Chlorkalklösung. Ein besonderer Vorzug bei Verwendung
                              									der auf diesem Wege gewonnenen Bleichflüssigkeit ist, dass das Auswaschen der
                              									gebleichten Stoffe leichter ist und vom Säuern nach der Bleiche abgesehen werden
                              									kann.
                           
                           Die Ausführung derartiger Anlagen, von denen einige grössere bereits im Bau
                              									begriffen sind, hat die Firma Siemens und Halske in
                              									Wien übernommen.