| Titel: | Neuere Locomotiven. | 
| Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 254 | 
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                        Neuere Locomotiven.
                        Mit Abbildungen.
                        Neuere Locomotiven.
                        
                     
                        
                           1) Gewöhnliche Locomotiven für Personen- und Güterzüge.
                           In immer grösserem Maasse macht sich in Folge gesteigerter Verkehrsverhältnisse in
                              									Verbindung mit erhöhter Fahrgeschwindigkeit, namentlich der Schnellzüge, auf den
                              									Eisenbahnen Deutschlands und der übrigen Culturländer das Bedürfniss nach
                              									Einstellung leistungsfähigerer Locomotiven bemerkbar. Dies gilt insbesondere auch
                              									für Neben- und Localeisenbahnen (Schmalspurbahnen) mit starken Steigungen, scharfen
                              									Curven und einem zumeist leichten Ober- und Unterbau. Neben vergrösserter Zugkraft
                              									wird eine genügende Curvenbeweglichkeit angestrebt.
                           Wir berichteten bereits mehrfach über neuere, den jetzigen veränderten
                              									Verkehrsverhältnissen angepasste Locomotivconstructionen (1891 282 * 25, 1894 293 * 28, 1896 299 * 76) und wollen nachstehend weitere
                              									Vervollkommnungen an derartigen Locomotiven in Betracht ziehen; u.a. eine Anzahl
                              									neuerer zur Einführung gelangter Locomotivgattungen, die sich behufs Erzielung
                              									grösserer Betriebsökonomie zumeist auch durch vortheilhafte Dampfausnutzung
                              									auszeichnen und unter denen die wieder auftauchenden ungekuppelten Locomotiven von
                              									besonderem Interesse sind, besprechen.
                           Wie hinlänglich bekannt, sind seit einigen Jahren auf den Eisenbahnen Deutschlands
                              									zum Zwecke rascherer Personenbeförderung vierachsige Personen- bezieh.
                              									Schnellzuglocomotiven in Dienst gestellt, die sich vermöge ihres grösseren Kessels
                              									gegenüber den früheren dreiachsigen Maschinen ungleich besser für grössere
                              									Geschwindigkeiten eignen. Des Mehrgewichtes wegen war jedoch die Anlage der vierten
                              									Achse nothwendig. Mit diesen Maschinen können Geschwindigkeiten bis 80 und 90 km
                              									wohl bewältigt werden; hierin dürfte jedoch die äusserste Grenze auch dann erreicht
                              									sein, wenn eine Steigerung der Dampferzeugung noch möglich wäre. Durch die Arbeit
                              									der aussenliegenden Cylinder am Hebelarm des Kurbelzapfens und der halben Achse
                              									werden ungünstige Bewegungen auf den Gang der Maschine ausgeübt, wie auch hieraus
                              									eine auf den Rahmen im wagerechten Sinne biegende Kraft hervorgeht. Indem nun beim
                              									Fahren die Locomotive, soweit dieselbe auf den Federn ruht, auf und nieder spielt, wird den aussen
                              									consolartig heraushängenden Cylindern eine auf die Rahmenplatten vermindert wirkende
                              									Kraft mitgetheilt, welche durch das Eigengewicht ersterer ohnehin schon besteht.
                              									Dieser Kraft kann nur durch sehr steife Rahmenverbindungen begegnet werden, weshalb
                              									den aussenliegenden Cylindern zu Liebe eine unangenehme Gewichtsvermehrung in Kauf
                              									zu nehmen ist. Da aber trotzdem Nietlockerungen und Brüche vorgekommen sind, dürfte
                              									es sich, falls eine noch weitergehende Steigerung der Geschwindigkeiten eintreten
                              									soll, empfehlen, die Cylinder, wie es in England zumeist geschieht, zwischen die Rahmen anzuordnen, wobei dann auch der
                              									vordere Rahmenbau genügend steif und leicht ausfällt.
                           Eine derartige vierachsige zweifach gekuppelte Schnellzuglocomotive der
                              									Grossherzoglich Badischen Staatsbahnen veranschaulichen die in dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1896
                              									Heft 5, veröffentlichten Abbildungen. Die nach den Entwürfen des Directors A. G. de Glehn der Elsässischen
                                 										Maschinenbauanstalt in Mülhausen erbaute Locomotive hat innenliegende
                              									Cylinder. Für die besonders kräftig entworfene Kurbelachse aus Tiegelgusstahl ist
                              									eine Laufstrecke von 300000 km durch die Bauanstalt gewährleistet. Das Vordergestell
                              									ist drehbar und seitlich verschiebbar. Der Mittelspurzapfen ruht auf einer
                              									Rothgusscheibe von grossem Durchmesser; diese Stützplatte kann sich seitlich
                              									verstellen und wird durch eine doppelte Feder eingestellt, welche in Folge ihrer
                              									besonderen Anordnung das Vordergestell stets in die mittlere Lage zu bringen sucht.
                              									Die Rahmen liegen innerhalb, der Räder.
                           Die Steuerung ist nach Heusinger von Waldegg
                              									eingerichtet. Die Schieberkasten haben eine vollkommen zugängliche Lage, der Auspuff
                              									erfolgt möglichst unmittelbar.
                           Alle beweglichen Theile sind zu Folge der Höhenlage des Kessels und der Anordnung des
                              									Laufbrettes vollkommen übersichtlich und zugänglich.
                           Hauptabmessungen:
                           Locomotive:
                           
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                 460
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 600
                                 mm
                                 
                              
                                 Laufkreisdurchmesser der Triebräder
                                 2100
                                 mm
                                 
                              
                                                  „                   „   Laufräder
                                 990
                                 mm
                                 
                              
                                 Achsstand des Vordergestelles
                                 2000
                                 mm
                                 
                              
                                         „        zwischen Treib- und Kuppelrad
                                 2550
                                 mm
                                 
                              
                                         „        gesammter
                                 6850
                                 mm
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 1,99
                                 qm
                                 
                              
                                                                         
                                    											FeuerbüchseFeuerberührte Heizfläche
                                    											Siederohre                                         im Ganzen
                                 9,25104113,25
                                 qmqmqm
                                 
                              
                                 Dampfüberdruck
                                 12
                                 at
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                 41
                                 t
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 45
                                 t
                                 
                              
                                 Reibungsnutzgewicht
                                 29
                                 t
                                 
                              
                           Dreiachsiger Tender:
                           
                              
                                 Gesammter Achsstand
                                 3500
                                 mm
                                 
                              
                                 Kohlen
                                 5000
                                 k
                                 
                              
                                 Wasser
                                 13500
                                 k
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                 14,8
                                 t
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 83,8
                                 t
                                 
                              
                           Die Locomotiven haben sich seit nunmehr zweijährigem Betriebe gut bewährt, so dass
                              									sie auch fernerhin für den Schnellzugsdienst der Hauptbahn Mannheim-Basel
                              									beibehalten werden. Sie fahren anstandslos schwere Züge – nach dem Nachweise des
                              									Jahres 1893 durchschnittlich 30 Achsen – mit der grössten zulässigen
                              									Geschwindigkeit, wobei der Gang noch sehr ruhig ist, so dass sie als wirklich
                              									schnell gehende Locomotive unbedenklich bis zu 120 km Verwendung finden könnte. Ganz
                              									besonders hat sich das Vordergestell als vorzüglich bewährt. Gegenüber
                              									demjenigen mit einfachen Kugeldrehzapfen weist es eine nach der bis zum ersten
                              									Abdrehen der Radreifen verflossenen Zeit bemessene Güteziffer von 82 zu 55 auf.
                           Auch auf belgischen Eisenbahnen ist eine Anzahl im J. 1892 in England gebauter
                              									Locomotiven mit inneren Cylindern im Betriebe. Der Kessel besteht nach Glaser's Annalen vom 15. December 1895 in seinem
                              									cylindrischen Theil aus drei Schüssen, welche vorn mittels Winkeleisen an der
                              									überstehenden Rauchkammerrohrwand befestigt sind; letztere ist ebenso wie die
                              									Rauchkammerstirnwand mit den Cylindern direct verschraubt. Die Stiefelknechtplatte
                              									ist oben geschlossen, so dass die seitliche Ueberlappung in Fortfall kommt. Von den
                              									senkrechten Deckenankern sind die zwei vorderen Reihen als sogen. „lose“
                              									ausgeführt, während die hintere Stirnwand mit vier Längsankern gehalten ist. Die
                              									kupferne Feuerbüchse enthält ein Chamottegewölbe und ist der Zutritt kalter Luft
                              									durch einen an der Feuerthür angebrachten Luftschirm von den Siederohren abgelenkt.
                              									Der auf runden Trägern gelagerte Rost besteht aus zwei gleichen Lagen und ist nach
                              									vorn geneigt. Wegen der Kuppelachse ist der mit zwei vergitterten Zugklappen
                              									versehene Aschenkasten hinten etwas eingezogen. Der Rahmen besteht im Wesentlichen
                              									aus zwei gegenseitig gehörig abgesteiften Plattenpaaren, welche vorn durch die
                              									Cylinder, ferner durch den Halter der Kreuzkopfführungen und hinten durch den
                              									Kuppelkasten mit einander verbunden sind; ausserdem sitzt noch eine schwächere
                              									Verbindung vor dem Feuerkasten. Der Bufferbalken ist von Holz, der zugleich als
                              									Schieberführung dienende Halter der Kreuzkopfführungen aus Stahlfaçonguss; aus eben
                              									diesem Material sind die geschlossenen Gleitbacken von Treib- und Kuppelachse, alle
                              									übrigen Theile des Rahmenbaues aus Schmiedeeisen hergestellt. Lauf- und Kuppelachse
                              									sind im äusseren, die Treibachse in diesem und auch in dem inneren Rahmen gelagert;
                              									sie besitzt demzufolge vier Federn, von denen diejenigen der inneren Lager
                              									unterhalb, diejenigen der äusseren Lager oberhalb angebracht sind. Ebendaselbst sind
                              									die Federn von Kuppel- und Laufachse angeordnet; letztere ist mit ihren Achsbüchsen
                              									in den Führungen seitlich um 13 mm verschiebbar. Alle Gehänge der Federn sind für
                              									sich am Rahmen befestigt, so dass die Maschine in sechs Punkten unterstützt ist. Vor
                              									der Treibachse ist ein Theil des zwischen den Rahmen liegenden Raumes als Sandkasten
                              									ausgenutzt; dieser wird vom Führerstande aus mittels Zug in Thätigkeit gesetzt.
                           Zwischen den Cylindern befindet sich der gemeinschaftliche Schieberkasten, welcher
                              									vorn durch Deckel geschlossen ist, in denen sich je eine Führung der durchgehenden,
                              									kurz hinter dem Schieber nach aussen gekröpften, in dem Linealträger geführten
                              									Schieberkasten befindet. Der Kreuzkopf ist ein doppelter, so dass der
                              									Pleuelstangenkopf nach oben frei liegt. Die Steuerung ist nach dem System Stephenson mit offenen Excenterstangen ausgeführt.
                              									Steuerwelle mit Gegengewicht und Zug liegen unterhalb, und zwar letzterer auf der
                              									linken Maschinenseite. Treib- und Kuppelachse werden einseitig mittels Westinghouse-Bremse gebremst, deren Bremscylinder
                              									unterhalb des Kuppelkastens liegt.
                           Die mit dem Tender verbindende Kuppelstange ist bis kurz hinter die Feuerbüchse in
                              									den Kuppelkasten eingeführt, was für den Gang der Maschine in Curven nur von
                              									Vortheil sein kann.
                           Die Bolzen der beiden Nothkuppelungen sind weiter hinten eingesetzt. Unter dem
                              									Kuppelkasten liegt auch das Bremsreservoir, während der Führerstand mit einem
                              									federnden Podium belegt ist.
                           Die Hauptverhältnisse der Locomotive sind folgende:
                           
                              
                                 Kesseldruck
                                 12
                                 at
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 2,36
                                 qm
                                 
                              
                                 Heizfläche der Feuerbüchse
                                 8,8
                                 qm
                                 
                              
                                        „           „   Siederohre
                                 103,4
                                 qm
                                 
                              
                                        „         total
                                 112,2
                                 qm
                                 
                              
                                 Anzahl der Siederohre
                                 220
                                 
                                 
                              
                                 Aeusserer Durchmesser derselben
                                 45
                                 mm
                                 
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                 457
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 660
                                 mm
                                 
                              
                                 Treib- und Kuppelraddurchmesser
                                 2134
                                 mm
                                 
                              
                                 Laufraddurchmesser
                                 1220
                                 mm
                                 
                              
                                 Hub der Aussenkurbel
                                 610
                                 mm
                                 
                              
                                 Zugkraft
                                    											\frac{D^2\,h\,.\,p}{200\,D}=
                                 3870
                                 k
                                 
                              
                           Was die eingangs erwähnte vierachsige Schnellzuglocomotive der preussischen
                              									Staatseisenbahnen anbelangt, so entspricht dieselbe zwar im Allgemeinen den
                              									gestellten Anforderungen, doch besitzt sie einige constructive Unvollkommenheiten,
                              									die namentlich die Bauart des Drehgestelles, die Vertheilung der Achslast und die
                              									Anordnung der Steuerung betreffen. Der Drehzapfen dieser Locomotive ist als
                              									Kugelzapfen ausgebildet, der in einem stählernen, in einer sogen. Wiege aufgehängten
                              									Lager ruht, und zwar ist die Einrichtung so getroffen, dass der Zapfen mit dem
                              									Rahmen, das Lager mit dem Drehgestell verbunden ist. Diese Bauart ist jedoch nach
                              									einem Bericht des Eisenbahnbauinspectors Wittfeld in
                              										Glaser's Annalen für
                                 										Gewerbe und Bauwesen vom 1. Februar 1895 S. 41 einigermaassen schwerfällig
                              									und ziemlich kostspielig; auch hat sich gezeigt, dass die Verwendung von Stahl für
                              									das Zapfenlager nicht selten zum Fressen des Zapfens Anlass gibt, dem nur durch sehr
                              									reichliche Schmierung vorgebeugt werden kann. Besser halten sich versuchsweise
                              									angewandte Lager mit Weissmetalleinguss.
                           Auch die Lastvertheilung ist insofern ungünstig, als die Treibachse zu viel, die
                              									Kuppelachse zu wenig belastet ist; ferner gibt die Anordnung der Steuerung zu
                              									Ausstellungen Anlass, indem nicht nur die Dampfvertheilung, sondern auch die
                              									Zugänglichkeit zu wünschen übrig lässt.
                           Da inzwischen die Vorzüge der Verbundanordnung hinsichtlich der Ausnutzung des
                              									Dampfes mit Sicherheit festgestellt worden waren, fand eine Umarbeitung der
                              									Zeichnungen der Locomotive statt, bei welcher die angedeuteten Unvollkommenheiten
                              									beseitigt wurden, während gleichzeitig die Verbundwirkung zur Anwendung
                              									gelangte.
                           Das Drehgestell wurde nach der in Amerika gebräuchlichen Bauart mit völlig
                              									entlastetem, gegen die hintere Laufachse verschobenem Drehzapfen und zwar zunächst
                              									ohne seitliche Verschiebbarkeit ausgeführt.
                           Eine Abart des Drehgestelles, die sogen. Grafenstadener Bauart, bei welcher zur
                              									Uebertragung der Belastung vom Kessel auf das Drehgestell ein Paar kreisförmiger
                              									Platten angeordnet ist, kam gleichzeitig Versuchsweise zur Anwendung. Beide Formen
                              									haben sich als zweckmässig erwiesen. – Eine bessere Lastvertheilung wurde durch
                              									einige Constructionsänderungen am Rahmen u.s.w. erzielt. Endlich wurde statt der bei
                              									der ursprünglichen Construction vorhandenen Allan-Steuerung die Steuerung von
                              										Heusinger angeordnet, wodurch sich bei durchaus
                              									befriedigender Dampfvertheilung leichte Zugänglichkeit aller Steuerungstheile
                              									ergab.
                           Die in dieser Weise verbesserte Locomotive hat sich durchaus bewährt; dieselbe kann
                              									thatsächlich als eine der besten überhaupt bestehenden Locomotivformen bezeichnet
                              									werden. Neuerdings haben sich indessen noch einige Abänderungen als wünschenswerth
                              									gezeigt. Der Drehzapfen hat demgemäss seitliche Verschiebbarkeit erhalten. Zur
                              									Zurückführung des Drehgestelles in die Mittellage wurden zuerst Schraubenfedern und
                              									nur bei einigen Locomotiven nach dem Vorschlage der Schwartzkopf'schen Fabrik Blattfedern verwendet. Bei der neuesten
                              									Beschaffung wird der Drehzapfen genau in der Mitte zwischen den beiden
                              									Drehgestellachsen angebracht werden und zur Zurückstellung Blattfedern erhalten,
                              									welche eine weniger starke Drucksteigerung bei seitlicher Verschiebung des
                              									Drehzapfens ergeben als die aus räumlichen Rücksichten ziemlich kurzen
                              									Schraubenfedern. Ferner wird in Zukunft für die Schnellzuglocomotive nicht wie
                              									bisher die selbsthätige v. Borries'sche
                              									Anfahrvorrichtung zur Anwendung kommen, da dieser Apparat trotz sorgfältigster
                              									Durchbildung dennoch nicht ganz selten durch Versagen zu unliebsamen Störungen
                              									Anlass gegeben hat. Statt dessen wird vielmehr ein sogen. Wechselventil angeordnet
                              									werden, welches die Möglichkeit bietet, zwecks Erhöhung der Zugkraft beim Anfahren
                              									zeitweise mit Zwillingswirkung zu arbeiten. Bis auf weiteres ist in Aussicht
                              									genommen, eine durch die gemeinsame Arbeit von Maltet
                              									und v. Borries entstandene Ventilconstruction zu
                              									verwenden, die sich bei einer Anzahl von Probeausführungen als zuverlässig erwiesen
                              									hat.
                           Als wirthschaftlich vortheilhaft und in hohem Grade brauchbar hat sich die 4/4 gekuppelte
                              									Güterzuglocomotive der preussischen Staatseisenbahnen erwiesen; namentlich hat sich
                              									gezeigt, dass dieselbe alle vorkommenden Bahnkrümmungen über Erwarten gut befahren
                              									kann. Auch bei dieser Locomotive wird, wie bereits 1896 299 97 ausführlicher beschrieben, statt der bisher ausgeführten
                              									Zwillingsanordnung das Verbundsystem zur Anwendung gelangen.
                           Bei der normalen 3/3 gekuppelten Tenderlocomotive mit nominell 7 t Raddruck derselben
                              									Verwaltung überschreitet in Wirklichkeit die Belastung der Achsen die zulässige
                              									Höchstgrenze. Da überdies zur Erhöhung der Verwendbarkeit dieser Locomotivgattung
                              									eine Vermehrung des Wasservorraths anzustreben war, trat die Nothwendigkeit ein,
                              									eine vierte Achse, die als verschiebbare Adams-Webb-Achse ausgebildet wurde,
                              									anzubringen. Die zuerst ausgeführten Locomotiven dieser Bauart unterscheiden sich
                              									durch die Lage der Laufachse; bei der einen Gattung liegt letztere unter der
                              									Rauchkammer, bei der anderen unter dem Führerstande. Beide Formen haben sich sowohl
                              									für den schweren Rangirdienst, namentlich auf Zechenanschlüssen, als auch zur
                              									Beförderung schwerer Personenzüge geeignet gezeigt.
                           Neuerdings wird jedoch zur Verminderung der Anzahl der Locomotivformen wegen der
                              									leichteren Zugänglichkeit des laufenden Werkes nur noch diejenige Bauart, bei
                              									welcher die Laufachse unter dem Führerstande liegt, ausgeführt.
                           Einen aussergewöhnlich gestalteten Kessel mit gemauerter Feuerbüchse hat die
                              									Locomotive Nr. 8822 der k. k. österreichischen Staatsbahnen, welche seit April 1894
                              										in dauerndem
                              									Betriebe ist, erhalten. Der Anordnung des Kessels lag in erster Linie die Absicht zu
                              									Grunde, die höchstmögliche Sicherheit gegen Explosionsgefahr zu erreichen. Der
                              									cylindrische Langkessel mit anschliessender Rohrwand bietet nach dem Organ für die
                              									Fortschritte des Eisenbahnwesens zunächst nichts Bemerkenswerthes. Der Stehkessel
                              									ist gänzlich verworfen. An dessen Stelle ragt eine kegelförmige Trommel in den
                              									Feuerraum vor, in deren Boden die Siederohre eingezogen sind. Diese Trommel liegt,
                              									soweit sie von den Feuergasen berührt wird, unter dem Niederwasserspiegel.
                           Die unterste Leitlinie der kegelförmigen Mantelfläche ist wagerecht, demnach die
                              									oberste Leitlinie um den doppelten Kegelwinkel geneigt.
                           An Stelle eines Dampfdomes ist ein wagerechtes Dampfsammelrohr angebracht, welches
                              									mittels eines Kreuzstückes den Dampf aus dem Bereiche der stärksten
                              									Dampfentwickelung entnimmt, nach rückwärts in das Schutzhaus hineinragt und im
                              									Abschlussboden den Anschlusskopf aufnimmt, während sich vorne der Dampfregler
                              									anschliesst. An den eigentlichen Kessel schliesst sich die gemauerte Feuerbüchse an.
                              									Diese ist nach oben durch ein vollständig halbkreisförmiges Tonnengewölbe
                              									abgeschlossen, welches mit seinem vorderen Rande die Rohrwandtrommel umschliesst.
                              									Das Gewölbe ruht unabhängig von der übrigen Mauerung beiderseits auf Leisten, welche
                              									mit dem die Feuerbüchse zunächst umschliessenden Blechrahmen verbunden sind. Die
                              									Ausmauerung der Seitenwände, sowie der Stirnwände ruht auf einem gusseisernen, nach
                              									innen offenen Rahmen, welcher gegen den Feuerraum durch Eisenblechplatten
                              									abgeschlossen ist. Vorne springen zwei Ziegelscharen so weit vor, als nöthig, um die
                              									Rohrwandtrommel in ihrem untersten Theile vor dem unmittelbaren Anprallen der
                              									Stichflammen zu schützen.
                           In die rückwärtige Stirnwand ist ein rechteckiger Feuerrahmen eingelassen, welcher
                              									von einem Schieber überdeckt wird, dessen lothrechte Bewegung durch einen
                              									Lemniscoidenlenker freigegeben ist; Schieber und Lenkergestänge sind durch ein
                              									Gegengewicht ausgeglichen. Rostanordnung, Aschenkasten, Luftzuführung und die
                              									Blechverschalung der Feuerbüchse bieten nichts Neues.
                           Der Kessel wurde im J. 1893 von der Maschinenfabrik der
                                 										Alpinen Montangesellschaft in Klagenfurt gebaut; die Hauptverhältnisse im
                              									Vergleiche zu denen eines gewöhnlichen Kessels sind folgende:
                           
                              
                                 Kessel
                                 Neuer
                                 Gewöhnlicher
                                 
                              
                                 Durchmesser des Langkessels
                                 1090
                                 1090
                                 mm
                                 
                              
                                 Anzahl der Feuerrohre
                                 99
                                 99
                                 
                                 
                              
                                 Durchmesser der Feuerrohre
                                 46/41
                                 5¼6
                                 mm
                                 
                              
                                 Länge der Feuerrohre
                                 3690
                                 3200
                                 mm
                                 
                              
                                 Rohrheizfläche
                                 47,0
                                 45,8
                                 qm
                                 
                              
                                 Gesammtheizfläche
                                 48,26
                                 48,8
                                 qm
                                 
                              
                                 Kesselüberdruck
                                 12
                                 12
                                 at
                                 
                              
                           Nach einjähriger Dienstzeit ergab sich im Vergleich mit den Schwesterlocomotiven zu
                              									Gunsten des Versuchskessels ein Minderverbrauch an Kohlen, der sich für ein
                              									Locomotivkilometer, sowie auch für 1000 Brutto-Tonnenkilometer auf 11,5 Proc.
                              									beziffert.
                           Diese Ersparniss ist an und für sich nicht unerheblich zu nennen, besonders wenn in
                              									Betracht gezogen wird, dass fast ausschliesslich eine minderwerthige Braunkohle mit
                              									einer theoretischen Wärmeleistung von nur 3080 W.-E. zur Verwendung gelangte, welche
                              									also für Erzielung grosser Ersparnisse ungünstig war.
                           Ueber Wahrnehmungen im Betriebe ist noch folgendes Wesentliche anzuführen:
                           Das Anheizen des völlig erkalteten Kessels erforderte, wie vorauszusehen war, nur ½
                              									bis ¾ Stunden mehr Zeit als ein gewöhnlicher Locomotivkessel, dagegen erhält sich
                              									die Dampfspannung nach dem Abstellen noch über 12 Stunden, so dass die Locomotive
                              									innerhalb dieses Zeitraumes in wenigen Minuten vollen Dampf geben kann.
                           Die Dampfentwickelung geht rasch vor sich und hoher Wasserstand kann auch bei der
                              									schärfsten Anstrengung des Kessels spielend erhalten werden. – Dass in der That
                              									vorwiegend mit vollem Glase gefahren wird, geht aus der bei der Untersuchung
                              									gefundenen Hochlage der Wasserlinie im Inneren des Kessels hervor. Im Zusammenhang
                              									damit steht der sehr bemerkenswerthe Umstand, dass der Kessel niemals spukt.
                           Die Anordnung des Dampfsammlers muss demnach als eine glückliche und die Erzeugung
                              									von trockenem Dampfe fördernde bezeichnet werden. Die Anwendung dieser Bauart auf
                              									gewöhnliche Locomotivkessel an Stelle der unschönen und auch wegen der weiten
                              									Ausschnitte am Langkessel gefährlichen lothrechten Dampfdome wäre daher der
                              									ernstlichen Erwägung werth.
                           The Engineer vom 12. April 1895 gibt die Construction
                              									der von Neilson and Co., Hyde Park Locomotive Works in
                              									Glasgow für die dänischen Staatsbahnen nach Plänen des Oberingenieurs Otto Busse der genannten Bahnen gebauten
                              									Personenzuglocomotiven wieder. Zur Bethätigung der Trick'schen Vertheilungsschieber beider Cylinder dienen leicht
                              									zugängliche, vor den Pleuel- und Kuppelstangen liegende, auf Gegenkurbeln aus
                              									Tiegelgusstahl befestigte Excenter; auch in anderen Theilen weichen diese
                              									Locomotiven von denjenigen deutscher Eisenbahnverwaltungen ab.
                           O. Busse hatte ursprünglich, um behufs grösserer
                              									Brennmaterialersparniss und Erzielung eines ruhigen Ganges einen möglichst langen
                              									Kessel und grossen Tenderradstand zu erhalten, eine gegenüber der Ausführung um etwa
                              									½ m grössere totale Länge der Locomotive in Vorschlag gebracht, doch erlaubten dies
                              									die Verhältnisse der Schuppen und Drehscheiben nicht.
                           Die Hauptverhältnisse der Locomotive sind folgende:
                           
                              
                                 Durchmesser der Cylinder
                                 430
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 610
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Treibräder
                                 1846
                                 mm
                                 
                              
                                           „            „   Laufräder
                                 914
                                 mm
                                 
                              
                                 Länge der eisernen Rohre
                                 3430
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der eisernen Rohre
                                 48
                                 mm
                                 
                              
                                 Heizfläche der Rohre
                                 88,24
                                 qm
                                 
                              
                                      „             „   Feuerbüchse
                                 9,36
                                 qm
                                 
                              
                                      „           total
                                 97,60
                                 qm
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 1,784
                                 qm
                                 
                              
                                 Wasserinhalt des Tenders
                                 10
                                 cbm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Räder des Tenders
                                 1100
                                 mm
                                 
                              
                           Der vordere Theil der Maschine ruht mittels federnden Zwischenstückes auf einem
                              									zweiachsigen Drehgestell.
                           Maschine und Tender sind mit der selbsthätigen Vacuumbremse ausgerüstet; die
                              									Einzeltheile derselben sind derart dimensionirt, dass gleiche Drücke auf die
                              									verschiedenen Räder ausgeübt werden.
                           Hervorzuheben ist noch, dass die Buffer zwischen Maschine und Tender zur Verhütung
                              									seitlicher, bei dem kurzen Radstand des Tenders unvermeidlicher Bewegungen von der
                              									Längsachse der Maschine um einen Winkel von 45° abweichen.
                           
                           Die Lastvertheilung der Locomotive ist nachstehend angegeben:
                           
                              
                                 
                                 Dienstgewicht
                                 Leergewicht
                                 
                              
                                 Druckgestell
                                 16,00
                                 14,18 t
                                 
                              
                                 Treibachse
                                 13,00
                                 12,01 t
                                 
                              
                                 Kuppelachse
                                 13,00
                                 12,01 t
                                 
                              
                                 Total
                                 42,00
                                 39,00 t
                                 
                              
                                 Tender
                                 27,60
                                 13,10 t
                                 
                              
                           Einen bei Locomotiven vielfach verwendeten entlasteten Schieber, mit welchem
                              									befriedigende Resultate erzielt sein sollen, beschreiben Industries and Iron vom 13. December 1895 nach Engineering News.
                           Der Schieber besitzt, wie Fig.
                                 										1 und 2
                              									ersichtlichen, grosse Aehnlichkeit mit der Hälfte eines der Länge nach
                              									zerschnittenen Kolbenschiebers, nur dass er auf der flachen Seite anstatt auf dem
                              									runden Theile gleitet. B ist das verstärkte Ende der
                              									Schieberspindel, welche, durch eine Bohrung des Schiebers tretend, durch die mittels
                              									Keiles gehaltene Scheibe D mit dem letzteren verbunden
                              									ist. Die unteren Gleitflächen des Schiebers werden durch 13 mm starke Rippen
                              									zusammengehalten. Der Schieberdeckel H bildet einen
                              									Halbcylinder, der durch schwache Keile C, welche
                              									zwischen ihm und dem Deckel des Schieberkastens eingelegt sind, gegen
                              									Längsverschiebungen gesichert ist. Auf dem Rücken des Schieberdeckels sind zwei
                              									schmale Nuthen angebracht, welche das Oel nach den Enden des Deckels führen. Der
                              									Schieber ist von Dichtungsringen umgeben, welche durch kleine, in den Aussparungen
                              										F liegende Federn gegen den Deckel gepresst werden.
                              									Zwischen diesen Ringen sind niedrige Aussparungen A
                              									angeordnet, welche behufs Druckausgleichung durch Oeffnungen G mit den Dampfkanälen des Cylinders in Verbindung stehen. Hierdurch
                              									werden Abnutzungen auf einen geringen Betrag zurückgeführt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 257
                              Locomotivschieber.
                              
                           Bei der Ausführung werden die beiden Hälften des Schiebers für sich gegossen und
                              									nachdem ihre Flächen abgehobelt und auf einander gelegt, wird die Aussenfläche des
                              									Schiebers abgedreht. In gleicher Weise verfährt man bei der Anfertigung der
                              									gusseisernen Schieberdeckel. Die Wirkung des Schiebers ist dieselbe wie diejenige
                              									eines gewöhnlichen D-Schiebers ohne Hilfskanal. Ueber eine Reihe ungekuppelter
                              									englischer Schnellzuglocomotiven berichtet Le Génie
                                 										civil vom 15. Februar 1896. Die ersten für den Personenzugdienst bestimmten
                              									Locomotiven hatten drei ungekuppelte Achsen, von denen die Treibachse in der Mitte
                              									lag. Als sich die Traingewichte im Laufe der Zeit immer mehr erhöhten und der
                              									Oberbau schliesslich eine weitere Steigerung des Dienstgewichtes der Triebräder
                              									nicht mehr zuliess, sah man sich veranlasst, eine zweite Achse zu kuppeln, um damit
                              									ein genügendes Adhäsionsgewicht zu erhalten, und es entstand als Type der
                              									normalen Personenzuglocomotive diejenige mit vier gekuppelten Rädern. Man erkannte
                              									sehr bald, dass die Locomotive mit ungekuppelten Achsen derjenigen mit gekuppelten
                              									Achsen gegenüber verschiedene Vorzüge aufweist, als welche das mechanische
                              									Güteverhältniss, die Unterhaltungskosten u.s.w. besonders hervorzuheben sind. Dies
                              									war die Veranlassung, dass seitens einzelner Eisenbahnverwaltungen, namentlich in
                              									England und Frankreich, die ungekuppelten Locomotiven innerhalb gewisser Grenzen für
                              									die schnellsten Züge zunächst beibehalten wurden. In England bevorzugte man die
                              									Maschinen mit Treibachse in der Mitte, während in Frankreich vielfach die nach dem
                              									Erfinder benannten Crampton-Maschinen mit hinteren Treibrädern von 2,1 bis 2,3 m
                              									Durchmesser Eingang fanden. Diese seiner Zeit auch in Deutschland auf einigen
                              									Strecken mit günstigen Steigungsverhältnissen in Dienst gestellten Maschinen sind
                              									jedoch von den Linien der grösseren Eisenbahngesellschaften Frankreichs nach und
                              									nach verschwunden, während in England zur Beförderung von Schnellzügen auf den
                              									Strecken einiger Eisenbahnverwaltungen noch jetzt vorzugsweise ungekuppelte
                              									Locomotiven laufen, die wegen der auch in diesem Lande gegen früher erheblich
                              									gesteigerten Verkehrsverhältnisse den Anforderungen schliesslich ebenfalls nicht
                              									mehr genügt haben würden, wenn nicht sie durch Schaffung eines schwereren Oberbaues,
                              									welcher grössere Achsbelastungen als bisher gestattet, zu neuem Aufschwünge gelangt
                              									wären.
                           So wurden im J. 1870 von Stirling für die
                              									Great-Northern-Eisenbahn ungekuppelte Locomotiven construirt, welche in derselben
                              									Bauart, wenigstens ohne wesentliche Aenderungen erfahren zu haben, zur Beförderung
                              									der Expresszüge nach Ecose dienen. Diese Maschinen, deren Abbildung Fig. 3 gegeben ist, ersetzten die von Sturrock wenige Jahre zuvor in Dienst gestellten
                              									Locomotiven mit vier gekuppelten Rädern vollständig.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 257
                              Fig. 3.Locomotive von Stirling.
                              
                           Die Hauptabmessungen dieser Locomotive sind folgende:
                           
                              
                                 Rostfläche
                                 1,70
                                 qm
                                 
                              
                                 Heizfläche
                                 97,10
                                 qm
                                 
                              
                                 Durchmesser des Cylinders
                                 460
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 710
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Treibräder
                                 2477
                                 mm
                                 
                              
                                 Kesselspannung
                                 12,3
                                 at
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 45,20
                                 t
                                 
                              
                           Im J. 1876 führte Stroudley, Chefingenieur der
                              									London-Brighton-Eisenbahn, ungekuppelte dreiachsige Locomotiven mit inneren
                              									Cylindern ein, die noch heutigen Tages als äusserst kräftige Maschinen ihren Dienst
                              									in ausgezeichneter Weise verrichten; ganz gleiche Locomotiven wurden für die
                              									North-British-Eisenbahn erbaut. In demselben Jahre stellte auch die
                              									Great-Western-Eisenbahn eine grosse Anzahl von ungekuppelten Locomotiven ein, die
                              									bis heute, allerdings mit erhöhter Leistungsfähigkeit, ihren Dienst verrichten. In
                              									den folgenden Jahren wurden in den Werkstätten derselben Gesellschaft zu Swindon
                              									weitere derartige Locomotiven erbaut, die erst im J. 1893 zum Zwecke der Beförderung
                              									sehr schwerer Expresszüge durch kräftigere Maschinen mit Drehgestell, aber ebenfalls
                              									mit ungekuppelten Achsen ersetzt wurden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 258
                              Fig. 4.Great-Western-Schnellzuglocomotive.
                              
                           Im J. 1880 führte Bromley auf der
                              									Great-Eastern-Eisenbahn eine den Locomotiven der Great-Northern-Eisenbahn ähnliche
                              									Maschine mit einer einzigen Treibachse und Drehgestell ein und im J. 1886 kamen
                              									gleiche Maschinen, jedoch ohne bewegliches Truckgestell, auf der
                              									Manchester-Sheffield-Eisenbahn in Dienst.
                           Im Laufe des Jahres 1887 verwarf die Midland-Eisenbahngesellschaft, welche eine grosse Anzahl von alten
                              									ungekuppelten Locomotiven besitzt, einen zum Zwecke des Baues von Maschinen mit vier
                              									gekuppelten Rädern aufgestellten Entwurf und construirte eine neue Type von
                              									ungekuppelten Locomotiven mit vorderem zweiachsigem Drehgestell und hinterer
                              									Laufachse, denen bald solche derselben Bauart, aber von grösserem Durchmesser der
                              									beiden Treibräder (2,286 m) folgten. Eine derartige Locomotive mit Cylindern von 470
                              									mm Durchmesser für 660 mm Kolbenhub war in Paris 1889 ausgestellt und erregte dort
                              									allseitige Bewunderung. Die Maschinen dienen jetzt zur Beförderung sämmtlicher
                              									Schnellzüge auf den Linien der Midland-Eisenbahn; ihr Dienstgewicht beträgt 43,7 t,
                              									die Kesselspannung 12,25 at, die Rostfläche 1,82 und die Heizfläche 115,40 qm. Zu
                              									derselben Zeit stellte Worsdell nach und nach auf den
                              									Linien der North-Eastern-Eisenbahn zwei Typen ungekuppelter Verbundlocomotiven mit
                              									Treibrädern von grossem Durchmesser in Dienst, welche zu den schwersten Locomotiven
                              									der Jetztzeit gehören. Etwas später construirte Holden,
                              									Chefingenieur der Great-Eastern-Eisenbahn, ungekuppelte Locomotiven, welche von den
                              									anderen Expresszugmaschinen derselben Gesellschaft sich nur dadurch unterscheiden,
                              									dass die gekuppelte Hinterachse durch eine Tragachse ersetzt ist.
                           Als endlich im J. 1893 die Great-Western-Eisenbahngesellschaft die Leistungsfähigkeit ihrer
                              									ungekuppelten Schnellzuglocomotiven in Folge gesteigerter Verkehrsverhältnisse
                              									erhöhen musste, geschah dies nicht durch Kuppelung einer zweiten Achse, sondern in
                              									der Weise, dass die Belastung der Treibachse, das Volumen der Cylinder, sowie
                              									Rost- und Heizfläche vergrössert wurden.
                           Die so umgebauten, Fig. 4 ersichtlichen Locomotiven
                              									befördern die Schnellzüge auf den grossen, allerdings nur wenig ansteigenden
                              									Strecken der Gesellschaft und ersetzen äusserst vortheilhaft die vordem verwendeten
                              									Locomotiven mit vier gekuppelten Rädern.
                           Die Hauptverhältnisse dieser Locomotiven sind nachstehend angegeben:
                           
                              
                                 Rostfläche
                                 1,93
                                 qm
                                 
                              
                                 Heizfläche
                                 136,10
                                 qm
                                 
                              
                                 Kesselspannung
                                 11,25
                                 at
                                 
                              
                                 Durchmesser der Cylinder
                                 480
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 610
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Treibräder
                                 2340
                                 mm
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 49,50
                                 t
                                 
                              
                           Auch in Amerika ist man vor Kurzem dazu übergegangen, ungekuppelte Locomotiven in
                              									Dienst zu stellen.
                           So hat die Philadelphia- und
                                 										Reading-Eisenbahngesellschaft nach dem Entwurf von Vauclain (1894 292 157) bei der Baldwin'schen Locomotivbauanstalt eine ungekuppelte Verbundschnellzuglocomotive mit
                              									vorderem zweiachsigem Drehgestell bauen lassen, welche einen sehr hochgelegenen
                              									Kessel mit Wootten'scher Feuerkiste für feine
                              									geringwerthige Anthracitkohle besitzt und Fig. 5
                              									dargestellt ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 301, S. 258
                              Fig. 5.Locomotive von Vauclain.
                              
                           Das Führerhaus ist vor der Feuerkiste angeordnet; der Dampfdom liegt hinter dem
                              									Führerhause auf der Feuerkiste, an seinen Seiten befinden sich Sicherheitsventil und
                              									Dampfpfeife. Durch diese Anordnung ist dem an der Langseite des Kessels stehenden
                              									Führer freie Aussicht gesichert. Die Roststäbe sind zum Theil Wasserrohre; vor dem
                              									Roste befindet sich eine mit Feuerbrücke versehene Verbrennungskammer.
                           Die Hauptabmessungen der Locomotive sind folgende:
                           
                              
                                 Durchmesser des Hochdruckcylinders
                                 330
                                 mm 
                                 
                              
                                          „             „   Niederdruckcylinders
                                 559
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 660
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Treibräder
                                 2140
                                 mm
                                 
                              
                                          „             „   Drehgestellräder
                                 914
                                 mm
                                 
                              
                                          „             „   hinteren Laufräder
                                 1378
                                 mm
                                 
                              
                                 Fester Achsstand der Locomotive
                                 2134
                                 mm
                                 
                              
                                 Gesammter Achsstand der Locomotive
                                 6934
                                 mm
                                 
                              
                                         „                 „     von Locomotive und
                                    											Tender
                                 15240
                                 mm
                                 
                              
                                 Höhe der Schornsteinmündung über S.-O.
                                 4343
                                 mm
                                 
                              
                                 Dampfüberdruck
                                 14
                                 at
                                 
                              
                                 Anzahl der Siederohre
                                 324
                                 
                                 
                              
                                 Länge    „          „
                                 3124
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Siederohre
                                 38
                                 mm
                                 
                              
                                 Heizfläche
                                 135,6
                                 qm
                                 
                              
                                 Lichte Länge der Feuerkiste
                                 2896
                                 mm
                                 
                              
                                     „     Breite   „       „
                                 2438
                                 mm
                                 
                              
                                 Tenderfüllung
                                 18,16
                                 cbm
                                 
                              
                                 Schienendruck durch die Treibachse
                                 21,773
                                 t
                                 
                              
                                            „               „      „  
                                    											Drehgestellachsen
                                 17,690
                                 t
                                 
                              
                                            „               „      „   hintere
                                    											Laufachse
                                 12,701
                                 t
                                 
                              
                                 Dienstgewicht der Locomotive
                                 52,164
                                 t
                                 
                              
                           
                           Die Locomotive ist mit der Westinghouse-Luftdruckbremse ausgerüstet, welche auf
                              									die Treib-, hinteren Lauf- und die Tenderräder wirkt. Der vierachsige Tender ist mit
                              										Ramsbottom'scher Einrichtung zum Wassernehmen
                              									während der Fahrt versehen. Die Locomotive hält gut Dampf und befördert in dem Royal
                              									Blue-Zuge zwischen Philadelphia und New York 4 bis 7 Wagen anstandslos. In einem
                              									Falle wurde ein aus 5 Wagen bestehender Zug auf 29 km langer Strecke mit einer
                              									Durchschnittsgeschwindigkeit von 110 km in der Stunde befördert.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)