| Titel: | Eine Fehlerquelle der gewichtsanalytischen Methode der Gerbstoffbestimmung. | 
| Autor: | L. Maschke | 
| Fundstelle: | Band 302, Jahrgang 1896, S. 47 | 
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                        Eine Fehlerquelle der gewichtsanalytischen
                           								Methode der Gerbstoffbestimmung.
                        Von Dr. L.
                                 								Maschke.
                        Eine Fehlerquelle der gewichtsanalytischen Methode der
                           								Gerbstoffbestimmung.
                        
                     
                        
                           Wohl keine Analyse hat in ihrer Methode so viel Wandlungen durchgemacht, wie gerade
                              									die Gerbstoffanalyse, und man kann sagen, dass schon nach dem Aufkommen einer neuen
                              									Methode Fehlerquellen in dem Maasse nachgewiesen wurden, dass man sich bald zu einer
                              									anderen bekehrte, welche wegen der gleichen Ursachen ebenfalls von keiner langen
                              									Dauer war und bald der Vergessenheit anheim fiel. Vielleicht in keinem anderen Falle
                              									aber bereitet der Beweis für die Richtigkeit der quantitativen Bestimmung eines
                              									Stoffes so grosse Schwierigkeiten, wie gerade beim Gerbstoff. Zweierlei Gründe
                              									sprechen hier mit; erstens sind die Gerbstoffe noch zu wenig bekannt und zweitens
                              									ist man in der üblen Lage, diejenigen Stoffe, welche man als Gerbstoffe analysirt,
                              									nicht wiedergewinnen zu können. Der Chemiker bestimmt daher in einem Material
                              									gewisse Stoffe als Gerbstoff und hat keine Gewissheit, ob diese Stoffe im Verlauf
                              									des Gerbprocesses wirklich alle von der Haut aufgenommen werden, oder ob ausser
                              									ihnen noch andere im Material vorhandene zur Lederbildung beitragen. In Folge dessen
                              									können die gefundenen Werthe immer nur relativer Natur sein.
                           Chemisch reiner Gerbstoff ist die Gallusgerbsäure, das Tannin, welches sich auch in
                              									absoluter Reinheit darstellen lässt, und hiervon ausgehend baute Löwenthal eine Methode auf, der längeres Leben
                              									beschieden war; sie besteht darin, dass die in der Lösung eines Gerbmaterials durch
                              									Chamäleon oxydirbaren Stoffe auf reines Tannin in der Weise bezogen werden, dass die
                              									Chamäleonlösung auf Tannin eingestellt wird. Die Methode wurde von v. Schroeder verbessert, welcher erkannte, dass ausser
                              									dem Gerbstoff noch andere Stoffe durch Chamäleon oxydirt werden. Er schüttelte daher
                              									eine kleine Menge der Gerbstofflösung mit Hautpulver, oxydirte das Filtrat ebenfalls
                              									durch Chamäleon und nahm die Differenz als Gerbstoff an. Diese Methode gab bei den
                              									verschiedenen Chemikern, wenn in gleicher Weise gearbeitet wurde, ziemlich
                              									gleichmässige Resultate, krankt jedoch daran, dass alle Zahlen auf reines Tannin
                              									bezogen werden, und da man allmählich erkannte, dass der Gerbstoff in den
                              									verschiedenen Materialien verschiedener und durchaus nicht einheitlicher Natur ist,
                              									so ist der Fehler offenbar und man weiss, dass die Löwenthal'sche Methode zwar brauchbar ist, wenn es sich darum handelt, zu
                              									constatiren, welches von Gerbmaterialien gleicher
                              									Provenienz das bessere oder schlechtere ist, nicht aber für den Vergleich von
                              									Materialien verschiedener Provenienz, oder man fügte dem Resultat die Worte hinzu,
                              										„auf Tannin bezogen“. In diesem Sinne hat sich die Methode auch bis heute
                              									noch erhalten und ihrer Handlichkeit wegen wird im Betriebe, in welchem sich die
                              									verwendeten Stoffe meistens wiederholen, noch gern und oft nach ihr gearbeitet, weil
                              									es sich dort im Ganzen um vergleichende Werthe handelt.
                           Mit Freuden wurde es aber von allen Fachchemikern, welche für den Handel arbeiten,
                              									begrüsst, als die Wiener Versuchsstation für Lederindustrie vor etwa 10 Jahren, ausgehend von einer
                              									alten Gerbstoffbestimmungsmethode, ein Verfahren veröffentlichte, welches darin
                              									besteht, dass die gerbenden Stoffe in einem Material indirect dem Gewicht nach
                              									bestimmt werden.
                           Die Methode besitzt insofern einen hohen Grad von Vollkommenheit, als bei ihr ein
                              									wirklicher Gerbprocess, wenn auch ein sehr kurzer, stattfindet. Man wägt die aus
                              									einem Gerbmaterial gelösten Stoffe vor und nach der Behandlung mit gepulverter
                              									thierischer Haut und nimmt die Differenz der Gewichte der beiden Lösungen als von
                              									der Haut aufnehmbare, demnach gerbende Stoffe an.
                           Die Methode selbst hat sich wohl allgemein eingebürgert, wenn auch in der Art der
                              									Ausführung noch Verschiedenheiten obwalten. Während die einen die Gerbstofflösung
                              									durch Hautpulver filtriren, schütteln andere sie mit Hautpulver unter allmählichem
                              									Zugeben von letzterem. Das Filtriren durch eine mit Hautpulver angefüllte Röhre –
                              									empfohlen von Procter – wird mannigfacher
                              									Unzuträglichkeiten wegen (besonders spielt die Geschicklichkeit im Füllen der Röhre
                              									mit Hautpulver eine grosse Rolle) mehr und mehr verlassen und der Zeitpunkt ist
                              									meiner Ansicht nach nicht fern, in welchem man sich allgemein zur Schüttelmethode
                              									bekannt haben wird. Sie ist auch in höchstem Maasse bequem und liefert bei
                              									gleichmässig gutem Hautpulver übereinstimmend gute Resultate, wie ich in meiner
                              									Praxis sehr häufig zu constatiren Gelegenheit hatte. Anders liegen jedoch die
                              									Verhältnisse, wenn ein Hautpulver schlecht ist, was in der Weise aufzufassen ist,
                              									wenn es viel lösliche Stoffe an Wasser abgibt, und wie weit die Resultate bei
                              									verschieden guten Hautpulvern von einander abweichen, werden die von mir
                              									ausgeführten Untersuchungen des Weiteren zeigen.
                           Die Schüttelmethode schreibt nämlich vor, einen sogen. Hautfactor zu bestimmen, d.h.
                              									diejenigen Stoffe zu bestimmen, welche das zu gebrauchende Hautpulver an dieselbe
                              									Menge destillirten Wassers abgibt, die man bei den Analysen als Filtrat vom
                              									Hautpulver, den sogen. Nichtgerbstoffen, zum Eindampfen verwendet – beiläufig
                              									gewöhnlich 50 cc. Dieser Hautfactor wird von den Nichtgerbstoffen subtrahirt, bevor
                              									diese von dem Gesammtextract abgezogen werden, um die gerbenden Stoffe zu erhalten.
                              									Hierin liegt meines Erachtens der Fehler und, wie gleich gezeigt werden soll, ist
                              									der Fehler um so grösser, je grösser der Hautfactor, d.h. je schlechter das
                              									Hautpulver ist. Die löslichen Stoffe eines Hautpulvers sind zum grössten Theile
                              									Leim- und Eiweisstoffe, welche durch das Kalken oder Schwitzen der Blösse eben in
                              									einen mehr löslichen Zustand übergeführt werden sind. Diese Substanzen gehen wohl
                              									durch Wasser in Lösung, sie werden jedoch durch Gerbbrühen gefällt werden, und zieht
                              									man den Löslichkeitsfactor für Wasser auch bei der Analyse eines Gerbmaterials ab,
                              									so verringert man die Nichtgerbstoffe um so mehr, je grösser der Hautfactor ist, ja
                              									es ist bei meinen Versuchen sogar soweit gekommen und dieses spricht wohl am meisten
                              									für meine vorher ausgesprochene Behauptung, dass die Nichtgerbstoffe vor dem
                              									Abziehen des Hautfactors überhaupt schon geringer waren als der Hautfactor für sich
                              									allein. Einige der nachfolgenden Beispiele werden dieses zeigen.
                           Es erhellt gleichzeitig, dass bei einem sehr guten Hautpulver, d.h. bei einem solchen
                              									mit sehr kleinem Hautfactor, wo von den Nichtgerbstoffen demnach sehr wenig in
                              									Abzug gebracht wird, der Fehler auch nur ein sehr kleiner sein kann.
                           Ich gehe nunmehr zu den vergleichsweise mit gutem und schlechtem Hautpulver
                              									ausgeführten Analysen über und betone, dass stets beide Analysen neben einander in
                              									genau gleicher Weise ausgeführt worden sind. Der Hautfactor des einen Hautpulvers
                              									betrug für 50 cc destillirten Wassers 0,039, der des anderen schlechten 0,1725.
                           Nachstehende Tabelle gibt die gewonnenen Resultate wieder:
                           
                              
                                 Material
                                 Hautfactor 0,039
                                 Hautfactor 0,1725
                                 Differenz
                                 
                              
                                 GerbendeStoffe
                                 Nicht-gerbstoffe
                                 GerbendeStoffe
                                 Nicht-gerbstoffe
                                 GerbendeStoffe
                                 
                              
                                 
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Eichenholzextract
                                 25,20
                                 20,00
                                 34,80
                                 10,20
                                   9,60
                                 
                              
                                               „
                                 26,00
                                 20,50
                                 40,90
                                   5,60
                                 14,90
                                 
                              
                                               „
                                 26,50
                                 12,90
                                 38,30
                                   2,00
                                 11,80
                                 
                              
                                 Quebrachoholzextr.
                                 57,20
                                 12,20
                                 68,20
                                 – 8,10
                                 11,00
                                 
                              
                                                „
                                 74,30
                                 12,80
                                 87,20
                                 –
                                 12,90
                                 
                              
                                                „
                                 70,30
                                 14,30
                                 79,30
                                   5,60
                                   9,00
                                 
                              
                                 Quebrachoholz
                                 19,20
                                   1,80
                                 22,50
                                 – 1,50
                                   3,30
                                 
                              
                                             „
                                 20,40
                                   0,70
                                 22,40
                                 – 1,30
                                   2,00
                                 
                              
                                 Valonea
                                 23,30
                                 15,10
                                 31,00
                                   7,30
                                   7,70
                                 
                              
                                      „
                                 27,80
                                 12,10
                                 36,00
                                   4,20
                                   8,20
                                 
                              
                                 Fichtenrinde
                                 13,10
                                   9,00
                                 17,40
                                   3,10
                                   4,30
                                 
                              
                                           „
                                 13,60
                                   8,80
                                 19,60
                                   2,80
                                   6,00
                                 
                              
                                 Acazienrinde
                                 36,80
                                 11,60
                                 44,30
                                   5,10
                                   7,50
                                 
                              
                           Die Differenzen sind in den meisten Fällen, wie ersichtlich, ganz enorme und sprechen
                              									zur Genüge für sich. Sie sind um so grösser und müssen es auch sein, je mehr
                              									Nichtgerbstoffe das Material überhaupt enthält.
                           Da es nun kein Hautpulver gibt, welches absolut keine Stoffe an Wasser abgibt, man
                              									diese Stoffe bei der Analyse nicht vernachlässigen darf, weil nicht anzunehmen ist,
                              									dass sie alle durch Gerbbrühen gefällt werden, sondern auch ein Theil in Lösung
                              									bleibt, so erübrigt vorläufig nichts anderes, als mit einem Hautpulver zu arbeiten,
                              									welches so wenig wie möglich auswaschbare Stoffe enthält. Bei der
                              									Verschiedenartigkeit des Materials, welches zur Herstellung des Hautpulvers verwandt
                              									wird, ferner bei der verschiedenen Bereitungsweise desselben wird es nicht möglich
                              									sein, den gleichen oder nur annähernd gleichen Hautfactor zu erhalten. Würde man
                              									diesen erhalten können, so wäre der Industrie und uns Fachchemikern schon insoweit
                              									geholfen, als die erlangten Resultate bei der Bestimmung der gerbenden Stoffe ein
                              									und desselben Gerbmaterials durch verschiedene Chemiker gleichmässige würden. Hieran
                              									würde sich noch als Fehlerquelle die verschiedenartige Ausführung der
                              									Gerbstoffanalyse sowie verschiedene Concentrationen der Lösungen für die Analyse
                              									reihen und ich stehe nach den gemachten Erfahrungen nicht an zu behaupten, dass
                              									derselbe Einwand, der gegen die Löwenthal'sche Methode
                              									seiner Zeit gemacht wurde, nämlich dass nur bei ganz gleichmässiger Arbeit der
                              									verschiedenen Chemiker gleichmässige Resultate erhalten werden können, auch bei der
                              									gewichtsanalytischen Methode, trotz ihrer vielen Vorzüge vor der Löwenthal'schen, gemacht werden kann und muss. Abhilfe
                              									dagegen gibt es auch heute nur wie damals in der Weise:
                           Aufruf an alle Fachchemiker zur Zusammenkunft behufs Vereinbarung einer einheitlichen
                              									Arbeitsmethode für die Ausführung der gewichtsanalytischen Gerbstoffbestimmung.
                              									Einbegriffen müssen hierin ebenfalls sein die anzuwendenden Mengen, von welchen für die
                              									verschiedenen Gerbmaterialien Lösungen oder Auszüge für die Analyse zu machen
                              									sind.
                           Der wichtigste Punkt dürfte jedoch der sein: Errichtung einer
                                 										Station zum gemeinsamen Bezug von Hautpulver, welche, sofern eine Fabrik
                              									mit der Fabrikation betraut wird, unter ständiger abwechselnder Controle eines
                              									Fachchemikers steht.
                           Zu dieser Zusammenkunft werde ich mir erlauben, die geehrten Herren Collegen in Kürze
                              									einzuladen.
                           Aus dem Laboratorium des Vereins deutscher Gerber in Berlin.