| Titel: | Neuere Bestrebungen bezüglich des Baues und Betriebes von Schiffahrtskanälen. | 
| Fundstelle: | Band 302, Jahrgang 1896, S. 256 | 
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                        Neuere Bestrebungen bezüglich des Baues und
                           								Betriebes von Schiffahrtskanälen.
                        Mit Abbildungen.
                        Neuere Bestrebungen bezüglich des Baues und Betriebes von
                           								Schiffahrtskanälen.
                        
                     
                        
                           In der am 31. Mai 1896 stattgehabten Hauptversammlung des Vereins für Hebung der
                                 									Fluss- und Kanalschifffahrt in Bayern hielt der königl. Bauamtsassessor Heubach von Speyer über oben angeführtes Thema einen
                              									Vortrag, den wir wegen seines allgemeinen Interesses nach dem uns vom
                              									Vereinsvorstand freundlichst zugesandten Berichte nachstehend dem Hauptinhalte nach
                              									wiedergeben.
                           Der Vortrag behandelt im ersten Theile die Bewegung von Kanalschiffen, und zwar
                              									bezüglich der auf künstlichen Wasserstrassen vortheilhaftesten Fahrgeschwindigkeit,
                              									der Anwendung von Schleppzügen auf Kanälen und endlich einiger neuen Bewegungsarten
                              									für Kanalschiffe. Der zweite Theil erörtert den Vorschlag einer neuen
                              									Kanalisirungsweise.
                           Vor einer Besprechung des Schiffszuges auf Kanälen dürfte es angezeigt sein, die
                              									modernen Bewegungsarten auf natürlichen Wasserstrassen kurz zu betrachten. Bei
                              									denselben kommen drei Arten von Motorschiffen in Betracht, nämlich Schrauben-, Rad-
                              									und Kettendampfer.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 256
                              Fig. 1.Zugleistung von Kettenschiffen, Schleppern und Güterbooten
                                 										verschiedener Fahr- und Wassergeschwindigkeit.
                              
                           
                              
                              Anmerkung zu Fig. 1.
                              Abscissenmaasstab: 1,2 cm = 1 m/Sec.
                              Ordinatenmaasstab: 1,2 mm = 1 t.
                              Nach den Angaben von Deröme für die Seine, den Kanal
                                 										St. Quentin, Rhein-Marne-Kanal und Scarpe, und nach den Versuchen von Schnell für den Rhein. (Zeitschrift für Bauwesen, 1891.)
                              
                           Nach Bellingrath sind bei massigem Gefälle, bis zu 25cm/km, Rad- und
                              									Schraubendampfer, erstere in seichtem, letztere in tiefem Wasser, im Vortheil; bei
                              									einem Gefälle von 30 cm/km sind die eben genannten Motoren und die Kettendampfer gleichwerthig,
                              									während bei höherem Gefälle die letzteren überlegen sind. Hieraus ergeben sich die
                              									natürlichen Verwendungsbezirke jeder Gattung.
                           Was die Art des Betriebes anbelangt, so befördern Kettendampfer nur Schleppzüge,
                              									vermitteln also nur den langsamen Massengüter verkehr, während Rad- und
                              									Schraubendampfer sowohl Schleppzüge bewegen, als auch ohne Anhang einem rascheren
                              									Stückgütertransporte dienen.
                           Ueber die mechanische Nutzleistung bei verschiedenen Fahr- und
                              									Wassergeschwindigkeiten gibt die graphische Darstellung in Fig. 1 übersichtliche Auskunft.
                           Die Fahrgeschwindigkeit zu Berg auf den grössten deutschen Strömen beträgt im
                              									Mittel auf dem Rhein für Schleppzüge 4,5 km/Std., d. i. 1,1 bis 1,4 m/Sec.; auf der Elbe für Schleppzüge 3,5
                              									bis 4,5 km/Std.,
                              									d. i. 0,97 bis 1,23 m/Sec.; auf der Oder für Schleppzüge etwa 4,5 km/Std., d. i. 1,25 m/Sec.
                           Die Schleppkosten stellen sich je nach den Wasserverhältnissen beim Rhein für Rad-
                              									und Schraubenboote auf 0,21 bis 0,83 Pf./tkm, bei der Elbe bis Dresden aufwärts für
                              									Kettendampfer auf 0,4 bis 0,9 Pf./tkm und bei der unteren Oder für Schraubenboote auf
                              									etwa 0,33 Pf./tkm.
                           Die Gesammtfrachtkosten, Schleppen und Miethe des Schiffsraumes, jedoch ohne Ein- und
                              									Ausladen und ohne Versicherung der Ladung, sind sehr schwankend, da sie nicht nur
                              									von den Wasserverhältnissen, sondern auch von den Handelsconjuncturen abhängen.
                              									Dieselben betragen auf dem Rhein 0,3 bis 1,0 Pf./tkm, auf der Elbe 0,7 bis 1,0 Pf./tkm. Nach
                              									diesen allgemeinen Angaben kann ich nun zur Schiffsbewegung auf Kanälen
                              									übergehen.
                           Die Fahrgeschwindigkeit auf Kanälen beträgt bei den älteren Zugsarten im Mittel 0,7
                              										m/Sec. (etwa
                              									2,5 km/Std.). Mit
                              									Recht strebt man eine Steigerung an, um sich die Vortheile grösserer Geschwindigkeit
                              									zu Nutze zu machen. Diese Vortheile sind doppelter Art. Zunächst wird durch erhöhte
                              									Geschwindigkeit die Transportleistung des einzelnen Fahrzeuges und dadurch dessen
                              									Erträgniss vermehrt, ein Umstand, der es ermöglicht, eine gegebene Verkehrsgrösse
                              									mit einer geringeren Zahl von Schiffen zu bewältigen, wodurch der Kanaldienst
                              									entlastet wird. Der zweite Vortheil liegt in der Beschleunigung des Güterumlaufes.
                              									Da jedoch Billigkeit und Schnelligkeit des Verkehrs zwei Forderungen sind, die sich
                              									entgegenstehen und einander begrenzen, so wird man gut thun, auf Kanälen, wo die
                              									Mehrzahl der beförderten Güter in erster Linie Billigkeit des Transportes verlangt,
                              									die Schnelligkeit nicht zu sehr zu betonen. Die vergrösserte Fahrgeschwindigkeit hat
                              									den Nachtheil, dass sie die Frachtkosten beträchtlich erhöht. Will man nun in dem
                              									Streben nach Beschleunigung das richtige Maass nicht überschreiten, so liegt die
                              									Aufgabe vor, die Schnelligkeit nur so weit zu steigern, dass der hieraus sich
                              									ergebenden Erhöhung der Frachtkosten gesteigerte Betriebsvortheile ausgleichend
                              									gegenüberstehen. Um diese Aufgabe lösen zu können, muss man sich zunächst den
                              									Einfluss der Fahrgeschwindigkeit auf Transportleistung der Schiffe, auf
                              									Verkehrsbeschleunigung und auf Frachtkosten klar machen.
                           Der Vortragende hat versucht, diesen Einfluss theoretisch zu entwickeln; er verkennt
                              									keineswegs die Schwierigkeit dieser Untersuchung, da das rein theoretische Bild
                              									durch die verschiedenartigen, unberechenbaren Einflüsse der Praxis stets
                              									Verschiebungen erfahren wird. Gleichwohl gewährt der Versuch einen Einblick in die
                              									Wirkung der Fahrgeschwindigkeit unter mittleren deutschen Verhältnissen. Das
                              									Ergebniss ist in Fig. 2 enthalten. Die theoretische
                              									Betrachtung erfährt übrigens durch die Versuche des französischen Oberingenieurs de Maas eine schätzbare Bestätigung, wie durch Fig. 3 nachgewiesen ist.
                           Nach diesen Untersuchungen stellt sich nun die Wirkung einer Geschwindigkeitserhöhung
                              									folgendermaassen dar: Auf die Transportleistung der Schiffe im Massengüterverkehr
                              									künstlicher Wasserstrassen ist der Einfluss gering, und zwar hauptsächlich wegen der
                              									langen Liegezeiten in den Häfen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 257
                              Fig. 2.Die Kanalfrachtkosten im Verhältniss zur
                                 										Fahrgeschwindigkeit.
                              
                           
                              
                              Anmerkung zu Fig. 2.
                              
                                 Einfluss der Fahrgeschwindigkeit auf die
                                    											Frachtkosten.
                                 
                              Ist v die Fahrgeschwindigkeit und vm
                                 										= mittlere Fahrgeschwindigkeit, so ist in Folge der
                                 										Aufenthalte an Schleusen u.s.w. vm < v; man
                                 										kann also schreiben: vm
                                 										= μv, wobei μ <
                                 										1; bezeichnet nun L die ganze Transportweite, t die Zeit einer Schiffsdurchschleusung, m die Zahl der Schleusen, so ist:
                              \mu=\frac{v_m}{v};
                                    											v_m=\frac{L}{\frac{L}{v}+m\,t}=\frac{L_v}{L+m\,t\,v};
                              daher
                              \mu=\frac{L_v}{L+m\,t\,v}\,.\,\frac{1}{v}=\frac{L}{L+m\,t\,v}.
                              Rechnet man den Schiffahrtstag zu 15 nutzbaren
                                 										Arbeitsstunden, so ist die täglich zurückgelegte Strecke
                              T = 15.3600.uv
                              und die Dauer der Gesammtfahrzeit in Tagen
                                 											=\frac{L}{T}; die Gesammtdauer einer Reise beträgt somit
                                 										einschliesslich der Aufenthalte im Abgangs- und Ankunftshafen (= 2H)
                              
                                 R=2\,\left(\frac{L}{T}+H\right)
                                 
                              Um nun bei der folgenden Betrachtung für Deutschland passende Mittelwerthe zu
                                 										erhalten, wird L = 350 km, d. i. der mittleren
                                 										(nach Sympher) Wassertransportweite in Deutschland
                                 										gesetzt; t kann mit allen Aufenthalten zu 20' =
                                 										1200'' und m, die Zahl der Schleusen, bei 5 km
                                 										Haltungslänge = 350/5 = 70 angenommen werden.
                              Die Wasserfrachtkosten – ohne Ein- und Ausladen – setzen sich aus drei
                                 										verschiedenartigen Theilen zusammen: 1) den Schleppkosten (= s); 2) der Schiffsmiethe, d. i. dem an den Schiffer
                                 										geleisteten Ersatz der Kosten für Verzinsung, Amortisation, Unterhaltung und
                                 										Bedienung des Schiffes (= σ); 3) den Kosten für
                                 										Versicherung von Schiff und Ladung, den Hafenkosten und den Kanalabgaben.
                              Die Schleppkosten hängen ab vom Schiffswiderstande, der annähernd mit dem
                                 										Quadrate der Fahrgeschwindigkeit wächst. Es wird also auch s einerseits mit dem Quadrate der
                                 										Fahrgeschwindigkeit wachsen, andererseits wird aber bei vermehrter
                                 										Geschwindigkeit eine Kostenminderung insofern eintreten, als der erhöhte Aufwand
                                 										nur kürzere Zeit erforderlich ist. Es wird also
                              s'=s\,.\,\frac{r^2}{v^2}\,.\,\frac{\mu\,v}{\mu'\,v'}=s\,.\,\frac{v'}{v}\,.\,\frac{\mu}{\mu'}.
                              
                           Durch die Darstellung in Fig. 2
                              									und 3 ist nachgewiesen, dass bei einer Steigerung der
                              									Fahrgeschwindigkeit von 0,7 auf 1,0, 2,0, 3,0, 4,0 m/Sec. unter mittleren deutschen
                              									Verhältnissen die Jahresleistung eines Schiffes, d.h. die Zahl der jährlich
                              									gemachten Reisen, nur im Verhältniss von 0,7 : 0,76 : 0,89 : 0,94 : 0,96 wächst.
                              									Während also erstere im Ganzen um 470 Proc. stieg, erhöhte sich die letztere nur um
                              									37 Proc.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 257
                              Fig. 3.Frachtkosten bei Bahn und Kanal im Verhältniss zur
                                 										Fahrgeschwindigkeit.
                              
                           
                              
                              Anmerkung zu Fig. 3.
                              Die Schiffsmiethe bezieh. die hier einschlägigen Frachtkostenantheile hängen von
                                 										der Steigerung der Fahrgeschwindigkeit insofern ab, als diese die Dauer der
                                 										einzelnen Reise etwas verkürzt. Dadurch wächst aber entsprechend die Zahl der
                                 										jährlich gemachten Reisen und geleisteten Nutztonnenkilometer. Dieser
                                 										Kostenantheil vermindert sich also bei wechselnder Fahrgeschwindigkeit in
                                 										demselben Maasse, in dem die Dauer der einzelnen Reise abnimmt. Die Reisedauer
                                 										besteht aus Hin- und Rückfahrt und den Liegezeiten im Abgangs- und
                                 										Ankunftshafen. Wie oben entwickelt, ist
                              
                                 R^v=2\,\left(\frac{L}{T}+H\right).
                                 
                              Man hat also
                              
                                 R^{v'}=2\,\left(\frac{L}{T'}+H\right)
                                 
                              und
                              \sigma'=\sigma\,.\,\frac{R^{v'}}{R^v}=\sigma\,.\,\phi;
                              der Coëfficient φ drückt
                                 										somit den Einfluss der Fahrgeschwindigkeit auf den zweiten Theil der Kosten aus.
                                 										Es wird sich zeigen, dass dieser Einfluss sehr gering ist. Nach den Bestimmungen
                                 										des deutschen Binnenschiffahrtsgesetzes sind die Liegezeiten beträchtlich und
                                 										man kann für 2H nicht weniger als im Mittel 30 Tage
                                 										setzen.
                              Der dritte Theil der Frachtkosten ist von der Fahrgeschwindigkeit vollständig
                                 										unabhängig. Diese Kosten fallen für jede Reise in gleicher Höhe an, gleichviel
                                 										ob die Reise rasch oder langsam gemacht wird (c).
                              Für die in neuerer Zeit angestrebten grösseren Kanalfahrzeuge und bei einer
                                 										Fahrgeschwindigkeit v = 0,75 m/Sec.
                                 										betragen die Frachtkosten auf Kanälen etwa 0,75 Pf./tkm, wovon je 0,25 Pf./tkm auf
                                 										die Abtheilungen 1, 2, 3 derselben entfallen.
                              Die vorgeführten Ableitungen sind in Fig. 2
                                 										dargestellt.
                              Das untere Diagramm II zeigt die grundsätzliche Verschiedenheit von Bahn und
                                 										Kanal als Transportmittel. Erstere wird bei wachsender Fahrgeschwindigkeit
                                 										verhältnissmässig billiger, letzterer theuerer.
                              
                           Die Schnelligkeit des Güterumlaufes, d.h. der Zeitraum zwischen Absendung und Ankunft
                              									der Waare, wird durch die Beschleunigung der Fahrt wesentlich stärker beeinflusst.
                              									Lässt man hier wieder die letztere wie 0,7, 1,0, 2,0, 3,0, 4,0 m/Sec. zunehmen,
                              									so wächst die Verkehrsbeschleunigung wie 0,7 : 0,89 : 1,50 : 1,92 : 2,26; die
                              									Gesammtzunahme beträgt somit hier 470 bezieh. 224 Proc.
                           
                           Den stärksten Einfluss übt die Fahrgeschwindigkeit auf die Frachtkosten aus.
                              									Zunächst dürfte es angezeigt sein, diese Kosten einer kurzen Betrachtung
                              									hinsichtlich des Verhaltens ihrer einzelnen Bestandtheile gegenüber der
                              									Fahrgeschwindigkeit zu unterziehen.
                           Die Frachtkosten auf Kanälen setzen sich aus drei verschieden gearteten Theilen
                              									zusammen. Den ersten Theil bilden die Schleppkosten, welche der Hauptsache nach vom
                              									Zugkraftbedarfe abhängen. Da der Schiffswiderstand annähernd mit dem Quadrate der
                              									Fahrgeschwindigkeit wächst, werden auch die Schleppkosten in ähnlichem Maasse
                              									zunehmen. Diese Zunahme erleidet jedoch dadurch wieder eine Beschränkung, als der
                              									grössere Kraftaufwand bei gesteigerter Schnelligkeit für ein und dieselbe Strecke
                              									nur auf kürzere Zeit benöthigt wird.
                           Weiterhin bestehen die Frachtkosten aus der Entschädigung, welche dem Schiffsbesitzer
                              									für Benützung des Schiffsraumes gewährt wird und welche diesem die Verzinsung,
                              									Amortisation, Unterhaltung, Bedienung und Versicherung des Schiffes ermöglichen, ihm
                              									ferner die Auslagen für Hafenkosten und Kanalabgaben ersetzen und einen angemessenen
                              									Reingewinn bieten sollen.
                           Diese Ausgaben des Schiffes sind grösstentheils Jahreskosten, d.h. sie vertheilen
                              									sich über den Zeitraum des ganzen Jahres. Hierher gehören insbesondere Verzinsung,
                              									Amortisation und Unterhaltung des Schiffes. Diese zweite Abtheilung der Frachtkosten
                              									hängt nur insofern von der Fahrgeschwindigkeit ab, als diese einen geringen Einfluss
                              									auf die Zahl der jährlich gemachten Reisen äussert. Da also eine Erhöhung der
                              									Fahrgeschwindigkeit die Zahl der Reisen und damit die Transportleistung etwas
                              									vergrössert, vertheilen sich die gleichen Jahreskosten auf eine grössere Anzahl von
                              									Transporteinheiten, wodurch diese Abtheilung des Frachtaufwandes massig verbilligt
                              									wird.
                           Die dritte Abtheilung, zu welcher Kanal- und Hafenabgaben, Schiffs- und
                              									Ladungsversicherung gehören, ist von der Fahrgeschwindigkeit vollkommen unabhängig,
                              									denn diese Kosten entfallen für jede einzelne Reise in gleicher Höhe, gleichgültig,
                              									ob dieselbe langsam oder rasch zurückgelegt wird.
                           Der Verlauf der Frachtkostencurve in Fig. 2 und 3 lässt erkennen, dass, wenn die Fahrgeschwindigkeit
                              									unter 0,4 m/Sec.
                              									fällt, die Fracht wegen schlechter Ausnützung des Schiffes sehr rasch steigt, dass
                              									ferner bei einer Steigerung der Fahrgeschwindigkeit von 0,4 bis 1,0 m/Sec. (1,4 bis
                              									3,6 km/Std.) die
                              									Frachtkosten massig, bei weiterer Steigerung aber rasch und mit stets zunehmender
                              									Beschleunigung wachsen. Lässt man auch hier die Fahrgeschwindigkeit wie 0,7 : 1,0 :
                              									2,0 : 3,0 : 4,0 m/Sec. steigen, so wachsen die Frachtkosten wie 0,7 : 0,775 : 1,195 : 1,75 :
                              									2,460; Gesammtzunahme somit 470 bezieh. 252 Proc.
                           Nachdem nunmehr das Verhalten der maassgebenden Factoren gegenüber einer
                              									Beschleunigung der Fahrt klar gestellt ist, kann man an die Ermittelung der
                              									vortheilhaftesten Fahrgeschwindigkeit gehen. Wägt man hierbei ab, bei welcher
                              									Steigerung der ursprünglichen Schnelligkeit sich Betriebsvortheile und
                              									Kostennachtheile ausgleichen, so ergeben sich zwei Hauptunterscheidungen.
                           Einmal kann man den Charakter des Verkehres roher Massengüter überwiegen lassen, wird
                              									also die Billigkeit in erster Linie stellen und dieselbe nur mit der, ebenfalls auf
                              									Billigkeit der Fracht hinwirkenden Transportleitung der Schiffe vergleichen
                              									(Curven A und C der Fig. 4), während die Verkehrsbeschleunigung
                              									zurückstehen muss. Geht man hierbei von der Geschwindigkeit 0,7 m/Sec. aus und
                              									erhöht dieselbe bis auf 1,0 m/Sec., so findet man, dass sich sowohl Frachtkosten
                              									als auch Transportleistung um etwa 10 Proc. steigern. Die Erhöhung bis hierher ist
                              									also wirthschaftlich gerechtfertigt, während bei weiterer Vergrösserung der
                              									Geschwindigkeit die Kosten rasch steigen, die Leistung dagegen nur langsam
                              									zunimmt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 258
                              Fig. 4.Ermittelung der vortheilhaftesten Fahrgeschwindigkeit.
                              
                           
                              
                              Anmerkung zu Fig. 4.
                              Die Curven A, B und C
                                 										stellen unter mittleren Verhältnissen das Verhalten von Transportleistung der
                                 										Schiffe, Verkehrsbeschleunigung und Frachtkosten dar, wenn man die ursprüngliche
                                 										Fahrgeschwindigkeit – 0,7 m/Sec. – allmählich erhöht (Fig. 3). Die Curven A
                                 										und B geben die aus der Geschwindigkeitserhöhung zu
                                 										erwartenden Vortheile, Curve C den Nachtheil dieser
                                 										Steigerung. Die letztere ist nur so lange vortheilhaft, als Kosten, d. i.
                                 										Nachtheilscurve und Vortheilscurve einigermaassen gleichmässig steigen. Sobald
                                 										die Curve des Vortheils unter jener des Nachtheils zurückbleibt, ist die weitere
                                 										Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit unvortheilhaft.
                              Für Massengüter ist vor allem Billigkeit des Transportes nöthig, während die
                                 										Schnelligkeit zurückstehen muss. Hier sind also nur die Curven A und C zu betrachten.
                                 										Diese steigen bis zum Punkt M annähernd
                                 										gleichmässig; von da an bleibt A stark unter C zurück. Daraus folgt, dass eine
                                 										Geschwindigkeitserhöhung über M hinaus
                                 										unvortheilhaft ist.
                              Bei höherwerthigen Gütern soll die Beförderung rascher und darf etwas theuerer
                                 										werden. Man hat also einerseits A und B, andererseits C zu
                                 										vergleichen. Da indessen die Vortheilscurven A und
                                 											B verschiedenartige Interessen vertreten – A jene der Schiffer, B
                                 										jene der Handelskreise – die in einem gewissen Gegensatze zu einander stehen und
                                 										zwischen denen man möglichst zu vermitteln hat, so ist die Mittellinie zwischen
                                 											A und B mit C zu vergleichen. Man ersieht, dass die Steigerung
                                 										der Fahrgeschwindigkeit nur bis zum Punkte N, d. i.
                                 										bis 1,8 m/Sec.
                                 										vortheilhaft ist.
                              Folgerung: Unter mittleren Verhältnissen ist die vortheilhafteste
                                 										Fahrgeschwindigkeit auf Kanälen (mit Kammerschleusen) für Massengüter 1 m/Sec. = 3,6
                                 											km/Std.;
                                 										für Stückgüter 1,8 m/Sec. =6,5 km/Std.
                              
                           In zweiter Linie wird man auch den Verkehr höherwerthiger Güter in Betracht ziehen.
                              									Diese vertragen theureren Transport und verlangen beschleunigte Beförderung. Hier
                              									sind somit bei einer Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit die vermehrten Frachtkosten
                              									mit den vereinigten Vortheilen der Transportgeschwindigkeit und der vergrösserten
                              									Transportleistung zu vergleichen (Curven ½[A + B] und C der Fig. 4). Räumt man jedem der beiden letztgenannten
                              									Factoren gleiche Bedeutung ein, so ergibt sich, dass hier bei einem Anwachsen der
                              									Schnelligkeit von 0,7 bis 1,8 m/Sec. die Mehrung sowohl der Frachtkosten als auch
                              									der Vortheile etwa 60 Proc. beträgt. Jede weitere Steigerung würde auch hier wieder
                              									rascheres Wachsen der Nachtheile gegenüber dem zu erwartenden Gewinn zur Folge
                              									haben. Die letztere Untersuchung ist in graphischer Weise in Fig. 4 durchgeführt und daselbst näher erläutert.
                           Es erübrigt noch, die Frage erhöhter Fahrgeschwindigkeit in bautechnischer Hinsicht
                              									zu besprechen. Es ist dies eine reine Geldfrage. Macht man ein Kanalprofil
                              									hinreichend gross und bildet die Böschungen für starken Wellenschlag aus, d.h. macht
                              									sie möglichst steil und stellt sie aus festem Material her, so kann jede von den
                              									Motoren erreichbare Schnelligkeit zugelassen werden. Die Anlagekosten solcher
                              									Schnellbetriebskanäle werden sich allerdings hoch stellen.In neuerer Zeit auf holländischen Kanälen
                                    											gemachte bemerkenswerthe Beobachtungen zeigten, dass für jedes Fahrzeug in
                                    											einem bestimmten Kanalprofile eine grösste Geschwindigkeit besteht, die sich
                                    											nicht steigern lässt. Jede Erhöhung der maschinellen Kraft wirkt, sobald
                                    											diese Grenze erreicht ist, lediglich auf Verstärkung der Wellen- und
                                    											Wirbelbildung hin.
                           Aus den bisherigen Betrachtungen und aus den Fig. 2
                              									bis 4 ergeben sich nun nachstehende Folgerungen:
                           1) Für die überwiegende Mehrheit der Kanalmassengüter ist die vortheilhafteste
                              									Fahrgeschwindigkeit die etwa von 1,0 m/Sec. Eine Erhöhung über diese Grösse hinaus ist
                              									unwirthschaftlich.
                           2) Sollte sich auf einzelnen Kanälen für werthvollere Güter ein beschleunigter
                              									Transport als wünschenswerth erweisen, so kann man auf demselben Kanal, auf dem die
                              									Rohgüterkähne langsam fahren, durch kleinere Schiffe einen Eildienst versehen
                              									lassen. Diese Transportart erweckt nicht die, einer beträchtlichen Beschleunigung
                              									des Massenverkehres entgegenstehenden Bedenken, da bei Stückgüterbooten die lange
                              									Liegezeit in den Häfen wegfällt und auch mehr auf lohnende Rückfracht gerechnet
                              									werden kann. Die vortheilhafteste Fahrgeschwindigkeit für diesen Eildienst ist die
                              									von etwa 1,8 m/Sec. (6,5 km/Std.).
                           3) Endlich ist noch ein beachtenswerther Schluss aus den Berechnungen (vgl. Fig. 2 und 3) der, dass
                              									dieselbe Wirkung auf die Transportleistung der Schiffe im Kanalmassenverkehr, wie
                              									sie eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit von 1,0 auf 1,5 m/Sec., also um 50
                              									Proc., zur Folge hätte, durch eine massige Verkürzung – um etwa 12 Proc. – der
                              									langen Liegezeiten erreicht werden kann. Diese Verkürzung dürfte einfacher und
                              									besonders billiger zu erlangen sein, als eine hohe Fahrgeschwindigkeit.
                           Die unter 3) angeführte Schlussfolgerung beweist die Richtigkeit der von Bellingrath aufgestellten Forderung: Man solle weniger
                              									auf die Vergrösserung der Fahrgeschwindigkeit als auf die Vermehrung und
                              									Verbesserung der Lade- und Entladevorrichtungen hinwirken.
                           Eine für den Schiffszug auf Kanälen belangreiche Frage ist die, ob der Verkehr von
                              									Schleppzügen, der auf freien Strömen sehr vortheilhaft wirkt, auf Kanälen möglich
                              									und empfehlenswerth sei?
                           Zunächst widerstreitet die beim Passiren von Kammerschleusen oder Hebewerken
                              									erforderliche Theilung der Züge, das Einzeldurchschleusen und Aufeinanderwarten
                              									der Schiffe der Anwendung, von Schleppzügen. Dieser Nachtheil lässt sich indessen
                              									unter Umständen ausgleichen. Denn da solche Züge durch grosse, also billig
                              									arbeitende Motoren bewegt werden, kann man ihnen trotz des grösseren
                              									Schiffswiderstandes, den sie im engen Kanäle erfahren, bei gleichem Kostenaufwande
                              									eine grössere Geschwindigkeit ertheilen, als einzeln fahrenden Schiffen. Bei
                              									beträchtlicher Länge der Haltungen – wenigstens 7 km – kann somit ein Schleppzug,
                              									obwohl er an den Schleusen viel Zeit verliert, im Ganzen ebenso rasch und selbst
                              									rascher von der Stelle kommen, wie das langsamer fahrende Einzelschiff.
                           Wenn nun auch der Verkehr ganzer Schiffszüge auf Kanälen eine Verbilligung der
                              									Frachtkosten nicht erwarten lässt, so bietet er doch für den Betrieb den Vortheil,
                              									dass auf offener Strecke an Stelle einer grossen Anzahl von Einzelschiffen eine
                              									bedeutend geringere Zahl von Zügen fährt, wodurch sich unter anderem auch die Zahl
                              									der störenden Kreuzungen entsprechend vermindert.
                           Eine sichere Folge des Verkehrs von Schiffszügen wäre auch eine grössere
                              									Regelmässigkeit im Kanalbetriebe als bei der Einzelfahrt, da die Schiffe gezwungen
                              									wären, sich an die Abfahrtszeiten der Züge zu halten.
                           Es ist noch zu untersuchen, wie sich in engen Kanalprofilen der Widerstand eines
                              									Schiffes im Schleppzuge zu jenem eines ebenso grossen Einzelschiffes unter sonst
                              									gleichen Umständen verhält. Die Litteratur enthält wenig zur Beurtheilung dieser
                              									Frage. Werthvolles Material geben die planmässig auf dem Kanal St. Martin in
                              									Frankreich angestellten Versuche, über welche Derôme
                              									auf dem internationalen Binnenschiffahrtscongress zu Paris 1892 berichtete.
                           Der Vortragende hat sich bemüht, durch Umformung dieser französischen Ergebnisse eine
                              									Spur des gesuchten Gesetzes zu finden. Dieser Versuch wird durch Fig. 5 und 6 erläutert.
                              									Er deutet durch den Verlauf der Curven das Vorhandensein eines Gesetzes unverkennbar
                              									an und lässt ersehen, dass unter mittleren Verhältnissen der Widerstand des Schiffes
                              									im Zuge um etwa 30 Proc. grösser ist als beim Einzelschiff und dass diese
                              									Vergrösserung hauptsächlich durch das Verhältniss des Wasserquerschnittes zum
                              									eingetauchten grössten Schiffsquerschnitt beeinflusst wird.
                           Dieses Resultat mag auf den ersten Blick gegen den Betrieb mit Schleppzügen auf
                              									Kanälen sprechen. Allein die Sache liegt deshalb nicht so schlimm, weil die
                              									Fortbewegung solcher Züge entweder durch starke Schleppschiffe oder an der Kette
                              									geschieht, besonders die letztere aber auf Kanälen einen so günstigen Nutzeffect
                              									gewährt, dass der Nachtheil des grösseren Schiffswiderstandes mehr als ausgeglichen
                              									wird.
                           Für einzelne Schiffe kann dagegen die Aufgabe, dieselben billig an der Kette
                              									fortzubewegen, noch nicht als vollkommen gelöst gelten, und die Beförderung
                              									einzelner Kanalfahrzeuge durch Dampf ist wegen der Kleinheit der erforderlichen
                              									Maschinen so unökonomisch, dass sie nicht einmal mit einem wohleingerichteten
                              									Pferdezugbetrieb concurriren kann.
                           Für letztere Behauptung liefert der Seitenkanal der Oise ein interessantes Beispiel.
                              									Dort besteht eine gut eingerichtete Pferdezugunternehmung, welche billige
                              									Schleppgebühren von 0,25 bis 0,29 Pf./tkm erhebt und günstige finanzielle Erfolge
                              									erzielt. Es versuchte nun eine andere Gesellschaft, dem Pferdezug durch freie
                              									Dampfschlepper Concurrenz zu machen. Dieser Versuch misslang indessen finanziell
                              									vollständig und musste bald aufgegeben werden. Aus dem über den Schleppzugverkehr
                              									Gesagten ergibt sich, dass diese Verkehrsart auf Kanälen bei langen Haltungen
                              									vortheilhaft ist und die Anwendung mechanischer Zugkraft in günstiger Weise
                              									gestattet. Nachtheilig ist die Theilung der Züge an den Schleusen. Dieser Umstand
                              									schliesst Schleppzüge bei kurzen Haltungen aus, zeigt aber andererseits, dass es
                              									sehr vortheilhaft wäre, Schleusen anzuwenden, welche von Schleppzügen ohne Theilung
                              									und ohne Aufenthalt passirt werden können. (Anlagen dieser Art werden im zweiten
                              									Theile angedeutet.)
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 260
                              Schiffswiderstand von Schleppzügen und Einzelschiffen.
                              
                           
                              
                              Anmerkung zu Fig. 5 und 6.
                              
                                 
                                    Maasstäbe
                                    für
                                    die
                                    w-
                                    Curven:
                                    1 mm
                                    = 1 k
                                    
                                 
                                    „
                                    „
                                    „
                                    v-
                                    „
                                    1 cm
                                    = 0,5 m
                                    
                                 
                                    „
                                    „
                                    „
                                    n-
                                    „
                                    2 mm
                                    = 1.
                                    
                                 
                                    v =
                                       												Fahrgeschwindigkeit in m/Sec.
                                    
                                 
                                    w =
                                       												Schiffswiderstand für 1 qm
                                    
                                 
                              1) bei Einzelschiffen: des grössten eingetauchten Querschnittes;
                              2) bei Schleppzügen: des arithmetischen Mittels aus der Summe der grössten
                                 										eingetauchten Querschnitte sämmtlicher Schiffe.
                              Diagramm I.
                              1) Bei Fahrgeschwindigkeiten von 0,7 bis 1,2 m/Sec. darf ein Schiff im Schleppzuge,
                                 										wenn es denselben Widerstand wie ein gleich grosses Einzelschiff erfahren soll,
                                 										nur mit 62 bis 92 Proc., im Mittel mit 77 Proc. der Geschwindigkeit des
                                 										Einzelschiffes fahren, wenn n = 4–5 ist.
                              2) Wenn der Wasserquerschnitt gleich oder grösser als der 6fache grösste
                                 										eingetauchte Schiffsquerschnitt ist, so ist der Widerstand im Zuge nicht mehr
                                 										merklich grösser als jener des Einzelschiffes.
                              3) Für n = 4, wie es bei Kanälen meist gegeben ist,
                                 										darf die Geschwindigkeit des Schleppzuges nur 62 Proc. der Geschwindigkeit des
                                 										Einzelschiffes betragen, wenn der Widerstand gleicher Schiffe gleich sein
                                 										soll.
                              Diagramm II enthält dieselben Versuchsresultate wie 1, nur in anderer Weise
                                 										aufgetragen.
                              Diagramm II.
                              Wenn dasselbe Schiff im Schleppzuge und allein mit gleicher Schnelligkeit fährt,
                                 										so ist der Schiffswiderstand im ersteren Falle etwa um 30 Proc. grösser als beim
                                 										Einzelschiff.
                              Erläuterung: Die ausgezogenen Linien beziehen sich auf
                                 										Schleppzüge von etwa drei Schiffen, die punktirten Linien auf Einzelschiffe.
                              
                           Es erübrigt noch, die neueren Vorschläge für die Fortbewegung von Kanalschiffen einer
                              									kurzen Betrachtung und Würdigung zu unterziehen. Gegen das System des Schiffszuges
                              									durch Locomotiven vom Ufer aus machten sich vor allem die Bedenken geltend,
                              									dass die Anlagekosten für die Eisenbahn hoch sind und dass die plötzlichen
                              									Höhenänderungen an den Kammerschleusen ungünstige Neigungsverhältnisse für die Bahn
                              									bedingen. Ausserdem ist zu erwähnen, dass diese Art der Fortbewegung, wenn auch nur
                              									die Kraft kleiner Locomotiven ausgenützt werden soll, nur für Schleppzüge angewendet
                              									werden kann. Dieser Vorschlag setzt also voraus, dass Schleppzüge überhaupt
                              									verwendbar sind.
                           Die königl. preussische Regierung hat auch mit diesem System eingehende Versuche
                              									anstellen lassen. Die Versuchsstrecke war 5 km lang und befand sich 4 Monate lang in
                              									Betrieb. Um das System unter schwierigen Verhältnissen zu erproben, hatte man eine
                              									Strecke mit möglichst vielen Krümmungen gewählt. Da sich das Anbringen des Zugseiles
                              									direct an der Maschine wegen der schiefen Zugrichtung als ungünstig erwies, wurde
                              									noch ein besonderer Zugwagen eingeschaltet. Was den Betrieb selbst in technischer
                              									Hinsicht betrifft, so fielen die Versuche günstig aus. Es kam weder Betriebsstörung
                              									noch Unfall vor, nur zeigte sich, dass man die Züge nicht zu lang machen dürfe, weil
                              									in diesem Falle die Steuerung der letzten Schiffe unsicher wurde. Als zweckmässigste
                              									Geschwindigkeit stellte sich die von 1 m/Sec. heraus.
                           Leider sind aber sowohl die Anlage- als auch die Betriebskosten zu hoch. Letztere
                              									betrugen etwa 0,7 Pf./tkm, also fast das Dreifache dessen, was ein gut eingerichteter Pferdezug
                              									kostet. Dieser Umstand dürfte den Schiffszug vom Ufer aus in dieser Form unmöglich
                              									machen.
                           In Frankreich war diese Zugweise auf einigen Kanälen praktisch eingeführt. Man
                              									verwendete Locomotiven von 14 t Dienstgewicht, die mit 0,4 m/Sec.
                              									Geschwindigkeit in der Regel zwei Schiffe zogen. Die Schleppreise betrugen 0,22 Pf./tkm, waren
                              									aber offenbar viel zu nieder, weil die Gesellschaft bald in Liquidation treten
                              									musste.
                           Ein anderer Vorschlag geht dahin, dass längs der Kanalufer, und zwar auf jedem Ufer
                              									in entgegengesetzter Richtung, auf Rollen oder ähnlichen Stützpunkten ein von einer
                              									feststehenden Maschine bewegtes Seil ohne Ende läuft und dass die Kanalschiffe sich
                              									an dieses Seil – das Wandertau – anhängen und von demselben fortziehen lassen.
                           Dieses System soll in Frankreich zur Anwendung auf einer Versuchsstrecke in Aussicht
                              									genommen sein.
                           Die preussische Regierung hat diese Zugsweise während einer Zeit von 5 Monaten auf
                              									einer 4,5 km langen Kanalstrecke eingehend geprüft. Die Bewegung des Seiles wurde
                              									durch zwei Locomobilen von zusammen 28  vermittelt. Als grösste
                              									Schwierigkeit erwies sich die Befestigung der Zugseile an dem Wandertau, und zwar
                              									besonders wegen der Drehungen dieses Taues, welche bei Spannungsänderungen und
                              									Betriebsunterbrechungen eintreten und mit solcher Kraft wirken, dass sie die
                              									Zugseile aufwickeln und dadurch die Schiffe an das Land ziehen.
                           Ein anderer Nachtheil liegt darin, dass der Nutzeffect mit wachsender Betriebslänge
                              									rasch abnimmt; derselbe beträgt bei
                           
                              
                                   5
                                 km
                                 Länge
                                 60
                                 Proc.
                                 
                              
                                 10
                                 „
                                 „
                                 35
                                 „
                                 
                              
                                 20
                                 „
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                           der angewendeten Maschinenkraft.
                           Unökonomisch erscheint der Umstand, dass das Wandertau auch dann in Betrieb gehalten
                              									werden muss, wenn nur wenige oder keine Schiffe dasselbe benützen.
                           
                           Als zweckmässigste Geschwindigkeit erwies sich die von 0,8 m/Sec.; grösser
                              									als 1 m/Sec. kann
                              									dieselbe jedenfalls nicht werden, weil sonst der Geschwindigkeitsunterschied
                              									zwischen Wandertau und anzuhängendem Schiffe zu gross und das Anhängen schwierig
                              									wird.
                           Die Schleppkosten stellen sich nach den deutschen Versuchen auf 0,17 Pf./tkm, nach
                              									französischen Angaben sogar nur auf 0,14 Pf./tkm. Diese verlockenden Zahlen setzen indessen, wie
                              										Fig. 9 zeigt, grossen Güterverkehr voraus.
                              									Mindert sich dieser, so steigen die Schleppkosten sehr rasch. Da es indessen nicht
                              									unwahrscheinlich ist, dass die jetzt noch bestehenden Nachtheile dieses Systems ganz
                              									oder theilweise durch Verbesserungen aufgehoben werden, kann man den Schiffszug
                              									durch das Wandertau jedenfalls als vielversprechend bezeichnen.
                           Der Vortragende kommt nun zu den Versuchen, die Fahrt an der Kette auf künstlichen
                              									Wasserstrassen allgemein zur Anwendung zu bringen.
                           Bekanntlich liegt ein Hauptnachtheil der Fahrt an der Kette auf fliessenden Gewässern
                              									darin, dass die Kette in der Regel nur auf der Bergfahrt ausgenützt wird. Dieser
                              									Nachtheil fällt auf Kanälen ganz weg, da hier ein Unterschied in der Strömung bei
                              									Berg- und Thalfahrt im Allgemeinen nicht besteht, somit die Kette in beiden
                              									Fahrtrichtungen gleichmässig verwerthet werden kann. Noch ein anderer Umstand ist
                              									der Schleppschiffahrt auf Kanälen günstig. Die Fahrt an der Kette ist nämlich dort
                              									am vortheilhaftesten, wo der Zugkraftbedarf sehr gross wird. Grosse Zugkraft ist nun
                              									besonders dann nothwendig, wenn das Gefälle sehr stark oder wenn der
                              									Wasserquerschnitt sehr klein ist. Letzteres trifft bei fast allen künstlichen
                              									Binnenwasserstrassen zu. Wir finden deshalb auch auf französischen Kanälen vielfach,
                              									besonders an schwierigen Stellen, wie Tunnels mit sehr verengtem Wasserquerschnitt,
                              									die Kettenschleppschiffahrt in Zügen mit Vortheil verwendet, aber nur für einzelne
                              									Haltungen. Der Grund, weshalb man diese Beförderungsart nicht auf durchlaufende
                              									Kanallinien übertrug, liegt darin, dass auf den meisten Kanälen die Haltungen so
                              									kurz sind, dass Schiffszüge unmöglich werden. Will man also die Kettenschiffahrt auf
                              									durchgehende Kanallinien mit Kammerschleusen und Hebewerken anwenden, so liegt meist
                              									die Aufgabe vor, das einzelne Schiff an der Kette fortzubewegen. Die Lösung dieser
                              									Aufgabe ist deshalb nicht leicht, weil einzelne Schiffe nur einer geringen
                              									motorischen Kraft bedürfen, diese Kraft aber gerade auf Kanälen sehr billig sein
                              									muss.
                           Die Dampfkraft ist bekanntlich bei der Anwendung in kleinem Maasstabe theuer, ein
                              									Umstand, der es vollkommen erklärt, dass das in Frankreich vorgeschlagene System,
                              									welches die einzelnen Fahrzeuge vorübergehend mit Locomobilen versehen wollte,
                              									welche die Ketten trommeln in Bewegung setzten, nicht über ein Stadium der Versuche
                              									hinaus gelangte.
                           Verbesserungen bietet der Vorschlag, kleine, leicht transportable Erdöl- oder
                              									Elektromotoren für die Dauer der Fahrt auf den einzelnen Fahrzeugen anzubringen.
                              									Diese Maschinen bewegen die Kettentrommel und dadurch das Schiff. Die Elektromotoren
                              									erhalten den erforderlichen Speisestrom von einer Uferleitung aus durch Contactwagen
                              									o. dgl. Die Adhäsion zwischen Kette und Trommel wird hier noch auf mechanischem Wege
                              									durch Reibung erzielt.
                           Bemerkenswerth ist, dass die königl. preussische Regierung wegen grosser
                              									Bedenken gegen dieses Zugsystem von praktischen Versuchen mit demselben absah.
                           Galliot schlug ein Project für Einführung der
                              									elektrischen Kettenschiffahrt in der Scheitelhaltung des Kanals von Burgund vor.
                              									Dasselbe wurde später ausgeführt und wirkte, wie Oberingenieur Hirsch berichtete, auf die Regelmässigkeit im
                              									Kanalbetriebe sehr vortheilhaft ein. Leider schweigt der Bericht über die
                              									Betriebskosten vollständig.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 261
                              Fig. 7.Querschnitt einer magnetischen Touagerolle nach de Bovet.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 261
                              Fig. 8.Steigerung des Schiffswiderstandes bei zunehmender
                                 										Fahrgeschwindigkeit.
                              
                           
                              
                              Die Ordinaten geben den Schiffswiderstand in k für 1 qm des grössten
                                 										eingetauchten Schiffsquerschnittes. Die Versuche wurden in demselben Kanalprofil
                                 										(29,53), bei verschiedenen Tauchtiefen 1,00 m (n =
                                 										5,9), 1,30 m (n = 4,52) und 1,60 m (n = 3,68) vorgenommen.
                              Zum Vergleich ist der Zugwiderstand des gleichen Fahrzeuges im offenen Strom (n = ∞) durch die gestrichelte Linie angegeben.
                              Die Curven legen dar, dass auf Kanälen eine wesentliche Steigerung der
                                 										Fahrgeschwindigkeit über 1 m/Sec. hinaus ungünstig wirkt und der Natur dieser
                                 										Verkehrswege mit engem Wasserquerschnitt widerspricht.
                              Maasstab der Abscissen:
                              6 mm = 0,25 m/Sec.
                              Maasstab der Ordinaten:
                              0,6 mm = 1 k/qm.
                              
                           Von der Société du touage de la Seine inférieure et de
                                 										l'Oise wurden mehrfache Versuche angestellt, um Dampf oder comprimirtes
                              									Wasser zur Fortbewegung einzelner Schiffe an der Kette nutzbar zu machen. Alle aber
                              									erwiesen sich als fruchtlos, bis de Bovet, der Director
                              									genannter Gesellschaft, an Stelle der mechanischen Reibung zwischen Kette und
                              									Trommel die magnetische Adhäsion anwendete (Fig. 7).
                              									Er ordnete eiserne Rollen an, welche durch elektrische Ströme stark magnetisirt
                              									werden, so dass eiserne Ketten fest an dem Rollenumfange haften. Wird nun eine
                              									derartige Rolle durch irgend eine äussere Kraft gedreht, so wird die Kette an der
                              									Rolle aufgewunden und dadurch das Schiff fortbewegt. *
                           Praktische Versuche lieferten überraschend günstige Resultate. Bei 3700
                              									Ampèrewindungen und einem Strom von 48 Ampère bei 70 Volt, der durch eine Maschine
                              									von 4,5  erzeugt wurde, nahm eine schadhafte, alte Kette einen Zug von 6500
                              									k auf, wenn sie eine Rolle von 1 m Durchmesser auf drei Viertel des Umfanges
                              									berührte. Zur Beurtheilung dieser Zahl sei angefügt, dass z.B. Finowkanalschiffe von
                              									4,6 m Breite und 1,75 m Tiefgang mit 175 t Ladung bei 0,9 m/Sec.
                              									Fahrgeschwindigkeit einen Zugwiderstand von etwa 300 k leisten, während bei gleicher
                              										Geschwindigkeit
                              									Kähne von 1000 t Tragfähigkeit, bei 8 m Breite und 2,25 m Tiefgang einer Zugkraft
                              									von etwa 1500 k bedürfen. Es kann also die durch 4,5  erzeugte magnetische
                              									Adhäsion den Zugwiderstand von etwa 22 Finowkanalschiffen und von mehr als vier
                              									1000-t-Kähnen aufnehmen.
                           Der Vortheil dieses Systems liegt vor allem darin, dass die an der Rolle
                              									aufgewickelte Kettenlänge sehr gering ist und nur etwa drei Viertel des
                              									Rollenumfanges beträgt, wodurch das sogen. Wandern der Kette sehr vermindert und die
                              									Möglichkeit, die Kette rasch abwerfen zu können, wesentlich erhöht wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 302, S. 262
                              Fig. 9.Abhängigkeit der Schleppkosten vom Gesammtverkehr.
                              
                           Was nun die Bewegung der magnetisirten Rolle betrifft, so kann diese entweder – bei
                              									grossen Verhältnissen – durch Dampf erfolgen oder man wird bei der Bewegung
                              									einzelner Schiffe eine Kraft anwenden, welche in grossen Centralen billig erzeugt
                              									und nach Bedarf an verschiedene, bewegliche Verbrauchsstellen vertheilt werden kann.
                              									Diesen Forderungen entspricht am besten die elektrische Kraftübertragung.
                           Auf solchen Kanälen, welche Schleppzüge nicht zulassen, ist bei diesem System somit
                              									jedes einzelne Schiff mit einem kleinen, leicht anzubringenden und zu beseitigenden
                              									Elektromotor zu versehen, welcher eine magnetische Kettenrolle in Bewegung setzt.
                              									Die Stromzuführung zu Motor und Rolle erfolgt von einer Uferleitung aus. Eventuell
                              									könnten auch Accumulatoren in Frage kommen.
                           Nach Molinos hat das Project der magnet-elektrischen
                              									Kettenschiffahrt für einen Kanal mit starkem Verkehr ergeben, dass dieses System
                              									eine merkliche Vergrösserung der Geschwindigkeit und eine geringe Verbilligung der
                              									bisherigen Frachtkosten gewähren würde. Ein allgemeines Urtheil desselben Ingenieurs
                              									über die von den. neueren Schiffzugssystemen auf Kanälen zu erwartenden Vortheile
                              									dürfte hier noch von Interesse sein. Mit wenigen Worten lässt sich dasselbe dahin
                              									zusammenfassen: Grössere Billigkeit als beim gut eingerichteten Pferdezug scheint
                              									schwer erreichbar zu sein, wohl aber grössere Regelmässigkeit und grössere
                              									Geschwindigkeit.
                           Vergleicht man nun die verschiedenen Zugsysteme hinsichtlich ihrer wichtigsten
                              									Eigenschaften, so ergibt sich Folgendes: Die grösste Billigkeit verspricht nach den
                              									vorliegenden Erfahrungen bei sehr starkem Verkehr das Wandertau. Etwa gleichwertig
                              									hinsichtlich der Zugkosten dürften elektromagnetische Ketten Schiffahrt, Ketten
                              									Schleppschiffahrt und gut eingerichteter Pferdezug sein. Geradezu unmöglich
                              									wegen der hohen Betriebskosten ist der Locomotivzug.
                           Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass dies nur bei starkem Verkehr gilt. Fig. 9 zeigt, dass sämmtliche neueren Zugsysteme nur
                              									dann billig sind, wenn der jährliche Gesammtverkehr sehr gross ist. Wird dieser
                              									kleiner, so steigen die Zugkosten rasch, und zwar in einem Maasse, dass bei einem
                              									Verkehr, der 1000000 t im Jahre nicht erreicht, an die Anwendung des Wandertaues und
                              									der elektrischen Zugsweisen nicht gedacht werden kann. Die Kettenschleppschiffahrt
                              									ist etwas weniger abhängig von der Verkehrsgrösse. Verhältnissmässig unabhängig von
                              									der Grösse des Verkehrs sind dagegen die älteren Zugsarten durch Pferde und durch
                              									Remorqueure, weil beide keine umfangreichen Nebenanlagen erfordern und die
                              									Möglichkeit bieten, bei zu- oder abnehmendem Verkehre die Zahl der Motoren dem
                              									Bedarfe anzupassen. Hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit haben die Versuche
                              									übereinstimmend ergeben, dass dieselbe am zweckmässigsten bei allen neueren Systemen
                              									0,8 bis 1,0 m/Sec.
                              									beträgt, während sie beim Pferdezug 0,7 m/Sec. nur selten überstieg. Fragt man nach der
                              									Möglichkeit, eine centrale, also billige Kraftquelle zu benützen, so dürften in
                              									erster Linie die elektrischen Zugsmethoden stehen, da bei ihnen die
                              									Entfernungsverluste viel geringer sind als beim Wandertau. Sind Schleppzüge
                              									zulässig, so befördern auch Kettenschiffe und grosse Remorqueure billig.
                           Sehr wichtig ist ferner die Frage, ob das Fahrzeug die Zugkraft jederzeit rasch in
                              									Benutzung nehmen und bei Bedarf ebenso wieder abgeben kann. In dieser Hinsicht
                              									entspricht am meisten die magnetelektrische Touage, die sofortiges Ingangsetzen und
                              									Halten, sowie rasches Abwerfen der Kette gestattet.
                           Ferner bedarf der Umstand der Erwähnung, ob der Motor für die Dauer der Fahrt
                              									beibehalten werden kann oder öfters gewechselt werden muss. Ersteres lässt sich bei
                              									den verschiedenen Arten der Kettenschiffahrt ermöglichen, sowie bei dem Schleppen
                              									durch Remorqueure. Das Wandertau dagegen verlangt bei der beschränkten Länge der
                              									einzelnen Seilstrecken den öfteren Uebergang des Schiffes von dem einen Seil auf das
                              									nächste.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)