| Titel: | Die Zukunft der Elektricität im Eisenbahnbetriebe. | 
| Fundstelle: | Band 302, Jahrgang 1896, S. 281 | 
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                        Die Zukunft der Elektricität im
                           								Eisenbahnbetriebe.
                        Die Zukunft der Elektricität im Eisenbahnbetriebe.
                        
                     
                        
                           Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht Dr. Louis Ducan
                              									im Junihefte des Journal of the Franklin Institute, S.
                                 									401, seine jüngsten Anschauungen über die voraussichtliche künftige Rolle des
                              									elektrischen Betriebes bei den Eisenbahnen, welchen Artikel wir nachstehend
                              									wiederbringen, nicht bloss des actuellen Gegenstandes halber, sondern auch mit
                              									Rücksicht auf mancherlei unterrichtende Einblicke, welche diese Darlegungen über die
                              									in Amerika für Beurtheilung von Eisenbahnfragen maassgebenden Gesichtspunkte
                              									darbieten.
                           Schon früher einmal erörterte ich an dieser StelleJournal of the
                                       												Franklin Institute vom 17. Januar 1896, Nr. 846. die
                              									Verwendbarkeit der Elektricität als Ersatz der Dampfkraft bei Eisenbahnen und
                              									versuchte unter gewissenhafter, eingehender Prüfung der neuesten Fortschritte auf
                              									dem Gebiete der elektrischen Traction festzustellen, ob dieser Betriebsweise oder ob
                              									den Dampfbahnen die günstigeren Aussichten für die Zukunft zuzusprechen seien. Ich
                              									kam dabei für die Dampfbahnen zu einem keineswegs sehr hoffnungsvollen Schlusse.
                              									Gleichwohl steht bisher die Thatsache fest, dass der mit Eisenbahnen zu erzielende
                              									Gewinn, hüben wie drüben, ein geringer ist, und dass bei zahlreichen elektrischen
                              									Bahnen sich die Erträgnisse trotz des billigeren Trolleybetriebes noch ungünstiger
                              									herausstellen, als bei ihren Dampfrivalinnen. Immerhin bleibt die Frage eine
                              									natürliche, warum denn die Dampf bahnen den elektrischen Betrieb, wenn er wirklich
                              									weniger kostspielig ist, nicht glattweg annehmen? Es erklärt sich dies durch den
                              									Umstand, dass man vorläufig noch nicht so weit ist, die drei Formen des
                              									Eisenbahnverkehres, nämlich den Güterverkehr, den Localverkehr und den Fernverkehr
                              									für Reisende auf
                              									ein und derselben elektrischen Linie gleichzeitig durchführen zu können.
                           Um hierüber eine klare Einsicht zu gewinnen, muss vorerst untersucht werden,
                              									inwieweit die genannten drei Arten des Eisenbahntransportes ein Ergebniss der
                              									Eigenthümlichkeiten der Dampflocomotiven und inwieweit sie gleichsam ein natürliches
                              									System sind, das von der Art des Motors unabhängig ist. In den Vereinigten Staaten
                              									beläuft sich der Güterverkehr auf das Zwei- bis Dreifache des gesammten
                              									Personenverkehrs und im grossen Ganzen bezahlt er sich auch besser. Ein Blick auf
                              									den Jahresbericht irgend einer Bahngesellschaft lässt unschwer und sofort erkennen,
                              									dass der Güterverkehr der ertragsreichere und also vom Standpunkte des
                              									Eisenbahnmannes der befriedigendere ist. Erstens, da die Güterzüge lang sein können
                              									und langsam fahren dürfen, stellt sich bei ihnen der Kraftaufwand für die
                              									Beförderung der Gewichtseinheit im Vergleiche mit jenem bei Personenzügen, die kurz
                              									sind und schnell fahren müssen, wesentlich geringer; zweitens ist auch das
                              									Verhältniss der bezahlten, ein Erträgniss abwerfenden Last gegenüber dem
                              									Gesammtgewichte der Züge bei den Güterzügen weitaus günstiger als bei Personenzügen.
                              									In einer Reihe von Jahresberichten der Pennsylvania-Bahn erscheint das
                              									durchschnittliche Gewicht der beförderten Güter stets namhaft grösser als die Hälfte
                              									des Gesammtgewichtes der betreffenden Züge. Im Personenverkehr hingegen stellt sich
                              									das Verhältniss von Zuggewicht zum Gewichte der Reisenden nie über 50 zu 1, und wenn
                              									also das allgemeine durchschnittliche Verhältniss mit 60 oder gar mit 70 zu 1
                              									angenommen würde, dürfte dies der Wahrheit ziemlich nahe kommen. Hinsichtlich des
                              									Frachttransportes, bei welchem Zeitersparnisse verhältnissmässig von geringem Belang
                              									sind, lässt es sich leicht berechnen, welche Fahrgeschwindigkeit das günstigste
                              									Ergebniss liefert, nämlich welche Geschwindigkeit es ermöglicht, eine gegebene
                              									Tonnenzahl mit den geringsten Kosten für die Wegeinheit zu befördern. Allein beim
                              									Personenverkehr gestalten sich Vorausberechnungen weit schwieriger, weil die
                              									Verhältnisse der Dinge sehr ungleich liegen und es bei der derzeitigen, mit allen
                              									Mitteln arbeitenden Concurrenz nicht allein auf die billigste, sondern auch auf die
                              									schnellste und bequemste Beförderung ankommt. Es unterliegt durchaus keinem Zweifel,
                              									dass die grosse Fahrgeschwindigkeit der Expresszüge, wie solche z.B. zwischen New
                              									York und Chicago verkehren, den betreffenden Bahngesellschaften ganz
                              									ausserordentliche Kosten verursachen. Abgesehen von dem Kraftaufwand, welcher
                              									lediglich von dem bei grossen Fahrgeschwindigkeiten so beträchtlichen
                              									Luftwiderstande aufgezehrt wird, ist die Abnutzung des rollenden Materials und der
                              									Fahrbahn eine gesteigerte und grosse; kein directes Erträgniss abwerfende Lasten,
                              									d.h. Wagen, die in Betreff der Raumvertheilung und ihres Gewichtes die Grenzen des
                              									Nothwendigen weit überschreiten, müssen mitgeschleppt werden, gerade nur, um der
                              									Bequemlichkeit der Reisenden entgegenzukommen. Und dennoch trachten alle Eisenbahnen
                              									danach, die Fahrzeiten ihrer Personenzüge zu verkürzen, da es eben ausser Frage
                              									steht, dass die Reisenden nur jene Strecken bevorzugen, welche die rascheste
                              									Beförderung gewährleisten.
                           Bei den bisherigen Dampflocomotivbahnen erweist sich das Verhältniss der drei oben
                              									genannten Transportarten, Güterverkehr, Local- und Fernverkehr für Personen,
                              									nachfolgend: Localzüge verkehren dicht hinter einander nur auf kurzen Strecken
                              									zunächst oder zwischen angrenzenden, stark bewohnten Centren; Expresszüge fahren
                              									weite Strecken, aber sie folgen sich in verhältnissmässig langen Zeitabständen; die
                              									Güterzüge endlich werden dazwischen eingeschoben, sei es nach regelmässigen
                              									Fahrplänen, sei es nach Gelegenheit und Bedarf. Diese Art der Ausnutzung stimmt ganz
                              									trefflich zu den wirthschaftlichen Bedingungen für Dampfbahnen. Auch gilt für
                              									sämmtliche drei Beförderungsformen im Allgemeinen dieselbe Sparsamkeitsregel,
                              									nämlich die Züge so lang als möglich zu machen und dazu möglichst wenig Maschinen zu
                              									verwenden. Der Dampfbetrieb gewährt demnach den grossen Vortheil, dass auf denselben
                              									Gleisen alle Verkehrsformen neben einander bestehen können, zudem unter denselben
                              									wirthschaftlichen Hauptbedingungen. Nur auf ganz wenigen, ganz ausnahmsweise stark
                              									benutzten Dampfbahnen hat sich im Laufe der Zeit die Notwendigkeit ergeben, das
                              									Doppelgleis doppelt, d.h. vier Gleise anzulegen; ein verschwindend kleiner
                              									Procentsatz von der Gesammtlänge der Eisenbahnen.
                           Dementgegen liegen die Geschäftsbedingungen bei elektrischen Bahnen wesentlich
                              									anders. Wollte man vorerst der Frage des Güterverkehrs näher treten, so drängt sich
                              									in erster Linie die schon oben einmal erwähnte Thatsache auf, dass zur Erzielung der
                              									äussersten Sparsamkeit Züge von grösstmöglichstem Gewicht von einer Maschine gezogen
                              									werden sollten. Eben deshalb gingen ja auch die Bestrebungen aller grösseren
                              									Dampflocomotiveisenbahnen in den letzten Jahren dahin, die Leistungsfähigkeit der
                              									Zugsmaschinen zu steigern und die Länge der Züge, sowie die Tragfähigkeit der Wagen
                              									zu erhöhen. In Folge dessen sind auch solidere und kostspieligere Gleisanlagen,
                              									insbesondere schwerere Schienen und allgemeine Verstärkungen an Brücken und
                              									sonstigen Unterbauobjecten nöthig geworden. Allerdings waren die daraus erwachsenen
                              									Auslagen ausserordentlich gross, allein die später bei der Frachtenbeförderung
                              									erzielten Ersparnisse beweisen deutlich, wie klug diese Opfer angebracht gewesen
                              									sind. Auf einer der längeren Dampfeisenbahnen, welche alljährlich sorgsam abgefasste
                              									statistische Ausweise veröffentlicht, findet sich, dass die Beförderungskosten für
                              									die Tonne und Meile im J. 1870 noch 1,15 Cent betragen haben, während sie sich 1890
                              									nur auf 0,56 Cent beliefen. Auf einer anderen Bahnlinie stellten sich die Kosten für
                              									die Tonnenmeile im J. 1864 auf 1,9, im J. 1893 nur auf 0,447 Cent. Die beförderte
                              									Tonnenzahl für die Zugmeile belief sich bei der erstgedachten Bahn 1870 auf nur 103,
                              									im J. 1890 schon auf 226 und 1895 auf 256. Wollte man versuchen, denselben Verkehr
                              									unter den gleichen Gesichtspunkten und Betriebsgrundsätzen mit elektrischen
                              									Locomotiven zu bewältigen, die von entfernter Centralkraftstation gespeist würden,
                              									so liegt ohne weiteres klar zu Tage, dass sich schwere wirthschaftliche Nachtheile
                              									ergeben müssten, zufolge der unvermeidlich äusserst ungleichen Vertheilung der Last
                              									entlang der Strecke. Würde man beispielsweise annehmen, je zwei Kraftstationen hätten gemeinsam die zwischenliegende Strecke mit
                              									Energie zu versehen, so müsste jede von ihnen, eine gleichmässige Vertheilung der
                              									Belastung in der Stromzuführung vorausgesetzt, mindestens die Hälfte der im Ganzen
                              									für den Normalverkehr erforderlichen Energie zu leisten im Stande sein; sollte
                              									jedoch für die einzelnen Strecken immer nur je eine
                              									Kraftstation vorhanden sein, so muss diese allein das volle Maass der normalen
                              									Betriebskraft zu liefern vermögen. Hört aber die Belastung auf, eine gleichmässige
                              									zu sein, und drängt sich an irgend einer Stelle der Verkehr derart, dass eine
                              									aussergewöhnliche Anzahl schwerer Züge in einer Theilstrecke zusammenkommen, dann
                              									würden sich die Normalleistungen der betreffenden Kraftstationen als unzulänglich
                              									erweisen, oder mit anderen Worten: sollen die Kraftstationen, gleichgültig ob nur
                              									eine oder ob zwei gemeinsame Stationen die Strecke besorgen, für alle Fälle genügen,
                              									so muss ihre Leistungsfähigkeit weit über den regulären Bedarf hinausreichen. Würde
                              									man sich entschliessen, die elektrische Energie auf weitere Entfernungen zu
                              									übertragen und eine Reihe von Strecken von einer einzigen Kraftstation etwa mit
                              									Phasenstrom zu versorgen, indem längs der Linie Transformatoren in Verwendung
                              									gebracht werden, so braucht allerdings die Kraftstation lediglich für den normalen
                              									Bedarf der von dort besorgten Gesammtlinie eingerichtet zu sein, allein die
                              									Transformatoren der Theilstrecken müssten doch wieder für die oben erwogenen
                              									aussergewöhnlichen Verkehrsverhältnisse ausreichen und zu dem Ende eine
                              									Leistungsfähigkeit erhalten, welche das durchschnittliche Bedürfniss weit
                              									überschreitet.
                           Wenn wir den elektrischen Betrieb mit dem der Dampflocomotiveisenbahnen in Vergleich
                              									ziehen wollen, müssen wir uns stets klar bewusst bleiben, dass jede Abweichung von
                              									einer gleichmässigen Vertheilung der Last entlang der Strecke beides, nämlich sowohl
                              									die Kosten der Einrichtung als die des Betriebes nennenswerth erhöhen wird. Um also
                              									überhaupt die Beförderung von Gütern mittels Elektricität rationell durchführen zu
                              									können, gibt es nur drei Wege, entweder müssen kleinere Züge verwendet oder es muss
                              									eine billige Vertheilungsmethode erfunden, oder endlich es muss die elektrische
                              									Energie am Zuge selbst erzeugt werden. Wird die Länge der Züge gekürzt, so muss
                              									dafür ihre Zahl vermehrt werden und damit vermehrt sich gleichzeitig die Zahl der
                              									Zugführer und im gewissen Maasse auch die der Bremser; ausserdem erhöhen sich die
                              									ersten Einrichtungskosten und ebenso späterhin die Erhaltungskosten der Motoren. Die
                              									Erhöhung dieser Posten wird zum Theile auch noch von der gewählten Zahl der
                              									Stromzuführungsunterabtheilungen abhängen. Dagegen werden durch die Verwendung von
                              									Zügen geringeren Gewichtes die Kosten der Kraftstationen und der
                              									Streckeneinrichtungen, sowie der Bahnverwaltung herabgemindert. Was die Methode der
                              									Vertheilung anbelangt, von welcher eine glückliche Lösung des Problems erhofft
                              									werden kann, so scheint dies ausschliesslich nur mit Hilfe eines Wechsel- oder
                              									Mehrphasenstromes erreichbar zu sein, der an der Erzeugungsstelle hochgespannt und
                              									durch Transformatoren, welche direct an den Locomotiven angebracht sind, wieder für
                              									die Verwendung im Motor entsprechend abgespannt wird. Derartige Durchführungen
                              									bieten jedoch in der Praxis ganz ausserordentliche Schwierigkeiten, die zu bekämpfen
                              									bisher nicht gelungen ist. Was schliesslich die elektrischen Locomotiven ohne
                              									Stromzuführung betrifft, so müssen dieselben die erforderliche Energie entweder
                              									mitzuführenden Speicherbatterien entnehmen, etwas, das für den Güterdienst der
                              									Eisenbahnen derzeit gar nicht erst in Erwägung gezogen werden kann, oder sie müssen
                              									als fahrende Kraftstationen eingerichtet sein, wie die Heilmatm'sche Locomotive, mit der man in Frankreich Versuche gemacht
                              									hat. Auch diese letztere Form kann aus naheliegenden, hauptsächlich
                              									wirthschaftlichen Gründen vorläufig nicht ernstlich in Betracht kommen. Damit wäre
                              									also die erste Ueberprüfung der Chancen des Gütertransportes abgethan und es kann
                              									nun zu jener des Localverkehrs übergegangen werden.
                           Ein idealer Localverkehr müsste sich auf ein System aufbauen, welches darin bestünde,
                              									dass zur Verbindung nahe an einander liegender Städte oder Stadttheile und Vororte
                              									ein eigenes Gleisnetz ausgeführt sei, welches das ganze in Frage kommende Gebiet
                              									sowohl der Länge als Breite nach so oft mal durchquert, als es die örtlichen
                              									Bedürfnisse erheischen, und das von einer continuirlichen Zugsreihenfolge befahren
                              									wird. Dass der elektrische Betrieb die Verwirklichung eines solchen idealen
                              									Localverkehrs im vollendetsten Maasse zu gewährleisten vermag, liegt auf der Hand.
                              									Auch was den gewöhnlichen Expressdienst anbelangt, so kann derselbe ebenfalls
                              									mittels des elektrischen Betriebes geleistet werden, da es keiner Schwierigkeit
                              									unterliegt, Züge, aus einem oder zwei Wagen bestehend, sehr rasch in kurzen
                              									Zwischenräumen hinter einander verkehren zu lassen. Durch einen richtig angeordneten
                              									Fahrplan wird es sogar möglich sein, die Belastung auf der Strecke ziemlich
                              									gleichmässig, d. i. wirthschaftlich günstig zu vertheilen. Freilich darf nebenbei
                              									nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Ausnutzung der Leitung noch immer keine
                              									günstige sein kann, denn würden die Expresszüge, sagen wir etwa 90 Meilen (145 km)
                              									in der Stunde fahren und sich in Zeitabständen von 20 Minuten folgen, so sind die
                              									Züge bei regelmässiger Fahrt stets 30 Meilen (48 km) von einander entfernt. Für
                              									einen sparsamen Betrieb müssten die Züge noch weit näher an einander liegen, was im
                              									Fernverkehr kaum ausführbar ist. Was aber die Geschwindigkeit anbelangt, die erzielt
                              									werden könnte, lässt sich schwer eine Grenze angeben; immerhin liessen sich die
                              									Motoren für Geschwindigkeiten bis zu 120 Meilen (193 km) oder selbst bis zu 150
                              									Meilen (251 km) in der Stunde einrichten und die den Dampflocomotiven gegenüber
                              									schwächeren Ausmaasse der elektrischen Motoren würde auch einiges zur Verminderung
                              									des Luftwiderstandes beitragen. Allein wir haben den letzteren pro Gewichtseinheit
                              									des Zuges doch erhöht, weil dieser verkürzt worden ist, und so wird denn auch durch
                              									die grosse Geschwindigkeit der zur Fortbewegung des einzelnen Zuges erforderliche
                              									Kraftaufwand bedeutend erhöht. Uebrigens ist es beim Personenverkehr nicht bloss die
                              									Frage des rationellen, sparsamen Verkehrs, durch welche die äussersten Grenzen der
                              									Fahrgeschwindigkeit abhängen, sondern schliesslich doch auch die Sicherheit und
                              									Bequemlichkeit der Reisenden. Mit einem sorgfältig ausgeführten Unterbau und
                              									Schienen und Bettungen nach jetzigem Muster der Dampf locomotivenvollbahnen könnte
                              									sich mit gut und richtig gebauten elektrischen Motoren und Wagen immerhin eine
                              									Zuggeschwindigkeit von 100 Meilen (160,9 km) in der Stunde ohne unstatthafte
                              									Beeinträchtigung der Bequemlichkeit und Sicherheit erzielen lassen.
                           Wenn also der elektrische Betrieb für den Localverkehr und auch für den
                              									Expressverkehr mindestens auf Entfernungen bis zu einigen Hundert Meilen Eignung
                              									besitzt, worüber späterhin noch ausführlicher gesprochen werden soll, so hat er für
                              									den Gütertransport lediglich den einen Vortheil aufzuweisen, dass die kürzeren Züge
                              										leichter zu
                              									behandeln wären und weniger Gelegenheit für Unfälle bieten würden. Es fragt sich
                              									nur, inwieweit die drei Beförderungsformen, der Güter-, Local- und Expressverkehr,
                              									auf einer und derselben Gleisanlage abgewickelt werden können? Fürs erste ist es
                              									zweifelsohne unmöglich, Expresszüge mit Güter- und Localzügen zu vermischen, weil
                              									für den Expressverkehr, solche Zugsgeschwindigkeiten ins Auge gefasst, wie sie
                              									weiter oben angegeben wurden, unbedingt ein besonderes Gleis vorhanden sein müsste,
                              									das möglichst günstige Gefällsverhältnisse, keine Bahnüberwege im Niveau und keine
                              									scharfen Bögen haben dürfte, also kurzweg sehr kostspielig wäre. Eher könnte es
                              									angehen, unter gewissen Umständen den Güter- und Localverkehr auf denselben Gleisen
                              									abzuwickeln, wenn nämlich der letztere, ganz regelmässig durchgeführt, nur bestimmte
                              									Hauptpunkte der Stadttheile und Vororte verbindet, zwischen welche – wenn überhaupt
                              									– so wenig als möglich Haltestellen eingeschaltet sind. Keineswegs könne so gefahren
                              									werden, wie es jetzt auf gewöhnlichen elektrischen Trambahnen geschieht, wo der aus
                              									Sparsamkeitsrücksichten möglichst leicht gebaute Personenwagen an jeder
                              									Strassenkreuzung anhält, während die Güterwagen nicht stehen bleiben und doch
                              									dieselbe Fahrgeschwindigkeit haben sollten. Auch bleibt der Umstand zu überlegen,
                              									dass bei einer Vermengung des Güter- und Localverkehrs auf jede Freiheit
                              									hinsichtlich vorübergehender Fahrordnungsänderungen verzichtet werden müsste, denn
                              									solche Aenderungen wären in Anbetracht der schweren Güterwagen, die nicht leicht
                              									gebremst, d.h. schwer angehalten werden können, stets recht gefährlich. Mehr oder
                              									minder stellt sich mithin auch für die zwei zuletzt in Erwägung gezogenen
                              									Beförderungsformen das Bedürfniss nach Trennung der Gleise heraus, und würde sich
                              									dies sowohl aus Nützlichkeits- als aus Sicherheitsgründen insbesondere auf solchen
                              									Linien fühlbar machen, wo ein so starker Frachtenverkehr vorhanden ist, dass das
                              									Gleis von den vielen Güterzügen übermässig in Anspruch genommen werden müsste.
                           Alle die obigen Erwägungen, nochmals kurz zusammengefasst, führen zu nachfolgendem
                              									Schlusse: Die bisherige Gepflogenheit der Dampfeisenbahnen, verhältnissmässig
                              									schwere Züge in langen Zwischenräumen fahren zu lassen, ergibt sich aus den zwei
                              									Umständen, dass diese Einrichtung hinsichtlich des Kraftaufwandes das
                              									wirthschaftlichste ist und zugleich die geringsten Gleisanlagen erfordert. Um
                              									denselben Verkehr durch Elektricität zu bewältigen, müsste mindestens für den
                              									Expressverkehr eine besondere Doppelgleisanlage vorhanden sein, und für jene
                              									Strecken, auf welchen sich wegen grossen Güterandranges auch noch die Trennung des
                              									Frachten Verkehrs von dem Localverkehr als nothwendig herausstellt, müssen die
                              									Gleise auf sechs erhöht werden. Dampf durch Elektricität zu ersetzen, verlangt also
                              									eine grössere Aufwendung von Gleisanlagen und ebenso bei unseren jetzigen Preisen
                              									und Vertheilungsmethoden auch noch einen grösseren Aufwand von Triebkraft. Abgesehen
                              									von diesen Anschaffungen verspricht jedoch der elektrische Betrieb selber,
                              									mindestens beim Local- und Expressverkehr sich billiger zu gestalten, während eine
                              									günstige Herabminderung der Betriebskosten beim Güterverkehr erst noch von
                              									verschiedenen örtlichen Verhältnissen abhängen würde.
                           Habe ich in meiner älteren eingangs erwähnten Bearbeitung der vorliegenden Frage
                              									meine Meinung hinsichtlich des Verhältnisses der jetzigen Dampf bahnen zur
                              									Elektricität dargelegt, die Dinge so betrachtend, wie sie in Wirklichkeit bestehen,
                              									liegt es heute in meiner Absicht, zu zeigen, wie meinen Anschauungen nach sich diese
                              									Verhältnisse in nicht allzu ferner Zeit gestalten können und zuversichtlich auch
                              									gestalten werden. Erstens wird der Localverkehr – ich gebrauche diesen Ausdruck in
                              									seinem volksthümlichen Sinne, nicht im Sinne der Eisenbahnberichte – aus
                              									naheliegenden, natürlichen Gründen sehr bald vollständig durch elektrische
                              									Bahnlinien aufgesogen sein. Es ist ja ganz wesentlich billiger, Personen auf kurze
                              									Entfernungen mit Trolleybahnen als mit Dampfwagen zu befördern, und der elektrische
                              									Betrieb spricht auch dem Publicum mehr an; das Verhältniss des Gewichtsantheiles der
                              									Reisenden zur todten Last stellt sich weit günstiger als beim Dampf und die Zugkraft
                              									ist ebenfalls billiger. Für die Reisenden ist es bequem, überall und zu jeder Zeit
                              									Fahrgelegenheit zu finden, und während des grössten Theils des Jahres fährt man im
                              									Trolleywagen angenehmer als auf der russigen, übelriechenden Dampf bahn. Es steht
                              									ausser Zweifel, dass diese Vortheile und Annehmlichkeiten als natürliche Folge eine
                              									immer grössere Erweiterung der Localbahnnetze mit sich bringen wird, woraus sich
                              									Districtsbahnen entwickeln werden, welche in weitem Umkreise den Verkehr
                              									entfernterer Ortschaften oder Nachbarstädte mit den Centren besorgen. Ein ganz
                              									bedeutender Vortheil der Elektricität liegt auch in der Thatsache, dass als
                              									Zugführer nicht erst besondere Fachleute angestellt zu werden brauchen, sondern dass
                              									jeder gewöhnliche, denkende Arbeiter hierzu genügt, da die ganze Treibmaschine,
                              									besonders wenn gewisse Motorconstructionen angewendet werden, von einer geradezu
                              									idealen Einfachheit sind und nur eine äusserst geringe Wartung und Unterhaltung
                              									bedürfen. Für elektrische Localbahnen lassen sich überdies leichtere Schienen
                              									verwenden, ebenso genügt ein leichterer Unterbau und die Steigungs- und
                              									Richtungsverhältnisse der Gleise sind weniger strengen Einschränkungen unterworfen.
                              									Zur klugen, weitgehendsten Ausnutzung aller dieser Vortheile sollte allerdings jedes
                              									Project für elektrische Bahnanlagen erst auf das sorgsamste vorgeprüft und genau
                              									überlegt werden.
                           Wie sehr übrigens die oben ausgesprochene Idee von elektrischen Districtsbahnen
                              									berechtigt ist und der Verwirklichung nahe liegt, zeigt beispielsweise die
                              									Ausführung von fünf Vorortbahnen, welche die Stadt Cleveland als Mittelpunkt haben
                              									und grösstentheils bereits ausgeführt sind, theils soeben vollendet werden. Davon
                              									verbindet die 23 Meilen lange Ostlinie die Stadt Painersville und das Strandgebiet
                              									mit Cleveland; die Südlinie kommt von Akron und hat mehr als 30 Meilen Länge; eine
                              									südöstliche, ungefähr 9 Meilen lange Linie geht nach Berea und gegen Westen zweigt
                              									eine Linie von 20 Meilen nach Elyria, dem Hauptorte von Lorain County, ab. Derzeit
                              									endigen diese Bahnen an den Stadtgrenzen von Cleveland und sie hängen hinsichtlich
                              									der Weiterbeförderung ihrer Reisenden in das Stadtinnere von zwei älteren
                              									elektrischen Strassenbahnen ab. Ausser kleinen Packeten wurden bisher keine Güter
                              									befördert, indessen beabsichtigt man, sobald in der Stadt selbst Bahnhöfe gesichert
                              									sein werden, einen grossen Theil der Landproducte in Körben, Kisten oder Ballen zu
                              									befördern. Die Wagen sind daselbst genau so lang, wie gewöhnliche Eisenbahnwagen und
                              									haben nebst den
                              									Abtheilungen für Reisende auch solche für Gepäck und Frachten. Kürzlich haben sich
                              									die fünf Bahnen zu einer einzigen Gesellschaft vereinigt und wurde von dieser der
                              									Beschluss gefasst, durch die Stadt eine Verbindungsbahn herzustellen, welche, zu
                              									einem grossen Netze ausgeweitet, nach allen Richtungen hin den Anschluss vermitteln
                              									und in den Stunden von Mitternacht an bis halb 6 Uhr früh hauptsächlich zum
                              									Frachtentransport, Dämlich vorläufig insbesondere zur Zufuhr von Milch, Fleisch,
                              									Früchten und sonstigen Lebensmitteln benutzt werden soll. Es wird ferner an einer
                              									zweckmässigen Stelle nahe dem Mittelpunkte der Stadt ein Centralbahnhof errichtet,
                              									sowohl für Güter als zur Bequemlichkeit der Reisenden. Später, wenn der
                              									Frachtenverkehr anwächst, sollen auch noch in den verschiedenen Stadttheilen kleine
                              									Frachtenstationen errichtet werden. Das ganze geschilderte Bahnnetz steht unter dem
                              									Eisenbahngesetze und kann sich daher, wo es noth thut, im Wege des
                              									Enteignungsverfahrens die zweckmässigsten Wege schaffen. Um auch die öffentliche
                              									Meinung für das Unternehmen günstig zu stimmen, liegt die Absicht vor, Umsteigkarten
                              									auszugeben, welche für sämmtliche Linien Gültigkeit besitzen und zu je acht Stück
                              									nur 25 Cent kosten sollen. Da die neue Linie innerhalb der Stadt Cleveland vielfach
                              									mit den bestehenden elektrischen Strassenbahnen parallel laufen werden, so haben die
                              									letzteren einen erbitterten Kampf aufzunehmen, dessen Ergebniss sich schwer
                              									voraussagen lässt. Sollte die neue Bahngesellschaft alle ihre Pläne thatsächlich
                              									verwirklichen, dann drohen die alten Strassenbahngesellschaften die Fahrgelder aufs
                              									Aeusserste herabzusetzen und einen Tarif krieg zu beginnen, dessen Ausgang für alle
                              									betheiligten Interessenten kaum verfehlen wird, schädlich zu sein. Was uns daran am
                              									meisten interessirt, ist die Mitbenutzung der Strassen für den Frachtentransport,
                              									d.h. die Vermengung des Localverkehrs mit dem Güterverkehr, denn, wenn alle die oben
                              									angeführten Absichten zur That werden, dann ist alle Aussicht vorhanden, dass die
                              									Gesellschaft die Beförderung von Gütern auf allen ihren Linien regelrecht aufnimmt,
                              									was den vielen industriellen Etablissements und dem Productenaustausche der
                              									anliegenden Ortschaften ausserordentlich zu statten käme. Unter den fünf Linien
                              									hatte die von Akron kommende, südliche schon nach einem viermonatlichen Verkehr dem
                              									Geschäft der auf dieser Route von früherher vorhandenen Dampfbahn grossen Abbruch
                              									gethan, demzufolge sich die letztere genöthigt sah, ihre Züge um zwei zu vermindern.
                              									Obwohl auf der elektrischen Bahn die Fahrzeit für die Züge von und nach Akron etwas
                              									länger ist als auf der Dampf bahn, so scheinen die Reisenden die erstere doch
                              									vorzuziehen, offenbar weil sie da befreit sind von Kohlenstaub und Rauch u. dgl. und
                              									überdem alle 45 Minuten einen Zug zur Verfügung haben.
                           Der Eifer, mit welchem man jetzt daran gehen will, gute Landstrassen zu erbauen, ist
                              									viel zu spät erwacht, denn bis es hierin schliesslich zur Ausführung kommt, werden
                              									wir bereits mitten in neue Verhältnisse gerathen sein, nämlich in die Aera der
                              									elektrischen Bahnen und der Zweiradwege, welche Landstrassen überflüssig machen
                              									werden.
                           Wenn wir uns nun dem elektrischen Expressverkehr zuwenden, so muss zugegeben werden,
                              									dass derselbe grosse Anlagen erfordert und dass, um ihn einträglich zu gestalten,
                              									noch eine gründliche Verbesserung der jetzigen Betriebsmethode vorhergehen
                              									muss. Bei dieser Verkehrsform können Einnahmen für Personen- und Gepäcksbeförderung
                              									und nebenbei für die Postbeförderung erwartet werden. Nimmt man diesfalls bestehende
                              									Dampfbahnen zum Maasstab, so findet sich nur äusserst selten eine Linie, wo sich der
                              									Expressdienst bezahlt macht. Da jedoch der elektrische Expressverkehr weit grössere
                              									Geschwindigkeiten und häufigere Reisegelegenheit bieten könnte, dürfte auf einen
                              									grossen Zuwachs der Zahl der Reisenden gerechnet werden. So erscheint es
                              									beispielsweise ausser Frage, dass, wenn etwa die Fahrzeit für eine Reise von
                              									Philadelphia nach New York und umgekehrt um eine Stunde vermindert werden würde, und
                              									wenn daselbst die Züge alle 15 bis 20 Minuten hinter einander führen, zwischen den
                              									genannten zwei Punkten sich die Zahl der Reisenden bedeutend erhöhen würde. Die
                              									reiche Zahl der Vorschläge, welche gemacht worden sind für elektrische Bahnen von
                              									Philadelphia nach New York oder selbst von Washington nach New York, beweist, wie
                              									sehr die Sache in der Luft schwebt und ernstlichst von überlegten, gewissenhaften
                              									Leuten in Erwägung gezogen wird. Es ist ja auch nichts Ausschweifendes mehr in
                              									diesen Plänen; nichtsdestoweniger darf man sich aber nicht blind stellen gegen die
                              									Schwierigkeiten, auf welche man bei der praktischen Durchführung stossen wird. Dort,
                              									wo bereits vorhandene Dampfbahnen in Betracht gezogen werden müssen, erscheint es
                              									von vorhinein höchst zweifelhaft, ob die riesigen Auslagen für die Anlage sich
                              									bezahlen würden. Die bestehenden alten Bahnen könnten verhältnissmässig leicht die
                              									Tarife weit tiefer herabspannen, als es einem jungen kostspielig veranlagten
                              									Concurrenzunternehmen nachzufolgen möglich wäre. Eine Linie von Washington nach New
                              									York trotz des Widerstandes der dort fahrenden Dampf bahn zu bauen, würde eine
                              									grosse Geschicklichkeit und Schlauheit von Seite der Vertreter der betreffenden
                              									Gesellschaft und enorme Geldopfer erfordern. Niemand, der die Sache nicht eingehend
                              									kennt, kann die Schwierigkeiten und Ausgaben begreifen, welche beispielsweise allein
                              									schon mit der Sicherung eines Bahnhofs in den verschiedenen Städten verbunden sind,
                              									und ebenso können die an sich schon bedeutenden Kosten und Mühen zur Erlangung des
                              									Wegrechtes durch eine wohlorganisirte und kluge Gegenwehr der bedrohten alten
                              									Gesellschaften, welche in der Lage sind, sich auf grosse Kapitalskraft, auf Einfluss
                              									und auf die Erfahrungen von der Einführung ihrer Bahn her zu stützen, wesentlich
                              									erhöht werden.
                           Von der Möglichkeit, Züge mit einer Geschwindigkeit von 100 Meilen (160,9 km) in der
                              									Stunde fahren zu lassen, ist schon gesprochen worden. Unsere Erfahrungen hierüber
                              									sind folgende: Die Fahrgeschwindigkeit gewöhnlicher Trolleywagen ist nach und nach
                              									stetig gesteigert worden, im Vororteverkehr bis zu 40 Meilen in der Stunde, eine
                              									Geschwindigkeit, welche jetzt am häufigsten vorkommt. Eine viel bedeutendere
                              									Steigerung wird auf der jetzt noch im Bau begriffenen Columbia- und
                              									Maryland-Eisenbahn in Aussicht genommen, wo auf der Fahrt zwischen Baltimore und
                              									Washington eine Zugsgeschwindigkeit von 60 Meilen in der Stunde eingeführt werden
                              									soll. Im verflossenen Jahre fuhren Züge auch schon auf der Nantasket-Beach-Strecke
                              									der New-York- und New-Hampshire-Bahn über 60 Meilen in der Stunde und ähnliche
                              									Resultate wurden selbst auf der Holly-Linie der Pennsylvania-Bahn erreicht. In den beiden
                              									letzten Fällen waren die Wagen nicht einmal für sehr grosse Fahrgeschwindigkeiten
                              									besonders gebaut, und dennoch ergaben sich hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit
                              									keinerlei Schwierigkeiten. Mehrfache Bedenken, welche man bisher gegen das
                              									Schnellfahren hegen zu müssen glaubte, erscheinen durch die angeführten praktischen
                              									Beispiele bereits besiegt und es lässt sich gewärtigen, dass dies ebenso der Fall
                              									sein wird, wenn man noch grössere Geschwindigkeiten versucht. Noch vor Kurzem war
                              									die Ueberzeugung allgemein, bei sehr hohen Geschwindigkeiten würde sich der
                              									Zugwiderstand bis zur Unüberwindlichkeit steigern, allein mehrfache Probefahrten auf
                              									Dampf bahnen sowohl als solche mit elektrischen Wagen, wobei Schnelligkeiten bis zu
                              									120 Meilen in der Stunde erreicht worden sind, haben gezeigt, dass die bis dahin für
                              									wahr gehaltenen Berechnungsformeln falsch waren; sie alle bezifferten den
                              									Luftwiderstand viel zu hoch. Besonderes Interesse verdienen die Forschungen Crosby's welcher nach zwei Richtungen hin Versuche
                              									machte. Zuerst liess er einen kleinen elektrischen Wagen auf einem in sich
                              									zurückkehrenden Kreisgleise fahren und maass die Geschwindigkeit und verbrauchte
                              									Kraft; da ihm ausserdem die Constanten der Motoren bekannt waren, konnte er den
                              									totalen Widerstand für verschiedene Geschwindigkeiten genau feststellen. Allein er
                              									ging noch weiter und brachte am Vordertheil des Versuchswagens eine
                              									Registrirvorrichtung an, welche den jeweiligen Maximalluft widerstand während der
                              									Bewegung des Wagens graphisch darstellte; dieser vom totalen Widerstand abgezogen,
                              									gab als Rest den Gleis widerstand. Bei diesen Versuchen wurden dem Wagenvordertheil
                              									auch wiederholt verschiedene Formen gegeben und bestimmt, welche Rückwirkung die
                              									Gestalt der Angriffsfläche des Zuges besitzt. Aus den Ergebnissen der Crosby'schen Arbeiten geht hervor, dass
                              									Fahrgeschwindigkeiten von 120 oder selbst 150 Meilen in der Stunde keineswegs
                              									unüberwindliche Widerstände hervorrufen, sofern der Zug eine geeignete Gestalt
                              									besitzt.
                           Vermöge der Natur seines Baues gestattet es der elektrische Motor, den Schwerpunkt
                              									des angetriebenen Fahrzeuges weit niedriger anzubringen, als bei den
                              									Dampflocomotiven, wodurch sich leicht höhere Schnelligkeiten erreichen lassen, und
                              									da man die Treibkraft gleich tangential an der Treibachse angreifen lassen kann, so
                              									wird die Sicherheit unter diesen Verhältnissen in jeder Beziehung eine höhere sein,
                              									als wo die antreibenden Theile eine hin- und rückgängige Bewegung zu machen
                              									genöthigt sind; auch die Abnutzung der Gleise und Brücken wird demzufolge eine
                              									geringere. Bis jetzt sind elektrische Motoren ohne Vorgelege, nämlich solche, welche
                              									direct auf der Treibachse sitzen und auf diese durch Vermittelung von
                              									Reibungskuppelungen einwirken, allerdings erst selten in Verwendung genommen worden,
                              									aber die damit gewonnenen Erfahrungen waren sehr viel versprechend, indem die
                              									Besonderheiten dieser Maschinen zu den Erfordernissen des in Betracht gezogenen
                              									Schnellverkehrs ausserordentlich gut passen. Gerade für gleichmässig andauernde,
                              									grosse Fahrgeschwindigkeiten eignet sich diese Motorengattung am besten, da sie sich
                              									auch, was die Anordnung und Behandlung anbelangt, durch die grösste Einfachheit
                              									auszeichnet. Durch das Mehrphasenstromsystem ist ausserdem ein bewunderungswürdiges
                              									Mittel zur Kraftübertragung aufweite Entfernungen erstanden, das sich bereits bei
                              									den grossartigen Kraftanlagen am Niagarafall bewährt. Bei weiterer
                              									Ausgestaltung und Vervollkommnung dieser Hilfsmittel erscheint sonach die Schaffung
                              									eines elektrischen Expressverkehrs durchaus naheliegend.
                           In der That wird ja auch die erste Bahnstrecke, welche bis zu einem gewissen Grade
                              									die Bedingungen einer elektrischen Expresslinie erfüllt, bereits zwischen Baltimore
                              									und Washington erbaut und ihr Betrieb wird voraussichtlich viele der Fragen lösen,
                              									welche bisher hinsichtlich des elektrischen Schnellverkehrs noch offen sind, wie
                              									z.B. die Frage über die vortheilhafteste Art der Wagen oder über die Anbringung der
                              									Motoren u.s.w. Allerdings können sich solche Bahnen nur dort bezahlt machen, wo sie
                              									besonders belebte, verkehrsreiche Mittelpunkte der Bevölkerung verbinden. Zwischen
                              									Washington und New York, New York und Boston und vielleicht selbst noch zwischen New
                              									York und Chicago könnten sie also immerhin mit anzuhoffendem Erfolg ins Leben
                              									gerufen werden, allein wenn die Entfernungen noch weiter wachsen, stellt sich das
                              									Begehren der Reisenden nach Bequemlichkeiten, wie sie beispielsweise unsere
                              										„Chicago-Limited“-Züge gewähren, mit der als Grundbedingung
                              									vorausgesetzten Leichtigkeit der Züge in scharfen Widerspruch. Auf langen Reisen
                              									sind wir an Speise- und Schlafwagen oder auch an Aussichtswagen und Rauchwagen
                              									gewöhnt, Dinge, welche von elektrischen Zügen, die etwa mit 100 oder 120 Meilen
                              									Geschwindigkeit dahinrasen, unmöglich geboten werden können. Dennoch liesse sich so
                              									viel dieses Comforts auch mit den elektrischen Zügen darbieten, um eine 8- oder
                              									9stündige Fahrt von New York nach Chicago – und das ist vorläufig die grösste
                              									Entfernung, an die ich für die nächste Zukunft denke – ganz erträglich zu gestalten.
                              									Was die Sicherheit eines solchen Betriebes betrifft, so würde sie eher grösser sein
                              									als bei den jetzigen Systemen. Mit einem vollständig freien Gleis, mit Zügen von
                              									geringem Gewichte, das ein schnelles Bremsen gestattet, mit einfachen Maschinen, die
                              									einen niedrigen Schwerpunkt der Locomotive und eine erhöhte Schonung des
                              									Schienenweges ermöglichen, mit einer vollkommenen Oberbauconstruction und einem
                              									selbsthätigen Blocksignalsystem, dessen Einfügung der elektrische Betrieb so leicht
                              									gestattet, müsste sich der Schnellverkehr absolut sicher gestalten lassen. Die
                              									grössere oder geringere Bequemlichkeit im Fahren würde von der Correctheit des
                              									Gleises und von der Wagenanordnung abhängen; hierin ergeben sich jedoch keine
                              									Schwierigkeiten, da wir ohne weiteres im Stande sind, glatte Schienenwege
                              									auszuführen und uns hinsichtlich der Beschaffung ruhig laufender Wagen getrost auf
                              									die Findigkeit unserer Wagenbauer verlassen dürfen.
                           Welches andere Beförderungssystem könnte uns eine so häufige Fahrgelegenheit, einen
                              									so raschen Transport und überdies eine solche Sicherheit gewähren, Vorzüge, welche
                              									jeder für sich jene der bestehenden Dampfbahnen weit überflügelt? Allem dem steht
                              									auch keinerlei Problem mehr entgegen, welches wir auf Grund unserer bisherigen
                              									Errungenschaften und Erfahrungen hinsichtlich elektrischer Eisenbahnen und
                              									elektrischer Kraftübertragung zu lösen nicht befähigt wären. Freilich würden für
                              									alle Fälle der Local- und der Expressverkehr auf den Linien, welche ich zu schildern
                              									versuchte, ganz verschiedenen Bedingungen unterworfen sein, und sie könnten nicht
                              									auf denselben Gleisen zur Abwickelung kommen. Schon die Einrichtung der Wagen und Motoren würde
                              									nicht dieselbe sein und selbst die Stromvertheilungsmethode würde aller
                              									Wahrscheinlichkeit nach abweichen müssen. Der Localbetrieb, welcher sich nach allen
                              									Richtungen hin ausdehnen soll, wo auf kurze Entfernungen ein reger Verkehr gewärtigt
                              									werden darf, findet sein Auslangen mit einem verhältnissmässig leichtschienigen,
                              									also billigen Gleis; offene Personenwagen können im Sommer, die gewöhnlichen,
                              									geschlossenen im Winter in Gebrauch genommen werden. Bei den Expresszügen hingegen
                              									würden die Wagen eine glatte Oberfläche bekommen und die Locomotiven einen Vorbau
                              									erhalten müssen, durch dessen Form ein möglichst geringer Luftwiderstand verbürgt
                              									wird; die Gleise würden aus schweren, vorzüglich befestigten Schienen hergestellt,
                              									ohne spitzbefahrene Weichen und ohne Wegübergänge ausgeführt sein müssen und kämen
                              									allerdings weit höher zu stehen, als bei den derzeitigen Dampfeisenbahnen. Auf
                              									diesen kann man jetzt Express- oder Localzüge keineswegs auf den ersten Blick hin
                              									erkennen, da die Wagen für den einen wie für den anderen Dienst dieselben sind und
                              									der Hauptsache nach unterscheiden sich auch die Locomotiven äusserlich nur wenig;
                              									das ganze rollende Material kann unter Umständen für beide Beförderungen
                              									herangezogen werden, was ja auch nicht selten geschieht. Beim elektrischen Betrieb
                              									wird der Unterschied zwischen Local- und Expresszügen auffälliger sichtbar sein; es
                              									liessen sich weder die Wagen noch Motoren der Locallinien für den Expressverkehr
                              									benutzen, ebenso wenig als die Expresszüge auf den Localbahnzügen eine
                              									zweckdienliche Verwendung erfahren könnten.
                           Was nun schliesslich den Güterverkehr betrifft, so muss
                              									ich gestehen, dass meine Anschauungen darüber noch nicht so weit geklärt sind, als
                              									ich wünschen möchte. Die unbestreitbare Leistungsfähigkeit und Billigkeit des
                              									jetzigen Transportverfahrens machen die Frage einer Vervollkommnung zu einer
                              									schwierigen. Wie bereits mehrmals erwähnt, verlangen die bisher bekannten
                              									Stromvertheilungsmethoden unbedingt kürzere Züge und ich sehe für die nächste
                              									Zukunft nichts, wodurch diese leidige Thatsache geändert werden könnte. Für den
                              									elektrischen Betrieb ergäben sich wohl einige Vortheile, als weniger
                              									Heizmaterialbedarf, billigere Weichenstellung, billigere Zugführer, weniger
                              									Ausbesserungen an Maschinen und Wagen, geringere Bahnunterhaltungskosten, allein
                              									alle diese Vortheile gehen durch die Erhöhung der Kosten, welche durch die Theilung,
                              									d.h. Verkürzung der Züge erwachsen, wieder verloren. Immerhin könnten aber Dampf und
                              									Elektricität für die Bewältigung des Gütertransportes gemeinsam herangezogen werden,
                              									indem die mit Dampf betriebenen Hauptlinien mit zahlreichen elektrischen
                              									Abzweigungen versehen würden, welche den ersteren die Frachten aus den umliegenden
                              									Städten und Bezirken zuführen. Der Bau und Betrieb solcher Zweiglinien würde sich
                              									viel billiger herausstellen, als bei den jetzt bestehenden, sich so selten
                              									rentirenden Dampfzweiglinien.
                           Die Erfindung und Anwendung der Dampfmaschinen führte zur Concentration der
                              									Industrie, die eben ihre bedeutendsten materiellen Erfolge nur durch die Vereinigung
                              									grosser Unternehmungen an einer Stelle zu erzielen vermag; das hat seine schlechten
                              									Seiten, gesellschaftlich, moralisch und oft auch geschäftlich. Die Elektricität
                              									verlangt nicht solche Sammelpunkte, sie erträgt nicht nur die Vertheilung auf
                              									weite Entfernungen, sondern besitzt die Eignung, selbst den kleinsten
                              									Geschäftsstätten den Bedarf an Kraft so billig zu besorgen, wie den grössten, und
                              									die Wirkungen dieser Umstände machen sich bereits wohlthätig fühlbar. Die
                              									Elektricität bringt also der Kleinindustrie sozusagen die Vortheile der
                              									Grossindustrie und erleichtert die Ausbreitung der heutigen Tages oft so gedrängten
                              									Bevölkerung grosser Städte auf die umgebenden Vororte. Ihre moralischen und socialen
                              									Wirkungen sind also weitreichend und gesund.
                           Nach diesen allgemeinen Bemerkungen möchte ich nun nochmals zum eigentlichen
                              									Gegenstand der vorstehenden Darlegungen zurückkehren und das Bild, welches ich mir
                              									von der Zukunft der Elektricität im Eisenbahnwesen entwerfe, nachstehend neuerlich
                              									zusammenfassen: Elektrische Localbahnen werden das Land durchziehen und Personen wie
                              									Frachten an die Städte oder an durchgehende Güterund Expressbahnen zubringen;
                              									elektrische Expressbahnen werden zwischen grossen Städten erbaut werden und die
                              									Ausführung ihrer Gleise wird ganz verschieden sein von jenen des Localverkehrs und
                              									sie werden die Reisenden bequem und sicher mit Fahrgeschwindigkeiten von 100 bis 120
                              									Meilen (engl.) befördern. Selbst der Güterverkehr wird auf besonderen durchgehenden
                              									Gleisen im Wege des elektrischen Betriebes besorgt werden. Freilich lässt sich
                              									vorläufig noch nicht angeben, wie sich das alles vollziehen wird, denn es bedingt in
                              									der That einen vollständigen Wechsel nicht nur im System der Triebkraft, auch in der
                              									Gestaltung von einigen 200000 Meilen Eisenbahnanlagen, wofür die Kosten sich auf
                              									Tausende Millionen Dollars belaufen werden. So viel steht aber fest, wenn die
                              									Versendungsarbeit billiger und ausreichender durch Elektricität als durch Dampf
                              									besorgt werden kann, so ist der Betriebswechsel lediglich nur mehr eine Frage der
                              									Zeit. Ein Beispiel für die zukünftige Form des Localverkehrs besteht ja bereits und
                              									wir haben dasselbe bereits weiter oben kennen gelernt; ebenso wird der zukünftige
                              									Expressverkehr durch die geschilderte neue Baltimore-Washington-Bahn sehr gut
                              									repräsentirt. Nur der durchgehende Güterverkehr ist noch ein zweifelhafter Punkt,
                              									aber man darf ihn mit Augen der Hoffnung betrachten. Es gibt gewiss nur wenige von
                              										unsDamit dürften wohl
                                    											die Elektrotechniker Amerikas gemeint sein; für alle Fälle scheint uns aber
                                    											diese Zuversicht Dr. Ducan's doch gerade in
                                    											Anbetracht seiner unbefangenen und zutreffenden Darstellung der
                                    											Schwierigkeiten des elektrischen Expressverkehrs und der vorläufigen
                                    											völligen Aussichtslosigkeit des elektrischen Güterverkehrs selbst für
                                    											Amerika einigermaassen verfrüht. Für Europa kommt bekanntlich eine Reihe
                                    											gewichtiger Umstände noch dazu, durch welche die prophezeite Verdrängung der
                                    											Dampflocomotive in eine weitaus fernere, ungewissere Zukunft hinausgeschoben
                                    											wird.Anm. d. Red. hier, wie ich fest überzeugt bin,
                              									die nicht einer umfassenden Ausbreitung und Anwendung der Elektricität auf weiten
                              									Industrie- und Verkehrsgebieten für sicher entgegensehen, und einige von ihnen
                              									werden vielleicht die Zeit noch erleben, in der die Dampflocomotive zur Rarität
                              									geworden sein wird.