| Titel: | Anormale Längenveränderungen von Eisen und Stahl bei Erhitzung und Abkühlung. | 
| Autor: | G. E. Svedelius , Leo | 
| Fundstelle: | Band 304, Jahrgang 1897, S. 111 | 
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                        Anormale Längenveränderungen von Eisen und Stahl bei Erhitzung und Abkühlung.
                        Von G. E. Svedelius.Jernkont. annaler, 1896
                                    									IV.
                        Mit Abbildungen.
                        Anormale Längenveränderungen von Eisen und Stahl bei Erhitzung und Abkühlung.
                        
                     
                        
                           Die nachstehend behandelten Untersuchungen waren bestimmt, einen Beitrag zur Kenntniss anormaler Veränderungen zu geben, welche
                              bei
                              									gewissen Wärmegraden plötzlich bei den physikalischen Eigenschaften von Eisen und Stahl sowohl während der Erhitzung zu starkem
                              									Glühen wie auch während darauf folgender langsamer Abkühlung derselben eintreten. Da die fraglichen physikalischen
                              Veränderungen im
                              									engsten Zusammenhange stehen mit durchgreifenden Aenderungen der Textur des Eisens und des Stahls und mit dem Zustande
                              der darin
                              									enthaltenen Kohle, so sei unter Anschluss an J. A. Brinell's werthvolle Arbeit: „Ueber die
                                 										Texturveränderungen des Stahls bei seiner Erhitzung und Abkühlung“ (Jernkont. annal., 1885 S. 9)
                              									eine kurze Erörterung dieses Phänomens hier vorausgeschickt.
                           L. Rinman zeigte im J. 1865, dass die im gehärteten Stahl enthaltene Kohle in chemischer Beziehung sich
                              									von der Kohle im ausgeglühten unterscheidet. Er fand, dass sich die Kohle im gehärteten Stahl nahezu vollständig
                              in kalter Salzsäure
                              									löst, während eine erhebliche Menge Kohle ungelöst bleibt, wenn ausgeglühter Stahl derselben Behandlung unterworfen
                              wird. Die Kohle
                              									kommt somit im gehärteten und ungehärteten Stahl in verschiedenen allotropischen Formen oder in verschiedener Weise
                              legirt oder
                              									verbunden mit dem Eisen vor. Er führte in Folge dessen die Benennungen „Härtungskohle“ für die Kohle im gehärteten und
                              										„Cementkohle“ für die im ausgeglühten Stahl ein; an Stelle der letzteren Benennung wird oft auch die von Ledebur vorgeschlagene „Carbidkohle“ gebraucht.
                           Aus Brinell's Untersuchungen ergibt sich, dass Härtungskohle nicht allein im gehärteten Stahl gefunden
                              									wird, sondern dass die Kohle immer als Härtungskohle auftritt, sobald Stahl zu passender Temperatur erhitzt wird.
                              Die Aenderung des
                              									Zustandes der Kohle erfolgt nicht continuirlich, sie ist vielmehr vorzugsweise an gewisse Temperaturen gebunden.
                              So geht Cementkohle
                              									in Härtungskohle über, sobald Stahl auf schwache Gelbhitze erwärmt wird, ein Hitzegrad, für den Brinell
                              									die Bezeichnung „W“ einführte, während der Uebergang der Härtungskohle in Cementkohle bei der Abkühlung statthat bei einem
                              									Wärmegrad „V“ zwischen Rothglut und schwacher Rothglut. Die Veränderung des Zustandes der Kohle während der Abkühlung fand Brinell mit Wärmeentwickelung verbunden, und nahm auf Grund derselben an, dass bei der Umbildung der
                              									Kohle während der Erhitzung Wärme Verbraucht werde, obschon er diesen Verbrauch nicht direct zu beobachten vermochte.
                           Dass während der im Uebrigen continuirlichen Abkühlung eines glühenden Stahlstückes eine plötzliche Wärmeentwickelung statthat,
                              wies
                              									zuerst W. F. BarrettPhil. Mag., Ser. 4 Bd. 6 (1873) S. 472. nach; der sie „Recalescens“ nannte. Dieses Phänomen kann von Jedermann leicht beobachtet werden. Man
                              									darf nur ein Stück Stahldraht zu heller Rothglut erhitzen und dasselbe während seiner Abkühlung im Dunkeln beobachten;
                              man wird dabei
                              									finden, dass der Stahldraht bei dunkler Rothwärme plötzlich wieder erglüht und nach wenigen Secunden wieder sich
                              verdunkelt.
                           Dann fand Brinell, dass eine schnelle Abkühlung die Textur, welche der Stahl vor der Abkühlung besass,
                              									fixirt, und es gelang auf Grund dieser Thatsache, den Zusammenhang zwischen der Texturänderung, der Veränderung des
                              Zustandes der
                              									Kohle und dem Wärmegrade nachzuweisen, bei welchem das Härten erfolgt. Durch Untersuchung von Stahlproben, die nach
                              erfolgter
                              									Erhitzung auf verschiedene Wärmegrade gehärtet wurden, fand man, dass ungehärteter Stahl während der Erhitzung seine grobkrystallinische Textur bei dem gleichen Wärmegrade W verliert, bei dem
                              die
                              									Cementkohle in Härtungskohle übergeht, und dass bei der Abkühlung plötzlich Krystallisation eintritt, nachdem die
                              Härtungskohle
                              									vollständig oder doch zum grössten Theil bei V in Cementkohle überging. Die Veränderung der Stahltextur und des Zustandes
                              seiner Kohle
                              									erfolgt somit nahezu gleichzeitig.
                           Durch F. Osmond's scharfe Untersuchungen über den thermischen Verlauf der Erhitzung und Abkühlung von
                              									Eisen wurden die Wärmegrade W und V näher bestimmt. Ueber dieselben wurde in Jernkont. annal., 1890 S.
                              									193, berichtet.
                           Osmond beobachtete bei der Erhitzung verschiedener Stahlproben eine Unterbrechung der Geschwindigkeit der
                              									Erhitzung bei etwa 700° und eine entsprechende Unterbrechung der Geschwindigkeit der Abkühlung bei etwa 660°. Bei
                              dem ersteren dieser
                              										„kritischen Punkte“ wird Wärme absorbirt, bei dem letzteren Wärme frei. Den kritischen Punkt bei der Abkühlung hält Osmond für identisch mit Barrett's Recalescenzpunkt und mit dem von Brinell mit V bezeichneten Punkte, bei dem die Veränderung des Zustandes der Kohle vor sich geht. Die von
                              										Brinell und Osmond bei der Erhitzung von Stahl beobachteten kritischen
                              									Punkte dürften gleichfalls zu identificiren sein, obschon der Wärmegrad – leichte Gelbglut –, auf den der Punkt W
                              verlegt wurde,
                              									erheblich höher liegt, als der von Osmond gefundene.
                           Osmond erstreckte seine thermischen Untersuchungen auch auf Roheisen, elektrolytisches Eisen und
                              									schmiedbares Eisen mit verschiedenem Kohlegehalt. Bei der Abkühlung von weichen Eisen und elektrolytischen Eisen
                              beobachtete er zwei
                              									bis drei von einander getrennte Unterbrechungen der Abkühlungsgeschwindigkeit; der niedrigste Wärmegrad war dabei
                              660°. Der
                              									Wärmeentwickelung, welche bei diesen kritischen Punkten vor sich geht, schreibt Osmond dieselbe
                              									Veranlassung zu, welche bei dem eintretenden Wiedererglühen des Stahls bei dem gleichen Wärmegrad, dem Uebergange
                              der Kohle aus
                              									Härtungskohle in Cementkohle zu Grunde liegt. Die bei höheren Wärmegraden eintretenden anomalen Temperaturveränderungen
                              stehen nach
                              									Ansicht Osmond's im Zusammenhang mit molekularen Aenderungen im Eisen. Er nimmt an, dass Eisen ein
                              									polymorpher Stoff sei, welcher in zwei verschiedenen allotropischen Formen vorkommt, von denen die eine, α-Eisen, weich, die andere, β-Eisen, hart und spröde ist. Bei der Erhitzung geht α-Eisen in β-Eisen über, bei langsamer Abkühlung β-Eisen in α-Eisen. Diese Uebergänge aus der einen in die andere Modifikation sind gleich den
                              									Aenderungen des Zustandes der Kohle an gewisse Wärmegrade gebunden; für Stahl erfolgen sie gleichzeitig mit den Zustandsänderungen
                              der
                              									Kohle, beim weichen und beim elektrolytischen Eisen gehen sie dagegen bei einem höheren Wärmegrad vor sich.
                           Osmond nimmt an, dass bei der Härtung des Stahls, die man gewöhnlich dahin erklärt, dass die schnelle
                              									Abkühlung den Uebergang der Kohle von Härtungskohle in Cementkohle theilweise oder völlig verhindere, das Eisen β-Eisen bleibt. Der Einfluss der Kohle hat dabei denselben Charakter wie die Schnelligkeit der Abkühlung:
                              									sie strebt danach, den Uebergang des β-Eisens in α-Eisen zu verhindern.
                           Osmond's Theorie von Eisen verschiedener allotropischer Modifikationen hat keineswegs überall
                              									unbedingte Aufnahme gefunden. Mehrere Autoren suchen die Existenz der kritischen Punkte, welche weiches Eisen charakterisiren,
                              nicht
                              									aber beim Stahl gefunden werden, damit zu erklären, dass sie denselben in Zusammenhang bringen mit Texturveränderungen
                              des Eisens, mit
                              									Bildung von chemischen Verbindungen zwischen Kohle und Eisen, Carbiden von wechselnder Zusammensetzung u.s.w. Es
                              ist indessen noch
                              									nicht gelungen, zu voller Einigkeit und Klarheit in dieser Frage zu gelangen.
                           Osmond's Untersuchungen der anomalen Temperaturveränderungen des Eisens und Stahls wurden von F. O. ArnoldIron and Steel, Inst. Bd. 45 (1894) S. 107. und G. CharpyComptes rendus, 1894 Bd. 119 S. 735. Stahl
                                       												und Eisen, 1895 S. 459. vollendet und stellten in der Hauptsache die experimentalen Resultate
                              									beweiskräftig fest, zu denen der erstere gelangt war, wenn auch Arnold sich der Erklärung Osmond's nicht anschliessen konnte.
                           Von den anomalen Längenveränderungen bei Eisen und Stahl besitzen wir keine gleich vollständige Kenntniss; wahrscheinlich
                              ist dies in
                              									den Schwierigkeiten begründet, die mit der Bestimmung von Längen bei hohen Wärmegraden verbunden sind. Gleichwohl
                              verdienen sie in
                              									hohem Grade unsere Aufmerksamkeit wegen ihres engen Zusammenhanges mit den Texturveränderungen bei Stahl und Eisen.
                           G. Gore war es, der zuerst nachwies, dass auf Weissglut erhitzter Stahldraht bei Abkühlung auf dunkle
                              									Rothglut eine anomale Verlängerung erleidet unter im Uebrigen continuirlichem Verlauf der Zusammenziehung des Drahtes.
                              W. F. BarrettPhil. Mag., Ser. 4 Bd. 46 (1873) S. 472. beobachtete
                              									ausserdem während der Erhitzung eine plötzliche Zusammenziehung, die bei demselben Wärmegrad einzutreten schien,
                              wie die
                              									unregelmässige Verlängerung während der Abkühlung; er sah die Verlängerung während der Abkühlung und die früher erwähnte
                              Recalescens
                              									gleichzeitig eintreten. Die anomale Verlängerung während der Abkühlung haben NorrisProc. Roy.
                                       												Soc., 1877 Bd. 26 S. 127., HeimHeim, Untersuchungen über die
                                       												Gore'sche Phänomene, München 1885. und CoffinAmerican Machinist, 15. Januar 1887. eingehender studirt; endlich hat F. J. SmithPhil. Mag., Bd. 31 (1891) S. 433. nachgewiesen, dass die
                              									anomalen Längen- und Temperaturänderungen beim Stahl gleichzeitig während der Abkühlung eintreten; Le
                                 										ChatelierComptes rendus, 1889 Bd. 108 S. 1097. stellte die anomale Zusammenziehung während der
                              									Erhitzung fest für Stahl bei 700°, für reines Eisen bei 830°.
                           In nachfolgender Abhandlung soll berichtet werden, in welchen Beziehungen die anomalen Längenveränderungen des Eisens und
                              Stahls zum
                              									Kohlegehalt, zu den verschiedenen Erhitzungs- und Abkühlungsverhältnissen, zum Härten und Ausglühen stehen. Es sollen
                              ferner anomale
                              									Längenveränderungen beim Anlassen gehärteten Stahls nachgewiesen und schliesslich einige Näherungswerthe verschiedener
                              Eisen- und
                              									Stahlsortenverlängerungscoëfficienten bei dem Temperaturintervall 0 bis 800° mitgetheilt werden.
                           Die hierbei benutzten Beobachtungsobjecte bestanden zum Theil in kalt gezogenem Draht von Bofors mit
                              									Kohlegehalten 0,9 bis 0,1 Proc. das gleiche Material, welches C. F. BydbergBihang t. Vet.-Akad. Hand., 1887 Bd. 13 Afd. 1 Nr. 6.
                              									bei seinen Untersuchungen über den Verlauf der Enthärtung von Stahl benutzte, zum Theil in warm gewalztem Draht von
                              Sandviken mit Kohlegehalten 1,0 bis 0,1 Proc.
                           Sämmtliche Längenbestimmungen erfolgten mit einem Dilatometer, gefertigt in hauptsächlicher Uebereinstimmung mit einem von
                              Fräulein N. Lagerborg angewendeten Dilatometer K. Angström'scher Construction.Ebenda 1888 Bd. 13 Afd.
                                    											1 Nr. 10 S. 9.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 113
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 113
                              Fig. 2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 113
                              Fig. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 113
                              Fig. 4.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 113
                              Fig. 5.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 113
                              Fig. 6.
                              
                           Die Fig. 1 und 2 stellen das Aussehen des Dilatometers dar; in Fig. 2 sind zu grösserer Anschaulichkeit die verschiedenen Theile des Dilatometers um weniges
                              									verschoben. Zwei einige Decimeter lange Arme aus feuerfestem Thon – die geraden Schäfte sogen. Kreidepfeifen – werden
                              von einem
                              									soliden Holzrahmen getragen; der Arm A ist unbeweglich an der einen Rahmenwand befestigt, der Arm B mit einer Stahlachse verbunden, welche in der entgegengesetzten Wand des Rahmens frei rotiren kann in
                              									einem festgeschraubten Bügel L. Eine schwache Spiralfeder C, am beweglichen
                              									Arm nahe dessen Achse befestigt, hält die auf derselben Seite wie die Achse liegenden Enden gegen einander gedrückt.
                              Zwischen diese
                              									Enden ist der ungefähr 4 cm lange, beiderseits zugespitzte Stab D eingepasst, dessen Längenänderungen zu
                              									beobachten sind. Die entgegengesetzten Enden der Arme tragen zwei ziemlich dicke Nadeln F, welche durch
                              									kleine Klemmschrauben E parallel zu einander innerhalb eines gegenseitigen Abstandes von einigen
                              									Millimetern erhalten werden. Die Nadelspitzen drücken jede auf ihrer Seite gegen eine Glasplatte G mit
                              									parallelen Flächen, welche von einem senkrechten, an beiden Enden befestigten, recht stark gespannten Neusilberdraht
                              H von ungefähr 0,5 m Länge getragen wird. Winkelrecht gegen die Glasplatte ist an diese ein kleiner
                              									Spiegel K befestigt.
                           Der zwischen die Arme des Dilatometers eingelegte Stab wird durch einen Münch-Patentbrenner erhitzt, der eine recht gleichförmige,
                              									konische Flamme von etwas über 4 cm Durchmesser an der Basis gibt.
                           Die Drehung des Dilatometerspiegels bei den Längenveränderungen des Stabes wurde entweder durch ein Glas beobachtet oder an
                              einer Scala
                              									durch photographische Registrirung festgestellt; der zu letzterer benutzte Apparat war besonders primitiv. Die Kammer bestand
                              									ganz einfach aus einer Cigarrenkiste mit an einer Langseite ausgeschnittener schmaler Oeffnung zum Einlassen des
                              gegen den
                              									Dilatorspiegel reflectirten Lichtes. Als leuchtendes Object wurde eine durch eine Auer-Lampe erleuchtete cirkelrunde
                              Oeffnung in einem
                              									in einigen Metern Abstand von der Kammer aufgestellten Schirm benutzt. Der gegen den beweglichen Spiegel reflectirte
                              Lichtstrahl wird
                              									unmittelbar vor dem Spiegel durch eine Linse zu einem scharf leuchtenden Punkt zusammengezogen, welcher auf einem
                              ungefähr 8 cm
                              									breiten Streifen lichtempfindlichen Papiers im Kasten aufgefangen wird. Der Papierstreifen ist auf zwei senkrecht
                              über einander
                              									angebrachten Holzwalzen aufgewickelt; die eine derselben steht mittels Uebersetzung durch eine Seitenwand des Kastens
                              in Verbindung
                              									mit einem Uhrwerk und wird mit einer Geschwindigkeit von ungefähr zwei Umdrehungen in der Minute in Bewegung gesetzt;
                              die andere Walze
                              									wird gleichzeitig durch ein Gegengewicht gedreht, wodurch der Papierstreifen während der ganzen Zeit gespannt erhalten
                              wird.
                           In Folge dieser Anordnung beschreibt der leuchtende Punkt auf dem Papier eine Curve, deren Ordinaten laufend jede Längenveränderung
                              der
                              									Stäbe wiedergeben.
                           Bei einer Reihe von Untersuchungen wurden gleichzeitig die Längen- und Temperaturveränderungen der Probe beobachtet. Die dabei
                              									benutzten Stäbe waren auf einer Seite zugespitzt, auf der anderen gerade abgefeilt und mit einem 6 bis 8 mm tiefen
                              Einschnitt versehen
                              										(Fig. 3); dieses Ende stützte sich gegen den festen Dilatometerarm. Die Temperaturbestimmungen
                              									erfolgten durch ein Thermoelement, welches aus zwei an den Enden dünn ausgeplatteten, mit einander zusammengeschweissten
                              Drähten, der
                              									eine aus reinem Platina, der andere aus Platina in Legirung mit 10 Proc. Rhodium, besteht. Die freien Enden der Drähte
                              sind durch
                              									Klemmschrauben mit den Leitungsdrähten eines Galvanometers verbunden. Die zusammengeschweisste Contactstelle längt
                              sich doppelt und
                              									tritt durch eine in den festen Dilatorarm ausgeschnittene Oeffnung in den Stab, soweit es der Einschnitt zulässt.
                              Nur die
                              									Contactstelle selbst kommt dabei in directe Berührung mit dem Stabe, der übrige Theil des Drahtes wird durch ein
                              dünnes Glimmerblatt
                              									isolirt.
                           Damit der Ausschlag des Dilatometers, wie auch das Galvanometer gleichzeitig beobachtet werden kann, werden beide so eingestellt,
                              dass
                              									ihre Spiegel unmittelbar über einander zu stehen kommen. Zur photographischen Registrirung wird dieselbe beleuchtete
                              Oeffnung benutzt.
                              									Die beiden durch Reflection gegen Dilatometer- und Galvanometerspiegel erhaltenen Lichtbilder werden auf einem und
                              demselben
                              									lichtempfindlichen Papier aufgefangen. Auf diese Weise erhält man die Längen- und Temperaturcurven unmittelbar über
                              einander.
                           Beim Ablesen mittels Glas und Scala werden die Längenveränderungen des Stabes ungefähr 500 mal vergrössert; indessen zeigte
                              sich, dass
                              									man nicht ohne weiteres den Ausschlag des Dilatometers mit ⅟300 multipliciren konnte, um die Längenveränderungen des Stabes durch Erhitzung in absolutem
                              									Maasse festzustellen. Die Innenseiten der Dilatometerarme wurden von der Flamme stark erwärmt und bogen sich in Folge
                              dessen etwas
                              									nach aussen, was störend auf die Angaben des Dilatometers einwirkte. Diese Fehlergrösse konnte indessen berechnet
                              und eine passende
                              									Correction eingeführt werden. Die photographisch genommenen Längencurven sind uncorrigirt geblieben und gestatten
                              in Folge dessen
                              									keine absolute Maassfeststellung; sie geben jedoch einen ganz guten Begriff vom Verlaufe der Verlängerung und des
                              Zusammenziehens der
                              									Stäbe im Allgemeinen.
                           Die Temperaturbestimmungen können bis nahe 600° bis auf ein paar Grade als zutreffend angesehen werden, bei höheren Temperaturen
                              									dagegen sind sie um 10 bis 15° unsicher.
                           Sämmtliche Curven sind treue Copien von auf photographischem Wege genommenen Längencurven von verschiedenen Eisen- und Drahtstäben.
                           Die Stäbe wurden, wenn nicht anders angegeben, zu heller Rothglut erhitzt; man liess sie darauf langsam abkühlen. Auf gleicher
                              Figur
                              									wiedergegebene Curven sind auf dem gleichen lichtempfindlichen Papier aufgenommen, welches somit mehrmals vor der
                              Oeffnung der Kammer
                              									vorbeipassirte. Streng genommen sind nur diese Curven mit einander zu vergleichen, theils weil sie unmittelbar hinter
                              einander
                              									erhalten wurden, wobei folglich die Intensität der Flamme wenig variirte, theils weil die Veränderung des Papiers
                              durch das Trocknen
                              									nach dem Hervorrufen und Fixiren der Photogramme in gleicher Weise erfolgte.
                           Die Empfindlichkeit des Dilatometers war bei zwei verschiedenen Beobachtungsweisen in etwas verschieden; die eine Reihe umfasst
                              die
                              										Fig. 1 bis 6 und 10 bis 14, die andere die in Fig. 7 bis 9 und
                              										15 wiedergegebenen Längencurven.
                           Von den beiden Curven in Fig. 4 stellt die obere die Längen Veränderungen dar, welche ein Kupferstab,
                              									die untere diejenige, welche ein Stab aus Boforsstahl mit 0,6 Proc. Kohle bei einer Erhitzung während einer Minute
                              und darauf
                              									erfolgter Abkühlung erlitt. Die Längencurve des Kupferstabes zeigt sowohl bei der Erhitzung, wie bei der Abkühlung
                              einen regelmässigen
                              									Verlauf; die Längencurve des Stahlstabes dagegen hat zwei deutlich hervortretende Unterbrechungen: eine anomale Zusammenziehung
                              bei
                              									der Erhitzung und eine anomale Verlängerung bei der Abkühlung.
                           Die kritischen Punkte, bei denen anomale Längenveränderungen eintreten, werden bis auf weiteres mit D und
                              									D' bezeichnet; im Nachfolgenden wird man sehen, inwieweit sie mit einem der kritischen Punkte identificirt werden
                              können, über welche
                              									vorher berichtet werde. Zuvor indessen mögen die fraglichen Längenphänomene näher studirt und mag in erster Reihe
                              zu ermitteln gesucht
                              									werden, in welcher Weise dieselben vom Kohlegehalte der Probe, von deren Härtung und Ausglühung, endlich vom Temperaturgrad,
                              auf
                              									welchen sie erhitzt wurden, abhängig sind.
                           
                        
                           Der Einfluss des Kohlegehalts auf die kritischen Punkte D und D'.
                           Aus den in Fig. 5 wiedergegebenen Längencurven von Stäben aus hartem Stahl (Bofors, Kohlegehalt 0,9 Proc.), weichem Stahl (Bofors, Kohlegehalt 0,5 Proc.) und weichem
                              									Eisen (Bofors, Kohlegehalt 0,1 Proc.) ergibt sich:
                           
                              1) Die Contraction bei D ist bedeutend geringer als die Verlängerung bei D'.Nachgewiesen von Barrett, Phil. Mag., Ser. 4 Bd. 46 (1873) S.
                                       												474.
                              2) Die Contraction bei D tritt gleich schnell nach Beginn der Erhitzung und somit
                                 										ungefähr bei gleichem Wärmegrad ein bei Stahl und weichem Eisen, aber währt länger, je niedriger der Kohlegehalt
                                 ist.Nachgewiesen von
                                       													Coffin.Die Verlängerung bei D' tritt
                                 										zeitiger nach der Abkühlung, somit bei einem höheren Wärmegrad ein und ist von längerer Dauer bei weichem Eisen,
                                 als bei
                                 										Stahl.
                              3) Die Contraction bei D und die Verlängerung bei D'
                                 										sind am grössten bei weichem Stahl, kleiner bei hartem Stahl und weichem Eisen.
                              
                           Aus Beobachtungen unter Ablesen mit dem Glase und an der Scala ergibt sich, dass die anomalen Längen Veränderungen an Grösse
                              mit
                              									wachsendem Kohlegehalt von 0,1 Proc. bis 0,6 Proc. zunehmen, dass sie mit einem Kohlegehalt von 0,6 Proc. ihren grössten
                              Werth
                              									erreichen und dass sie mit von 0,6 bis 1,0 Proc. wachsendem Kohlegehalt wieder abnehmen.Im Gegensatz zum Verfasser haben Barrett, Phil. Mag., Ser. 4 Bd. 46 (1873) S. 475, und Heim, Untersuchungen über die
                                       												Gore'schen Phänomene, 1885 S. 31, die anomale Verlängerung während der Abkühlung am
                                    											stärksten hervortretend gefunden bei hartem Stahl, weniger bei Eisen mit niedrigem Kohlegehalt; bei sehr weichem
                                    Eisen blieb
                                    											sie aus. Bei dem Untersuchungsmaterial, welches dem Verfasser zur Verfügung stand, bewiesen sämmtliche Beobachtungen
                                    die
                                    											Richtigkeit des sub 3 oben Aufgeführten. Ebenso wenig hat der Verfasser weder unter schmiedbarem, noch im Gusseisen
                                    oder im
                                    											galvanisch ausgefällten Eisen, ausgenommen verbranntes Eisen, ein Eisen gefunden, bei dem die kritischen Punkte
                                    D und D' deutlich hervortraten.
                           
                              4) Die Contraction bei D scheint für weiches Eisen aus zwei Momenten D1 und D2 zu bestehen, von denen der erstere bei niedrigerem Wärmegrad eintritt und von kurzer Dauer ist; dies wird durch die
                                 										Beobachtung mit dem Glas für Eisen mit einem Kohlegehalt von 0,3 bis 0,1 Proc. bewiesen.Die Verlängerung bei D' scheint bei Eisen mit niedrigem Kohlegehalte aus zwei von einander getrennten Momenten D'2 und D'1 zu bestehen; bei weichem Stahl fallen sie theilweise zusammen und bewirken die für diese Stahlart charakteristische
                                 										Ausbiegung bei D'. Bei hartem Stahl verschmelzen sie sich völlig mit einander.
                              
                           
                        
                           Die Stellung der kritischen Punkte D und D' zu einander.
                           Die drei Curven in Fig. 6 stellen die Längenveränderungen eines und desselben Stabes aus Bofors-Draht
                              									mit einem Kohlegehalt von 0,6 Proc. dar, welcher zu verschiedenen Wärmegraden erhitzt wurde, wobei man ihn nach jeder
                              Erhitzung
                              									langsam abkühlen liess. Die unterste dieser Curven gibt die Längenveränderungen des Stabes unmittelbar nach der Abkühlung,
                              die
                              									mittlere zu Anfang und die obere gegen Ende der anomalen Contraction bei D.
                           Aus diesen und anderen, hier nicht wiedergegebenen Beobachtungen geht hervor:
                           
                              5) dass die Verlängerung bei D' während der Abkühlung nicht eintritt, sofern nicht
                                 										während der Erhitzung die Contraction bei D theilweise oder vollständig stattfand. Die Verlängerung bei D1 fällt kleiner aus, wenn der Stab nur bis zu einem Wärmegrad, der der Contraction bei D entspricht, als wenn der Stab höher erhitzt wird.
                              
                           
                        
                           Die Einwirkung des Glühens auf die kritischen Punkte D und D'.
                           Die unteren Curven in Fig. 7 und 8 stellen die Längenänderungen dar bei
                              									Stäben aus Bofors-Draht mit Kohlegehalt 0,1 und 0,6 Proc. die während 6 Stunden im Muffelofen auf Temperaturen gebracht
                              wurden, die
                              									über dem Schmelzpunkt des Goldes liegen und die man nachher langsam abkühlen liess. Die oberen Curven in denselben
                              Figuren sind nach
                              									Stäben mit gleichem Kohlegehalte genommen, die einem so langdauernden Glühen nicht unterzogen wurden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 7.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 8.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 9.
                              
                           Aus diesen Curven geht hervor:
                           
                              6) dass die Contraction bei D und die Verlängerung bei D' bei langdauerndem Glühen in hoher Temperatur mit darauf folgender langsamer Abkühlung viel kleiner ausfällt. Die
                                 										Contraction bei D dehnt sich nach langdauerndem Glühen zeitlich länger aus und endet bei Eisen mit
                                 										0,1 Proc. Kohlegehalt nicht vor der Abkühlung.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 10.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 11.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 12.
                              
                           Aus Beobachtungen mit Glas und an der Scala ergibt sich, dass die Contraction bei D und die Verlängerung
                              									bei D mit jeder neuen Erhitzung an Grösse abnimmt.Im Gegensatz zum Verfasser findet Heim, a. a. O. S. 34, dass die anormale Verlängerung während der Abkühlung nach wiederholter Erhitzung nur bei
                                    											Gusseisen, nicht aber bei Stahl abnimmt.
                              									An einem Stab aus Bofors-Draht mit Kohlegehalt 0,6 Proc. wurde beobachtet, dass die Grösse der Verlängerung bei D', nachdem der Stab 40 mal, jedesmal ein paar Minuten lang, erhitzt wurde und zwischen den einzelnen
                              									Erhitzungen langsam abkühlen durfte, nur zwei Fünftel von der nach dem ersten Glühen erreichte. Bei einem Stab aus
                              galvanisch
                              									gefälltem Eisen nahm die Grösse der Verlängerung bei D' mit jeder neuen Erhitzung besonders schnell ab
                              									und nach der 50 sten konnte keine Spur mehr davon weder bei D noch bei D'
                              									bemerkt werden. Das Eisen war nun spröd, mit grobkrystallinischem, glänzendem Bruch und zeigte alle Eigenschaften
                              verbrannten Eisens.
                              									Auch bei anderem verbrannten Eisen vermochte der Verfasser ebenso wenig kritische Punkte zu entdecken.
                           
                        
                           Anomale Längenveränderungen beim Anlaufenlassen gehärteten Stahls.
                           Die oberen Curven in den Fig. 9, 12, 13
                              									und 14 repräsentiren Längenveränderungen bei nach Erhitzung zu heller Rothglut in kaltem Wasser
                              									gehärteten Stäben; die unteren desgleichen bei denselben Stäben, die nach vorheriger Erhitzung langsam sich abkühlten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 13.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 14.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 115
                              Fig. 15.
                              
                           Aus diesen und anderen, hier nicht wiedergegebenen Curven geht hervor:
                           
                              7) dass die Verlängerung auf dem kritischen Punkt D nicht ebenso regelmässig bei
                                 										gehärteten wie bei ungehärteten Stäben verläuft.
                              
                           Die Längencurve des gehärteten Stabes zeigt unregelmässige Ausbiegungen, die nach Erhitzung während einiger Secunden eintreten.
                              Bei
                              									Stäben mit 0,9 bis 0,7 Proc. Kohlegehalt gibt es zwei solche Ausbiegungen oder kritische Anlaufpunkte, d1 und d2, bei Stäben mit
                              									niedrigerem Kohlegehalte einen kritischen Anlaufpunkt d, welcher deutlich hervortritt, wenn der
                              									Kohlegehalt 0,6 bis 0,4 Proc. beträgt, und schwächer, wenn er nicht gänzlich fehlt, sobald der Kohlegehalt geringer
                              ist. Beide
                              									Anlaufpunkte d und d2 scheinen einander zu
                              									entsprechen.
                           
                              8) Die Contraction bei D beginnt früher beim gehärteten als beim ausgeglühten
                                 										Stab.
                              
                           
                        
                           Die Stellung des kritischen Punktes D' zur Härtung des Stahls.
                           Fig. 15 lässt den Zusammenhang des kritischen Punktes D' mit der
                              									Härtbarkeit des Stahls erkennen.
                           Ein ausgeglühter Stahlstab aus Bofors-Draht mit 0,9 Proc. Kohle wurde in gewöhnlicher Weise erhitzt und mit kaltem Wasser übergossen, während er zwischen den Dilatometerarmen aufgelegt war,
                              									einmal unmittelbar vor, das andere Mal gegen Ende der Verlängerung bei D', und dann aufs Neue erhitzt.
                              									Die dabei auftretenden Längenphänomene zeigen die Curven 1, 2 und 3. Curve
                              										2 zeigt die charakteristischen Anlaufpunkte gehärteten Stahls, welche bei Curve 3 fehlen; der Stahlstab war somit beim ersten Mal gehärtet, nicht aber bei der zweiten Abkühlung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 116
                              Fig. 16.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 116
                              Fig. 17.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 116
                              Fig. 18.
                              
                           Aus diesen und mehreren anderen hier nicht wiedergegebenen Curven erhellt:
                           
                              9) dass, wenn Stahl Härte annehmen soll, seine Erhitzung dem Punkt D entsprechen und
                                 										er schnell bei einem Wärmegrad abgekühlt werden muss, der höher liegt als der, bei dem die anomale Längenveränderung
                                 bei D' eintritt.
                              
                           
                        
                           Der Zusammenhang zwischen den anomalen Längenveränderungen bei Eisen und Stahl und den
                                 										Temperaturveränderungen.
                           Fig. 16 bis 18 geben einige auf photographischem Wege gleichzeitig bei
                              									Bofors-Draht verschiedener Kohlegehalte genommene Längen- und Temperaturcurven. Sämmtliche Temperaturcurven zeigen
                              wie die
                              									entsprechenden Längencurven das Vorhandensein kritischer Punkte. Diese kritischen Temperaturpunkte wurden eingehend
                              studirt und
                              									dürften einige der gefundenen Resultate von Interesse sein, weil es sich dabei um die Ermittelung des Zusammenhanges
                              der anomalen
                              									Längenveränderungen von Stahl und Eisen mit den Temperaturveränderungen handelt. Sie stehen in ganz guter Uebereinstimmung
                              mit den
                              									Resultaten, welche Osmond früher erhielt und über die eingangs dieses berichtet wurde.
                           Bei der Erhitzung der verschiedenen Proben wurde immer bei etwa 750° ein Sinken der Temperatur oder ein Stillstand der Erhitzung
                              									wahrgenommen, was schärfer hervortrat, je grösser der Kohlegehalt war. Bei hartem Stahl konnte dies Sinken der Temperatur
                              bis 5°
                              									betragen.
                           Bei der darauf folgenden Abkühlung der Probe wurde bei etwa 660° entweder ein Wiederaufglühen wahrgenommen, welches bei hartem
                              Stahl
                              									die Temperatur bis um 20° steigerte, oder eine Unterbrechung der Abkühlung, die bei weichem Eisen nur schwer zu erkennen
                              war. Bei
                              									Abkühlung von weichem Stahl und Eisen wurde ausserdem ein anderer Stillstand der Abkühlung bei 710° bezieh. 800°
                              beobachtet.
                           Bei Vergleichung der in Fig. 16 bis 18 dargestellten Längen- und
                              									Temperaturcurven ergibt sich:
                           
                              10) dass die anomalen Längen- und Temperaturveränderungen gleichzeitig und somit bei ungefähr denselben
                                 										Wärmegraden einzutreten scheinen. Diese Gleichmässigkeit der Längen- und Temperaturveränderungen erstreckt sich
                                 gleichwohl nicht
                                 										auch auf die Intensität derselben.
                              
                           Die anomalen Längen Veränderungen sind ja nach dem Vorhergehenden am grössten bei weichem Stahl und ungefähr gleich gross
                              bei hartem
                              									Stahl und weichem Eisen; die anomalen Temperaturveränderungen aber haben ihren grössten Werth bei hartem Stahl und
                              er nimmt schnell ab
                              									mit abnehmendem Kohlegehalt der Probe. BrinellAngeführte Arbeit S 12. nahm zuerst wahr, dass gehärteter
                              									Stahl schneller anläuft als ausgeglühter, und OsmondEbenda S. 216. hat in Uebereinstimmung damit
                              									gefunden, dass bei gehärtetem Stahl Wärme bei seiner Erhitzung zwischen 200 und 520° frei wird. Dieses Freiwerden
                              von Wärme fand der
                              									Verfasser wachsend bei der Erhitzung von 200 bis 350° und dann verlangsamt bei fortgesetzter Erhitzung bis auf etwa
                              500°.
                           Aus diesen Wahrnehmungen ergibt sich:
                           
                              11) dass die früher berührten Anlaufpunkte d1 und
                                 											d2 von einander getrennten thermischen Punkten nicht entsprechen;
                                 										dass hingegen Wärme innerhalb des ganzen Temperaturintervalls entbunden wird, in welchem die fraglichen Anlaufpunkte
                                 										liegen.
                              
                           
                        
                           Approximative Werthe der Verlängerungscoëfficienten von Stahl und Eisen zwischen 0° und
                                 										800° und Grösse der anomalen Längenveränderungen.
                           In den Fig. 19 bis 22 sind die Längen- und Temperaturcurven bei Draht von
                              										Sandviken mit verschiedenen Kohlegehalten graphisch angegeben; dieselben wurden auf folgende Weise
                              									erhalten: Bei der Erhitzung und Abkühlung der Stäbe wurde mit dem Glase und an der Scala bei jedem siebenten Secundentick
                              wechselweise
                              									die Differenz am Dilatometer und am Galvanometer abgelesen. Bei zwei neuerlichen Erhitzungen wurde die Differenz
                              einmal nur am
                              									Dilatometer, das andere Mal nur am Galvanometer festgestellt; die bei diesen Beobachtungen erhaltenen Resultate dienten
                              theils zur
                              									Controle, theils zur Ergänzung der Wechsel weisen Dilatometer- und Galvanometerablesungen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 116
                              Fig. 19.
                              
                           
                           Die Dilatometerdifferenz wurde behufs Fehlercorrectur beim Dilatometer auf Längeneinheiten reducirt und mit
                              									0,00001 derselben ausgedrückt; die Galvanometerdifferenz wurde in Celsiusgrade umgewandelt.
                           Einzelne so erhaltene Beobachtungsreihen, ergänzt mit directen Beobachtungen der Grösse der anomalen Längen- und
                              									Temperaturveränderungen, sind in den Fig. 19 bis 22 graphisch
                              									dargestellt. Die Abscissen bezeichnen dabei die Dauer der Erhitzung und Abkühlung, jeder Theil der Scala ist der
                              Zeitdauer einer
                              									Secunde gleichgestellt; die Ordinaten bei den unteren Curven geben die Temperaturen, wobei jeder Scalentheil 10°
                              entspricht, und bei
                              									den oberen Längen, wobei jeder Scalentheil 0,00001 der Längeneinheit bedeutet.
                           Aus den bezüglichen Längen- und Temperaturcurven wurden die Längenveränderungen der verschiedenen Proben für jeden Temperaturintervall
                              									von 100° berechnet; die hierbei gefundenen Werthe sind in den Tabellen 1 bis 3 zusammengestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 117
                              Fig. 20.
                              
                           Tabelle 1. Draht von Sandviken mit 0,9 Proc. C.
                           
                              
                                 Grad
                                 Längenveränderung bei derErhitzung
                                 Längenveränderung bei derAbkühlung
                                 
                              
                                 0–100
                                 0,00110                 0,00110
                                 –
                                 
                              
                                 100–200
                                 0,00225–0,00110 = 0,00115
                                 –
                                 
                              
                                 200–300
                                 0,00340–0,00225 = 0,00115
                                 –
                                 
                              
                                 300–400
                                 0,00465–0,00340 = 0,00125
                                 0,00470–0,00340 = 0,00130
                                 
                              
                                 400–500
                                 0,00600–0,00465 = 0,00135
                                 0,00610–0,00470 = 0,00140
                                 
                              
                                 500–600
                                 0,00750–0,00600 = 0,00150
                                 0,00765–0,00610 = 0,00155
                                 
                              
                                 600–700
                                 0,00910–0,00750 = 0,00160
                                 0,00905–0,00765 = 0,00140
                                 
                              
                                 700–800
                                 0,01090–0,00910 = 0,00180
                                 0,01100–0,00905 = 0,00195
                                 
                              
                           Tabelle 2. Draht von Sandviken mit 0,6 Proc. C.
                           
                              
                                 Grad
                                 Längenveränderung bei derErhitzung
                                 Längenveränderung bei derAbkühlung
                                 
                              
                                 0–100
                                 0,00115                 0,00115
                                 –
                                 
                              
                                 100–200
                                 0,00230–0,00115 = 0,00115
                                 –
                                 
                              
                                 200–300
                                 0,00350–0,00230 = 0,00120
                                 0,00330–0,00210 = 0,00120
                                 
                              
                                 300–400
                                 0,00480–0,00350 = 0,00130
                                 0,00455–0,00330 = 0,00125
                                 
                              
                                 400–500
                                 0,00620–0,00480 = 0,00140
                                 0,00595–0,00455 = 0,00140
                                 
                              
                                 500–600
                                 0,00770–0,00620 = 0,00150
                                 0,00770–0,00595 = 0,00175
                                 
                              
                                 600–700
                                 0,00845–0,00770 = 0,00075
                                 0,00805–0,00770 = 0,00035
                                 
                              
                                 700–800
                                 0,01015–0,00845 = 0,00170
                                 0,00990–0,00805 = 0,00185
                                 
                              
                           Tabelle 3. Draht von Sandviken mit 0,3 Proc. C.
                           
                              
                                 Grad
                                 Längenveränderung bei derErhitzung
                                 Längenveränderung bei derAbkühlung
                                 
                              
                                 0–100
                                 0,00115                    0,00115
                                 –
                                 
                              
                                 100–200
                                 0,00230–0,00115 =    0,00115
                                 –
                                 
                              
                                 200–300
                                 0,00350–0,00230 =    0,00120
                                 0,00345–0,00230 =    0,00115
                                 
                              
                                 300–400
                                 0,00475–0,00350 =    0,00125
                                 0,00470–0,00345 =    0,00125
                                 
                              
                                 400–500
                                 0,00610–0,00475 =    0,00135
                                 0,00610–0,00470 =    0,00140
                                 
                              
                                 500–600
                                 0,00760–0,00610 =    0,00150
                                 0,00765–0,00610 =    0,00155
                                 
                              
                                 600–700
                                 0,00875–0,00760 =    0,00115
                                 0,00730–0,00765 = – 0,00035
                                 
                              
                                 700–800
                                 0,00865–0,00875 = – 0,00010
                                 0,00870–0,00730 =    0,00140
                                 
                              
                           Die in vorstehenden drei Tabellen erhaltenen Werthe der Längen Veränderungen der Proben sind nachstehend zusammengestellt:
                           Tabelle 4. Draht von Sandviken.
                           
                              
                                 Kohle-gehaltProc.
                                 Verlängerungbei Erhitzungvon0 bis 600°
                                 Verlängerungbei Erhitzungvon600 bis 800°
                                 Contraction beider Abkühlungvon800 bis 600°
                                 Verlängerung-coëfficient beidem Tempe-raturintervalle0 bis 800°Le
                                             														Chatelier gibt in Comptes rendus, 1889 Bd. 108 S. 1096, einige approximative
                                          													Werthe für die Verlängerungscoëfficienten des Stahls und weichen Eisens bei einem Temperaturintervalle 0° bis
                                          1000°.
                                          													Für Stahl fand er α1000° = 0,0000140, für weiches Eisen
                                          														α1000° = 0,0000145.
                                 
                              
                                 0,9
                                 0,00750
                                 0,00340
                                 0,00335
                                 0,0000135
                                 
                              
                                 0,6
                                 0,00770
                                 0,00245
                                 0,00220
                                 0,0000125
                                 
                              
                                 0,3
                                 0,00760
                                 0,00105
                                 0,00105
                                 0,0000110
                                 
                              
                           Aus Tabelle 4 ergibt sich:
                           
                              12) dass die Verlängerung der Proben bei einer Erhitzung von 600° auf 800° und die Contraction während ihrer
                                 										Abkühlung von 800° auf 600° an Grösse mit der Abnahme ihrer Kohlegehalte abnimmt. Die Grösse der Verlängerung bei
                                 der Erhitzung
                                 										von 0° bis auf 600° dagegen scheint ungefähr die gleiche bei den verschiedenen Proben.
                              
                           Die Längen- und Temperaturcurven in Fig. 19 bis 22 zeigen ferner, bei
                              									welchen Temperaturen die anomalen Längenveränderungen eintreten, und geben approximative Werthe für die Grösse der
                              Längenveränderungen
                              									per Längeneinheit. Eine Uebersicht hierüber wird nachfolgend gegeben.
                           Tabelle 5. Draht von Sandviken.
                           
                              
                                 
                                 Kohlegehalt0,9 Proc.
                                 Kohlegehalt0,6 Proc.
                                 Kohlegehalt0,3 Proc.
                                 
                              
                                 Verlängerung zu D
                                 0,00909
                                 0,00887
                                 0,00898
                                 
                              
                                 Grösse d. Contraction    bei D
                                 0,00054
                                 0,00093
                                 0,00056
                                 
                              
                                 Temperatur bei D
                                 715–740°
                                 705–720°
                                 705–800°
                                 
                              
                                 Zeit für D
                                 17,5 Sec.
                                 16,5 Sec.
                                 46,0 Sec.
                                 
                              
                                 Verlängerung zu D'
                                 0,00747
                                 0,00635
                                 0,00730
                                 
                              
                                 Grösse der Verlänge-    rung bei D'
                                 0,00087
                                 0,00138
                                 0,00070
                                 
                              
                                 Temperatur bei D'
                                 665–660°
                                 650–625°
                                 720–645°
                                 
                              
                                 Zeit für D'
                                 9,5 Sec.
                                 13,0 Sec.
                                 16,0 Sec.
                                 
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 117
                              Fig. 21.
                              
                           Das charakteristische Aussehen der Längencurven der verschiedenen Proben bei den kritischen Punkten D und
                              										D' konnte nicht wahrgenommen werden, hauptsächlich wegen der relativ grossen Zeitintervalle zwischen
                              									den bezüglichen Ablesungen. Aus der Längencurve des Eisens mit 0,3
                              									Proc. Kohlegehalt dürfte indessen hervorgehen, dass die Contraction bei D, wie vorher gesagt, in zwei
                              									Momenten D1 und D2 vor sich ging, von denen der erstere den Temperaturintervall von 705 bis 725°, der letztere den von 740 bis 800° umfasst.
                              									Die entsprechende Auftheilung des kritischen Punktes D' konnte dagegen nicht beobachtet werden, dazu wäre
                              									eine photographische Wiedergabe der Längen Veränderungen erforderlich gewesen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 304, S. 118
                              Fig. 22.
                              
                           
                        
                           Approximative Werthe der Verlängerungscoëfficienten bei gehärtetem Stahl unter dem
                                 										Temperaturintervoll 1 bis 800°. Lage der kritischen Anlaufpunkte bei gehärtetem Stahl.
                           Mit Fig. 21 sind Längen- und Temperaturcurven graphisch wiedergegeben für einen Stahlstab aus Sandviken's Draht mit 1,0 Proc. Kohlegehalt, welcher nach Erhitzung auf helle Rothglut in kaltem Wasser
                              									gehärtet wurde. Nachfolgend sind die Längenveränderungen des Stabes aus diesen Curven berechnet:
                           Tabelle 6. Draht von Sandviken mit 1,0 Proc. C. gehärtet.
                           
                              
                                 Grad
                                 Längenveränderung bei derErhitzung
                                 Längenveränderung bei derAbkühlung
                                 
                              
                                 0–10
                                 0,00120                 0,00120
                                 –
                                 
                              
                                 100–200
                                 0,00160–0,00120 = 0,00040
                                 –
                                 
                              
                                 200–300
                                 0,00250–0,00160 = 0,00090
                                 0,00050+0,00070 = – 0,00120
                                 
                              
                                 300–400
                                 0,00340–0,00250 = 0,00090
                                 0,00170–0,00050 =    0,00120
                                 
                              
                                 400–500
                                 0,00435–0,00340 = 0,00095
                                 0,00300–0,00170 =    0,00130
                                 
                              
                                 500–600
                                 0,00580–0,00345 = 0,00145
                                 0,00450–0,00300 =    0,00155
                                 
                              
                                 600–700
                                 0,00730–0,00580 = 0,00150
                                 0,00610–0,00455 =    0,00155
                                 
                              
                                 700–800
                                 0,00895–0,00730 = 0,00165
                                 0,00835–0,00610 =    0,00225
                                 
                              
                           Aus dieser Tabelle erhellt:
                           
                              13) Der Verlängerungscoëfficient ist bei gehärtetem Stahl erheblich kleiner als bei ausgeglühtem Stahl innerhalb
                                 										eines Temperaturintervalls von 100 bis 500°; sein kleinster Werth liegt in dem Temperaturintervall 100 bis 200°.
                              
                           Die anomalen Längenveränderungen des gehärteten Stahlstabes, wie sie aus den Curven in Fig. 22 sich
                              									ergeben, sind in Grösse und Lage die nachfolgenden:
                           Tabelle 7. Draht von Sandviken mit 1,0 Proc. C, gehärtet.
                           
                              
                                 
                                 
                                    d
                                    1
                                    
                                 
                                    d
                                    2
                                    
                                 
                                    D
                                    
                                 
                                    D'
                                    
                                 
                              
                                 Verlängerung zu
                                 0,00160
                                 0,00325
                                 0,00732
                                 –
                                 
                              
                                 Grösse der Zusam-   menziehung oder   Verlängerung bei
                                 0,00008
                                 –
                                 0,00055
                                 0,00060
                                 
                              
                                 Temperatur für
                                 160–200°
                                 400–440°
                                 720–740°
                                 670–675°
                                 
                              
                                 Zeit für
                                 3 Sec.
                                 2 Sec.
                                 16,5 Sec.
                                 7 Sec.
                                 
                              
                           Tabellen 8 und 9 geben einen Begriff vom Verlauf der Zusammenziehung eines gehärteten Stahlstabes beim Anlaufen. Sie enthalten
                              									gleichzeitige Längen- und Temperaturbestimmungen für gehärtete Stahlstäbe aus Sandviken-Draht mit 1,0 und 0,9 Proc.
                              C, welche
                              									wiederholt auf verschiedene Wärmegrade gebracht wurden und zwischen jeder Erhitzung langsam erkalteten.
                           Tabelle 8. Draht von Sandviken mit 0,9 Proc. C, gehärtet,
                           
                              
                                 Dauer der Erhitzung
                                 Schlusstemperatur
                                 Coefficient derZusammenziehung
                                 
                              
                                             6 Secunden
                                 110°
                                 0,00007
                                 
                              
                                 12     „
                                 200°
                                 0,00134
                                 
                              
                                 13     „
                                 280°
                                 0,00023
                                 
                              
                                 24     „
                                 395°
                                 0,00082
                                 
                              
                                 30     „
                                 438°
                                 0,00025
                                 
                              
                                 36     „
                                 498°
                                 0,00005
                                 
                              
                                 90     „
                                 784°
                                 0,00031
                                 
                              
                           Tabelle 9. Draht von Sandviken mit 1,0 Proc. C, gehärtet.
                           
                              
                                 Dauer der Erhitzung
                                 Schlusstemperatur
                                 Grösse derZusammenziehung
                                 
                              
                                        18 Secunden
                                 333°
                                 0,00186
                                 
                              
                                 18       „
                                 279°
                                 0,00001
                                 
                              
                                 18       „
                                 284°
                                 0,00001
                                 
                              
                                 18       „
                                 285°
                                 0,00003
                                 
                              
                                 30       „
                                 479°
                                 0,00121
                                 
                              
                                 30       „
                                 446°
                                 0,00004
                                 
                              
                                 30       „
                                 438°
                                 0,00001
                                 
                              
                                 90       „
                                 782°
                                 0,00037
                                 
                              
                           Aus Tabellen 8 und 9 ergibt sich:
                           
                              14) Gehärteter Stahl erleidet bei der Erhitzung auf Temperaturen zwischen 150 und 450° und darauffolgender
                                 										langsamer Abkühlung eine der Schlusstemperatur entsprechende Zusammenziehung.Le Chatelier, Comptes rendus,
                                       												1888 Bd. 107 S. 862: Ein 0,1 m langer gehärteter Stahlstab zieht sich nach Erhitzung auf 350° und darauf folgender
                                       												langsamer Abkühlung 0,285 mm und nach Erhitzung auf 900° und Abkühlung 0,545 mm zusammen. Die von Le Chatelier erhaltenen Werthe der Grösse der Zusammenziehung sind ungefähr 1,5 mal so gross wie die in Tabelle
                                       												9 angegebenen. Die Verschiedenheit der Resultate Le Chatelier's und des Verfassers dürfte
                                       												sich aus der Verschiedenheit der geprobten Materialien erklären lassen. Soll der Stab weiter sich
                                 										zusammenziehen, so ist erneute Erhitzung auf eine höhere Temperatur erforderlich, als die vorhergehende Schlusstemperatur
                                 											war.Dies ist
                                       												natürlich nur für die fraglichen Erhitzungsverhältnisse erwiesen, und es ist damit nicht gesagt, dass eine länger
                                       dauernde
                                       												Erhitzung bei der Schlusstemperatur der vorhergehenden Erhitzung ohne Wirkung auf die Zusammenziehung des Stabes
                                       bleibt.
                                       												Nach Rydberg, Anhang zu den Verhandlungen der Akad. der Wiss., 1887 Bd. 13 Abth. I Nr. 6 S.
                                       												22, zieht sich ein gehärteter Stahlstab, welcher bei einer constanten Temperatur von 100° erhitzt wird, mit der
                                       Zeit
                                       												continuirlich zusammen, indem er sich einem bestimmten Grenzwerth nähert.
                              
                           
                        
                           Die Bedeutung der experimentalen Resultate.
                           Brinell's Arbeit über die Textur Veränderungen des Stahls, über welche in der Einleitung hierzu in Kürze
                              									berichtet wurde, liefert einen guten Beitrag zur Erklärung der anomalen Längenphänomene, welche vorstehend behandelt
                              wurden.
                           Die von Brinell beobachteten kritischen Punkte W und v beim Stahl werden von denselben Eigenschaften charakterisirt wie die kritischen Punkte D und
                              										D', sowohl in Frage ihres
                              									gegenseitigen Zusammenhanges – der kritische Punkt während der Erhitzung tritt bei höherem Wärmegrad auf als der
                              kritische Punkt bei
                              									der Abkühlung, und des letzteren Eintreten hängt von dem ersteren ab –, wie in Frage nach der Stellung zu der Härtbarkeit
                              des Stahls,
                              									und dürften deshalb mit einander identificirt werden können. Unter dieser Voraussetzung erhalten die anomalen Längen-
                              und
                              									Temperaturphänomene, welche die fraglichen Punkte nach Ansicht des Verfassers charakterisiren, die beste oder richtiger
                              die einzig
                              									mögliche Erklärung dadurch, dass sie in Zusammenhang gebracht werden mit den anomalen Veränderungen der Textur des
                              Stahls und seiner
                              									Kohle, die nach Brinell dieselben Punkte charakterisiren.
                           Die anomale Zusammenziehung bei D oder W dürfte somit in der Hauptsache auf
                              									einer Umgruppirung der Moleküle des Stahls beruhen und das bei der Vernichtung der krystallinischen Textur gleichzeitig
                              eintretende
                              									Sinken der Temperatur auf einem Wärmeverbrauch bei dem Uebergang der Cementkohle in Härtungskohle; die anomale Verlängerung
                              bei D' oder v aber auf dem Wiederaufbau der krystallinischen Textur und das
                              									Temperatursteigen bei D' auf dem Freiwerden von Wärme in Folge der Umsetzung der Härtungskohle in
                              									Cementkohle.
                           Howe liefert in seiner Arbeit: The Metallurgy of Steel, New York 1892, Bd. 1
                              									Cap. 13, ausführlichen Bericht über die kritischen Punkte des Stahls, der wenigstens in einer Hinsicht mit dem hier
                              gegebenen
                              									divergirt; S. 184 spricht er von zwei kritischen Punkten während der Erhitzung des Stahls; der eine tritt bei niedrigerem
                              Wärmegrade
                              									ein, entspricht dem Punkt v bei der Abkühlung und wird von anomalen Längen- und Temperaturveränderungen
                              									charakterisirt; der andere, W, tritt bei bedeutend höherer Temperatur ein und wird von Textur- und der
                              									Aenderung der Kohle charakterisirt. Zu dieser Auslegung vermag sich der Verfasser nicht zu bekennen. Was sollte in
                              diesem Fall die
                              									Bedeutung des ersteren, so tief in die physikalischen Eigenschaften des Stahls eingreifenden Punktes sein, wenn mit
                              demselben keine
                              									Textur- oder Kohleänderung verbunden wäre, und wie ist es andererseits denkbar, dass Aenderung der Textur und der
                              Kohle des Stahls vor
                              									sich gehen kann, ohne dass derselben entsprechende Aenderungen der physikalischen Eigenschaften des Stahls folgen?
                           Als Erklärung der anomalen Längenphänomene, welche Eisen im Gegensatz zum Stahl charakterisiren, mag am besten eine Vergleichung
                              mit
                              										Osmond's thermischen Untersuchungen dienen.
                           Die beiden kritischen Punkte, von denen Osmond und der Verfasser fanden, dass sie hartes und weniger
                              									hartes Eisen sowohl bei der Erhitzung wie bei der Abkühlung charakterisiren, sind mit Leichtigkeit zu identificiren.
                              Dagegen ist es
                              									dem Verfasser nicht geglückt, einen dritten kritischen Punkt beim weichen Eisen zu beobachten.
                           Die bei niedrigeren Wärmegraden eintretenden kritischen Punkte, welche vorher mit D2 und D'1 bezeichnet wurden, entsprechen
                              									in thermischer Beziehung den beim Stahl beobachteten Punkten D und D' und
                              									stehen, nach Osmond's Erklärung, in Zusammenhang mit Aenderungen des Zustandes der Kohle. Die geringe
                              									Zusammenziehung, welche bei D1 beobachtet wurde, dürfte zum Theil auf der
                              									Unterbrechung der Schnelligkeit der Erhitzung beim Uebergang der Cementkohle in Härtungskohle beruhen, daneben aber ihre
                              									Erklärung im Beginn der Vernichtung der krystallinischen Textur finden, obwohl diese erst in höherer Temperatur,
                              bei D2, ihre Endschaft erreicht.
                           Die bei höheren Wärmegraden in Erscheinung tretenden kritischen Punkte hält Osmond, wie bereits einleitend
                              									hier hervorgehoben wurde, für abhängig von allotropischen Aenderungen im Eisen, und begründet seine Ansicht damit,
                              dass sie mehr
                              									individualisirt eintreten, je geringer der Kohlegehalt im Eisen ist.Angeführte Arbeit S. 206.
                           Indessen scheinen die Längenphänomene, welche die Punkte D2 und D'2 charakterisiren, keinerlei solche Individualisirung anzudeuten. Die
                              									anomalen Längen Veränderungen treten weder schärfer noch begrenzter hervor, je geringer der Kohlegehalt im Eisen
                              ist, sondern dehnen
                              									sich im Gegentheil mit Abnahme des Kohlegehaltes über längere Zeit aus.
                           In Uebereinstimmung mit der vorher gegebenen Erklärung ist Verfasser der Ansicht, dass diese Punkte in Verbindung mit den
                              									Texturänderungen gebracht werden müssen, die beim Eisen, im Gegensatz zum Stahl, nicht im Zusammenhang mit den Aenderungen
                              des
                              									Zustandes der Kohle stehen.
                           Im Anschluss an diese Darstellung mögen einige der vorher erhaltenen Beobachtungsresultate einer Prüfung unterzogen werden.
                           1)Die nachfolgend
                                    											vorangestellten Zahlen decken sich mit der früher gegebenen Numerirung der experimentalen Resultate. Dass die
                              									beobachtete Zusammenziehung bei D kleiner ist als die Verlängerung bei D',
                              									braucht nicht zu bedeuten, dass die Längenveränderungen, die mit den Texturveränderungen bei Erhitzung und Abkühlung
                              verbunden sind,
                              									verschiedene Grösse haben. Die Vernichtung der krystallinischen Textur scheint nicht ebenso schnell stattzufinden
                              und nicht
                              									gleichzeitig innerhalb der ganzen Masse, welche sie bildet, woher die mit ihrer Vernichtung verbundene Zusammenziehung
                              nicht auf den
                              									Temperaturintervall begrenzt ist, innerhalb dessen die beobachtete Zusammenziehung liegt, obschon sie ausserhalb
                              dieses Intervalls
                              									durch die gleichzeitige Verlängerung der Masse verdeckt wird.
                           5) Wenn die Probe auf einen Wärmegrad gebracht wird, der niedriger steht als D, so geht keine Zerstörung
                              									ihrer krystallinischen Textur vor sich und somit ebenso wenig eine Wiederbildung derselben. Die anomale Verlängerung
                              bei D' kann in Folge dessen nicht eintreten. Wenn die Probe lediglich auf einen Wärmegrad gebracht wird,
                              									welcher der bei D beobachteten Zusammenziehung entspricht, wird die krystallinische Textur nicht völlig
                              									zerstört, in Folge dessen bleibt ein Theil der Krystallisation bei D' unberührt. Die anomale
                              									Zusammenziehung fällt mithin in diesem Fall geringer aus als in dem Fall, wenn die Erhitzung bis zu einem Grad getrieben
                              wird, bei dem
                              									die gesammte Textur der Vernichtung anheim fällt und somit die gesammte Masse an der Wiederbildung der krystallinischen
                              Textur
                              									theilnimmt.
                           6) Langdauerndes oder wiederholtes Glühen zu hohem Wärmegrad macht bekanntlich das Eisen spröd und gibt ihm grobkrystallinischen
                              Bruch.
                              									Nach der Vernichtung der krystallinischen Textur bei D tritt bei fortgesetzter Erhitzung eine neue
                              									Krystallbildung ein, die stärker festgehalten wird, je länger die Erhitzung dauert. In gleichem Maass, wie die neugebildeten Krystalle festgehalten werden, bleiben sie auch bei der Abkühlung
                              									bestehen; daraus folgt, dass ein Theil der Masse der Texturveränderung entzogen wird, welche bei D und
                              										D' eintritt, und dass die Grösse der damit verbundenen Längenveränderungen sich verringert.
                           Verbranntes Eisen und Stahl zeigen ja gemäss den Untersuchungen des Verfassers keine Spur irgend welcher kritischen Längen
                              										Veränderungen.Verbrannter Stahl lässt sich gleichwohl insoweit härten, als die einzelnen Krystalle einen bedeutenden Härtegrad
                                    											erhalten. Die Härtung kann in diesem Fall in keinen Zusammenhang mit irgend welcher plötzlichen Textlirveränderung
                                    gebracht
                                    											werden, weil die anomalen Längenveränderungen nicht weiter in Erscheinung treten. Beruht dies aber auf einer Aenderung
                                    des
                                    											Zustandes der Kohle, so müssten dieser Zustandsänderung fortfahrend anomale Temperaturveränderungen folgen. Kann
                                    man somit
                                    											kritische Temperaturpunkte beim verbrannten Stahl nachweisen, so hat man damit einen Beweis erbracht, dass die
                                    Härtung in
                                    											erster Reihe abhängig ist von der Zustandsänderung der Kohle; fehlen aber solche kritische Temperaturpunkte, so
                                    muss man
                                    											zugeben, dass die Härtung in diesem Fall lediglich ein Ergebniss des Spannungszustandes ist, welchen die schnelle
                                    Abkühlung
                                    											hervorruft. Leider hat der Verfasser bei Ausführung der experimentalen Untersuchungen die Bedeutung dieser Frage
                                    nicht erkannt
                                    											und bei verbranntem Stahl keine Temperaturbestimmungen gemacht.
                           7) Das Vorhandensein deutlich markirter Discontinuitätspunkte in den Verlängerungscurven gehärteten Stahls während der Erhitzung
                              bis
                              									zum kritischen Punkt D scheint anzudeuten, dass die Vernichtung der Härtungstextur und die Bildung der
                              									Textur, welche ausgeglühtem Stahl eigen ist, nicht continuirlich vor sich gehen, wenigstens nicht unter den Erhitzungsverhältnissen,
                              									denen die Proben unterworfen wurden.
                           Weil die Längen- und Temperaturveränderungen, welche die Punkte D und D'
                              									charakterisiren, beim Stahl gleichzeitig eintreten, so können keinerlei Schlüsse über die Rolle daraus gezogen werden,
                              welche Kohle-
                              									und Texturveränderungen, jede für sich, bei der Härtung von Stahl spielen.
                           11) Bei der Erhitzung gehärteten Stahls scheinen innerhalb desselben Temperaturintervalls Texturveränderungen vor sieb zu
                              gehen, wie
                              									die Zustandsänderung der Kohle, aber einen im Uebrigen verschiedenen Verlauf zu zeigen. Während die Zustandsveränderung
                              der Kohle,
                              									nach den Temperaturcurven zu urtheilen, ziemlich regelrecht innerhalb des fraglichen Temperaturintervalls vor sich
                              zu gehen scheint,
                              									ist dagegen die Veränderung der Textur vorzugsweise an gewisse bestimmte Temperaturen gebunden. Indessen müssten
                              die obigen
                              									Schlussätze durch genauere und umfassendere Untersuchungen erhärtet werden, um als völlig zuverlässige angesehen
                              werden zu können.
                           12) Dass der Verlängerungscoëfficient bei der Erhitzung über einen Hitzegrad hinaus, der der beobachteten Zusammenziehung
                              bei D entspricht, bedeutend kleiner ist für weiches Eisen, als für Stahl, dürfte wohl in erster Linie der
                              									Einwirkung zugeschrieben werden, welche die markirte Zusammenziehung bei D über die Grenzen der
                              									beobachteten hinaus übt, eine Einwirkung, die zu wachsen scheint in gleichem Maasse, wie der Kohlegehalt geringer
                              ist.
                           14) Wenn gehärteter Stahl schnell erhitzt wird, scheint nur ein der Schlusstemperatur jedesmal entsprechender Theil der Masse
                              									auskrystallisiren zu können. Bei wiederholter Erhitzung setzt sich die Krystallbildung nur dann weiter fort, wenn
                              die Erhitzung bis
                              									auf einen höheren Grad getrieben wird, als die Schlusstemperatur der vorhergegangenen Erhitzung war. Damit ist natürlich nicht
                              									gesagt, dass nicht auch einige Krystallbildung erfolgt bei erneuter Erhitzung bis zur voraufgegangenen Ablöschungstemperatur,
                              sobald
                              									dieselbe länger dauert.
                           Dr. Leo.