| Titel: | Ueber die Nachvergasung in Acetylenentwickelungsapparaten. | 
| Fundstelle: | Band 306, Jahrgang 1897, S. 17 | 
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                        Ueber die Nachvergasung in Acetylenentwickelungsapparaten.Nach Versuchen im Laboratorium für Calciumcarbid und Acetylen
                                 										des Dr. O. Münsterberg in Berlin (Zeitschrift für
                                    										Beleuchtungswesen).
                        Mit Abbildung.
                        Ueber die Nachvergasung in Acetylenentwickelungsapparaten.
                        
                     
                        
                           Von den drei Wegen, welche sich für die Erzeugung des Acetylens darbieten, 1) dem Zufliessen des Wassers zu dem Carbid, 2)
                              dem
                              									Einwerfen des Carbids in das Wasser und 3) der Anordnung des Carbids und Wassers in einem Raum unter
                              									Regelung der Entwickelung durch den Gasdruck selbst, erscheint letzterer als der bequemste.
                           Auf diesem Grundgedanken beruhen viele Apparate. Die typische Anordnung, die bei den meisten Ausführungsformen sich nur so
                              viel ändert,
                              									dass ein neuer Schutzanspruch gerechtfertigt erscheint, ist bekannt; vgl. 1897 303 * 275. * 296.
                           Der den unter 3) benannten Apparaten anhaftende Hauptfehler zeigt sich aber, wenn der Brennerhahn geschlossen wird und die
                              									Gasentwickelung aufhören soll. Es wird nämlich dieser Anordnung die Annahme zu Grunde gelegt, dass die Entwickelung
                              aufhört, sobald
                              									eine Trennung des Carbids vom Wasser stattgefunden hat. Dies ist jedoch keineswegs der Fall.
                           Einmal wird durch die Reactionswärme eine Menge Wasser verdampft, so dass der Raum des Carbidbehälters mit Dampf gesättigt
                              ist; bei dem
                              									allmählichen Abkühlen wird derselbe condensirt und wirkt von Neuem auf das Carbid ein. Ferner wird ein Theil des
                              Wassers von dem
                              									erwärmten Kalk aufgenommen und beim Erkalten von demselben wieder abgegeben. Diese beiden Ursachen der Nachentwickelung
                              sind nicht zu
                              									beseitigen, sobald Wasser zu dem Carbid tritt, aber diese Nachentwickelung ist beendet, sobald alle vorhandene Feuchtigkeit
                              in Gas
                              									umgesetzt ist. Bei den obigen Apparaten zeigt sich ausserdem eine dritte Form der Nachentwickelung, die viel schwerwiegender
                              ist, da
                              									sie nicht begrenzt werden kann. Das über Wasser hängende Carbid zieht nämlich fortwährend Feuchtigkeit an, so dass
                              eine zwar langsame,
                              									aber stetige Nachentwickelung stattfindet. Um Anhaltspunkte über den ungefähren Umfang der Nachentwickelung zu gewinnen,
                              hat Dr. Paul Wolff Versuche angestellt, welche ergeben haben, dass die gesammte Nachentwickelung in der ersten
                              									halben Stunde 7½ l, in den ersten 24 Stunden 25 l und nach 3 Tagen 50 l beträgt. Dieselbe ist aber dann nicht beendet,
                              sondern geht
                              									gleichmässig weiter und beträgt für je 24 Stunden etwa 5 bis 6 l, so lange überhaupt noch ein Stück Carbid vorhanden
                              ist.
                           Hieraus ergibt sich für die Anwendung der ApparateFolgendes: Da die
                              									partielle Nachentwickelung begrenzt ist und nicht mehr als ungefähr 16 1 beträgt, so lässt sich, wenigstens bei grösseren
                              Entwicklern,
                              									ein Reserveraum construiren, der gross genug ist, dieselbe aufzunehmen. Eine geruchlose und ungefährliche transportable
                              Tischlampe
                              									dagegen dürfte schon aus diesem Grunde unmöglich sein.
                           Anders liegt der Fall, sobald fortwährend frisch erzeugte Wasserdämpfe zu der Entwickelung beitragen. Das Carbid lässt sich,
                              wenn auch
                              									viel langsamer, so doch in vollkommener Weise mit Wasserdämpfen entwickeln, genau wie mit Wasser, es zieht begierig
                              aus der umgebenden
                              									Atmosphäre jede Spur von Feuchtigkeit an und setzt sie in Acetylen um. Nimmt man einen derartigen Apparat in Gebrauch,
                              so wird
                              									derselbe gut functioniren, so lange das entwickelte Acetylen fortbrennen kann. Wird aber der Gasausströmungshahn
                              geschlossen, so wird
                              									das weiter entstehende Acetylen zuerst den Gasraum füllen; ist dies geschehen, so wird das Gas entweder durch das
                              Absperrwasser oder
                              									durch ein Sicherheitsventil entweichen, oder, wenn es nicht die Möglichkeit zu entweichen hat, wie z.B. bei einzelnen
                              									Lampenconstructionen, so wird eine Comprimirung entstehen, die zu einer Explosion führen kann. Je kleiner der Apparat
                              ist, um so
                              									grösser ist natürlich die Gefahr und um so geringer die Zeit, die zum Füllen des Reserveraums genügt; bei einer Tischlampe
                              würde schon
                              									eine kurze Zeit aasreichen, so dass ein sicheres und gefahrloses Functioniren ausgeschlossen erscheinen dürfte. Bei
                              einem grösseren
                              									Apparat werden die Uebelstände zwar nicht so schnell eintreten, wird derselbe aber, wie es im Sommer öfters vorkommt,
                              längere Zeit
                              									ohne Benutzung gefüllt stehen bleiben, so wird man auch hier den beiden Eventualitäten der Gefahr oder des Gasverlustes
                              ausgesetzt
                              									sein.
                           Die schädlichen Folgen der Nachvergasung haben sich bereits vielen Erfindern unangenehm bemerkbar gemacht und es sind verschiedene
                              									Vorschläge gemacht worden, derselben abzuhelfen. Arsonval hat in seinem Apparat das Wasser mit einer
                              									Oelschicht bedeckt, um die Wasserdämpfe zurückzuhalten, leider ist jedoch die Ausführung nicht möglich. Ist die Oelschicht
                              dünn, so
                              									zieht das Carbid durch dieselbe hindurch die Wasserdämpfe an; ist sie dagegen stärker, so wird das Carbid mit Oel
                              getränkt und wird
                              									dann nicht mehr vom Wasser angegriffen. Die schützende Wirkung des Oels auf das Carbid ist so gross, dass ein in
                              Oel getränktes Stück
                              									dieses Stoffes wochenlang unter Wasser aufbewahrt werden konnte, ohne dass es im Geringsten angegriffen wurde. Hierzu
                              genügt es schon,
                              									wenn das Stück durch eine etwas dicke Oelschicht hindurchfällt. Dasselbe soll nach einer Angabe von Armand
                                 										Ladignac auch für das unter dem Namen Acetylith von Serpollet und Létang empfohlene Präparat zutreffen. Acetylith ist ein mit Glukose präparirtes Calciumcarbid, welches durch dies Mittel
                              									unempfindlicher gegen Wasser werden soll. Leider wird aber auch hier nach Versuchen obigen Autors die Unempfindlichkeit
                              so gross, dass
                              									das Acetylith gar nicht oder doch nur in unvollkommener Weise angegriffen wird. Was Arsonval sowohl wie
                              										Serpollet und Létang auf chemischem Wege vergeblich zu erreichen
                              									suchten, versuchten Sez und Co. durch mechanische Mittel, indem sie die Oberfläche des Wassers möglichst
                              									verringerten. Während bisher das den Carbidkorb enthaltende Gefäss unten offen war, lässt Sez
                              									dasselbe in eine Röhre auslaufen, welche mit dem Wasserbehälter in Verbindung steht. Dadurch wird bewirkt, dass einerseits
                              jedesmal
                              									nur wenig Wasser an das Carbid herantritt und zweitens nur eine sehr kleine Oberfläche zur Verdunstung gelangt. Wenn
                              hierdurch die
                              									Nachvergasung auch voraussichtlich verkleinert wird, so ist sie doch nicht ganz aufgehoben und es können bei genügend
                              langer Zeit noch
                              									dieselben Uebelstände eintreten. Um die störende Nachentwickelung völlig zu vermeiden, ist es nöthig, das Calciumcarbid
                              von dem Moment
                              									an, in dem die Gasentwickelung aufhören soll, der Einwirkung des Wassers zu entziehen. Nach vielen vergeblichen Versuchen
                              ist dies in
                              									dem neuesten Apparat von Dr. O. Münsterberg durch Anbringen eines Schwimmerventils gelungen, das
                              									jedesmal, wenn das Carbid aus dem Wasser gehoben ist, in Thätigkeit tritt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 306, S. 17
                              Acetylenentwickelungsapparat von Münsterberg.
                              
                           Der Apparat ist mit der neuen Anordnung in der Zeichnung dargestellt. A ist das Gefäss, welches einen mit
                              									Calciumcarbid gefüllten Korb enthält und welches an seinem unteren Ende ein kegelförmig abgestumpftes Stück B trägt. In Folge der schrägen Flächen kann das Wasser, sobald sich das Gefäss aus dem Wasser hebt, leicht und schnell
                              									ablaufen. Die Oeffnung des Trichters B ist C, welche durch eine Platte o.
                              									dgl. gasdicht geschlossen werden kann und mit einem Schwimmerventil D in Verbindung steht. Sobald das
                              									Carbidgefäss in das Wasser taucht, wird der Schwimmer D schwimmen und in Folge dessen den Verschluss von
                              										C heben. Das Wasser kann nunmehr zu dem Carbid hinzutreten. Wenn in Folge der Gasentwickelung sich
                              									die Glocke hebt, so läuft zunächst das Wasser an den schrägen Wandungen des Trichters ab: ist der Schwimmer ganz
                              aus dem Wasser
                              									gehoben, so senkt er sich in Folge seiner eigenen Schwere und
                              									verschliesst hierbei die Oeffnung, indem die Platte C durch das Gewicht des Schwimmers herniedergezogen
                              									wird. Dadurch wird den Wasserdämpfen jeder Zutritt zu dem Carbidraum verwehrt und es kann nur die oben als partielle
                              Nachentwickelung
                              									bezeichnete eintreten, zu deren Aufnahme durch einen genügend grossen Gasraum gesorgt ist.
                           Indem ich die allgemein bekannten Theile des Apparates übergehe, sagt der Berichterstatter, möchte ich noch eine Anordnung
                              hervorheben,
                              									durch welche ein zweiter viel empfundener Uebelstand vermieden wird. Wenn ein Acetylenentwickelungsapparat zur frischen
                              Füllung
                              									geöffnet wird, so dringt atmosphärische Luft in denselben ein. Beginnt dann die Gasentwickelung, so entweicht zuerst
                              ein Gemisch von
                              									Acetylen und Luft, welches entweder explosiv sein kann, oder längere Zeit gar nicht oder schlecht brennt. Dies ist
                              bei vorliegendem
                              									Apparat durch Anbringen einer Gasreservekammer E vermieden worden, welche in der tiefsten Stellung der
                              									Glocke noch über Wasser bleibt und in Folge dessen stets mit Acetylen gefüllt ist und welche ein 5mal grösseres Volumen
                              enthält als
                              									der Raum, in den bei der Füllung die Luft eintreten kann. Zu diesem Zweck ist das Rohr F, welches den
                              									inneren Entwickler mit dem äusseren Mantel, aus welchem das Acetylen zum Brenner abgeleitet wird, verbindet, mit
                              einem Hahn G versehen, der beim jedesmaligen Oeffnen des Apparates durch den Hebel H
                              									zwangsweise geschlossen, beim Schliessen geöffnet wird. Dadurch wird bewirkt, dass nur der Raum A mit
                              									Luft gefüllt werden kann. Da derselbe aber 5mal kleiner ist als der Reserveraum E, so bildet sich sofort
                              									ein Gemisch aus 80 Proc. Acetylen und 20 Proc. Luft, welches gut brennt und kein Explosivgemisch ist. Nachdem so
                              die
                              									Hauptschwierigkeiten überwunden waren, functionirt der Apparat durchaus gut und lässt sich für eine Füllung bis zu
                              2 k empfehlen. Für
                              									grössere Dimensionen ist jedoch dieses Princip überhaupt nicht geeignet. Abgesehen davon, dass die Polizei in Berlin
                              und die
                              									Feuerversicherungsgesellschaften eine Beschickung von mehr als 3 k in einem Entwickler auf einmal nicht gestatten,
                              würde auch bei
                              									einer grösseren Menge Carbid die Gewichtsvermehrung oder -Verminderung, die das Carbidgefäss erleidet, je nachdem
                              der Kalkschlamm aus
                              									demselben entfernt wird oder nicht, sehr störend wirken. Die Gewichtszunahme, die durch Umwandlung des Carbids in
                              Kalkhydrat entsteht,
                              									ist theoretisch zwar nur 15 Proc. in Wirklichkeit beträgt dieselbe aber, da der Kalk sehr viel Wasser aufnimmt, über
                              100 Proc.
                              									ungefähr 130 Proc. – Es würde also bei einer Füllung von 10 k Carbid z.B. das Gewicht der Glocke gegen Ende des Processes
                              um 10 k
                              									zugenommen haben. Eine derartige Druckvermehrung kann aber Betriebsstörungen aller Art, verschiedene Helligkeit der
                              Brenner, sowie
                              									gefährliche Spannungen hervorrufen. Man wird also gut thun, derartige Apparate nur für kleine Dimensionen bis zu
                              einer
                              									Maximalcapacität von 2 k anwenden, für grössere Anlagen aber auf anderen Principien beruhende Constructionen zu wählen.