| Titel: | Ueber silberhaltige Lüster auf Glas. | 
| Fundstelle: | Band 306, Jahrgang 1897, S. 69 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber silberhaltige Lüster auf Glas.
                        Von Richard Zsigmondy.
                        Ueber silberhaltige Lüster auf Glas.
                        
                     
                        
                           Im J. 1887 habe ich in diesem Journal (266 364) auf eine damals neue, aus Frankreich kommende Handelswaare
                              									aufmerksam gemacht, die zu jener Zeit und auch später das Interesse der Glasfabrikanten in Anspruch genommen hat.
                              Es wurden in jener
                              									Publication Glaswaaren besprochen, die mit einem eigenthümlichen, hochglänzenden Lüster versehen waren, der im reflectirten
                              Lichte in
                              									prachtvollem, silber- oder goldartigem Glänze erschien, im durchfallenden Lichte betrachtet jedoch seinen metallischen
                              Charakter
                              									verlor und sich dann nur durch Gelbfärbung des Glases bemerkbar machte, ohne die Durchsichtigkeit des letzteren zu
                              									beeinträchtigen.
                           Ich habe in meiner damaligen Abhandlung gezeigt, dass der Reflex dieser Glaswaaren auf die Anwesenheit von metallischem Silber
                              									zurückzuführen sei, das als solches im Zustande feinster Vertheilung, wahrscheinlich in gelöstem Zustande in der
                              äussersten
                              									Oberflächenschicht enthalten war.
                           Es wurde von mir auch ein Verfahren angegeben, nach welchem man derartige Lüster auf Glas hervorbringen kann: Eine Lösung
                              von
                              									Silberresinat wurde entweder für sich oder mit anderen Resinaten gemischt auf die Glasoberfläche gestrichen, in der
                              Muffel bei
                              									Luftzutritt eingebrannt und dann mit reducirenden Gasen behandelt.
                           Man erhielt manchmal recht schöne Lüsterfarben, die aber durchaus nicht immer gleichartig erschienen.
                           Es war namentlich die Zusammensetzung der Glassubstanz von wesentlichem Einfluss auf das Aussehen der Lüster und es hielt
                              schwer, auf
                              									diesem Wege brauchbare Resultate zu erzielen.
                           Einige Jahre später kam ich gelegentlich anderer Versuche auf den Gedanken, dass diese Lüster sich auch auf andere Weise erzeugen
                              									lassen müssten. Wenn es nämlich gelänge, genügende Mengen von Silberoxyd als Silicat oder Borat im Glase aufzulösen,
                              so würden alle
                              									Bedingungen gegeben sein, jenen prächtigen Lüster zu erzeugen; ein derartiges Glas müsste, in eine Reductionsflamme
                              gehalten, durch
                              									Silberausscheidung einen beträchtlichen Metallglanz annehmen.
                           Um mich von der Richtigkeit meiner Ansicht zu überzeugen, wurde der folgende Vorversuch angestellt: Eine geringe Menge Silbernitrat
                              									wurde mit der 15fachen Menge Borax verrieben und das Gemenge auf einem Stück Platinblech erhitzt, derart, dass die reducirende
                              									Flamme die Schmelze nicht treffen konnte. Es war nach kurzer Zeit zu einem farblosen bis schwach gelblichen Glase
                              zusammengeschmolzen.
                              									Wurde nun während des Erkaltens die Schmelze auch nur einen Augenblick in die Flamme selbst gehalten, so erschien
                              der Lüster sofort in
                              									prachtvollem Glänze auf dem Boraxglase mit allen Eigenschaften, die auch dem französischen Lüster zukommen.
                           Dieser Vorversuch war nun der Ausgangspunkt für eine grössere Arbeit, die zum Zwecke hatte, als Grundlage für die fabriksmässige
                              									Herstellung solcher Lüster zu dienen. Ich habe meine diesbezüglichen Versuche ausführlich im Sprechsaal,
                              									1894 Jahrg. 27 S. 123, 147, 175, 201 und 227, beschrieben und möchte mir erlauben, den wesentlichsten Inhalt dieser
                              Abhandlung hier in
                              									gekürzter Form wiederzugeben.
                           Meine Aufgabe war zunächst die folgende: Es musste ein verarbeitbares Glas gefunden werden, das geeignet war, genügende Mengen
                              von
                              									Silberoxyd ohne Reduction desselben aufzunehmen, und diesem Glase musste so viel Silberoxyd einverleibt werden, dass
                              bei der Reduction
                              									der Lüster in genügender Intensität zum Vorschein kam.
                           Ich habe anfangs nur Borate auf ihr Verhalten gegen Silberoxyd geprüft, dann reine Silicate und schliesslich Borosilicate.
                           
                        
                           A. Borate.
                           1) 1 g Silbernitrat wurde mit 15 g Borax in einer Porzellanschale in der Muffel verschmolzen. Man erhielt ein Glas von oben
                              erwähnten
                              									Eigenschaften. Zur Reduction des Silbers wurde bei diesen und den folgenden Proben Alkoholdampf verwendet, derart,
                              dass man das heisse
                              									Glas über eine Schale brachte, in welcher sich einige Cubikcentimeter Alkohol befanden. Der durch das heisse Glas
                              verdampfte Alkohol
                              									genügt, um den Lüster hervorzurufen.
                           2) Derselbe Versuch unter Anwendung von Chlorsilber an Stelle von Silbernitrat gab kein günstiges Resultat; das Glas wird
                              trüb und
                              									Chlorsilber verflüchtigt sich theilweise. Es wurde daher für die weiteren Versuche nur mehr Silbernitrat verwendet.
                           Die Schmelzproben 3 und 4 zeigten, dass man bei geringerem Silbergehalt (1 : 60) auch noch Lüster in Boraxgläsern erhält.
                           5) Ein Bleiborat von der Formel PbB4O7 wurde hergestellt durch
                              									Verschmelzen von
                           
                              
                                 B(OH)3
                                 12,5 g
                                 
                              
                                 PbO
                                 11,0 g
                                 
                              
                           Von dem Gemenge wurden 15 g mit 1 g Silbernitrat versetzt; es schmolz zum leichtflüssigen Glase, auf dem man ebenso wie auf
                              den
                              									Boraxgläsern durch Reduction einen schönen, glänzenden Lüster erzeugen konnte. – Wurde ein heisses Glasstück in diese
                              Schmelze
                              									getaucht, so zeigte der auf diesem Glase anhaftende Glasfluss eine eigenthümliche schöne Blaufärbung, die ebenso
                              wie die
                              									Fluorescenzfarben nur dann erschien, wenn das Glas gegen einen dunklen Hintergrund gehalten wurde; die Färbung trat
                              besonders schön
                              									hervor, wenn man das Glas bei dem Lichte einer elektrischen Bogenlampe betrachtete. Ich zweifle kaum daran, dass
                              man es hier mit einem
                              									blau fluorescirenden Glase zu thun hatte.
                           6) Ein Blei-Natriumborat, bestehend aus gleichen Theilen Satz Nr. 5 und Borax, nahm schöne Lüster an.
                           7) und 8) Versuche, silberhaltige Barium- und Antimonborate zu
                              									erhalten, scheiterten an der Schwerschmelzbarkeit der Gemenge.
                           Das Gleiche lässt sich über die Versuche, Calcium- und Cerborate (15, 17 und 18) zu erhalten, aussagen.
                           9) bis 13) Dagegen nimmt das Phosphorsalz ebenso wie andere, leicht schmelzbare Phosphate grössere Mengen von Silberoxyd auf,
                              das durch
                              									Reduction leicht in Metall von schönem Silberglanz verwandelt werden kann. Der Lüster ist in diesem Falle verschiedenartig
                              gefärbt;
                              									von roth durch gelb zu violett und blau. In derartigen leichtflüssigen Phosphatgläsern erscheint der Silberspiegel
                              jedoch nur, wenn
                              									man das Glas nach dem völligen Erstarren der Reductionsflamme aussetzt, nicht aber solange die Schmelze noch flüssig
                              ist. Es hängt
                              									dies zusammen mit der geringeren Zähigkeit und leichteren Beweglichkeit der geschmolzenen Metaphosphate den Borat-
                              und Silicatgläsern
                              									gegenüber.
                           20) und 21) Die Einführung von Zinkoxyd in Boraxgläser gab keine günstigen Resultate. Die silberhaltigen Gläser von der Zusammensetzung
                              										ZnB2O4 und ZnB2O4, Na2B2O7 nahmen nur unscheinbare Lüster an.
                           Günstiger verhielten sich die Cadmium- und Wismuthborate.
                           22) Ein Gemenge aus Cadmiumborat und Borax wurde erschmolzen aus
                           
                              
                                 Cadmiumnitrat
                                 7,5 g
                                 
                              
                                 Borsäure
                                 6,0 g
                                 
                              
                                 Borax
                                 7,0 g
                                 
                              
                                 Silbernitrat
                                 0,5 g
                                 
                              
                           Man erhielt ein leicht schmelzbares, klares Glas, das bei der Reduction prächtige Lüster gab; auch konnte Fluorescenz beobachtet
                              									werden.
                           23) Wismuthsalze verschmelzen mit Borsäure in verschiedenen Verhältnissen leicht zu Glasflüssen. Ich erhielt ein Glas von
                              annähernd der
                              									Formel Bi2O3, 2 B2O3 durch Verschmelzen von
                           
                              
                                 Wismuthsubnitrat
                                 7,0 g
                                 
                              
                                 Borsäure
                                 6,5 g
                                 
                              
                           Dem Gemenge wurden noch 0,3 g Silbernitrat zugesetzt. Das erschmolzene Glas war schwach gelblich gefärbt, tropfte bei Rothglut
                              vom
                              									eingetauchten Glasstab herunter und nahm beim Reduciren, auch im Alkoholdampf nur braune Farben an, ohne einen Lüster
                              zu zeigen.
                           24) Ein Bleiborat derselben Formel wie Nr. 5, nur mit bedeutend geringerem Silberzusatz als letzteres, wurde hergestellt durch
                              									Verschmelzen von
                           
                              
                                 Borsäure
                                 12,0 g
                                 
                              
                                 Bleioxyd
                                 11,0 g
                                 
                              
                                 Silbernitrat
                                 0,5 g
                                 
                              
                           Dieses Glas gab keine Fluorescenz. Mit mehr Borsäure verschmolzen, liess das Glas sich auch schlecht lüstern.
                           25) Um zu sehen, welchen Erfolg eine Vermehrung des Bleigehaltes haben würde, wurde letzterer verdoppelt. Ein Satz aus
                           
                              
                                 Borsäure
                                 12 g
                                 
                              
                                 Bleioxyd
                                 22 g
                                 
                              
                                 Silbernitrat
                                 1 g
                                 
                              
                           gab im Gegensatz zur Schmelze 24 dunkelroth gelbe Gläser, die beim Eintauchen einer heissen Röhre an dieser
                              									leicht unschöne, grüne Fluorescenz annahmen. Die Lüster erschienen grün-goldig, waren aber häufig getrübt. Die Schmelze
                              hält gut auf
                              									Thüringer-Glas, dagegen nur mit Haarrissen auf Kaliglas.
                           
                        
                           B. Bleisilicatgläser.
                           Nachdem ich die Wirkungsweise der einzelnen Metalloxyde auf den Lüster durch die eben beschriebenen Versuche mit reinen Boraten
                              									festgestellt hatte, ging ich daran, zu prüfen, wie sich das Silberoxyd in borfreien Gläsern verhält. Es wurden zu
                              diesem Zwecke nur
                              									Bleigläser gewählt, da ja zur Genüge bekannt ist, dass Kalkgläser nur geringe Mengen Silber aufzunehmen im Stande
                              sind, und da ich
                              									ausserdem bedacht sein musste, mit Glassätzen zu operiren, die bei den mir zu Gebote stehenden Temperaturen leicht
                              lauter zu schmelzen
                              									waren.
                           28) Es wurde zunächst ein Glassatz von der Normalformel K2O, PbO, 6 SiO2 zusammengewogen aus
                           
                              
                                 Bleioxyd
                                 111
                                 Th.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 180
                                 „
                                 
                              
                                 Kalisalpeter
                                 102
                                 „
                                 
                              
                           60 Th. dieses Satzes wurden mit 0,6 Th. Silbernitrat in einem hessischen Tiegel im Gasofen verschmolzen. Die
                              									Flamme wurde derart regulirt, dass dieselbe die Oberfläche des Glases nicht berühren konnte. Man erhielt anfangs
                              silberglänzende,
                              									später goldglänzende Lüster von geringerem Glänze als diejenigen, welche man auf Boratgläsern erzielen konnte.
                           Ein bleireicheres Glas von der Formel K2O 2 PbO 6 SiO2 war 3 Stunden
                              									nach dem Einlegen des entsprechenden Satzes (derselbe erhielt einen Zusatz von 1 Proc. Silbernitrat) lauter geschmolzen.
                              Anfangs bei
                              									der Reduction schön silberglänzend anlaufend, wurde das Glas später bei der Reduction nur mehr gelb. Es erhält wie
                              überhaupt die
                              									schwerer schmelzbaren Gläser leichter seinen Lüster, wenn man es noch in recht heissem Zustande der Reductionsflamme
                              aussetzt, als
                              									wenn man das bereits stark abgekühlte Glas der Reduction aussetzt.
                           Das Gleiche gilt vom silberhaltigen Glase K2O, PbO, 5 SiO2.
                           Aus den zuletzt geschilderten Versuchen ging hervor, dass in reinen Silicatgläsern die Lüster lange nicht so leicht und sicher
                              zu
                              									erlangen waren als in Boraten. Dies war auch der Grund, warum ich von weiteren Versuchen mit reinen Silicaten absah
                              und gleich
                              									daranging, Gläser, in denen Kieselsäure, wie Borsäure an Basen gebunden waren, abzuschmelzen.
                           
                        
                           C. Borosilicatgläser.
                           32) Das Gemenge von
                           
                              
                                 20,0
                                 g Satz Nr. 28,
                                 
                              
                                 20,0
                                 g Satz Nr. 6,
                                 
                              
                                 1,7
                                 g Silbernitrat
                                 
                              
                           wurde in einem hessischen Tiegel im Gasofen unter Einhaltung der weiter oben gegebenen Vorsichtsmaassregeln
                              									eingeschmolzen. Man erhielt ein sehr dünnflüssiges Glas, das auf Thüringer-Glas hielt, ohne zu springen, leicht statt
                              der Lüster
                              									Trübungen gab und die sonstigen Fehler eines zu dünnflüssigen und mit Silbernitrat übersättigten Glases zeigte. Günstiger
                              verhielt
                              									sich das Glas, als noch die gleiche Menge desselben Satzes in den Schmelztiegel gebracht wurde. Dies veranlasste
                              mich, mit dem
                              									Silbergehalte bedeutend herabzugehen.
                           33)
                           
                              
                                 40
                                 g Satz Nr. 6,
                                 
                              
                                 40
                                 g Satz Nr. 28,
                                 
                              
                                 1
                                 g Silbernitrat
                                 
                              
                           gab ein dünnflüssiges, beinahe farbloses Glas, von dem eine Probe, während des Erkaltens in Alkoholdampf
                              									gehalten, ganz prächtige Lüster annahm, die im reflectirten Lichte
                              									Goldglanz zeigten, im durchfallenden Lichte betrachtet, schwach gelb erschienen.
                           Später stieg die Temperatur sehr hoch und es erschienen in der Glasmasse Trübungen, die offenbar von metallischem Silber herrührten,
                              									die – sei es durch zu hohe Temperatur unter Sauerstoffentwickelung, sei es durch den reducirenden Einfluss der Flammengase
                              – aus dem
                              									silberoxydhaltigen Glase ausgeschieden worden waren. Derartiges getrübtes Glas nimmt nun, wie ich mich mehrmals überzeugen
                              konnte,
                              									keine oder nur sehr unbedeutende Lüster an, ohne Zweifel deshalb, weil das Silber in demselben zum grössten Theile
                              schon zu Metall
                              									reducirt enthalten ist. Durch Zusetzen von Salpeter zum geschmolzenen Glase kann die Trübung wieder in Lösung gebracht
                              werden und dann
                              									erhielt das Glas von Neuem die Eigenschaft, Lüster anzunehmen.
                           34) Ein Gemenge aus
                           
                              
                                 40,0
                                 g Satz Nr. 6,
                                 
                              
                                 40,0
                                 g Satz Nr. 28,
                                 
                              
                                 0,6
                                 g Silbernitrat
                                 
                              
                           gab beim Einschmelzen ein Glas, das zwar Lüster annahm, die aber an Intensität und Schönheit denen des früheren
                              									Glases bedeutend nachstanden. – Noch weiter mit dem Silbergehalte herabzugehen, hielt ich für überflüssig; es wurde
                              daher mit einer
                              									neuen Versuchsreihe begonnen, bei welcher der Gehalt an Flussmitteln herabgesetzt wurde. Dies liess sich am leichtesten
                              erreichen
                              									durch Vermehrung des Bleisilicatzusatzes.
                           35) Ein Gemenge von
                           
                              
                                 60
                                 g Satz Nr. 28,
                                 
                              
                                 20
                                 g Satz Nr. 6,
                                 
                              
                                 1
                                 g Silbernitrat
                                 
                              
                           gab die schönsten Lüster und hatte sonst auch die Eigenschaften eines verarbeitbaren, leichtflüssigen
                              									Bleiglases.
                           Weitere Versuche, mit dem Boratgehalte herabzugehen, führten zu keinem günstigen Resultate. Ebenso geringen Erfolg hatte der
                              Versuch,
                              									einen Theil des Satzes Nr. 6 durch Bleioxyd zu ersetzen.
                           Um zu untersuchen, ob der Silberlüster auch in Glasflüssen, die nach Art der Schmelzgläser zusammengesetzt sind, zu erhalten
                              sei, was
                              									mir in Anbetracht der Anwendung auf Gegenstände der Keramik von Wichtigkeit erschien, wurden vier Schmelzproben angestellt.
                           40)
                           
                              
                                 Bleioxyd
                                 6,0
                                 Th.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 4,0
                                 „
                                 
                              
                                 Borax
                                 2,0
                                 „
                                 
                              
                                 Silbernitrat
                                 0,5
                                 „
                                 
                              
                           schmolzen in der Muffel zum leichtflüssigen, klaren Glase, das, in Alkoholdampf gehalten, intensive Lüster
                              									annahm.
                           41) Ein Glas, dem die Formel PbO, B4O6, 3 SiO2 zukommt, aus
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 9,0
                                 Th.
                                 
                              
                                 Bleioxyd
                                 11,0
                                 „
                                 
                              
                                 Borsäure, kryst.
                                 9,0
                                 „
                                 
                              
                                 Silbernitrat
                                 0,5
                                 „
                                 
                              
                           erschmolzen, gab zwar keine schönen Lüster, verdient aber insofern Interesse, als der zugehörige silberfreie
                              									Satz für sich geschmolzen zu einem vollkommen undurchsichtigen, satt weissen Emailglase erstarrt. Es liegt also hier
                              ein Emailglas
                              									vor, welches vollkommen frei von den gewöhnlichen Trübungsmitteln ist. Ueber das Wesen des trübenden Bestandtheiles
                              in diesem Glase
                              									lässt sich nichts Bestimmtes sagen. Die saure Zusammensetzung des Glases lässt vermuthen, dass freie Kieselsäure sich während des
                              									Erkaltens ausscheidet und die Trübung hervorruft.
                           42) Sehr schöne Lüster gab ein Schmelzglas von der Formel 2 PbO, ¾ B4O6, 3 SiO2. Dieses Glas, bei welchem der Bleigehalt gegenüber dem vorhergehenden verdoppelt
                              									worden war, blieb beim Erkalten vollkommen klar.
                           Es wurden noch einige wismuthhaltige Gläser mit Silbernitrat verschmolzen und auf ihr Verhalten gegen Reductionsgase geprüft.
                              Man
                              									erhielt prachtvoll glänzende Lüster, denen aber wegen der hohen Preise der dazu verwendeten Rohmaterialien keine
                              praktische Bedeutung
                              									zukommen kann.
                           
                        
                           D. Gelüsterte Farbgläser.
                           Mannigfaltige und sehr schöne Effecte können erzielt werden, wenn man den im Vorstehenden ausführlich beschriebenen Silberlüster
                              auf
                              									der Oberfläche gefärbter Gläser hervorruft. Ich wählte für diesen Zweck den Satz Nr. 36, der, mit verschiedenen färbenden
                              Metalloxyden
                              									verschmolzen, farbige Gläser gab, die alle durch Reduction Lüster annahmen.
                           46) Ein mit Kupferoxyd abgefärbtes Glas wurde hergestellt aus
                           
                              
                                 81,0
                                 g Satz Nr. 36,
                                 
                              
                                 0,7
                                 g Kupferoxyd.
                                 
                              
                           Man erhielt ein blaues bis grünblaues Glas, das in Alkoholdampf sofort intensive Lüster annahm. Die Lüster waren
                              									silberweiss oder stahlblau, je nachdem die Reduction in der Flamme oder im Alkoholdampf vorgenommen worden war.
                           47) Aehnliche Effecte wurden auch erzielt bei Anwendung von Kobalt als Färbemittel. Ich verwendete 1 g Kobaltoxyd auf 81 g
                              Satz Nr. 36
                              									und erhielt tief smalteblaue Gläser mit glänzenden Lüstern.
                           48) Ganz anderes Aussehen zeigten dagegen die mit Eisenoxyd gefärbten Gläser. Der Satz aus
                           
                              
                                 81
                                 g Nr. 36,
                                 
                              
                                 3
                                 g Eisenoxyd
                                 
                              
                           schmolz zu einem flaschengelben Glase, das merkwürdiger Weise nicht die geringste Neigung zeigte, auf
                              									Thüringer-Glas zu halten. Es sprangen die Ueberfanggläser sogleich in kleine Stücke. Der Lüster war glänzend und
                              von der Rückseite,
                              									also durch das Glas hindurch betrachtet, schön goldgelb.
                           49) Ein Manganglas, aus 81 g Satz Nr. 36 und 1 g Braunstein zusammengesetzt, schmolz im Tiegel zu einem violetten Glase, welches
                              gut
                              									auf Thüringer-Glas und ebenso gut an den Innenwandungen des hessischen Tiegels hielt. Einige Tropfen Alkohol, in
                              das Innere des
                              									entleerten heissen Tiegels gebracht, riefen einen ganz prachtvollen Lüster hervor, der dem Tiegel das Aussehen gab,
                              als ob seine
                              									Innenwandungen mit metallischem Quecksilber überzogen wären.
                           
                              Betrachtungen über die chemische Natur der mit Silbernitrat abgeschmolzenen
                                 										Lüstergläser.
                              
                           Es ist eine jetzt ziemlich allgemein verbreitete Ansicht, dass das vom schmelzenden Glase aufgenommene Silber in metallischem
                              Zustande
                              									im Glase gelöst sei; dafür sprechen nicht nur die Analogien mit dem Verhalten des im Glase gelösten Goldes, sondern
                              auch Versuche, die
                              										Ebell seiner Zeit mit Silbergläsern selbst angestellt hat. Dass das Silber als Borat in Boratgläsern,
                              									als einfaches oder zusammengesetztes Silicat in Silicatgläsern oder
                              									überhaupt in oxydirtem Zustande als Oxyd oder Salz in einem Glase enthalten sein könne, davon scheint bisher die
                              Kenntniss kaum in die
                              									Oeffentlichkeit gedrungen zu sein, und doch ist die Thatsache so naheliegend, dass man sich wundern muss, dass dieselbe
                              einem Autor
                              									auf dem Gebiete der Glasindustrie bisher nicht aufgestossen sein sollte.
                           Freilich zerfällt Silberoxyd bereits bei niedriger Temperatur, 205° C., in Sauerstoff und metallisches Silber, und dies scheint
                              im
                              									ersten Augenblicke in Widerspruch zu stehen mit der Möglichkeit, dass das Silber anders als in metallischem Zustande
                              in Glas gelöst
                              									sein könne. Aber das Silbernitrat ist schon beständiger, das Sulfat schmilzt bei dunkler Rothglut ohne Zersetzung
                              und das Phosphat
                              									schmilzt erst bei starker Glühhitze und erstarrt beim Erkalten unverändert und krystallinisch. Diese Thatsachen machen
                              es an sich
                              									schon wahrscheinlich, dass Silicate und Borate des Silbers, wenn sie einmal gebildet sind, auch die Temperatur des
                              schmelzenden Glases
                              									ertragen dürften, ohne sich zu zersetzen.
                           Meine Versuche haben nun letztere Annahme vollkommen bestätigt, und es unterliegt wohl keinem Zweifel mehr, dass solche beständige
                              									Verbindungen des Silberoxydes in leichtflüssigen Gläsern enthalten sind; alle Versuche, sowohl mit reinen Borat-
                              oder Silicatgläsern
                              									als auch mit Gemischen beider, sprechen dafür. Denn wie wäre es möglich, durch Reductionsgase Metallspiegel hervorzubringen
                              in einem
                              									Glase, welches das Silber nur in metallischem, also schon in reducirtem Zustande enthält? Würde es möglich sein,
                              metallisches, also
                              									bereits reducirtes Silber durch Reduction noch weiter zu verändern? Gewiss nicht. Es bleibt uns also nur noch die
                              Gewissheit, dass das
                              									Silber in Lüstergläsern in oxydirtem Zustande im Glase gelöst ist. Da das Silberoxyd nun stark basische Eigenschaften
                              hat (Silberoxyd
                              									in Wasser gelöst färbt z.B. Lackmuspapier blau), das Oxyd als solches schliesslich in höherer Temperatur nicht beständig
                              ist, so
                              									werden wir nicht fehlgehen, wenn wir behaupten, dass das Silberoxyd in Silicatgläsern an Kieselsäure, in Boratgläsern
                              an Borsäure
                              									gebunden enthalten ist. Ob nun diese Verbindungen als solche, oder, an andere Borate oder Silicate gebunden, als
                              Doppelsalz in Lösung
                              									sich befinden, darüber können wir vorläufig ebenso wenig etwas aussagen, wie über die Frage, ob das im Glase gelöste
                              blaue
                              									Kobaltsilicat als solches, oder als Doppelsilicat an Kalk oder Natron gebunden erscheint. Uns genügen auch vollkommen
                              die Erkenntniss
                              									von der Löslichkeit des Silberoxydes in der Glassubstanz und die Beschreibung der Eigenschaften der in Frage kommenden
                              									Verbindungen.
                           Das im Glase gelöste Borat sowohl als auch das Silicat sind farblose Verbindungen; dafür spricht der Umstand, dass reine,
                              silberhaltige
                              									Borat- wie Silicatgläser, frisch geschmolzen, farblos erscheinen und, so lange sie ungefärbt sind, die schönsten
                              Lüster annehmen. Die
                              									nach längerem Schmelzen in den meisten dieser Gläser auftretende Gelbfärbung scheint von partieller Zersetzung herzurühren.
                           Ueberhaupt ist das im Glase enthaltene Silberborat oder Silbersilicat durchaus kein sehr beständiger Körper und ist während
                              des
                              									Schmelzens mancherlei Veränderungen ausgesetzt, bei welchen namentlich die Temperaturerhöhung eine hervorragende
                              Rolle spielt. Es ist
                              									mir mehrmals vorgekommen, dass sowohl Silicat- wie auch Borosilicatgläser bei hoher Weissglut grau und opak wurden und dann
                              									keinen Lüster mehr annahmen. In diesem Falle ist das Silber als Metall pulverförmig ausgefallen, und es ist einleuchtend,
                              dass ein
                              									solches Glas durch Reduction nicht weiter verändert wird. Durch Zusatz von Oxydationsmitteln, und es hat sich der
                              Salpeter als das
                              									geeignetste erwiesen, konnte die Trübung wieder aufgelöst werden und das bereits verdorbene Glas nahm seine Eigenschaft,
                              Lüster zu
                              									bilden, wieder an.
                           Frisch geschmolzenes, besonders silberärmeres Lüsterglas erträgt das Nachwärmen ohne besondere Neigung, sich gelb zu färben;
                              längere
                              									Zeit geschmolzenes Glas wird beim Nach wärmen zuweilen gelb; in letzterem Falle werden die Lüster häufig unschön,
                              wenig intensiv.
                           Die blaue bis violette Fluorescenz, welche sehr silberreiche Boratgläser beim Eintauchen heisser Glaskölbchen annehmen, ist
                              vermuthlich
                              									auch eine Wirkung der Temperaturerhöhung.
                           Welcher Art die beiden letztgenannten Veränderungen der ursprünglich farblosen Silberverbindungen sind, darüber lässt sich
                              vorläufig
                              									nichts Bestimmtes aussagen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Theil des Silbersilicates unter andauernder Einwirkung
                              höherer
                              									Temperatur zersetzt wird unter Bildung geringer Mengen metallischen Silbers und dass dieses als solches im Glase
                              gelöst bleibt, so
                              									lange, bis der Sättigungspunkt der Glassubstanz für Silber überschritten wird. In letzterem Falle würde dann das
                              Silber als Pulver
                              									ausfallen müssen. Jene geringen Mengen im Glase gelösten Silbers könnten dann die Gelbfärbung des Glases bewirken,
                              die kräftiger
                              									hervortritt, sobald man das Glas durch Nachwärmen Temperaturschwankungen aussetzt. Für diese Annahme spricht der
                              Umstand, dass solche
                              									gelb gewordenen Gläser sich bei der Reduction so verhalten, als ob in ihnen weniger Silber enthalten wäre, als man
                              ursprünglich
                              									angewendet hat, d.h., dass die Lüster nach dem Gelbwerden des Glases an Intensität einbüssen. Ferner spricht dafür
                              die Beobachtung,
                              									dass silberreichere Gläser geneigt sind, ihr Silber pulverförmig auszuscheiden und dadurch trüb zu werden, während
                              silberärmere Gläser
                              									nicht so leicht trübe werden.
                           Zum Schlusse dieser Abhandlung will ich noch die Vorgänge bei der Lüsterbildung zu erklären versuchen. Setzt man ein Stück
                              heissen
                              									Glases, das beispielsweise Silbersilicat gelöst enthalten möge, der Einwirkung von Reductionsgasen, z.B. der Einwirkung
                              von
                              									Kohlenoxydgas, aus, so wird das Glas bis zu einer gewissen Tiefe, allerdings nur kleine Bruchtheile eines Millimeters,
                              in die
                              									Glasoberfläche eindringen und hier mit Silbersilicatmolekülen zusammenstossen. Das Bestreben des Kohlenoxydgases,
                              sich im heissen
                              									Zustande höher zu oxydiren, sich in Kohlensäure zu verwandeln, wird sofort zur Geltung kommen, das an Kieselsäure
                              gebundene Silberoxyd
                              									wird seinen Sauerstoff abgeben und zu Ende dieser Reaction werden drei neue Körper an der Glasoberfläche gebildet
                              sein: metallisches
                              									Silber, Kieselsäure oder eine silberfreie Verbindung derselben mit den übrigen Bestandtheilen des Glases und Kohlensäure.
                              Von diesen
                              									drei Körpern interessirt uns nur das im Zustande äusserster Zertheilung ausgeschiedene Silber.
                           Nun können zwei Fälle eintreten:
                           1) Das Glas ist bei der Reduction so zähflüssig, dass die Beweglichkeit der einzelnen Glastheilchen auf ein Minimum herabgesetzt ist. In diesem Falle werden die Silbertheilchen in dem
                              									Zustande verharren, in welchem sie sich ausgeschieden haben, das Silber wird ausserordentlich fein vertheilt im Glase
                              verbleiben, an
                              									Stelle eines jeden Moleküls gelösten Silbersilicates wird die in ihm enthaltene Silbermenge auftreten und im Zustande
                              ebensolcher
                              									Vertheilung auch nach dem Erkalten darin verweilen. Das Glas wird gelästert erscheinen, und wir können den Lüster
                              als eine Lösung von
                              									metallischem Silber in der Glassubstanz betrachten, allerdings als eine erzwungene Lösung, denn die Silbertheilchen
                              haben das
                              									Bestreben, sich wieder zu vereinigen.
                           2) Oder wir haben es mit einem Glase grösserer Beweglichkeit, also mit einem stärker erhitzten Glase zu thun. Die Silbertheilchen
                              									werden sich im ersten Augenblick genau so ausscheiden, wie vorhin, die grössere Beweglichkeit des Glases wird aber
                              die Annäherung der
                              									Theilchen unter einander ermöglichen, die Silbertheilchen werden sich zu grösseren Aggregaten vereinigen, und das
                              Glas wird keinen
                              									Lüster annehmen, sondern sich trüben. Dieser letztere Fall tritt besonders leicht ein bei solchen Glasflüssen, die
                              schnell aus dem
                              									dünnflüssigen in den erstarrten Zustand übergehen, bei Phosphaten und manchen leichtflüssigen Boraten.
                           Was nun die gelbe Farbe anlangt, welche den meisten der in Silicat- und Boratgläsern erzeugten Lüstern eigenthümlich ist,
                              so kann man
                              									ebenfalls zweierlei annehmen: Entweder es ist das im Glase durch Reduction gebildete und darin gelöst bleibende Silber
                              selbst gefärbt
                              									oder dieses metallische Silber ist als Lüster ungefärbt und die gelbe Farbe ist dem Auftreten einer Nebenreaction
                              zuzuschreiben, die
                              									das Entstehen eines gelben Farbstoffes bedingt. Nehmen wir nun an, dass eine derartige Nebenreaction unmöglich sei,
                              dann stehen wir
                              									vor dem Schlusse, dass das Silber als Lüster in gelber, rother, grauer und blauer Farbe auftreten kann, eine interessante
                              Analogie zu
                              									dem in feinster Vertheilung ausgeschiedenen Golde, das ja auch in verschiedenartigsten Farben aufzutreten pflegt,
                              vom Rubinroth bis
                              									zum Blau und Grün.