| Titel: | Elektrotechnik.Elektrische Weichen und Signale. | 
| Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 40 | 
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                        Elektrotechnik.Elektrische Weichen und Signale.
                        Mit Abbildungen.
                        Elektrische Weichen und Signale.
                        
                     
                        
                           Centrale elektrische Weichen- und Signalstellwerke von Siemens
                              									und Halske.
                           Bis vor kurzem fand die Elektricität im Eisenbahnsicherungsdienste fast
                              									ausschliesslich in den bekannten Siemens'schen
                              									Blockwerken Verwendung. In den letzten Jahren ist es der Firma Siemens und Halske jedoch gelungen, die Elektricität
                              									auch für Antrieb und Ueberwachung von Weichen- und Signalstellanlagen zu
                              										benutzen.Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure,
                                    											1897 S. 203.
                           Die in Fig. 1
                              									dargestellte elektrische Weichenstellvorrichtung besteht aus einer im gusseisernen
                              									Gehäuse g eingeschlossenen Umstell- und
                              									Verriegelungsvorrichtung, die durch den in einem besonderen Gehäusetheil g1 befindlichen, leicht
                              									auswechselbaren Gleichstrommotor mittels eines Schneckengetriebes bethätigt wird.
                              									Der aus dem Gehäuse g herausragende kräftige Zapfen a überträgt die Bewegung des Schneckenrades mittels
                              									einer Doppelkurbel k und zweier Riegelstangen z1 und z2 auf die beiden
                              									Weichenzungen I und II.
                              									Von diesen ist in der Ruhelage die an der Stockschiene anliegende Zunge durch den an
                              									der Kurbel sitzenden Verriegelungsansatz h in ihrer
                              									Stellung verriegelt. Die Kurbel selbst wird durch einen festen Anschlag einerseits
                              									und durch einen Verriegelungshaken andererseits in ihrer Stellung festgehalten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 308, S. 40
                              Centrale elektrische Weichen- und Signalstellwerke von Siemens und
                                 										Halske.
                              
                           Fig. 2 stellt den
                              									elektrischen Zusammenhang der Weichenstellvorrichtung mit dem Centralstellwerke und
                              									mit einem elektrisch betriebenen Signale dar. Der Weichenmotor wm ist mit
                              									Collectorbürsten 1 bis 4
                              									ausgerüstet, von denen abwechselnd, je nach der Stellung der Weiche, zwei gegenüber
                              									liegende auf dem Collector aufliegen. Ein ⊤-förmiger
                              									Hebel t0, der vom
                              									Triebwerke der Weichenstellvorrichtung beeinflusst wird, stellt die Bürsten um.
                           Die zur Bedienung und Ueberwachung der Weichenstellvorrichtung bestimmte Einrichtung
                              									des Centralstellwerkes besteht aus einem Umschalter w, der von Hand mittels eines ausserhalb des Stellwerkgehäuses
                              									befindlichen Knebels bewegt wird, aus einem Ueberwachungselektromagneten m, einem Umschalter w1 und einem Contacte c.
                              									Der Umschalter w1 ist
                              									so construirt, dass er durch Umlegen den Umschalter w
                              									aus der in Fig. 2
                              									gezeichneten Normalstellung in die entgegengesetzte, durch Anziehung des
                              									Ueberwachungsmagneten m dagegen wieder in die
                              									Normalstellung gebracht wird. Der Contacthebel c ist
                              									derart mit dem Anker von m fest verbunden, dass bei
                              									angezogenem Anker der Stromschluss über c hergestellt,
                              									bei abgefallenem Anker dagegen, also bei Stromlosigkeit der Magnetspulen m, die Leitung IVa unterbrochen ist. Der Magnetanker trägt
                              									ein halb schwarz, halb weiss gestrichenes Täfelchen, dessen weisse Hälfte normal
                              									hinter einer im Stellwerkgehäuse angebrachten Oeffnung, dem Ueberwachungsfenster,
                              									sichtbar ist, während bei abgefallenem Anker der schwarze Theil hinter dem Fenster
                              									erscheint.
                           Die Signalstellvorrichtung besteht aus einem Elektromotor sm, der in gleicher Weise wie der
                              									Weichenmotor mit vier Bürsten versehen ist und mittels eines Schneckengetriebes
                              									einen Hebel i um einen der Signalflügelbewegung
                              									entsprechenden Winkel nach abwärts und von da wieder in die in Fig. 2 gezeichnete
                              									Normalstellung zurückdreht, und aus einer elektromagnetischen Kuppelung ku, welche
                              									die Abwärtsbewegung des Hebels i auf den Signalflügel
                              										f überträgt. Zur Bethätigung der
                              									Signalstellvorrichtung von der Centralstelle aus dienen zwei Umschalter s und s1 und ein Ueberwachungsmagnet m2 von gleicher
                              									Wechselwirkung und Ausrüstung wie die entsprechenden Theile der
                              									Weichenstellvorrichtung, und ein Contactschliesser s2, der mit s gekuppelt
                              									ist.
                           Das Weichenstellwerk wirkt folgendermaassen: In der
                              									Normalstellung wird der Ueberwachungsmagnet m von einem
                              									von der Batterie b25
                              									gelieferten Strome von ungefähr 0,12 Ampère, dessen Weg durch Pfeile mit Zeigern 1 gekennzeichnet ist, gespeist und hält den Anker fest.
                              									Das weiss erscheinende Ueberwachungsfenster zeigt diesen Zustand und mithin auch das
                              									Aufliegen der Collectorbürsten 1 und 2, d.h. die richtige Verriegelung und Betriebsfähigkeit
                              									der Weiche an. Um die Weiche in die entgegengesetzte Stellung zu bringen, legt der
                              									das Centralstellwerk bedienende Wärter den Weichenknebel und damit die Umschalter
                              										w und w1 um. Der hierdurch von der Batterie b120 gelieferte Strom
                              									nimmt seinen Weg über w, Leitung 2, Weichenmotor, Leitung 1,
                                 										w1 nach b120, der Ueberwachungsmagnet ist stromlos (schwarzes
                              									Fenster). Der Motor erhält nun in Folge des Anschlusses an die hochgespannte Batterie den zur
                              									Umstellung der Weiche erforderlichen Strom, der nach Maassgabe des Zustandes der
                              									Weichenzungen und der Reibungsverhältnisse zwischen 2 und 6 Ampère schwankt. Der
                              									Motor läuft leer an, entriegelt sodann die Achse a
                              										(Fig. 1) der
                              									Stellvorrichtung und dreht Achse und Kurbel im Sinne des Uhrzeigers um 120°, wodurch
                              									die Weichenzunge I von der Stockschiene entfernt, die
                              									Zunge II dagegen an die zugehörige Stockschiene
                              									angelegt und verriegelt wird. Die Bewegung der Kurbel k
                              									wird durch einen festen Anschlag begrenzt, ihre Kuppelung mit dem Motor wird gelöst
                              									und gleichzeitig tritt die Verriegelung der Kurbel in ihrer neuen Lage ein.
                              									Unmittelbar darauf wird der am Motor befindliche Steuerhebel t umgestellt und dadurch die Bürsten 1 und
                              										2 vom Collector abgehoben, die Bürten 3 und 4 angelegt. Es ist
                              									nunmehr die unmittelbare Verbindung des Motors mit der Batterie unterbrochen und
                              									eine neue Verbindung über den Magnet m (Fig. 2, Zeiger 3) hergestellt. Dieser zieht den Anker an, drückt dabei
                              									den Umschalter w1
                              									wieder in seine Normalstellung zurück und zeigt durch das weisse Feld im
                              									Ueberwachungsfenster die wirklich vollzogene Umstellung und Verriegelung der Weiche
                              									an. Der Strom läuft, wie vorher beschrieben, nur mit dem Unterschiede, dass er durch
                              									die Leitung 3 statt durch die Leitung 2 geht. Der Motor ist jetzt für die Rückstellung der
                              									Weichenzungen in die in Fig.
                                 										1 angenommene Lage dadurch vorbereitet, dass die nun aufliegende Bürste
                              										3 mit jener Leitung (3) verbunden ist, die bei
                              									Rückstellung des Knebels unmittelbaren Anschluss an die Batterie erhielt.
                           Noch zu erwähnen sind zwei in den beiden Figuren nicht ersichtlich gemachte, jedoch
                              									sehr wichtige Einzelheiten. Die erste besteht in einer durch gewaltsames Andrücken
                              									der freien Weichenzunge gegen die Stockschiene (durch Befahren der Weiche aus dem
                              									unrichtigen Gleise) lösbaren Keilkuppelung zwischen der Kurbel k und dem Verriegelungshaken, welche die Weiche ohne
                              									Zerstörung irgend eines Bestandtheiles aufschneidbar macht. Diese gewaltsame
                              									Entriegelung wird durch zwangläufiges Abheben der Collectorbürsten, sonach durch
                              									Unterbrechung des Ueberwachungsstromes und die damit verbundene Schwarzblendung des
                              									Ueberwachungsfensters angezeigt.
                           Die zweite Einrichtung hat den Zweck, die Umstellung einer Weiche zu verhindern, so
                              									lange sich ein Fahrzeug darin oder davor befindet, das durch Umstellen der Weiche
                              									zum Entgleisen gebracht werden könnte. Diese Einrichtung besteht aus einem im
                              									Stellwerke befindlichen Elektromagneten in Verbindung mit einer unmittelbar vor der
                              									Weichenspitze liegenden isolirten Schiene. Die Wickelung des Elektromagneten ist
                              									einerseits mit einem Pole der Batterie, andererseits mit der isolirten Schiene, und
                              									der zweite Pol der Batterie mit der Erde verbunden. Der Elektromagnetanker sperrt in
                              									angezogenem Zustande den Weichenknebel. Der für diese Anziehung erforderliche
                              									Stromschluss wird dadurch hergestellt, dass die Achsen eines auf der isolirten
                              									Schiene stehenden Fahrzeuges diese mit der gegenüber liegenden Schiene, d.h. mit der
                              									Erde bezieh. dem zweiten Batteriepole, verbinden.
                           Die Schaltung und Wirkungsweise der Signalstellvorrichtung ist aus Fig. 2 leicht
                              									verständlich. Durch Umlegen von s erhält der
                              									Signalmotor Betriebsstrom und bewegt den Hebel i bis in
                              									die Endstellung, worauf die Bürsten umgesteuert werden. Der Signalflügel f wird dabei in die Fahrtstellung bewegt, wenn die Contacte c,
                                 										s2 und x
                              									geschlossen sind. Letzterer ist am Fahrstrassenverschluss verschiebbar angebracht
                              									und nur geschlossen, wenn der betreffende Schieber gezogen, d.h. sämmtliche für die
                              									durch das Signal f erlaubte Fahrt in Betracht kommenden
                              									Weichen verschlossen sind. Die Leitung IVa führt über die Contacte c aller verschlossenen Weichen und über einen im
                              									Stationsblockapparate untergebrachten Ausschalter, so dass die Freigabe des Signals
                              									nochmals besonders in die Hand des diensthabenden Verkehrsbeamten gelegt ist. Durch
                              									Unterbrechung des Kuppelstromes (Leitung IV IVa) wird das Signal sofort in die
                              									Normalstellung Halt zurückgebracht, da der Flügel an
                              									dem Hebel i nur durch den Elektromagneten kw festgehalten
                              									wird und, wenn dieser stromlos ist, durch sein Eigengewicht auf Halt fällt. Wenn der Signalknebel s zurückgelegt wird, so wird der Flügel überdies durch
                              									den Motor zwangläufig zurückgedrückt.
                           Die mechanische Abhängigkeit zwischen Signalknebel, Fahrstrassenknebel und
                              									Weichenknebel ist in der bei mechanischen Stellwerkanlagen bereits bekannten Weise
                              									durch Schieber und Sperrklinken hergestellt. Die Abhängigkeit der Signale von
                              									Nachbarstationen und von Streckenblockposten ergibt sich von selbst dadurch, dass
                              									die Kuppelstrangleitung IV oder IVa über Contacte in den
                              									betreffenden Blockeinrichtungen geführt wird.
                           Der Verbrauch elektrischer Energie ist durch Anwendung von drei
                              									Accumulatorenbatterien von verschiedener Spannung (120, 25 und 10 Volt) auf ein
                              									geringes Maass herabgedrückt. Der Ueberwachungsstrom beträgt, wie oben erwähnt, für
                              									einen Motor 0,12 Ampère und wird von einer Batterie von 25 Volt geliefert. Die zur
                              									Ueberwachung einer Stellvorrichtung für 1 Tag verbrauchte Energie beträgt somit 0,12
                              									. 25 . 24 = 72 Watt-Stunden; die zum Betriebe für einen Weichen- oder Signalmotor
                              									unter der Annahme, dass die Betriebsvorrichtung täglich im Durchschnitt 200mal
                              									umgestellt werde, 190 Watt-Stunden und entspricht dem zum 3 ½stündigen Betriebe
                              									einer 16kerzigen Glühlampe erforderlichen Energieverbrauch.
                           Als hauptsächlichste Vortheile derartiger Stellwerksanlagen haben sich folgende
                              									herausgestellt: Fortfall jeder beweglichen Transmission und Ersatz derselben durch
                              									Kabelleitungen, deren Unterhalt weitaus einfacher und billiger ist; Handhabung der
                              									Stellhebel ohne körperliche Anstrengung, in Folge dessen Ersparniss an
                              									Arbeitskräften; erhöhte Sicherheit des Betriebes durch die dauernd hergestellte
                              									Abhängigkeit der Signale und Weichen von einander und die besser ausgebildeten
                              									Ueberwachungseinrichtungen.
                           Die Kosten einer derartigen Anlage sind nicht wesentlich höher als die einer Anlage
                              									mit Gestängeleitung. Es sind bereits mehrere solche Anlagen im Betriebe (Bahnhof Prerau der Kaiser Ferdinands-Nordbahn in Mähren,
                              									Bahnhof Westend der Berliner Ringbahn) und haben sich
                              									vorzüglich bewährt, während eine Anzahl weiterer Anlagen zur Zeit im Bau begriffen
                              									ist, von denen die fast vollendete Anlage auf dem Güterbahnhofe Untertürkheim bei Stuttgart 180 Weichen und 29 Signale
                              									umfasst.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)