| Titel: | Ueber die Vor- und Nachtheile der üblichen Constructionen wagerechter und senkrechter Dampfmaschinen. | 
| Fundstelle: | Band 308, Jahrgang 1898, S. 206 | 
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                        Ueber die Vor- und Nachtheile der üblichen
                           								Constructionen wagerechter und senkrechter Dampfmaschinen.Nach einem uns frdl. zugesandten Vortrage von
                                 										Ingenieur R. A. Ziese, gehalten im Petersburger
                                    										polytechnischen Vereine (Protokoll, veröffentlicht in Nr. 2 d. J.
                                 									1898).
                        Vor- und Nachtheile der üblichen Constructionen wagerechter und
                           								senkrechter Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           
                              „Die Verbund- und die 3fache Expansionsmaschine ist an Schiffsbord und auch für
                                 										stationäre Anlagen die herrschende Bauart geworden und die Verbundlocomotive
                                 										hat, trotz anfänglichen heftigen Widerstandes von Seiten der nächstbetheiligten
                                 										Kreise, immer mehr Verbreitung gefunden.
                              
                           
                              Für den Schiffsmaschinenbau ist diese Frage längst und zwar ausschliesslich zu
                                 										Gunsten der stehenden Bauart gelöst. Liegende Maschinen finden an Bord so gut
                                 										wie keine Verwendung mehr. Diese Anordnung wurde seiner Zeit auch eigentlich nur
                                 										für Kriegsschiffe gebräuchlich, da hier die unter Wasser liegende, geschützte
                                 										Lage als triftiger Grund ihrer Verwendung angeführt werden konnte.
                              
                           
                              Ich möchte nun zunächst einige der Gründe anführen, welche zu der, neuerdings
                                 										sehr in Aufnahme gekommenen stehenden Construction der Dampfmaschinen für
                                 										allgemeinen, stationären Betrieb geführt haben, um so mehr, da von verschiedenen
                                 										Seiten noch immer eine einseitige Beurtheilung erfolgt, und die grossen
                                 										praktischen Vorzüge dieser Bauweise nicht genügend klar eingesehen und gewürdigt
                                 										werden.
                              
                           
                              Als erster, ausschlaggebender Grundsatz jeder Maschinenanlage muss die Erzielung
                                 										eines möglichst günstigen wirthschaftlichen Nutzeffectes hingestellt werden.
                                 										Diesem Haupterfordernisse muss sich alles andere unterordnen. Dementsprechend
                                 										muss die Dampfmaschine so gebaut sein, dass die in den Dampfcylindern
                                 										entwickelte Arbeit auch in der Betriebswellenleitung möglichst vollständig zur
                                 										Wirkung gelangt, d.h. die effective Leistung muss möglichst nahe mit der
                                 										indicirten übereinstimmen.
                              
                           
                              
                              Zu diesem Zwecke müssen die Verluste in der Maschine selbst thunlichst gering
                                 										sein. Diese Verluste bestehen nun hauptsächlich aus zwei Factoren, den Reibungs-
                                 										und den Dampfverlusten, und das führt uns sofort zu folgender Anschauung: 1) die
                                 										Dampfcylinder müssen senkrecht gestellt werden, damit die Reibung der innen
                                 										arbeitenden Kolben, Schieber und Stangen ein Minimum werde, und 2) die
                                 										Uebergänge des Dampfes von einem zum anderen Cylinder (bei Verbund- und
                                 										Mehrfach-Expansionsmaschinen) müssen kurz sein, d.h. die Cylinder müssen
                                 										möglichst nahe neben einander stehen.
                              
                           
                              Die Reibungs- und Dampfverluste im Inneren der Maschine lassen sich bei
                                 										senkrechter und dicht neben einander stehender Anordnung der Dampfcylinder am
                                 										Leichtesten auf das geringste Maass herabziehen. Die liegende Maschine mit weit
                                 										von einander abliegenden Dampfcylindern muss, unter sonst gleichen
                                 										Verhältnissen, in dieser Beziehung ungünstiger arbeiten. Wenn diese erste
                                 										Folgerung klar erkannt ist, dann kann man auch in eine weitere unparteiische
                                 										Besprechung der Frage – stehende oder liegende Maschinen? eintreten.
                              
                           
                              Zu dem Zwecke vergegenwärtigen wir uns kurz die Geschichte der Entwickelung des
                                 										Dampfmaschinenbaues! Die ersten Dampfmaschinen, welche Watt ihre Entstehung verdankten, waren Balancirmaschinen mit senkrecht
                                 										stehendem Cylinder. Diese Maschinenbauweise besass alle Vorzüge einer Anlage mit
                                 										geringen inneren Reibungsverlusten und hat sich in den mannigfachsten
                                 										Ausführungen ein halbes Jahrhundert hindurch, ja fast bis auf die Neuzeit
                                 										behauptet. Bei Verbund- bezieh. Woolf'schen
                                 										Ausführungen standen die Dampfcylinder fest neben einander, die Dampfwege waren
                                 										kurz und einfach und die gesammte Anlage bot das Bild einer klar und richtig
                                 										durchdachten Anordnung. Bei den immer steigenden Grössenverhältnissen der
                                 										Maschine wurden jedoch die Massen des bewegten Balancirs und der tragenden
                                 										Stützsäulen zu gross und man begann nach dem Vorbilde der Locomotive die
                                 										Maschinen wagerecht zu bauen und zwar zuerst mit schwerfälligen
                                 										Fundamentplatten, später mit dem leichteren sogen. Bajonnetbalken, und
                                 										neuerdings bei grösseren Bauten wiederum mit schweren Verbindungen zwischen
                                 										Cylinder und Kurbelwellenlager.
                              
                           
                              Solange man nur Eincylindermaschinen baute, konnte man das Schwungrad und die
                                 										Welle durch ein nahe herangerücktes Aussenlager gut stützen und hatte nur die
                                 										grössere Reibung des Kolbens, Schiebers und der Stangen zu überwinden. Man
                                 										glaubte aber, diesen Uebelstand der scheinbar festeren Lage der Kurbelwelle
                                 										halber mit in den Kauf nehmen zu müssen. Es zeigte sich jedoch bald, dass diese
                                 										Maschinen, wenn nicht sehr gut ausbalancirt, anfingen auf ihren Fundamenten hin
                                 										und her zu rutschen, und dass die Fundamentbolzen, welche durchaus nicht in der
                                 										Richtung der auftretenden Druck- und Zugkräfte, sondern auf Biegung beansprucht
                                 										wurden, nicht im Stande waren, diesem Bestreben Einhalt zu thun.
                              
                           
                              Zur Ueberwindung dieses Uebelstandes und der Unregelmässigkeiten der
                                 										Kraftübertragung wurde nun das Gewicht des Schwungrades immer mehr vergrössert,
                                 										um durch die Anwendung eines rein todten Gewichtes die Maschine zur Ruhe zu
                                 										zwingen. Eine solche Lösung kann nicht als besonders ingeniös bezeichnet werden,
                                 										da die Ursache des Fehlers nicht vermieden, sondern nur ihreWirkung durch Anwendung
                                 										todter Gewichte vermindert wird, während bei constructiv richtiger Auffassung
                                 										der Aufgabe die Ursache direct, ohne überflüssige Stoffverschwendung vermieden
                                 										werden kann.
                              
                           
                              Als man nun zum Baue von liegenden Zweicylinder-Verbund- und dreifachen
                                 										Expansionsmaschinen mit drei und vier Cylindern schritt, vergrösserten sich
                                 										diese angeführten Misstände immer mehr. Die Reibungsverluste der in den
                                 										verschiedenen Cylindern sich wagerecht bewegenden Massen, die Kolben, Stangen
                                 										u.s.w., addiren sich. Durch die Anordnung des Schwungrades – Seil- oder
                                 										Riemenscheibe in der Mitte, werden die Hoch- und Niederdruckcylinder weit von
                                 										einander gerückt und die zugehörigen Dampfwege lang und verwickelt. Die grosse
                                 										Masse des Schwungrades liegt auf nur zwei Lagern, die zugleich als
                                 										Kurbelwellenlager dienen, also sowohl durch das Arbeiten der Maschine, wie durch
                                 										das Gewicht des Schwungrades ungünstig beansprucht werden. In Folge dessen muss
                                 										die Kurbel und Schwungradwelle unverhältnissmässig starke Abmessungen erhalten,
                                 										um nicht bei dem weiten Lagerabstand und dem schweren, auf ihr lastenden
                                 										Gewichte durchzufedern. (Die Welle einer solchen liegenden Maschine von etwa
                                 										1500  hat z.B. ungefähr denselben Durchmesser wie die Welle einer
                                 										Oceandampfermaschine von 15000 .)
                              
                           
                              Die Lager müssen durch schwere Fundamentbolzen, welche ein theures und schweres
                                 										Fundamentwerk erfordern, festgehalten werden; kurz, wie die Erfahrung zeigt, ist
                                 										man auf diese Weise bei einigermaassen grösseren Ausführungen zu schwerfälligen
                                 										Maschinen und kostbaren Fundamentbauten gelangt und dieses nur aus dem Grunde,
                                 										weil man eine grundsätzlich falsche Bauweise fest zu halten versuchte und so von
                                 										einem Uebelstande auf den anderen gedrängt wurde.
                              
                           
                              Diese Uebelstande suchte man nun durch eine möglichst vollkommen wirkende
                                 										Steuerung auszugleichen. Man baute sozusagen die ganze Maschine dafür, ein
                                 										möglichst schönes Indicatordiagramm zu erzielen. Als ob das Indicatordiagramm an
                                 										und für sich einen Maasstab für die wirthschaftliche Nutzleistung der Maschine
                                 										gäbe. Das Indicatordiagramm zeigt uns, ob die Steuerung genau eingestellt ist.
                                 										Ueber die inneren Dampfverluste jedoch gibt es nur sehr mangelhaft, über die
                                 										inneren Reibungsverluste der Maschine gar keinen Aufschluss, und doch sind
                                 										dieses gerade die beiden Hauptfactoren, welche das wirthschaftliche Arbeiten der
                                 										Maschine auf das stärkste beeinflussen.
                              
                           
                              Es ist nicht schwer, eine Dampfmaschine zu bauen, welche trotz eines idealen
                                 										Indicatordiagrammes wirthschaftlich überaus traurige Ergebnisse liefert. Ja, man
                                 										findet solche Anlagen in vielfachen Ausführungen und so stark ist der Glaube an
                                 										die Kraft des guten Indicatordiagrammes, dass sie von ihren Besitzern auch
                                 										wirklich noch für Idealmaschinen gehalten werden, trotzdem sie manchmal 20 bis
                                 										25 Proc. der Indicatorleistung für ihren eigenen schwerfälligen Betrieb in sich
                                 										verschlucken. Dieser enorme Verlust an effectiver Leistung ist doch eigentlich
                                 										mit dem blossen Anblicke einer schön gezeichneten Indicatorcurve etwas sehr hoch
                                 										bezahlt.
                              
                           
                              Es kann nicht genug betont werden, dass es für den Besitzer vollständig
                                 										gleichgültig sein kann, was seine Dampfmaschine für die indicirte  an
                                 										Dampf und Kohle verbraucht, falls sie nur für die effective, an der
                                 										Betriebswelle geleistete Arbeit ein gutes Ergebniss liefert. Das jetzt
                                 										übliche, allgemein gebräuchliche Verfahren der Messung nach dem
                                 										Indicatordiagramm kann nicht als wissenschaftlich, sondern nur als
                                 										Schätzungsverfahren bezeichnet werden, auf welches der Besitzer oder Besteller
                                 										sich hüten sollte, zu grossen Werth zu legen.
                              
                           
                              Es fehlt unter den Dampfmaschinenbesitzern und auch unter sonst theoretisch
                                 										wohlgebildeten Personen noch zu oft das praktische Kriterium für eine
                                 										wirthschaftlich günstige Anlage. Die Höhe der Anlagekosten und die rentable
                                 										Verzinsung wird meistens viel zu wenig berücksichtigt; auch ist es nicht immer
                                 										ganz leicht, bei einer grossen Anlage die effective Leistung genau nachzuweisen,
                                 										während die indicirte jederzeit mit Leichtigkeit festgestellt werden kann. Man
                                 										hilft sich dann mit einem guten Stück unverbürgten Glaubens über diese Zweifel
                                 										hinweg, wobei natürlich die Eigenliebe es nicht zulässt, die eigene Anlage
                                 										ungünstig zu beurtheilen. Zum Mindesten müssten von jeder grösseren neuen
                                 										Dampfmaschinenanlage auch Leerlaufdiagramme genommen werden, wobei es jedoch gar
                                 										nicht immer ganz leicht ist, zuverlässige und richtige Ergebnisse zu
                                 										erlangen.
                              
                           
                              Anders liegt die Sache, sobald die Dampfmaschine mit einer Dynamomaschine direct
                                 										gekuppelt wird. Die Dynamomaschine kann man als einen der idealsten
                                 										Bremsapparate zur Bestimmung der effectiven Leistung einer Dampfmaschine
                                 										betrachten. Ihr eigener Nutzeffect ist bei guter Bauart sehr angenähert bekannt
                                 										und variirt in nur unbedeutenden Grenzen. Für eine grössere, von guter Firma
                                 										gebaute Dynamo kann man heute mit ziemlicher Sicherheit bei voller Belastung
                                 										einen Nutzeffect von 92 bis 93 Proc. rechnen. Führt man diesen Wirkungsgrad in
                                 										die Angaben des Volt- und Ampèremeters ein und vergleicht die Summe der so
                                 										erhaltenen elektrischen  (1  = 736 Voltampère) mit der durch den
                                 										Indicator gezeigten indicirten, so erhält man mit grosser praktischer
                                 										Genauigkeit die effective Leistung an der Schwungradwelle der Maschine, wobei
                                 										die Reibung der Dynamolager der eines guten Schwungradlagers gleichgesetzt
                                 										werden kann.
                              
                           
                              Bei zahlreichen derartig ausgeführten Versuchen hat sich nun für gut gebaute
                                 										stehende Dampfmaschinen ein Nutzeffect von 90 bis 92 Proc. ergeben, während die
                                 										besten liegenden Maschinen nicht über 80 bis 85 Proc. erzielen konnten. Dieses
                                 										sind Versuche an neuen Maschinen, die einige Monate lang gearbeitet hatten. Die
                                 										stehende Maschine behält diesen hohen Nutzeffect Jahre lang bei, da sich die
                                 										Cylinder nicht ausarbeiten, während bei der liegenden Maschine nach einiger Zeit
                                 										die Cylinder oval auslaufen und dann der Nutzeffect noch bedeutend nachlässt.
                                 										Aus dem Vorhergehenden folgt z.B., dass, wenn die eine Maschine nur 5,5 k Dampf
                                 										für die i verbraucht, die andere mit
                                 										höherem Nutzeffect bis 6 k für die i
                                 										verbrauchen dürfte, um dabei ebenso wirthschaftlich zu arbeiten. Würde man noch
                                 										die voraussichtlich geringeren Anschaffungs- und Aufstellungskosten mit in
                                 										Betracht ziehen, so würde es sich herausstellen, dass die scheinbar
                                 										unwirtschaftlichere Maschine für den Besitzer die vortheilhaftere sei. Man
                                 										sieht, zu wie falschen Schlüssen die einseitige Beurtheilung nach dem
                                 										Indicatordiagramm führen kann.
                              
                           
                              Die Elektricitätspraxis mit ihren zuverlässigen wissenschaftlichen Messverfahren
                                 										wirft ihr Licht in manche bisjetzt dunkel gebliebene Winkel der
                                 										Maschinenbautechnik und des maschinellen Betriebes und gibt uns besonders
                                 										genauen Aufschluss über Kraftleistung und Kraftverbrauch der verschiedensten
                                 										Maschinen, über deren Wirkungsweise man sich bis jetzt mit den unzuverlässigsten
                                 										Annahmen begnügt hatte.
                              
                           
                              Ich gehe jetzt zu einer Besprechung derjenigen Vorwürfe über, welche den
                                 										stehenden Maschinen gemacht werden; diese Vorwürfe gipfeln besonders in
                                 										folgenden Behauptungen:
                              
                           
                              1) Die stehende Maschine steht nicht fest. Bei der Anwendung von
                                 										Gusseisenständern an der einen Seite und schmiedeeisernen Säulen auf der anderen
                                 										tritt bei der Erwärmung eine ungleiche Ausdehnung auf, wodurch die Maschine
                                 										schief gestellt wird.
                              
                           
                              2) Die stehende Maschine taugt nur für sogen. Schnelläufer, d.h. Maschinen mit
                                 										hoher Umdrehungszahl und für kleinere Ausführungen.
                              
                           
                              3) In Folge der höheren Tourenzahl und des häufigeren Hubwechsels müssen die
                                 										schädlichen Räume öfter mit frischem Dampfe gefüllt werden. Die Maschine muss
                                 										daher grössere Dampfverluste haben als die liegende, langsamer laufende.
                              
                           
                              Diese Vorwürfe werden durch Nachstehendes beantwortet:
                              
                           
                              Zunächst möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren eine
                                 										ganze Reihe stehender Maschinenarten aufgetaucht sind, welche mit mehr Eifer,
                                 										als Verständniss ausgeführt wurden, und der Einführung dieser Bauweise mehr
                                 										geschadet als genutzt haben.
                              
                           
                              Es genügt nicht, eine liegende Maschine einfach um 90° zu drehen, d.h. sie auf
                                 										den Kopf zu stellen, um eine gute stehende Maschine zu schaffen, wie das einige
                                 										Maschinenbaufirmen gethan haben.
                              
                           
                              Solche Maschinen standen wirklich nicht besonders fest und wiesen auch noch sonst
                                 										manche Eigenthümlichkeiten auf.
                              
                           
                              Ich erinnere mich z.B. eine solche Anlage gesehen zu haben, die einen für
                                 										liegende Maschinen üblichen Schleppschieber besass. Bei der stehenden Anordnung
                                 										fiel dieser Schleppschieber manchmal herunter und die Maschine blieb dann
                                 										plötzlich stehen, oder fing an rückwärts zu laufen. Hier hat sich die alte
                                 										Erfahrung bestätigt, dass die Einführung eines an und für sich werthvollen
                                 										Principes durch nichts mehr gehemmt wird, als durch die unrichtige Ausführung
                                 										und Handhabung seitens Personen, die kein richtiges Verständniss von dem
                                 										eigentlichen Wesen der Sache haben. Ich gehe jetzt zu einer näheren Besprechung
                                 										der vorgenannten Punkte über.
                              
                           
                              1) Unter stehender Maschine verstehe ich die Bau-Weise mit obenstehenden
                                 										Cylindern und unten, in dem Fundamentrahmen gelagerter Kurbelwelle, obgleich
                                 										auch die umgekehrte Aufstellung unter Umständen ihre Vortheile haben kann.
                              
                           
                              Jedenfalls bewegen sich Kolben und Stangen senkrecht, ohne viel Reibung in den
                                 										Cylindern, die Cylinder selbst sind zum Zwecke kurzer und directer
                                 										Dampfüberführung dicht neben einander gestellt, jeder Cylinder arbeitet auf
                                 										seine eigene Kurbel, die Kurbelwelle liegt in vier oder sechs Lagern sicher und
                                 										fest gelagert und die Verbindung zwischen Cylinder und Grundplatte ist eine
                                 										derartige, dass die ganze Maschine einen in sich festen Träger mit starker
                                 										oberer und unterer Gurtung bildet, der im Stande ist, alle während des
                                 										Arbeitens auftretenden Erschütterungen in sich aufzuheben, so dass keine
                                 										äusseren Momente auf Verschiebung oder Verdrehung der Maschine auf ihrem
                                 										Fundamente vorhanden sind.
                              
                           
                              Die genaueren Grundsätze für den Bau solcher Maschinen setzt der Vortragende als
                                 										bekannt voraus.
                              
                           
                              In Folge der in sich festen Construction der Maschine kann das zugehörige
                                 										Fundamentmauerwerk verhältnissmässig sehr leicht und einfach ausgeführt werden
                                 										und bildet dennoch, da keinerlei Unterkellerungen nöthig sind, einen festen
                                 										Steinblock, der sich gleichmässig setzt und keine Erschütterungen an benachbarte
                                 										Wände bezieh. Gebäude überträgt. Die betreffenden Fundamentbolzen werden auf Zug
                                 										beansprucht und unterliegen nur einer geringen Belastung. Die Welle der Seil-
                                 										oder Riemenscheibe wird seitwärts von der Maschine, in zwei starken, dicht neben
                                 										einander stehenden Lagern, gelagert und erhält nur ein reines Drehungsmoment, so
                                 										dass irgend welche Beanspruchung auf Verbiegung oder Verschiebung nicht
                                 										vorkommt. Bei directer Kuppelung mit einer Dynamomaschine wird die Kurbelwelle
                                 										mittels angeschmiedeter Flanschen mit der Dynamowelle fest verbunden. Alle
                                 										zwischengeschalteten nachstellbaren Kuppelungen sind bei gut gebauter und gut
                                 										aufgestellter stehender Maschine durchaus unnöthig. Das Gestell, d.h. die
                                 										Verbindung zwischen Cylinder und Grundplatte, kann man ganz aus Guss- oder ganz
                                 										aus Schmiedeeisen machen. Der Billigkeit und Einfachheit halber wendet man oft
                                 										hinten Gusständer und vorn schmiedeeiserne Säulen an. Der Einwurf, dass bei der
                                 										Erwärmung eine Schiefstellung der Maschine herbeigeführt werden könnte, ist
                                 										praktisch völlig belanglos.
                              
                           
                              Theoretisch dehnt sich Gusseisen bei 100° Wärmezunahme um 1/900 und
                                 										Schmiedeeisen um 1/812 seiner ursprünglichen Länge aus. Es hat aber auch dieser
                                 										Coefficient in dem vorliegenden Falle gar keine praktische Bedeutung, da
                                 										zunächst die Wärmezunahme der den Cylinderenden am nächsten gelegenen Theile
                                 										höchstens 30 bis 40° beträgt und diese Wärmezunahme sich nur auf wenige Zoll der
                                 										Länge erstreckt, also eine nachtheilige, verschiedene Längenänderung gar nicht
                                 										vorhanden ist.
                              
                           
                              2) Vielfach ist noch die Meinung verbreitet, dass die stehende Bauweise nur zur
                                 										Erreichung einer sehr hohen Umdrehungszahl dienen solle. Dass man bei richtiger
                                 										Bauart fast beliebig hohe Tourenzahlen erreichen und unbeschadet einhalten kann,
                                 										ist ja sicher und ein grosser Vortheil, der eben am Besten von der richtigen
                                 										Ausbildung dieses Systems zeugt.
                              
                           
                              Während die liegende Maschine mit complicirter Steuerung schon bei mittelgrossen
                                 										Ausführungen nicht über etwa 100, bei grösseren nicht über 60 bis 80 minutliche
                                 										Umgänge hinauskommt, kann ich bei der stehenden, richtig gebauten Maschine, wenn
                                 										die Nothwendigkeit vorliegt, ganz andere Geschwindigkeiten ohne weitere
                                 										Schwierigkeiten benutzen und einhalten. Beispiel dafür sind die Torpedoboote und
                                 										Torpedokreuzer neuerer Bauweise, wo Maschinen von 3000 bis 4000 i mit 300 bis 400 minutlichen Umdrehungen zu
                                 										arbeiten pflegen, und die gewaltigen Oceandampfermaschinen, welche bei 25000 bis
                                 										30000  noch mit 80 bis 100 Umgängen laufen. Wenn es erfahrungsmässig
                                 										möglich ist, solche gewaltige Arbeitsleistungenan Schiffsbord unter
                                 										den denkbar ungünstigsten Verhältnissen mit den stehenden Maschinen zu erzielen,
                                 										und Tag und Nacht, Wochen lang, ohne eine Minute Stillstand, im Betriebe zu
                                 										erhalten, wenn dort die stehende Maschine, trotz Hin- und Herschleuderns des
                                 										Schiffes, fest steht, und regelmässig, ruhig und ökonomisch arbeitet, so müsste
                                 										es doch merkwürdig zugehen, wenn etwas Gleiches und Besseres nicht auch am
                                 										festen Lande, im geräumigen lichten Maschinenhause erreicht werden könnte.
                              
                           
                              Man sollte nun meinen, dass, nachdem die stehende Bauweise seit mehr als 30
                                 										Jahren an Schiffsbord einen unbestreitbaren Erfolg errungen und sich allen dort
                                 										vorkommenden schwierigen Bedingungen anzupassen verstanden hat, gar kein Zweifel
                                 										über die Brauchbarkeit dieses Systems existiren könnte; aber einmal ist der
                                 										Schiffsmaschinenbau eine besondere Branche, um die sich der stationäre
                                 										Maschinenbauer meistens sehr wenig und ich möchte sagen viel zu wenig kümmert,
                                 										zweitens sind auch manche Bedingungen beim stationären Maschinenbaue andere wie
                                 										an Schiffsbord, aber wie ich gleich dahin stellen möchte, meistens bedeutend
                                 										leichter zu erfüllen als dort.
                              
                           
                              Zunächst liegt nun gar kein Grund vor, sich mit dem stehenden Maschinensysteme,
                                 										nicht den üblichen Umdrehungsziffern des Fabrikbetriebes anzuschliessen, wenn
                                 										diese auch in den meisten Fällen mit grossem Vortheile für den betreffenden
                                 										Besitzer etwas erhöht werden könnten.
                              
                           
                              3) Es ist nämlich ein Irrthum, zu glauben, dass innerhalb gewisser Grenzen eine
                                 										schneller laufende Maschine einen höheren Dampfverbrauch und grössere Abnutzung
                                 										haben müsste, als eine langsamer laufende. Im Gegentheile, bei der Abnutzung
                                 										hängt alles nur von der richtigen Bemessung der Lager ab und es hat sich oft
                                 										herausgestellt, dass langsam laufende Wellen bedeutend mehr an Schmiermaterial
                                 										benöthigen als schneller rotirende, und was den häufigeren Hubwechsel und damit
                                 										zusammenhängende häufigere Anfüllung der todten Räume der Cylinder mit Dampf
                                 										anbelangt, so lässt sich dieses gerade bei schneller laufenden Maschinen durch
                                 										die Einführung einer geeignet hohen Compression beim Hubwechsel fast gänzlich
                                 										beseitigen.
                              
                           
                              Bei Maschinen mit mehrstufiger Expansion hat ja die Schädlichkeit dieser Räume
                                 										zunächst nur für den Hochdruckcylinder eine Bedeutung und hier ist es schon aus
                                 										anderen Gründen zur günstigen Ueberwindung der Gestängewirkung und der
                                 										Massendrücke nothwendig, eine hohe Compression einzuführen, welche die
                                 										Uebergänge beim Hubwechsel weich gestaltet und der Maschine erlaubt, auch ohne
                                 										Anwendung schwerer Schwungmassen, gleichsam wie auf Federn gewiegt, zu
                                 										arbeiten.
                              
                           
                              Diese hohe, bis zur Einströmungsspannung getriebene Compression, hat aber noch
                                 										den grossen Vortheil in ihrem Gefolge, die Schädlichkeit der sogen. todten Räume
                                 										fast gänzlich aufzuheben, indem sie sie mit Dampf von annähernd
                                 										Eintrittsspannung anfüllt, welcher bei der nachfolgenden Eintrittsperiode genau
                                 										wie der frische Dampf seine Arbeit wieder herausgibt, ausserdem den Cylinder
                                 										warm erhält und gegen Abkühlung schützt.
                              
                           
                              Alles dieses ergibt Vortheile, welche bei der langsam laufenden Maschine nur
                                 										durch Anordnung kostspieliger Dampfjacken und grosser Schwungmassen erzielt
                                 										werden können.
                              
                           
                              
                              Es ist ferner ein Irrthum zu glauben, dass sich durch Drucksteigerung und hohe
                                 										Expansion stets wirthschaftlich günstige Ergebnisse erzielen lassen. Es existirt
                                 										dafür eine recht genau bestimmte und nicht sehr hoch liegende Grenze, die
                                 										bereits Watt auf etwa ¼ Cylinderfüllung angab, und
                                 										welche neuere Untersuchungen bestätigt haben. Jedes Ueberschreiten dieser
                                 										Grenze, also Füllung von weniger als ¼ im ersten Cylinder, haben nur Nachtheile
                                 										für den wirthschaftlichen Betrieb im Gefolge. Man erzielt damit nur eine
                                 										schwerfällige, theure Anlage mit geringem Nutzeffecte, und wenn man gar dasselbe
                                 										irrthümliche Princip der hohen Expansion in einem Cylinder auch für den Bau der
                                 										Verbund- oder Dreifach-Expansionsmaschinen festhält, so verkennt man damit die
                                 										Grundlagen, welche zum Baue der mehrstufigen Expansionsmaschinen geführt
                                 										haben.
                              
                           
                              Dass eine Maschine mit grösserer Füllung ökonomischer arbeitet als mit geringer,
                                 										mag manchem als Widerspruch erscheinen und dennoch beruht der grosse Erfolg des
                                 										Verbund- und Dreifach-Expansionsmaschinensystems darauf, dass es gestattet,
                                 										verhältnissmässig grosse Füllungen in jedem Cylinder und dementsprechend auch
                                 										die allereinfachste Art der Steuerung zu benutzen. Deshalb braucht auch eine
                                 										sonst richtig bemessene stehende Verbund- oder Dreifach-Expansionsmaschine alle
                                 										die von der liegenden Eincylindermaschine mit hoher Expansion herstammenden
                                 										complicirten Steuerungsmechanismen, mögen sie nun Corliss- oder Sulzer-, Ventil-
                                 										oder Hahnsteuerung heissen und an und für sich noch so ingeniös wirken, durchaus
                                 										nicht, um einen hohen wirthschaftlichen Nutzeffect zu erzielen.
                              
                           
                              Wenn man glaubt, dass sich die Anordnung der Schiebersteuerung für sehr hohe
                                 										Dampfspannungen nicht mehr als praktisch erweisen würde, und dass dann die
                                 										Ventilsteuerung eintreten müsse, so widerspricht dem die Erfahrung des
                                 										Schiffsmaschinenbaues, wo man bereits zu Arbeitsspannungen von 14 bis 15 at mit
                                 										Dampfüberhitzung übergegangen ist und wo sich ein Bedürfniss nach der
                                 										Ventilsteuerung noch nicht herausgestellt hat.
                              
                           
                              Die Zeit, wo jeder Constructeur seine eigene Steuerung erfand, sollte doch vorbei
                                 										sein und man sollte auch im stationären Maschinenbaue anfangen, sich mehr und
                                 										mehr den grossen Principien des wirthschaftlichen Dampfmaschinenbaues zuwenden
                                 										und da wird wohl voraussichtlich das Problem der richtigen
                                 										Speisewasservorwärmung und Dampfüberhitzung, welches seit der Einführung der
                                 										mehrstufigen Expansionsmaschine etwas geschlummert hat, wieder mehr in den
                                 										Vordergrund treten und uns neuen Vortheilen entgegenführen. Es müssten nur erst
                                 										die nöthigen Schmiermaterialien gefunden werden, welche uns erlauben,
                                 										Temperaturen über 200° zu benutzen. Es liegt jedoch ausserhalb des Rahmens
                                 										meiner heutigen Besprechungen, auf dieses Thema näher einzugehen.“
                              
                           Nach Meinung des Vortragenden lassen sich keinerlei praktische Bedenken gegen die
                              									Anordnung des stehenden Systemes für stationäre Zwecke erheben, im Gegentheil
                              									scheint ihm die Einführung fast überall nur empfehlenswerth.
                           Die Besprechung des Vortrages ergab nichts wesentlich Neues.