| Titel: | Zur Beurteilung des Diesel-Motors. | 
| Autor: | Chr. Eberle | 
| Fundstelle: | Band 311, Jahrgang 1899, S. 40 | 
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                        Zur Beurteilung des Diesel-Motors.
                        Von Chr. Eberle,
                           								Ingenieur und Oberlehrer an der Kgl. Maschinenbauschule zu Duisburg.
                        (Schluss des Berichtes S. 22 d. Bd.)
                        Zur Beurteilung des Diesel-Motors.
                        
                     
                        
                           Das Anlassen des Motors geschieht mit Druckluft, welche von der kleinen
                              									Luftpumpe zum Einblasen des Petroleums während des Betriebes in einen Behälter
                              									geliefert wird. Durch Verstellung eines Nockens, ähnlich wie beim Gasmotor, wird der
                              									Motor in eine Zweitaktmaschine verwandelt, die dann genau wie ein Druckluftmotor
                              									anläuft. Der Druck in dem stählernen Anlassbehälter ist einige Atmosphären grösser
                              									als der höchste Kompressionsdruck. Ob der Motor mit oder ohne Belastung angelassen
                              									werden kann, ist lediglich eine Frage der Grösse des Luftbehälters. Die Druckluft
                              									hat zu leisten: die Nutzarbeit, Widerstandsarbeit des Motors und die
                              									Beschleunigungsarbeit. Je grösser die Nutzarbeit beim Anlassen ist, desto langsamer
                              									wird der Motor beschleunigt, desto mehr Umdrehungen sind also erforderlich, bis der
                              									Motor eine Umlaufszahl erreicht hat, die ihn in stand setzt, den Kompressionshub
                              									auszuführen. Die in München ausgestellten Motoren liefen im allgemeinen mit
                              									geringer Belastung an und wurden schon nach einer bis
                                 										drei Umdrehungen umgeschaltet auf Viertakt. Der Druck im Behälter sank
                              									dabei nur um 2 bis 5 at, was bei 40 bis 45 at Gesamtdruck gering erscheinen muss.
                              									Für den Fall, dass während einer grösseren Betriebspause ein Verlust dieser
                              									Anlassluft eintreten sollte, wird an die Motoren eine kleine Handpumpe angebaut zum
                              									Ersatz derselben. Dass das Erhalten der Luft nicht gar so bedenklich schwer ist, wie
                              									es an anderer Stelle geschildert wird, mag daraus entnommen werden, dass die Motoren
                              									in München mit der aus der Heimat mitgebrachten Anlassluft nach teilweise
                              									7wöchentlicher Unterbrechung anliefen. Die Vorrichtung zum Anlassen des Motors durch
                              									Umwandlung desselben in eine Zweitaktdruckluftmaschine ist Diesel durch D. R. P. Nr. 86633 Kl. 46 geschützt.
                           
                           Der wertvollen Eigenschaft des Diesel-Motors, bei abnehmender Leistung seinen
                              									theoretischen Wirkungsgrad zu verbessern, wurde genügend Erwähnung gethan. Die
                              									Einrichtung der Petroleumpumpe und die Beeinflussung derselben durch den
                              									Zentrifugalregulator sind durch Fig. 5 dargestellt.
                              									Der Kolben a saugt das Petroleum aus dem Vorratsraum
                              										b durch Ventil c an
                              									und drückt dasselbe durch Ventil d in die
                              									Einspritzleitung. Der Druckraum der Pumpe ist nun aber mit einem Umlaufventilchen
                              										e in Verbindung, welches durch den Regulator
                              									beeinflusst wird. Die Spindel von e ist unterbrochen;
                              									der untere Teil ist fest am Ventil, der obere bewegt sich mit dem Kolben auf und ab;
                              									zur Erzielung einiger Nachgiebigkeit ist er nicht fest mit a verbunden, sondern durch eine Feder f
                              									gehalten. Der Regulator verschiebt einen Keil g, der
                              									zwischen den beiden Spindelteilen liegt. Bei hoher Regulatorstellung ist der Keil
                              									weit herausgezogen und das Ventil wird erst spät geschlossen, so dass ein grosser
                              									Teil des angesaugten Oeles in den Behälter zurücktritt. Der Regulator hat also nur
                              									eine ganz verschwindend kleine Verstellungskraft nötig, indem er nur den Keil g verschieben muss; mit dem Gestänge der Pumpe steht er
                              									in keinem Zusammenhang. Durch die Einwirkung des Regulators wird also
                              									beeinflusst:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 311, S. 41
                              Fig. 5. Petroleumpumpe.
                              
                           1. die Brennstoffmenge;
                           2. der Beginn der Einspritzung.
                           Das wirkliche Fördern von Petroleum in die Druckleitung beginnt bei kleinen
                              									Leistungen später als bei grossen. Sollte sich die Aenderung des Beginnes der
                              									Förderung des Petroleums zum Einspritzventil auch noch bei der Einspritzung in den
                              									Cylinder als verspätete Zuführung des Brennstoffes bei
                                 										kleineren Leistungen geltend machen, so läge das im Sinne des Diesel'schen Patentes Nr. 86946. Danach soll, um die
                              									Regulierung wirksamer zu gestalten, nicht nur die Brennstoffmenge, sondern auch der
                              									Druck, bei welchem der Brennstoff zugeführt wird, geändert werden. Beginnt nun die
                              									Einspritzung erst nach dem Totpunkte, so ist durch die
                              									Fortbewegung des Kolbens die Kompressionsspannung schon wieder gesunken, also fände
                              									die verringerte Brennstoffmenge auch verminderten Druck.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 311, S. 41
                              Fig. 6. Regulierung.
                              
                           Das Diagramm Fig. 6, entnommen von dem 35pferdigen
                              									Motor der Münchener Ausstellung, gibt ein Bild von dem Einflüsse des Regulators; in
                              									dem Spielraume vom grössten zum kleinsten Diagramm sind alle Regulatorstellungen
                              									enthalten.
                           Fig. 7 ist die genaue Wiedergabe eines bei konstanter
                              									Belastung 50mal geschriebenen Diagrammes.
                           Sämtliche Expansions- und Verbrennungskurven decken sich vollständig, woraus auf die
                              									gleichmässige Verbrennung zu schliessen ist.
                           Ein Leerlaufdiagramm gibt Fig. 8.
                           Seit längerer Zeit ist man damit beschäftigt, auch andere Brennstoffe als
                              									Lampenpetroleum auf ihre Brauchbarkeit zur Verbrennung im Diesel-Motor zu
                              									untersuchen, bezw. billigere Oele für diesen Zweck geeignet zu machen. Dabei lenkte
                              									sich die Aufmerksamkeit naturgemäss in erster Linie auf die Rohöle für die Gewinnung
                              									des russischen und amerikanischen Petroleums, die Rückstände der
                              									Petroleumdestillation, ferner auf die für Deutschland wichtigen
                              									Braunkohlendestillate, Solaröle in ihren verschiedenen Destillationsgraden.
                           Versuche mit russischen Oelen wurden in der Versuchsanstalt der Maschinenfabrik Augsburg gemacht und ergaben:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 311, S. 41
                              Fig. 7. 50 Zündungen.
                              
                           1. Rohnaphtha der Naphtha-Produktionsgesellschaft Gebrüder Nobel, St. Petersburg. Spez. Gew.
                              									0,871; Heizwert: 10175 W. E. Da Rohnaphtha häufig Verunreinigungen enthält, so ist
                              									eine Filtration vor dem Gebrauche durchaus erforderlich. Die in Rohnaphtha noch
                              									enthaltenen leichtflüchtigen Stoffe sind der Verbrennung förderlich.
                           2. Rohes Quellpetroleum, eine undurchsichtige,
                              									dunkelbraune, dicke Flüssigkeit; spez. Gew. 0,88. Der Betrieb ergab eine breiige
                              									Verunreinigung des Düsenraumes, während eine Beschmutzung des Cylinderinnern nicht
                              									eintrat.
                           3. Naphtharückstände (Massut) von Ludwig Nobel, St. Petersburg.
                              									Spez. Gew. 0,905. Bei Mischung mit 25 bis 50 % russischem oder amerikanischem Lampenpetroleum treten
                              									weder Betriebsstörungen noch Verschmutzungen ein.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 311, S. 41
                              Fig. 8. Leerlauf.
                              
                           Einem Versuchsberichte von Professor J. E. Denton vom
                              									Stevens Institute of Technologie, Hoboken, N. Y., entnehmen wir sehr wertvolle
                              									Ergebnisse über die Verwendung von „Kalifornia-Rohöl“:
                           
                              „Nach Anwendung des Oeles über 30 Stunden bei einer durchschnittlichen Belastung
                                 										von ungefähr 15 e zeigte eine
                                 										Besichtigung des Cylinderinnern absolut keine Ansammlung irgend eines
                                 										Niederschlages, noch eine Spur des geringsten Angriffes. Die Auspuffgase
                                 										brachten keinen Russ und waren nicht im stände, dagegengehaltenes weisses Papier
                                 										zu beschmutzen.“
                              
                           Im übrigen teilt die Diesel-Motorengesellschaft, A. G.,
                                 										Augsburg, noch mit:
                           
                              „Bei den deutschen Solarölen und den Braun- und Steinkohlendestillaten, welche am
                                 										meisten Neigung zur Bildung von Rückständen im Düsenraum und an der Düsenmündung
                                 										haben, dürfte sich eine Beimischung von Benzin, Benzol o. dgl.
                                 									empfehlen.“
                              
                           Für alle diese Brennstoffe soll sich der Verbrauch für die
                                 										effektive Pferdekraftstunde zwischen 220 bis 250 g
                                 										ergeben.
                           Sonach kommen wir zu dem Schlusse, dass der Diesel-Motor
                                 										heute als eine Kraftmaschine zu bezeichnen ist, die zum Wettbewerbe mit den
                                 										übrigen Kraftmaschinen zugelassen werden muss. Je nach den örtlichen
                              									Verhältnissen, den am Orte vorkommenden Brennstoffen und deren Preisen wird der
                              									genaue Vergleich der JahreskostenSiehe des
                                    											Verfassers Buch: Kosten der Krafterzeugung. Verlag von Wilh. Knapp, Halle a. S. die Auswahl
                              									der Betriebskraft erleichtern.
                           Dass bei dem Reichtum an flüssigen Brennstoffen, die ausserdem sehr billig und
                              									teilweise gar nicht zu anderen Zwecken verwendbar sind, Russland und Amerika
                              									zunächst das ausgiebigste Feld für die Verbreitung des Diesel-Motors sein werden,
                              									kann kaum bezweifelt werden; aber auch für Deutschland dürften die oben erwähnten
                              									deutschen Oele, falls sie einen nicht allzu hohen Prozentgehalt teurer Beimengungen
                              									(Benzin) verlangen, dem Motor ein Anwendungsgebiet sichern. Für kleinere Leistungen ist indessen der Diesel-Motor auch mit Lampenpetroleum
                                 										betrieben, heute schon konkurrenzfähig, wie nachfolgendes kurze Beispiel
                              									lehrt.
                           Es handle sich um eine 20pferdige Anlage, für die ein Gasmotor und ein
                              									Diesel-Petroleummotor in Wettbewerb stehen. Der Gaspreis betrage für Kraftzwecke 10
                              									Pfg. pro cbm, der Petroleumpreis sei 20 Pfg. pro kg.
                           Da der Motor im allgemeinen schwach belastet arbeitet, sollen die Brennstoffpreise
                              									für ganze und halbe Leistung verglichen werden. Nach den heutigen Garantiezahlen
                              									wird gesetzt:
                           
                              
                                 
                                 20 
                                 10 
                                 
                              
                                 
                                    Für den Gasmotor:
                                    
                                 
                                 
                                 
                              
                                     Gasverbrauch pro 1 e/Stunde
                                 0,620
                                 0,760 cbm
                                 
                              
                                     Gaspreis pro 1 e/Stunde
                                 6,2
                                 7,6 Pfg.
                                 
                              
                                 
                                    Für den Diesel-Motor:
                                    
                                 
                                 
                                 
                              
                                     Petroleumverbrauch pro 1 e/Stunde
                                 0,240
                                 0,320 kg
                                 
                              
                                     Petroleumpreis pro 1 e/Stunde
                                 4,8
                                 6,4 Pfg.
                                 
                              
                           Bezüglich der Brennstoffkosten ist also der
                              									Diesel-Motor selbst bei dem Gaspreise von nur 10 Pfg. dem Gasmotor überlegen. Für die wirtschaftliche Entscheidung der
                              									Präge müssten allerdings die wesentlich höheren Verzinsungs- und Abschreibungskosten
                              									des Diesel-Motors mit in Rechnung gestellt werden, wodurch sich das Ergebnis zu
                              									Gunsten des Gasmotors verschiebt.
                           Aus diesem einfachen rechnerischen Vergleichsbeispiel ist zu schliessen, dass der
                              									Diesel-Motor sich auch mit Petroleum betrieben ein Feld erobern kann, welches jedoch
                              									in keinem Vergleich stehen wird mit der Aufnahme, die er in Russland und Amerika
                              									findet.
                           In Deutschland wird das Interesse für den Diesel-Motor erst ein allgemeines werden
                              									können, wenn die Verwendung gasförmiger Brennstoffe wie Leuchtgas, Kraftgas und
                              									besonders der noch brennbaren Abgase der Verhüttungs- u. dgl. Prozesse möglich sein
                              									wird. Wird auch beim Uebergange zum Betriebe mit Gas der
                                 										Diesel-Motor sich in ähnlicher Weise an die Spitze stellen, wie dies beim
                                 										Petroleumbetrieb der Fall war, dann dürfte der Augenblick gekommen sein, auch in
                                 										Deutschland der Einführung dieses Motors in grössere Betriebe näher zu treten.
                                 										Von dem Grade der Erfüllung dieser Bedingung, vor allem aber auch von der
                                 										Entwickelung des Kraftgaserzeugers zur Verwendung gewöhnlicher Stein- und
                                 										Braunkohlen wird die Zukunft des Diesel-Motors in Deutschland abhängen.