| Titel: | Studien über die Mechanik der Kugellager. | 
| Autor: | R. Frank | 
| Fundstelle: | Band 314, Jahrgang 1899, S. 26 | 
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                        Studien über die Mechanik der
                           								Kugellager.
                        Von Ingenieur R.
                                 								Frank.
                        Studien über die Mechanik der Kugellager.
                        
                     
                        
                           Der Zweck der nachstehenden Erörterungen ist die Betrachtung der
                              									Reibungsverhältnisse in konischen Kugellagern, wie sie ein bekanntes und
                              									charakteristisches Konstruktionsdetail des Fahrrades geworden sind. Des weiteren
                              									soll versucht werden, eine zahlenmässige Grundlage zu
                              									gewinnen für die Beurteilung der Abmessungen der
                              									Kugellager in Bezug auf die durch die Reibung hervorgerufene Abnutzung.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 26
                              Fig. 1.
                              
                           Es ist zunächst erforderlich, die Lagerreaktionen aus den als gegeben zu
                              									betrachtenden äusseren Kräften zu ermitteln. Fig. 1
                              									zeigt eine auf Kugeln gelagerte Achse; die Konusflächen besitzen eine Neigung α. Sämtliche Reaktionen müssen ihre Angriffspunkte auf
                              									dem Laufkreis der Kugeln haben, der deshalb „Reaktionskreis“ heissen soll.
                              									Sein Radius sei r. Sie müssen ferner normal zur
                              									Konusseite wirken – genauer: mit Abweichung um den Reibungswinkel. – Rühren solche
                              									Reaktionen von äusseren Kräften P in verschiedenen
                              									Richtungen her, so liegen sie alle auf einer Kegelfläche mit der Spitze im
                              									Achsmittel und mit Seiten normal zu den Konusseiten. Dieser Kegel heisse
                              										„Reaktionskegel“.
                           Von einer äusseren Kraft P wären zunächst zwei
                              									Reaktionen X und Y zu
                              									erwarten.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 26
                              Fig. 2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 26
                              Fig. 3.
                              
                           Es kann aber alsdann Gleichgewicht nur eintreten, wenn P
                              									durch den Schnittpunkt von X und Y geht, also bei Symmetrie der Konen im vertikalen
                              									Achsmittel liegt. Ist dies nicht der Fall, so ist noch eine dritte Reaktion Z vorhanden, welche erst eine vollständige Stützung der
                              									mit P belasteten Achse bewirkt.
                           Die drei Reaktionen XYZ sind der Richtung nach bekannt;
                              									für ihre Intensitäten lassen sich drei Gleichgewichtsbedingungen aufstellen: Summe
                              									der vertikalen Komponenten = 0, der horizontalen Komponenten = 0, der Momente (in
                              									Bezug auf den Angriffspunkt von P) = 0. Diese
                              									Bedingungen lauten:
                           X cos α + Y cos α – Z cos α – P = 0
                           X sin α – Y sin α + Z sin α = 0
                           aX cos α – rX sin a – bY cos α + rY sin α – aZ cos α + rZ sin
                                 										α = 0
                           oder, vereinfacht:
                           (X – Z) cos α
                                 										+ Y cos α = P . . . . 1)
                           X + Z = Y . . . . 2)
                           (X – Z) (a – r
                                 										tg α) = Y(b – r tg
                                 										α) . . . . 3)
                           Setzt man
                           a-r\,tg\,\alpha=\frakfamily{a}\mbox{ und
                                 										}b-r\,tg\,\alpha=\frakfamily{b}\mbox{ (reduzierte Hebelarme)} . . .
                              									. 4)
                           so ergibt sich
                           Y\,cos\,\alpha=\frac{\frakfamily{a}}{\frakfamily{a}+\frakfamily{b}}\,P . . . . 5)
                           (X-Z)\,cos\,\alpha=\frac{\frakfamily{b}}{\frakfamily{a}+\frakfamily{b}}\,P . . . . 6)
                           Y cos α ist die vertikale Reaktionswirkung rechts, (X – Z) cos α die (aus X und Z resultierende)
                              									vertikale Reaktionswirkung links. Diese ergeben sich, als wenn P in gewöhnlicher Weise nach den Hebelarmen
                              										\frakfamily{a} und \frakfamily{b} zerlegt
                              									wäre, d.h. als wenn die Achse in den Spitzen der Reaktionskegel gestützt wäre. Die
                              									drei Reaktionen XYZ ergeben sich:
                           X=\frac{P}{2\,cos\,\alpha};\ Y=\frac{\frakfamily{a}}{\frakfamily{a}+\frakfamily{b}}\ \frac{P}{cos\,\alpha};\ Z=\frac{\frakfamily{a}-\frakfamily{b}}{\frakfamily{a}+\frakfamily{b}}\
                                 \frac{P}{2\,cos\,\alpha} . . . . 7)
                           Liegt P ausserhalb der Spitzen der Reaktionskegel, so
                              									wird in analoger Weise (Fig. 2)
                           a-r\,tg\,\alpha=\frakfamily{a};\
                                 										b+r\,tg\,\alpha=\frakfamily{b} . . . . 8)
                           Y\,cos\,\alpha=\frac{\frakfamily{a}}{\frakfamily{a}-\frakfamily{b}}\,P . . . . 9)
                           (X-Z)\,cos\,\alpha=\frac{\frakfamily{b}}{\frakfamily{a}-\frakfamily{b}}\,P . . . . 10)
                           X=\frac{\frakfamily{a}+\frakfamily{b}}{\frakfamily{a}-\frakfamily{b}}\ \frac{P}{2\,cos\,\alpha};\ Y=\frac{\frakfamily{a}}{\frakfamily{a}-\frakfamily{b}}\
                                 \frac{P}{cos\,\alpha};\ Z=\frac{P}{2\,cos\,\alpha} . . . . 11)
                           Liegen die Kugelreihen innerhalb der Konen (Fig. 3),
                              									so werden die reduzierten Hebelarme für innenliegendes P
                           \frakfamily{a}=a+r\,tg\,\alpha;\,\frakfamily{b}=b+r\,tg\,\alpha
                              									. . . . 12)
                           und für aussenliegendes P:
                           \frakfamily{a}=a+r\,tg\,\alpha;\,\frakfamily{b}=b-r\,tg\,\alpha
                              									. . . . 13)
                           alles andere bleibt unverändert.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 26
                              Fig. 4.
                              
                           Ein sehr klares Bild der gegenseitigen Beziehungen zwischen P und den drei Reaktionen erhält man durch die graphische Darstellung. In
                              										Fig. 4 ist das Kräftepolygon gezeichnet. P ist in \overline{e\,f} aufgetragen, an den Endpunkten sind
                              									die Kraftrichtungen Z und Y angetragen. Zerlegt man P durch ein
                              									bekanntes Verfahren nach den Hebelarmen \frakfamily{a} und
                              										\frakfamily{b} (Punkt g) und
                              									errichtet in g ein Lot, so ergibt dies den Punkt h, und durch Antragung der Kraftrichtung X den Schlusspunkt i des
                              									Kräftevierecks \overline{e\,f\,i\,h}. Zieht man durch i eine
                              									Parallele zu P und projiciert sämtliche Reaktionen auf
                              									diese, so werden folgende Beziehungen erkenntlich: Die Vertikalkomponenten von X und Z ergeben die
                              									Differenz \overline{m\,i}-\overline{l\,i}=\overline{g\,f}, d.h. die durch Zerlegung von P
                              									nach \frakfamily{a} und \frakfamily{b}
                              									entstandene Kraft, desgleichen ist die Vertikalkomponente von Y=\overline{e\,g}. Die
                              									Achsialkomponenten von X und Z summieren sich zu einer Kraft gleich und entgegengesetzt der
                              									Achsialkomponente von Y\,(\overline{f\,l}+\overline{m\,h}=\overline{g\,h}) u.s.f.
                           Greifen an einer Achse mehrere äussere Kräfte an, so darf man zur Ermittelung der
                              									Lagerdrucke nicht so verfahren, dass man die XYZ jeder
                              									einzelnen Kraft berechnet und diese zusammensetzt. Dieses Verfahren würde sofort zu
                              									Schwierigkeiten führen, wenn etwa das Y der einen Kraft
                              									in dasselbe Lager fiele, wie die Gruppe X/Z der
                              									anderen. Aber auch, wenn die Y beider in dasselbe Lager
                              									fielen, dürften sie nicht ohne weiteres zusammengesetzt werden. Ihre Resultante
                              									würde im allgemeinen nicht auf der Oberfläche des Reaktionskegels liegen, also auch
                              									nicht als Lagerreaktion anzusehen sein, sie müsste zum mindesten auf eine
                              									gleichwertige Kraft reduziert werden, welche auf der Kegelfläche liegt. Auch bei
                              									mehreren äusseren Kräften P in derselben Ebene ist mit
                              									Vorsicht zu verfahren, wie das Beispiel der Fig. 5
                              									lehrt. Eine Kraft P rufe die Reaktionen XYZ hervor, ein an derselben Stelle wirkendes, gleich
                              									grosses, aber entgegengesetzt gerichtetes P wird die
                              									gleichen Reaktionen, aber in anderer Verteilung erzeugen; die Kombination beider
                              									ergibt auf der einen Seite zwei Reaktionen Y, auf der
                              									anderen zwei Reaktionen X + Z. Diese vier Kräfte ergeben zwar wegen Gleichung 2) die Gesamtwirkung 0,
                              									es müsste sich aber auch jede einzelne = 0 ergeben. Ein äusseres Kennzeichen für die
                              									Fehlerhaftigkeit der Betrachtung liegt darin, dass man vier Reaktionen erhält,
                              									während zur vollkommenen Stützung der Achse drei ausreichen.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 27
                              Fig. 5.
                              
                           Zur Ermittelung der resultierenden Reaktionen mehrerer äusseren Kräfte kann folgendes
                              									einfache Verfahren eingeschlagen werden. Es sei zunächst eine einzelne äussere Kraft
                              										P betrachtet. Denkt man sich die Achse in den
                              									Spitzen der Reaktionskegel gestützt, so erhält man dort zwei Hilfsreaktionen A und B, nämlich:
                           A=\frac{\frakfamily{b}}{\frakfamily{a}+\frakfamily{b}}\,P und B=\frac{\frakfamily{a}}{\frakfamily{a}+\frakfamily{b}}\,P.
                           Die Beziehungen dieser mit den wahren Reaktionen XYZ
                              									folgt aus Gleichungen 5) und 6):
                           Y cos α = B; (X – Z) cos α = A.
                           Da ferner nach Gleichung 2)
                           (X + Z) cos α
                                 										= B,
                           so folgt
                           X=\frac{A+B}{2\,cos\,\alpha};\ Y=\frac{B}{cos\,\alpha};\ Z=\frac{B-A}{2\,cos\,\alpha} . . . . 14)
                           oder in Worten: Die grössere B
                              									der beiden Hilfsreaktionen ist direkt als Vertikalkomponente der Einzelreaktion Y aufzufassen, die kleinere A zerfällt in eine Differenz, deren Glieder die Vertikalkomponenten der
                              									Gruppe X/Z sind, derart, dass die Summe ihrer
                              									Horizontalkomponenten der Horizontalkomponente von Y
                              									das Gleichgewicht hält. Sind mehrere äussere Kräfte vorhanden, so suche man für jede
                              									einzelne die Hilfsreaktionen A und B; diese kann man nach dem Kräfteparallelogramm
                              									zusammensetzen zu zwei resultierenden Reaktionen; und diese kann man alsdann, wie
                              									leicht ersichtlich, auch wenn sie miteinander windschief sind, nach den Gleichungen
                              									14) behandeln, d.h. aus der grösseren Y ermitteln, die
                              									kleinere in eine Differenz zerlegen, u.s.f.
                           Nach Vorstehendem lassen sich die Lagerreaktionen in jedem einzelnen Falle aus den
                              									äusseren Kräften ermitteln, und sind somit fortan als gegebene Grössen zu
                              									betrachten. Die Kenntnis derselben ermöglicht nach bekannten Verfahren ohne weiteres
                              									die Konstruktion der Biegungsdiagramme und die Untersuchung der Achsen auf
                              									Festigkeit. Fig.
                                 										6 bis 9 zeigen vier Fälle: Aeussere Kraft zwischen oder ausserhalb der
                              									Kugelreihen, letztere innerhalb oder ausserhalb der Konen. Der in der Wirklichkeit
                              									am häufigsten vorkommende Fall ist der, dass die Kraft ausserhalb der Lagerung
                              									angreift (Fig.
                                 										7 und 9). Die punktierte Linie zeigt vergleichsweise den Verlauf des
                              									Diagramms für den Fall einer cylindrischen Lagerung in den
                              									Reaktionskreisen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 27
                              Fig. 6.Fig. 7.Fig. 8.Fig. 9.
                              
                           Die Kenntnis der Auflagereaktionen ermöglicht ferner eine Beurteilung der Stabilität der Lagerung; die Ueberlegenheit der inneren
                              									Kugelreihen gegenüber den äusseren geht ohne weiteres aus dem Umstände hervor, dass
                              									die Spitzen der Reaktionskegel als ideelle Stützpunkte der Achse anzusehen sind.
                              									Dieser Punkt kommt beispielsweise in Betracht bei der Anbringung der Kettenräder auf
                              									der Tretkurbelachse und der Hinterradnabe. Man ist bestrebt, diese Räder so
                              									anzuordnen, dass die Achse durch den Kettenzug nicht in den Lagern gekantet wird,
                              									d.h. dass die Radialkraft A am linken Lager nicht
                              									entgegengesetzt gerichtet ist der Radialkraft B am
                              									rechten Lager, also ungünstigsten Falls = 0 wird. Fig.
                                 										10 zeigt, dass bei äusseren Kugelreihen das Kettenrad sehr weit nach innen
                              									gezogen werden muss; es genügt zur Erreichung obigen Ziels nicht, den Kranz etwa nur
                              									bis über den Reaktionskreis oder den Mittelpunktskreis der Kugeln nach innen zu
                              									ziehen. Bei inneren Kugelreihen (Fig. 11) ist die
                              									Lage günstiger; der Kranz braucht nicht über den Kugeln zu laufen, um im obigen
                              									Sinne eine stabile Lagerung zu besitzen.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 27
                              Fig. 10.
                              
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 27
                              Fig. 11.
                              
                           Es soll nunmehr zur Betrachtung der Reibungsverhältnisse im Kugellager übergegangen
                              									werden. Es sei eine Kugel betrachtet, welche mit einem Punkt am Konus, mit zwei Punkten an der
                              									Schale anliegt (Fig. 12). Die Verbindungsgrade
                              									\overline{I\ III} dieser beiden Punkte schneide das Achsmittel in S;
                              									\overline{SI} sei Tangente an den grössten Kugelkreis, zugleich Konusseite. Alle drei
                              									Punkte I II III besitzen dann reine rollende Reibung;
                              									\overline{Sm} ist Drehungsachse der Kugel. Dreht sich dieselbe um den Winkel dϕ, so rollen von den drei in Betracht kommenden
                              									Parallelkreisen derselben Bögen ab von der Länge
                              										\frakfamily{r}_1\,d\,\varphi;\ \frakfamily{r}_2\,d\,\varphi;\
                                 										\frakfamily{r}_3\,d\,\varphi. Die gleichen Bögen müssen auf den
                              									Rollkreisen von Konus und Schale zur Abwickelung gelangen. Sind dϕ1 und dϕ2 deren relative
                              									Drehungswinkel, so wird
                           r1dϕ1= r1dϕ; r2dϕ2 = r2dϕ: r3dϕ2
                              									= r3dϕ . . . . 15)
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 28
                              Fig. 12.
                              
                           Die beiden letzten Gleichungen sind identisch, da
                           
                              \frac{r_2}{\frakfamily{r}_2}=\frac{r_3}{\frakfamily{r}_3}.
                              
                           Die Gesamtdrehung des Konus gegen die Schale sei
                           dχ = dϕ1+ dϕ2.
                           Hieraus folgt
                           
                              d\,\varphi=\frac{d\,\chi}{\frac{\frakfamily{r}_1}{r_1}+\frac{\frakfamily{r}_2}{r_2}}
                              
                           und
                           d\,\varphi_1=\frac{d\,\chi}{1+\frac{\frakfamily{r}_2}{r_2}\ \frac{r_1}{\frakfamily{r}_1}};\ d\,\varphi_2=\frac{d\,\chi}{1+\frac{\frakfamily{r}_1}{r_1}\
                                 \frac{r_2}{\frakfamily{r}_2}} . . . 16)
                           Diese beiden Gleichungen lehren, wie sich eine Gesamtdrehung dχ auf Konus und Schale verteilt.
                           Es finde nun zwischen Konus und Kugel eine Druckwirkung Q1 statt, die sich aus den äusseren
                              									Kräften ermitteln lässt. Es lassen sich dann weiter die beiden Drucke Q2 und Q3 zwischen Kugel und
                              									Schale berechnen. Sind F1F2F3 sämtliche an den
                              									Stellen I II III auftretende Reibungen, so sei
                           F1= ρ1Q1F2 = ρ2Q2
                              									F3
                              									= ρ3Q3 . . . . 17)
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 28
                              Fig. 13.
                              
                           An der Stelle I findet nur rollende Reibung statt, da
                              									das Profil des Elementarstreifens, den Konus und Kugel gemeinschaftlich haben, genau
                              									in die Seite SI des Rollkegels fällt. An den Stellen
                              										II und III bilden aber
                              									die Profilgeraden der gemeinschaftlichen Elementarstreifen mit der Seite \overline{S\ III\ II}
                              									des Rollkegels gewisse Winkel. Beim Abrollen werden also die ursprünglich
                              									gemeinschaftlichen Profilgeraden ähnlich wie beim Spurzapfen kleine Drehungen
                              									aufeinander vollführen. Die Koeffizienten ρ2 und ρ3 schliessen also ausser der rollenden Reibung eine
                              									gewisse zusätzliche gleitende Reibung in sich, die als Stützzapfenreibung bezeichnet
                              									werden könnte, in der Folge aber kurz „Pivotreibung“ heissen sollIm Génie civil,
                                    											1898 S. 139, stellt C. Bourlet Untersuchungen
                                    											über diesen Gegenstand an und bezeichnet diesen Bewegungsvorgang als
                                    												„pivotement“..
                           Eine Pivotreibung tritt überall da auf, wo die Profilrichtung der abrollenden
                              									Flächenstreifen von der Richtung der Rollkegelseite abweicht, sie würde auch bei
                              									einem Konus vorhanden sein, dessen Profil nicht nach \overline{S\ I} gestaltet ist.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 28
                              Fig. 14.
                              
                           Auch ρ1 ist nicht der
                              									Koeffizient einer rollenden Reibung; zu diesem – mit ρ
                              
                              									bezeichneten – steht er in einer analogen Beziehung wie der Koeffizient der
                              
                              									Zapfenreibung zu dem der gleitenden. Eine Kraft Q1 wird nämlich nicht durch eine einzige Kugel
                              									übertragen (Fig. 14), sondern durch mehrere auf den
                              									halben Umfang verteilte; sollte bei einem neuen Lager dennoch die gesamte Kraft Q1 ursprünglich durch
                              									eine einzelne Kugel aufgenommen werden, so wird an der betreffenden Stelle eine
                              									intensive Abnutzung eintreten, welche schliesslich zum Ausgleich führen muss. Es
                              									findet ein Einlaufen statt, wie man es sich in analoger Weise beim gewöhnlichen
                              									Zapfenlager denkt, und worauf man den Unterschied der Druckverteilung beim neuen und beim eingelaufenen Zapfen zurückführtGrashof, Theoret. Maschinenlehre; II. Bd. S.
                                    											248 ff.. Sind Q' die durch die
                              									Kugeln übertragenen Einzelkräfte, so hat man
                           ρ ∑Q' =
                              										ρ1Q1.
                           Man könnte unschwer Q' aus der Bedingung konstanter
                              									Abnutzung in der Richtung von Q durch ein
                              									Kardioidendiagramm bestimmen und damit eine Beziehung zwischen ρ und ρ1 aufsuchen; doch muss es fraglich erscheinen, ob
                              									eine solche Rechnung der Wirklichkeit gut entspricht, da man hier nicht ein
                              									bildsames Lagermetall voraussetzen darf, auch kleine Verschiedenheiten im
                              									Kugeldurchmesser schwer ins Gewicht fallen dürften. Letzteres wird wahrscheinlich
                              									bewirken, dass die Kraft Verteilung in ein und demselben Lager überhaupt keine
                              									konstante ist, sondern eine ständig wechselnde mit denjenigen Kugelindividuen,
                              									welche sich gerade in der kraftübertragenden Kranzhälfte befinden.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 28
                              Fig. 15.
                              
                           Zum Unterschiede von der reinen rollenden Reibung heisse ρ1 der Koeffizient der
                              									(pivotreibungsfreien) Konusreibung, ρ2 und ρ3 die Koeffizienten der Schalenreibung. Letztere
                              									übertreffen ρ1 noch um
                              									den Betrag der Pivotreibung, welcher nunmehr bestimmt werden soll. In Fig. 15 sei o
                              									Berührungspunkt der Kugel mit einer cylindrischen Schalenfläche. Die durch o gehenden Kreise von Kugel und Schale rollen
                              									aufeinander ohne Gleiten; ihre Radien seien \frakfamily{r}_2 und
                              										r2, ferner sei \frakfamily{r} der
                              									Radius der Kugel. In Wirklichkeit berühren sich Kugel und Schale in einem schmalen
                              									Flächenstreifen von der Breite 2σ0; es sei
                           \frac{\sigma_0}{\frakfamily{r}}=\zeta . . . . 18)
                           m und n seien zwei Randpunkte; ihre Parallelkreise auf der Kugel haben die
                              									Radien \frakfamily{r}_m und \frakfamily{r}_n.
                              									Rollt nun die Kugel um dϕ, die Schale relativ um dϕ2, so wird
                           r_2\,d\,\varphi_2=\frakfamily{r}_2\,d\,\varphi.
                           Es werden betrachtet die zurückgelegten Wege der Punkte mon der Kugel und der Schale. Auf der Kugel schritten diese Punkte um
                              									folgende Strecken fort:
                           
                              m\mbox{ um }\frakfamily{r}_m\,d\,\varphi
                              
                           
                              o\mbox{ um }\frakfamily{r}_2\,d\,\varphi
                              
                           
                              n\mbox{ um }\frakfamily{r}_n\,d\,\varphi.
                              
                           Auf der Schale schritten alle drei Punkte fort um
                           
                              r_2\,d\,\varphi_2=\frakfamily{r}_2\,d\,\varphi
                              
                           Die Gerade \overline{m\ o\ n}, die ursprünglich der Kugel und Schale gemeinschaftlich war
                              										(Fig. 16), ist auf der Kugel übergegangen in die
                              									Lage \overline{m_k\ o_s\ n_k}; auf der Schale in die Lage \overline{m_s\ o_s\ n_s} sie hat dabei eine Drehung um
                              										dψ vollführt. Diese Drehung beträgt
                           
                              d\,\psi=\frac{\overline{m_k\ m_s}}{\sigma_0}
                              
                           oder nach einer kleinen Rechnung
                           dψ = dϕ sin ε . . . . 19)
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 29
                              Fig. 16.
                              
                           Es ist nun die Arbeit der bei dieser Drehung stattfindenden gleitenden Reibung zu
                              									ermitteln. Kugel und Schale deformieren sich aufeinander annähernd in einem Kreise
                              									vom Radius σ0; da σ0 sehr klein gegen
                              										\frakfamily{r} ist, so ist der halbe Centriwinkel des
                              									zugehörigen Sektors nach Gleichung 18) = ζ (Fig. 17). Es werde die Annahme gemacht, dass die Kugel
                              									um η0 in die
                              									Schalenfläche eindringe, und dass die Verdrückung sich gleichmässig mit je
                              
                              									\frac{\eta_0}{2} auf Kugel und Schale verteile, dass die Verdrückung sich auch an jedem
                              									Punkte des Deformationskreises mit je \frac{\eta}{2} gleichmässig verteile, und dass der
                              									Flächendruck p. proportional η sei.
                           Diese Annahmen können allerdings nicht Anspruch auf vollkommene Strenge erheben,
                              									werden aber nicht um ho viel von der Wahrheit abstehen, um das Endresultat
                              									bedenklich zu fälschen.
                           Es ist damit
                           p = δ . η . . . . 20)
                           
                              (\eta+\frakfamily{r}\,cos\,\xi)^2+\sigma^2=\frakfamily{r}^2
                              
                           (Mittelpunktsgleichung des Kreises) oder
                           \eta=-\frakfamily{r}\,cos\,\zeta+\sqrt{\frakfamily{r}^2-\sigma^2}.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 29
                              Fig. 17.
                              
                           Da g gegen \frakfamily{r} sehr klein
                              									ist, lässt sich die Wurzel nach dem binomischen Satz annähern:
                           
                              (\frakfamily{r}^2-\sigma^2)^{\frac{1}{2}}=\frakfamily{r}-\frac{1}{2}\ \frac{\sigma^2}{\frakfamily{r}}
                              
                           und damit
                           \eta=\frakfamily{r}\,(1-cos\,\zeta)-\frac{1}{2}\ \frac{\sigma^2}{\frakfamily{r}}.
                           Es ist ferner
                           
                              \eta_0=\frakfamily{r}\,(1-cos\,\zeta)=\frakfamily{r}\,(1-\sqrt{1-\zeta^2})
                              
                           oder mit \zeta=\frac{\sigma_0}{\frakfamily{r}} und angenäherter Wurzel
                           
                              \eta_0=\frakfamily{r}\,(1-cos\,\zeta)=\frac{1}{2}\ \frac{{\sigma_0}^2}{\frakfamily{r}}
                              
                           und damit
                           \eta=\frac{{\sigma_0}^2-\sigma^2}{2\,\frakfamily{r}} . . . . 21)
                           In einem Kreisring von der Breite dσ herrscht der
                              									Druck
                           2πσdσ . p =
                                 										dQ
                           
                              Q=2\,\pi\,\int\limits_{0}^{\sigma_0}\,p\,\sigma\,d\,\sigma
                              
                           oder mit Gleichung 20) und 21)
                           
                              Q=\frac{\pi\,\delta}{\frakfamily{r}}\,\int\limits_{0}^{\sigma_0}\,({\sigma_0}^2-\sigma^2)\,\sigma\,d\,\sigma
                              
                           Q=\frac{\pi\,\delta}{4\,\frakfamily{r}}\,{\sigma_0}^4 . . . . 22)
                           An einer Stelle a herrscht der Druck 2πσdσ . p; dieser erzeugt die gleitende Reibung 2πσdσ . p . γ; bei einer
                              									Drehung um dψ ist der Weg σdψ, also die Reibungsarbeit (unendlich klein 2. Ordnung)
                           
                              d^2\,\frakfamily{G}=2\,\pi\,\sigma\,d\,\sigma\,.\,p\,\gamma\,.\,\sigma\,d\,\psi
                              
                           oder mit Gleichung 20) und 21)
                           d^2\,\frakfamily{G}=2\,\pi\,\gamma\,d\,\psi\,.\,\delta\,.\,\frac{{\sigma_0}^2-\sigma^2}{2\,\frakfamily{r}}\,.\,\sigma^2\,d\,\sigma.
                           Ueber σ summiert:
                           
                              d\,\frakfamily{G}=\frac{\pi\,\gamma\,\delta}{\frakfamily{r}}\,d\,\psi\,\int\limits_{0}^{\sigma_0}\,({\sigma_0}^2-\sigma^2)\,\sigma^2\,d\,\sigma
                              
                           
                              d\,\frakfamily{G}=\frac{2}{15}\ \frac{\pi\,\gamma\,\delta}{\frakfamily{r}}\,{\sigma_0}^5\,d\,\psi
                              
                           und mit Gleichung 22)
                           d\,\frakfamily{G}=\frac{8}{15}\,Q\,\sigma_0\,\gamma\,d\,\psi . . . . 23)
                           Es ist nun:
                           Gesamtreibung = rollende Reibung + Pivotreibung, d.h.
                           
                              {\rho_2}'\,Q\,.\,\frakfamily{r}_2\,d\,\varphi=\rho\,Q\,.\,\frakfamily{r}_2\,d\,\varphi+\frac{8}{15}\,Q\,\sigma_0\,\gamma\,d\,\psi
                              
                           
                              {\rho_2}'=\rho+\frac{8}{15}\,\gamma\,\frac{\sigma_0}{\frakfamily{r}_2}\ \frac{d\,\psi}{d\,\varphi}.
                              
                           Aus Fig. 15 ersieht man \frac{\frakfamily{r}_2}{\frakfamily{r}}=cos\,\epsilon; benutzt man ferner
                              									die Gleichungen 18) und 19), so ergibt sich:
                           {\rho_2}'=\rho+\frac{8}{15}\,\gamma\,\zeta\,tg\,\epsilon . . . . 24)
                           In ganz gleicher Weise lässt sich für die Stelle III der Koeffizient der
                              									Gesamtreibung bestimmen. Ist der Profilwinkel der Schale 90°, so errechnet sich
                              									unschwer, wenn r der Radius des
                              									Kugelmittelpunktskreises:
                           d\,\psi=d\,\varphi\,\left(cos\,\epsilon-\frac{\frakfamily{r}_3}{r}\right) . . . . 25)
                           und weiter
                           {\rho_3}'=\rho+\frac{8}{15}\,\gamma\,\zeta . . . . 26)
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 29
                              Fig. 18.
                              
                           Die Reibungskoeffizienten ρ2' und ρ3' beziehen sich auf
                              									eine einzelne Kugelkraft Q'' bezw. Q''', nicht auf den Lagerdruck; ist dieser Q2 bezw. Q3, so besteht der
                              									Zusammenhang
                           {Q_2}'\,\Sigma\,Q''=\rho_2\,Q_2;\ {\rho_3}'\,\Sigma\,Q'''=\rho_3\,Q_3.
                           Man denkt sich das Zustandekommen der rollenden Reibung bekanntlich in der Weise,
                              									dass der rollende Körper sich auf der Bahn deformiert und seine zentrale Belastung
                              									um die Endkante der Deformation aufgekippt werden muss. Dies ist, anknüpfend an Fig. 19, ausgesprochen durch die Momentengleichung
                           Q\,f=\frakfamily{r}\,F.
                           
                           f ist der lineare Koeffizient der rollenden
                              									Reibung; es ergibt sich mit dem früher eingeführten absoluten Koeffizienten ρ die Beziehung:
                           \rho=\frac{f}{\frakfamily{r}}.
                           Ferner ist f = ρ0, wenigstens mit gewisser Annäherung; eine kleine
                              									zu vernachlässigende Abweichung rührt davon her, dass die Schale in der Profillinie
                              									und senkrecht dazu verschiedene Krümmung hat, also die Deformation der Kugel (Fig. 17) nicht ganz genau in einem Kreise
                              									stattfindet.
                           
                              
                              Textabbildung, Bd. 314, S. 30
                              Fig. 19.
                              
                           Aus obigen beiden Beziehungen folgt weiter
                           ρ = ζ.
                           und somit nehmen die Gleichungen 24) und 26) die Form an:
                           {\rho_2}'=\rho\,\left(1+\frac{8}{15}\,\gamma\,tg\,\epsilon\right) . . . . 27)
                           {\rho_3}'=\rho\,\left(1+\frac{8}{15}\,\gamma\right) . . . . 28)
                           Setzt man
                           
                              {\rho_2}'\,\Sigma\,Q''=\rho_2\,Q_2
                              {\rho_3}'\,\Sigma\,Q'''=\rho_3\,Q_3
                              \rho\,\Sigma\,Q''=\rho_1\,Q_2
                              \gamma\,\Sigma\,Q''=\gamma_1\,Q_2
                              
                           so erhält man analoge Beziehungen zwischen den
                              									Koeffizienten der Schalenreibung, der Konusreibung, der Pivotreibung und den
                              									resultierenden Lagerdrucken:
                           \rho_2=\rho_1\,\left(1+\frac{8}{15}\,\gamma_1\,tg\,\epsilon\right) . . . . 29)
                           \rho_3=\rho_1\,\left(1+\frac{8}{15}\,\gamma_1\right) . . . . 30)
                           Für ein Lager von zehn Kugeln wird tg ε = 0,77; setzt
                              									man γ1 = 0,15 – ein
                              									jedenfalls reichlich hoher Wert für ein geschmiertes Lager –, so wird
                           ρ2 ∾
                              										1,06ρ1 und ρ3 ∾ 1,08ρ1,
                           d.h. man hat infolge der Pivotreibung an den Schalenflächen
                              									eine Erhöhung der Reibung um etwa 6 bezw. 8% zu erwarten.
                           Die vorstehenden Ermittelungen können dazu benutzt werden, das Reibungsmoment eines
                              									jeden Kugellagers zu berechnen bezw. im einzelnen Falle die Profilformen zu prüfen
                              									und mit anderen zu vergleichen. Dreht sich eine Kugel um dϕ, die Achse im Lager um dχ, so wird das
                              									gesamte Reibungsmoment
                           M=\rho_1\,Q_1\,r_1\,\frac{d\,\varphi_1}{d\,\chi}+(\rho_2\,Q_2\,r_2+\rho_3\,Q_3\,r_3)\,\frac{d\,\varphi_2}{d\,\chi} . . . . 31)
                           Die Radien r1r2r3 sind leicht zu
                              									ermitteln, die Differentialquotienten sind aus den Gleichungen 16) bekannt. Die
                              									allgemeine analytische Behandlung empfiehlt sich nicht, da die Ausdrücke sehr
                              									unhandlich werden.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)