| Titel: | Die Internationale Motorwagenausstellung zu Berlin 1899. | 
| Fundstelle: | Band 314, Jahrgang 1899, S. 34 | 
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                        Die Internationale Motorwagenausstellung zu
                           								Berlin 1899.
                        Die Internationale Motorwagenausstellung zu Berlin
                           								1899.
                        
                     
                        
                           Für die junge, rasch aufstrebende Automobilindustrie kann die Berliner
                              									Motorwagenausstellung als ein recht bedeutender Erfolg bezeichnet werden.
                           Der eigentliche Veranstalter der Ausstellung ist der im Jahre 1897 in Berlin
                              									gegründete Mitteleuropäische Motorwagenverein, der vor 12 Monaten den Plan fasste,
                              									im darauf folgenden Jahre eine Automobilausstellung zu veranstalten. Diese für den
                              									damaligen niederen Stand des Automobilismus bei uns immerhin gewagte Anregung fand
                              									in beteiligten Kreisen, sowie seitens der Militärbehörden, der Reichspost und des
                              									Polizeipräsidiums zu Berlin sofort lebhafte und thatkräftige Unterstützung, so dass
                              									das geplante Unternehmen in kurzer Zeit als vollständig gesichert betrachtet werden
                              									konnte. Die langgestreckte Ausstellungshalle ist gut besetzt worden, weit besser als
                              									je erwartet wurde. Rings um die Halle ziehen sich die einzelnen Stände hin, während
                              									rechts vom Mitteleingang sich die französische und belgische Abteilung, links sich
                              									die deutsche Hauptabteilung befindet. Auf dem Kasernenhof fanden für das Publikum
                              									gegen Entgelt täglich zahlreiche Rundfahrten statt, und zwar in Motorwagen, welche
                              									von den grösseren Fabriken gestellt wurden. Hierdurch gelang es, wie auch ganz
                              									richtig vorausgesetzt wurde, das Interesse in den breiteren Volkskreisen für die
                              									neue Beförderungsart wachzurufen und zu pflegen.
                           Nach der Ausstellungsordnung umfasste die Ausstellung folgende sieben Klassen:
                           A. Motorwagen und Motorfahrzeuge aller Art für den Personentransport.
                           B. Motorfahrzeuge zur Beförderung von Lasten, Gütern, Waren u.s.w.
                           C. Motorfahrräder und Anhängewagen.
                           D. Motoren und Akkumulatoren für Motorwagenzwecke.
                           E. Gestelle und Räder für Motorfahrzeuge.
                           F. Sonstige noch nicht genannte Bestandteile für Motorfahrzeuge; desgleichen
                              									Ausrüstungen für Motorwagen und Wahrer, Werkzeuge u.s.w.
                           G. Litteratur, Zeichnungen, Karten, Modelle u.s.w.
                           Alle Abteilungen waren so gut beschickt, dass es zu weit führen würde, wollten wir
                              									das Gebotene im einzelnen schildern. Wir müssen uns darauf beschränken, unseren
                              									Lesern die ausgestellten Fabrikate der bedeutenderen Fabriken, sowie die zahlreichen
                              									hervorragenden Neuerungen vorzuführen.
                           Von den deutschen Ausstellern ist an erster Stelle die
                              									Aachener Firma Cudell und Co. wegen ihrer sehr
                              									reichhaltigen Auswahl zu erwähnen. Die genannte Firma brachte zahlreiche Muster und
                              									Neuerungen in den vier ersten Klassen (A, B, C und D), welche übersichtlich und mit
                              									fachmännischem Verständnis geordnet, dem Beschauer ein klares Bild von ihrer
                              									Leistungsfähigkeit darboten. Wir haben bereits in D. p.
                                 										J. 1899 311 * 141 Fig. 65 und 66, sowie 1899 313 * 105 Fig. 28 und 29 Gelegenheit gehabt, die Cudell'schen Fabrikate eingehend zu beschreiben.
                           Der dabei verwendete sehr praktische Motor kann ausser zum Betrieb von Automobilwagen
                              									zu zahlreichen anderen Zwecken benutzt werden, namentlich wo es auf hohe Tourenzahl
                              									und geringe Dimensionen ankommt, so bei Ventilatoren, Waschmaschinen,
                              									Dynamomaschinen, transportablen Bohrmaschinen u.s.w.
                           Allgemeines Interesse erregte auf dem Cudell'schen
                              									Stande der neue Patentmotorwagen (Fig. 1), der in
                              									Bezug auf Bequemlichkeit, geringes Gewicht und gefälliges, zierliches Aussehen
                              									seinesgleichen sucht und wohl einer näheren Besprechung wert erscheint.
                           Das Gestell des Wagens ist aus nahtlosen Stahlrohren hergestellt; an demselben
                              									befindet sich der Mechanismus und durch gute Federn abgefedert der Wagenkasten
                              									befestigt; dieser kann übrigens jede gewünschte Form erhalten. Die Räder sind mit
                              									Pneumatik versehen; die Dimensionen der hinteren Pneumatiks sind 700 × 90, während
                              									die Vorderräder 65 mm stark sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 33
                              Fig. 1.Cudell's Patentmotorwagen.
                              
                           Durch zwei halbe C-Federn, welche auf einer wagerechten
                              									Feder ruhen, wird eine gute Federung des Vordergestells erzielt. Die hierzu kommende
                              									einfache und vor allem sichere Steuerungsvorrichtung gewährt eine gute Lenkung des
                              									Gefährtes, sowie auch einen durchaus stossfreien Gang desselben. Die Bedienung der
                              									Steuerungsvorrichtung geschieht durch eine Lenkstange.
                           Die Dimensionen des Wagens sind wie folgt:
                           
                              
                                 Ganze Länge des Motorwagens
                                 = 2050 mm
                                 
                              
                                 Höhe des Wagens über dem Boden
                                 = 1160 mm
                                 
                              
                                 Entfernung der beiden Achsen
                                 = 1360 mm
                                 
                              
                                 Gewicht des Motorwagens
                                 =   260 kg
                                 
                              
                           Der Motor (Fig. 2) ist ein Benzinmotor mit
                              									elektrischer Zündung, der im Viertakt arbeitet. Die Hauptorgane des Motors sind ganz
                              									ähnlich wie beim bereits besprochenen Motor des Dreirades (D. p. J. 1899 311 141 Fig. 66); ebenso
                              									elektrische Batterie, Zündspule, Zündvorrichtung, Stöpselkontakt und Auspufftopf. Er
                              									entwickelt 3  und hat nur einen Cylinder, der durch eine (durch Pumpe
                              									bethätigte) Wasserkühlung auf niedriger Temperatur erhalten wird. Durch einen
                              									zwischen den Vorderrädern angebrachten Kühlapparat wird dem Wasser jegliche Wärme
                              									entzogen, so dass man nur das Verdampfungswasser, alle 100 km etwa 1 l, zu ersetzen
                              									braucht.
                           Ein homogenes Betriebsgas wird durch einen neuen Vergaser mit fester
                              									Regulierungsvorrichtung geliefert.
                           Der hier besprochene Motor unterscheidet sich gegenüber den sonst bei Motorwagen
                              									benutzten Motoren vor allem durch seine Einfachheit. Die kompakte Konstruktion, bei
                              									welcher Schwungräder, Steuerungszahnräder, Kurbeln, Pleuelstangen und Exzenter in
                              									einem einzigen Aluminiumgehäuse eingeschlossen sind, so dass deren Existenz dem
                              									Benutzer des Motorwagens kaum zum Bewusstsein zu kommen braucht, schliesst
                              									Reparaturen so gut wie vollständig aus.
                           An den Motor schliesst sich ein zweites Aluminiumgehäuse an, in welchem das
                              									Wechselgetriebe enthalten ist. Dasselbe vermittelt die Fest- und Loskuppelung des
                              									Motors mit den Laufrädern und die Schaltung desselben auf grosse oder kleine
                              									Schnelligkeit zum Fahren in der Ebene, oder zum Ueberwinden von Steigungen. Durch
                              									eine im Oelbade arbeitende Reibungskuppelung erfolgt die Fest- und Loskuppelung.
                           Der Antrieb der Hinterräder geschieht auf eine neue Weise und zwar mittels
                              									Gelenkachsen. Durch dieses neue Konstruktionsorgan sind die unpraktischen Ketten
                              									überflüssig und der Betrieb ein bedeutend sicherer geworden. Die Lenkung vermittelt
                              									eine Lenkstange, auf welcher sich folgende Steuerungsmechanismen befinden: 1. Ein
                              									Rad, welches gleichzeitig zum Einschalten des Motors und zum Einstellen der
                              									verschiedenen Geschwindigkeiten dient. Durch Schaltung nach rechts erhält man die
                              									grössere Geschwindigkeit, nach links die kleinere; eine mittlere Stellung schaltet
                              									den Motor aus. Die Zwischenschnelligkeiten erreicht man durch die veränderliche
                              									Frühzündung. – 2. Eine wagerechte Lenkstange, welche die Lenkung durch Zahnrad und
                              									Zahnstange bethätigt. – 3. Zwei Handgriffe, welche zur Regulierung des Gasgemenges
                              									und der Frühzündung dienen. Auf der rechten Seitenwand des Kastens befindet sich
                              									eine Regulierungsvorrichtung, welche die Zulassung der Luft reguliert, und die
                              									Kurbel zur Anwerfung des Motors.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 34
                              Fig. 2.Benzinmotor mit elektrischer Zündung und Wasserkühlung (System
                                 										Dion und Bouton)
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 34
                              Fig. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 34
                              Cudell'sches Motorboot.
                              
                           Das Betriebsmaterial des Motorwagens ist gewöhnliches Benzin, ein empfehlenswertes
                              									Produkt ist Stellin, eine speziell für Cudell'sche
                              									Maschinen angefertigte Flüssigkeit, welche im Gegensatz zu Benzin den Motor nicht zu
                              									sehr erhitzt, regelmässig arbeitet, keinerlei Rückstände hinterlässt und auch länger
                              									aushält.
                           Unter den Cudell'schen Erzeugnissen zieht das neue
                              									und praktische Motorboot das Interesse des Fachmanns auf sich. Wie der
                              									Motorwagen wohl auf dem Lande in dem Personenverkehrswesen eine vollständige
                              									Umwälzung herbeiführen wird, so auf dem Wasser das Motorboot. Seine überaus einfache
                              									Handhabung und seine geringen Dimensionen haben es bereits auf den Flüssen, sowie
                              									auch in den Seebädern in den weitesten Kreisen zu grosser Beliebtheit gelangen
                              									lassen. Auch haben viele Jachtbesitzer den Motor in ihre Fahrzeuge bereits einbauen
                              									lassen.
                           Der Motor des Bootes (Fig. 3 bis 5) ist im allgemeinen
                              									derselbe wie beim Motordreirad und Motorwagen (s. oben). Er wird ebenfalls durch
                              									Benzin getrieben, wiegt 28 kg und bewegt sich mit der grössten Leichtigkeit vor- und
                              									rückwärts. Er vermag in einem Boot für zwei bis acht Personen eine Schnelligkeit von
                              									10 bis 18 km in der Stunde zu entwickeln und arbeitet ebenfalls mit elektrischer
                              									Zündung. Infolgedessen fällt jeder Rauch und Russ, jede Flamme, Feuer- und
                              									Explosionsgefahr durchaus weg. Das Boot ist ohne irgend welche besonderen
                              									Vorbereitungen (Anzünden u.s.w.) sofort betriebsfertig. Die Betriebssicherheit ist
                              									infolge der Einfachheit und Vermeidung aller komplizierten Teile, wie Zahnräder,
                              									Stopfbüchse, Schieber u.s.w., eine vollkommene und weitestgehend erprobte.
                           Dank seiner grossen Einfachheit kann das Motorboot von jedem Laien sofort benutzt
                              									werden, während zu den bisherigen schweren Motorbooten ein besonderer Maschinist
                              									nötig war. Ferner kosten diese Boote in Anschaffung und Unterhaltung bedeutend
                              									weniger als die bisherigen Systeme.
                           Trotzdem der Bootsmotor (Fig. 6) alles in allem nur
                              									etwa 28 kg wiegt, entwickelt er immerhin ungefähr 2 . Rechnet man Schraube
                              									und Zubehör hinzu, so wiegen die das Boot fortbewegenden Organe bei weitem nicht so
                              									viel wie ein Passagier; da dieselben auch nicht viel Raum beanspruchen, so hat das
                              									Motorboot ganz das Aussehen eines gewöhnlichen Ruderbootes.
                           Im übrigen kann der Bootskörper je nach Wunsch des Bestellers angefertigt sowie auch
                              									der Motor in vorhandene Boote irgend welcher Art eingesetzt werden. Für Segelboote ist also der
                              									Motor eine manchmal recht angenehme Hilfe.
                           Die Inbetriebsetzung erfolgt durch einmaliges Drehen einer Kurbel, während man zum
                              									Anhalten und Rückwärtsfahren einfach die Schiffsschraube umzustellen braucht. Durch
                              									Anziehen einer Schnur hält das Boot momentan an.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 35
                              Fig. 6.Bootsmotor von Cudell.
                              
                           Die Regulierung des Motors geschieht ähnlich wie bei dem oben besprochenen
                              									Dreiradmotor durch drei kleine Hebel. Die Kühlung des Cylinders erfolgt durch eine
                              									automatisch arbeitende Wasserkühlvorrichtung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 35
                              Fig. 7.Boottransport auf dem Lande vermittelst eines vorgespannten
                                 										Motordreirades.
                              
                           Das Boot wird von jeder Seite desselben aus durch Schnüre gesteuert. Der Fahrer kann
                              									also gleichzeitig das Boot bedienen und auch steuern. Als Betriebsmaterial dient
                              									Benzin, doch ist Stellin besonders zu empfehlen, da es ausser den schon erwähnten
                              									Vorzügen nicht den Nachteil des unangenehmen Geruchs des Benzins besitzt. Der
                              									geringen Dimensionen des Schiffskörpers wegen lässt sich das ganze Boot leicht mit
                              									Hilfe eines besonders dazu angefertigten zweiräderigen Wagens und eines
                              									gewöhnlichen, vor das Boot gespannten Motordreirades weite Strecken über Land
                              									transportieren (Fig. 7).
                           Einer der vielbesuchtesten und vielbewundertsten Stände der Ausstellung war derjenige
                              									der bekannten Elsässer Firma de Dietrich und Comp.,
                              									Niederbronn. Jenseits der Grenze hat die genannte Firma eine bedeutende
                              									Eisenbahnwagenfabrik, in welcher seit etwa 2 Jahren Automobilen gebaut werden. Mit
                              									dem rasch aufblühenden neuen Industriezweig Schritt haltend, sah sich die bereits im
                              									Jahre 1683 als Hüttenwerk gegründete Firma genötigt, eine Zweigmotorwagenfabrik zu
                              									gründen, welche auch bald in dem reichsdeutsch en Städtchen Reichshofen erstand. In
                              									dieser Fabrik wurden auch die in Berlin ausgestellten Wagen gebaut.
                           Die Motorwagen der Gesellschaft de Dietrich und Comp,
                              									werden sämtlich durch Benzinmotore nach dem französischen System Amédée Bollée getrieben, bei welchen sowohl
                              									elektrische, wie auch Glühzündung anwendbar ist. Der selbstverständlich je nach
                              									Inanspruchnahme des Motors sehr variierende Benzinkonsum beträgt bei den 6
                              									-Wagen bei einer Wegstrecke von etwa einer deutschen Meile fast 1 l.
                           Die de Dietrich'schen Motorwagen (Fig. 8 bis 10) zeichnen
                              									sich sämtlich durch gediegene Konstruktion und hohe Eleganz recht vorteilhaft aus.
                              									Die Fabrikation erstreckt sich ausschliesslich auf Wagen grösserer Ausführung und
                              									zwar folgender Arten:
                           1. Wagen mit einem sechs- oder neunpferdigen Motor und zwar: offene und gedeckte
                              									Lastwagen, Phaethon, Spider, Rennwagen, viersitziger Jagdwagen mit Verdeck aus
                              									natürlichem Holz, Petit-Duc und fünfsitziger gedeckter Jagdwagen aus lackiertem
                              									Holz.
                           2. Wagen mit einem neunpferdigen Motor: Omnibus, Break, sechssitziger Jagdwagen ohne
                              									Verdeck und sogenannte Reisewagen. Sämtliche Wagen sind mit Gummireifen
                              									ausgestattet.
                           Ein grosser Vorteil in der Konstruktion der de
                                 									Dietrich'schen Wagen ist zunächst das vollständig gerade Untergestell, welches
                              									die Anbringung beliebiger Wagentypen ohne irgend welche Konstruktionsänderungen ermöglicht.
                              									Weitere Vorteile entspringen aus dem einfachen Mechanismus, dem automatisch
                              									geregelten Vergaser, aus dem Fehlen jedweder Kettenübersetzung und der Pumpe für das
                              									Kühlwasser; wie man sieht, also eine Reihe nützlicher Einrichtungen.
                           Bei der hohen Qualität der de Dietrich'schen Motorwagen
                              									lohnt es sich wohl, dieselben einer sachgemässen und eingehenden Beschreibung zu
                              									unterziehen.
                           Das Gestell ist aus einem rechtwinkligen Rahmen gebildet, welcher mittels langer und
                              									überaus elastischer Federn auf den Achsen ruht. Die Steuerung geschieht allein durch
                              									Bewegen der Vorderräder, während auf die Hinterräder der Antrieb erfolgt. Erwähnt
                              									sei, dass die Zugstangen der Steuerung aus gehärteten Gelenken angegliedert sind und
                              									in der Weise durch eine Federung zusammengehalten, dass irgend welches Geräusch
                              									fortfällt und die Abnutzung automatisch ausgeglichen wird. Unterhalb des Gestells
                              									befindet sich der ganze Mechanismus des Motors und der Transmissionen, so dass – ein
                              									besonders wichtiger Umstand – der Schwerpunkt tiefer gelegt und genügend Baum
                              									vorhanden ist, um auf dem Gestelle jede Wagen type zu montieren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 36
                              Fig. 8.de Dietrich'scher Motorwagen „Spider“ (offen).
                              
                           Der Motor, der in zwei Grössen hergestellt wird (Motor Nr. 1 entwickelt 6½ 
                              									am Bremszaum und wiegt 150 kg, Motor Nr. 2 wiegt 180 kg und entwickelt 9 bis 10
                              									, liegt vorn horizontal zwischen den beiden Wagenfedern. Er weist ein sogen.
                              									horizontales Zweicylindersystem auf, dessen Cylinder aus einem Stück hergestellt
                              									sind und doppelte Wände mit Wasserfüllung besitzen. Auch dieser Motor arbeitet im
                              									Viertakt. Die Pleuelstangen sind auf einem einzigen Bügel, welcher die
                              									Antriebskurbeln in Bewegung setzt, befestigt. Hierdurch sind die Explosionen so
                              									verteilt, dass bei jeder Umdrehung eine solche erfolgt. Der ganze Motor liegt
                              									wiederum in einem kompakten Gehäuse, in welches man von Zeit zu Zeit einige
                              									Kubikcentimeter Schmieröl zur Schmierung der Lager, Kolbenstangen und des Cylinders
                              									hineingelangen lässt.
                           Die Inbetriebsetzung des Motors geschieht mittels Handkurbel, während die Verbrennung
                              									der Ladung mittels weissglühender Röhren stattfindet (Glühzündung). Die normale
                              									Geschwindigkeit des Motors, welche etwa 600 bis 700 Touren in der Minute beträgt,
                              									wird durch einen Zentrifugalregulator geregelt.
                           Die Transmissionen befinden sich der Bequemlichkeit halber hinten am Wagen. Sie
                              									bestehen aus zwei horizontalen Wellen, welche durch vier Zahnräder verbunden sind,
                              									die wiederum je nach ihrer gegenseitigen Stellung vier Geschwindigkeiten erzeugen.
                              									Die Vorgelegeweile besitzt Fest- und Leerscheibe und wird von der Motorwelle mittels
                              									eines langen Kautschukriemens angetrieben. Dieser überträgt die Kraft mit
                              									gleichförmiger Geschwindigkeit, so dass weder bei Steigungen, noch bei Schnellfahrt
                              									in der Ebene ein Gleiten entstehen kann.
                           Mittels eines Systems von Zahnrädern und Gelenkwellen wird die Bewegung auf die
                              									Wagenräder übertragen und zwar von der zweiten Welle aus, auf welcher sich das
                              									Differentialgetriebe und eine Bandbremse befinden. Die Verwendung von Gelenkwellen
                              									ermöglicht ein stossfreies Spielen der Wagenfedern, sowie auch das Schiefstehen der
                              									Wagenräder (genau wie bei einfachen Wagen)-Alle diese Teile sind leicht zugänglich
                              									angeordnet. Alle unpraktischen Kettenübertragungen, welche in der Regel
                              									Betriebsstörungen verursachen, sind gänzlich vermieden worden; man hat sie durch
                              									Zahnräder, Gelenkwellen, Kegelräder, welche sämtlich von weit grösserer
                              									Dauerhaftigkeit und Betriebssicherheit sind, überaus vorteilhaft ersetzt. Man
                              									verwendet zur Schmierung des Zahnradgetriebes mit Kautschuk versetzte Fette, wodurch
                              									einerseits ein geräuschloser Gang erzielt und andererseits vermieden wird, dass die
                              									Zahnräder in Oelbädern laufen, welche gleichzeitig die Lager der Welle zu schmieren
                              									haben. Der Nachteil der letztgenannten Anordnung liegt klar auf der Hand, da bei
                              									einer solchen das Oel immer feine Metallspäne aufnimmt, welche sich von den
                              									Zahnrädern absondern und die Lager leicht anfressen und ruinieren.
                           Die Lenkapparate sind so sinnreich kombiniert, dass ein falsches Manövrieren gänzlich
                              									ausgeschlossen erscheint. Der Fahrer hat das Steuerrad in der Hand; darunter ist ein
                              									Hebel angebracht, mit welchem der Motor ein- und ausgeschaltet, und eine Bremse in
                              									Thätigkeit gesetzt werden kann. Etwas tiefer liegt ein zweiter Hebel für die
                              									Einrückung der einzelnen Geschwindigkeiten, während ein dritter Hebel für das
                              									Rückwärtsfahren dient. Zur Verhütung einer Beschädigung der Zahngetriebe ist die
                              									Vorsorge getroffen, dass man die Bremse, welche von dem ersten Hebel bethätigt wird,
                              									nur nach Ausschaltung des Motors einrücken und den Motor bei Aenderung der
                              									Geschwindigkeiten leicht ausschalten kann. Ausserdem kann die Ausschaltung mit dem
                              									linken Fuss bewirkt werden, so dass man also die Wahl hat, mit der Hand oder mit dem
                              									Fuss auszuschalten. Mit dem rechten Fuss kann eine starke, nach vorn und rückwärts
                              									wirkende Lemoine-Bremse, welche auf eine an den rückwärtigen Rädern angebrachte
                              									Scheibe wirkt, angezogen werden. Ferner befindet sich vorn rechts unterhalb des
                              									Steuerrades ein Hebel zur Regulierung der Tourenzahl des Motors, die auch durch
                              									einen Fusstritt erhöht werden kann. Zur Rückwärtsfahrt ist ebenfalls ein Fusstritt
                              									vorgesehen. Endlich ist noch unterhalb des Steuerrades ein kleiner Hebel befestigt,
                              									durch dessen Verschiebung auf einem Segment die Quantität des zur Vergasung gebrachten
                              									Benzins bestimmt werden kann! während durch eine andere ähnliche Vorrichtung der
                              									Zutritt kalter oder warmer Luft zum Vergaser reguliert wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 37
                              Fig. 9.de Dietrich'scher Motorwagen „Spider“ (geschlossen), System
                                 										Amédée Bollée.
                              
                           Die wesentlichsten Bestandteile der de Dietrich'schen
                              									Motorwagen sind gehärtet und ganz besonders sorgfältig durchgearbeitet. Die Lager
                              									sind sämtlich aus Phosphorbronze, während die Zahnräder mit der Maschine geschnitten
                              									und auf ihren Achsen mittels mit Splinten versehener Bolzen befestigt sind, so dass
                              									sie jederzeit ohne viele Kosten und Mühe ersetzt werden können.
                           Der Konsum an Benzin beträgt bei einem sechspferdigen Wagen für 8 km etwa 1 l.
                              									Natürlich hängt der Konsum viel von dem Zustand der Wege, sowie von der
                              									eingehaltenen Geschwindigkeit und auch von der Geschicklichkeit des Führers ab.
                           Der Wasservorrat genügt für etwa 90 km, was etwa 20 l pro Stunde ohne
                              									Kühlapparat ausmacht, während der Benzinvorrat für 200 km ausreicht, ein Verhältnis,
                              									das natürlich je nach der Grösse der Reservoire geändert werden kann. Durch
                              									Anbringung eines Kühlapparates kann man die Quantität des nötigen Kühlwassers
                              									bedeutend vermindern, so dass man mit einer Füllung 9 bis 10 Stunden auskommen
                              									kann.
                           Es muss noch bemerkt werden, dass man mit dem de
                                 										Dietrich'schen Motorwagen grössere Steigungen bewältigen kann und zwar mit
                              									einer Geschwindigkeit von 6 km pro Stunde; mit den gewöhnlichen Tourenwagen kann man
                              									eine durchschnittliche Schnelligkeit von 30 km erreichen.
                           Die dazwischenliegenden beiden Geschwindigkeiten betragen 12 und 20 km. Die
                              									6½pferdigen Wagen können aber so eingerichtet werden, dass die kleinste
                              									Geschwindigkeit 8 km, die grösste 40 km beträgt, während mit dem 9pferdigen Motor
                              									noch grössere Schnelligkeit erreicht, insbesondere aber die Steigungen schneller
                              
                              									erklommen werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 37
                              Fig. 10.de Dietrich'scher Motorwagen „Petit-Duc“.
                              
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)