| Titel: | Die Acetylenausstellung in Cannstatt vom 11. bis 31. Mai 1899. | 
| Autor: | F. Liebetanz | 
| Fundstelle: | Band 314, Jahrgang 1899, S. 97 | 
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                        Die Acetylenausstellung in Cannstatt vom 11. bis
                           								31. Mai 1899.
                        Von F. Liebetanz in
                           								Düsseldorf.
                        Die Acetylenausstellung in Cannstatt vom 11. bis 31. Mai
                           								1899.
                        
                     
                        
                           Die voriges Jahr in Berlin abgehaltene I. Acetylenfachausstellung hatte der
                              									neuen Industrie so ausgezeichnet gedient, dass es mit Genugthuung zu begrüssen war,
                              									als man an die Ausführung einer II. Acetylenfachausstellung in Deutschland schritt.
                              									Es hatte sich gleichzeitig mit dem Comité zur Unternehmung der Ausstellung in
                              									Cannstatt ein ausländisches Comité zur Abhaltung einer internationalen
                              									Acetylenfachausstellung in Budapest gebildet. Anfangs glaubte man, dass hierunter
                              									das eine oder das andere Unternehmen leiden würde, jedoch hat der Verlauf beider
                              									Ausstellungen gezeigt, dass diese Annahme glücklicherweise eine irrige war. Wir
                              									neigen sogar der Ansicht zu, dass die Konkurrenz beider Comités dem schönen Gelingen
                              									der Ausstellungen förderlich war. In Cannstatt war die Zahl der Aussteller fast
                              									doppelt so gross wie in Budapest; dafür war die letztere Ausstellung wirklich
                              									international und mit einem stark besuchten Kongress verbunden. Ueber letzteren
                              									haben wir besonders berichtet. (D. p. J. 1899 313 74)
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 97
                              Fig. 1.Automatischer Acetylenapparat der „Hera“ Internationale
                                 										Gesellschaft für Acetylenbeleuchtung.
                              
                           Ein Vergleich mit der vorjährigen Berliner Ausstellung und der diesjährigen
                              									Cannstatter ergibt eine entschiedene und bedeutende Ueberlegenheit der
                              									letzteren, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Die immensen Fortschritte der
                              									deutschen Acetylenindustrie konnten keinen besseren Ausdruck finden, als in den
                              									beiden stattgefundenen Ausstellungen, insbesondere aber in Cannstatt. Zweifellos an
                              									erster Stelle ist die Ausstellung der „Hera“
                                 										Internationale Gesellschaft für Acetylenbeleuchtung in Berlin zu
                              									nennen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 97
                              Fig. 2.Automatischer Acetylenapparat der „Hera“ Internationale
                                 										Gesellschaft für Acetylenbeleuchtung.
                              
                           Der automatische Apparat (Fig. 1 und 2) der Firma ist zur Genüge bekannt; dennoch können wir es
                              									nicht unterlassen, desselben mit einigen Worten Erwähnung zu thun. Wie aus
                              									nebenstehender Zeichnung ersichtlich ist, beruht die Gaserzeugung auf dem in der
                              									Praxis bestens bewährten „Ueberschwemmungssystem“. Der Wasserzutritt zum Karbid regelt sich
                              									automatisch. Es finden weder Hähne noch Ventile oder Hebel Verwendung. Allein der
                              									Druck der Wassersäule im Entwickler A und der
                              									Gegendruck vom Gasometer her regeln den Wasserzutritt. Steht die Gasometerglocke
                              									unten, so ist der Druck der Wassersäule im Entwickler stärker als der Gegendruck und
                              									treibt das Wasser aufs Karbid. Erreicht die Glocke das hängende Gewicht, so ist der
                              									Gegendruck vom Gasometer stärker als der Druck der Wassersäule und drückt das Wasser
                              									von den Zuflusslöchern a zurück. Mithin hört die
                              									Gasentwickelung auf. Bei den im Entwickler eingesetzten Karbidbehältern F sind die Wasserzutrittslöcher a verschieden hoch angebracht, so dass sie nur in aufsteigender Reihenfolge zur
                              									Entwickelung kommen können. Eine Ueberproduktion von Gas ist ausgeschlossen. Auch
                              									kann niemals Gas frei werden, da alle Behälter Wasserabschluss haben. Das in E1 entwickelte Gas
                              									gelangt der Pfeilrichtung nach durch das Waschwasser B
                              									in die Abführleitung H und von da zu den Brennern; c und d sind
                              									Ueberlauföffnungen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 98
                              Stadtanlage der „Hera“ Internationale Gesellschaft für
                                 										Acetylenbeleuchtung.
                              
                           Die Stadtanlage der „Hera“ bot sowohl für Fachleute als auch für Laien viel des
                              									Interessanten. Die Firma verwendet bei dieser Anlage (Fig. 3 und 4) das System
                              										„Karbid ins Wasser“, weil sie von dem Grundsatze ausgeht, dass derartige
                              									Anlagen von geprüften Gasmeistern bedient werden. Das Karbid wird in
                              									verhältnismässig kleinen Mengen durch eine sinnreiche Vorführung luftfrei
                              									in eine grosse Menge Wasser geworfen. Das sich hieraus entwickelnde Gas wird in
                              									weiteren Apparaten abgekühlt, gewaschen und dann im Gasometer aufgespeichert. Von
                              
                              									hier aus wird das Gas durch eine zweite Leitung durch den chemischen Reiniger,
                              									Trockner, Stationsgasmesser und Druckregulator in die Gebrauchsleitung geführt. Alle
                              									Apparate haben Umgehungsleitungen, so dass jeder Apparat einzeln ausgeschaltet
                              									werden kann, ohne dass eine Störung im Betriebe eintritt. Sicherheitswassertöpfe
                              									sowie eine Reihe von Manometern lassen jeder Zeit den in den einzelnen Apparaten
                              									befindlichen Druck erkennen. Die von der „Hera“
                              									in den Handel gebrachte Reinigungsmasse
                              									„Heratol“ besteht aus Chromsäure mit Kieselgur, einer Erfindung von Dr. Ullmann in Genf, dessen Patente die „Hera“ angekauft hat. Wie anerkannt, ist
                              									dieselbe bisher die beste Reinigungsmasse und nimmt dem Gase in einer Prozedur alle
                              									anhaftenden Unreinigkeiten, wie Schwefelwasserstoff, Ammoniak und
                              									Phosphorwasserstoff. Diese Reinigungsmasse wendet die „Hera“ sowohl bei ihren automatischen als auch bei den
                              									Zentralanlagen an.
                           Vorgenannte Firma ist kürzlich mit der Allgemeinen
                                 										Acetylengesellschaft „Prometheus“ in Leipzig vereinigt worden und
                              									diese neue Gesellschaft firmiert jetzt „Hera-Prometheus“ in Leipzig.
                           Das Kapital dieser neuen Firma beträgt 1200000 M., für eine so junge Industrie eine
                              									immerhin recht respektable Summe. Die Apparate des „Prometheus“ sind in dem Bericht über die Budapester
                              										Acetylenausstellung1899 313 58. besprochen worden.
                           Anzuerkennen ist schliesslich das geschickte und das geschmackvolle Arrangement, das
                              									die „Hera“ in gewohnter Weise auch in Cannstatt
                              									mittels den von ihr ausgestellten Objekten durchgeführt hatte.
                           C. König in Speyer a. Rh. hatte mehrere Apparate
                              									ausgestellt, die infolge ihrer äusserlichen Einfachheit einen recht guten Eindruck
                              									machten. Der in Fig. 5 abgebildete automatische
                              									Apparat dieser Firma besteht aus dem Entwickler a und
                              									dem Gasometer b. Der Entwickler ist bis zum Ausgang des
                              									Trichters c mit Wasser gefüllt, ebenso der Gasometer
                              									bezw. dessen Bassin. Der Entwickler enthält oben eine Vorrichtung aus 8 bis 12
                              									Tellern, wovon, sobald die Gasometerglocke d den
                              									tiefsten Stand einnimmt, immer ein Teller mit dem vorher eingelegten Karbid entleert
                              										wird und zwar
                              									durch Niederdrücken des Hebels e durch den Stift f. Sobald der grösste Teil der Teller oder sämtliche
                              									derselben sich entleert haben, werden dieselben wieder mit Karbid gefüllt, in c eine oder zwei normale Giesskannen voll Wasser
                              									entleert und durch Hahn g ebensoviel Kalkschlamm
                              									abgelassen. Die Bedienung des Apparates ist daher thatsächlich einfach. Die Funktion
                              									des Apparates ist so geregelt, dass die Teller in bestimmter Reihenfolge entleert
                              									werden und zwar werden die zuerst gefüllten auch zuerst umgekippt, wobei das auf
                              									ihnen lagernde Karbid in das Entwickelungswasser fällt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 99
                              Fig. 5.Automatischer Acetylenapparat von König.
                              
                           Dieser Einfachheit des Apparates steht jedoch ein unverkennbarer Nachteil gegenüber,
                              									der darin besteht, dass das auf den Tellern befindliche Karbid bereits teilweise
                              									zersetzt werden muss, ehe es in das Entwickelungswasser gelangt. Dieser Nachteil
                              									muss um so schwerwiegender ins Gewicht fallen, in je grösseren Zwischenräumen der
                              									neu beschickte Apparat in Funktion zu treten hat, denn es wird nur selten vorkommen,
                              									dass jede Beleuchtungsperiode dem auf den Tellern aufgespeicherten Karbidquantum
                              									hinsichtlich der darin enthaltenen Gasmenge entspricht, selbst unter
                              									Berücksichtigung des im Gasometer zu reservierenden Gasquantums. Bleibt nun das
                              									Karbid auf einem oder einigen der Teller nach Ausdrehen aller Flammen zurück, so
                              									wird das darauf befindliche Karbid zweifellos einen erheblichen Teil seines
                              									Gasgehaltes an die Luft abgeben, bevor der Apparat wieder in Funktion tritt. Selbst
                              									Verschlussklappen der Teller können an diesem Umstände nichts ändern; die einzige
                              									Abhilfe für diesen Uebelstand an dem Apparat kann durch Lagerung der Teller in einen
                              									gemeinsamen, luftdicht abgeschlossenen Raum geschehen. Eine solche Vorrichtung ist
                              									an dem Apparat leicht und ohne nennenswerte Verteuerung durchzuführen.
                           Der von Hand zu bedienende, also nicht automatisch wirkende Apparat derselben Firma
                              										(Fig. 6) zeigt, wie fast alle Handapparate, eine
                              									sehr einfache konstruktive Durchbildung. Das Karbid wird in abgemessenen
                              									Portionen bei a in den Entwickler c geworfen, wobei Vorkehrung getroffen ist, dass durch
                              									das Wasser kein Acetylen entweicht. Aus dem Entwickler gelangt das Gas in den
                              									Gasometer de und von diesem zu den Brennern. Die
                              									Oeffnungen gb dienen zur Entleerung und Reinigung des
                              									Entwicklers. Ein elektrisches Läutewerk zeigt an, wenn das Gas aus dem Gasbehälter
                              									nahezu verbraucht ist, worauf einfach wieder ein Quantum Karbid in den Entwickler
                              									geschüttet wird, dessen Gasgehalt dem Fassungsraum des Gasometers entspricht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 99
                              Fig. 6.Von Hand zu bedienender Acetylenapparat von König.
                              
                           Die Deutsche Acetylengas-Gesellschaft m. b. H. in Berlin
                              									war mit mehreren Apparaten vertreten, wovon zunächst der neue Apparat „Orion
                                 										IV“ (Fig. 7) der Gesellschaft besprochen
                              									werden soll. Durch Trichter n wird der Entwickler c mit Wasser bis zu der am Wasserstandshahn d angebrachten Marke gefüllt; ist eine Wasserleitung
                              									vorhanden, so schliesst man diese an das Zulaufrohr e
                              									des Entwicklers an. Das am Wäscher w befindliche Rohr
                              									kann entweder mit der Wasserleitung verbunden werden oder es wird von Hand so viel
                              									Wasser eingefüllt, bis dasselbe vorn am Ablaufhahn g
                              									abläuft. Der Hahn unterhalb des Trichters ist nach der Füllung wieder zu schliessen,
                              									worauf die Kondenshähne h geöffnet und der Tank i bis etwa 12 cm vom Rand mit Wasser gefüllt wird.
                              									Hierauf werden die Hähne h wieder geschlossen. Das als
                              									Manometer wirkende Ueberdruckventil l wird bis zum
                              									Nullstrich mit Wasser gefüllt und hierauf mit dem Rohransatz k, in den das Gasrohr eingesetzt ist, an das oben gekrümmte Rohr l angeschraubt. An den Ansatz des starken eisernen
                              									Rohres m des Ueberdruckventils wird ein Rohrstück
                              									angeschraubt, das bis ins Freie führt. Sind die Karbidkästen auf dem Vergaser, der
                              									zur Füllung seitlich umgelegt wird, mit dem vorgeschriebenen Quantum Karbid
                              									versehen, so verschliesst man dieselben mittels Deckel und Haken und klappt sie erst
                              									dann nach oben auf den Trichter n. Nun hebt man das Kontregewicht an
                              									und bringt dadurch den ersten Karbidkasten zur Auslösung, der zur ersten Beschickung
                              									nur mit etwa ½ kg Karbid beschickt ist. Das erste erzeugte Gas lässt man durch die
                              									Hähne h ins Freie entströmen und schliesst diese Hähne
                              									wieder, wenn durch das Sinken der Gasbehälterglocke der zweite Kasten zur Entleerung
                              									gelangt. Die weitere Funktion des Apparates geht automatisch von statten.
                           Sind sämtliche Karbidkästen entleert, so öffnet man den Hahn p und entleert durch denselben den Entwickler c vollständig. Danach füllt man letzteren bei geöffnetem Hahn p nochmals reichlich mit Wasser, worauf dieser Hahn zu
                              									schliessen und aus dem Entwickler wieder so viel Wasser abzulassen ist, bis dasselbe
                              									in gleicher Höhe mit der am Wasserstandshahn angebrachten Marke steht. Hierauf
                              									werden die Karbidbehälter neu gefüllt und wie oben erläutert verfahren. Das
                              									entwickelte Gas gelangt aus dem Entwickler in den Wäscher w, aus diesem in den Gasbehälter i und sodann
                              									durch den Reiniger und durch den an diesem befindlichen Haupthahn a in die Gebrauchsleitung.
                           Der Apparat kann auch für Handbetrieb verwendet werden; das Karbid wird dann durch
                              									den Schacht s eingeworfen.
                           Apparate dieser Konstruktion sind in den Beleuchtungszentralen der Städte Passenheim,
                              									Johannisburg, Sensburg und Guttstadt aufgestellt und auch für die Stadtbeleuchtung
                              									von Kirchditmold kommt ein solcher Apparat zur Verwendung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 100
                              Fig. 7.Acetylenapparat „Orion IV“ der Deutschen
                                 										Acetylengas-Gesellschaft m. b. H.
                              
                           Während vorstehender Apparat nach dem Einwurfsystem gebaut ist, ist der beistehend
                              										(Fig. 8) abgebildete Apparat „Orion I“
                              									derselben Firma nach dem Ueberlaufsystem konstruiert. Die beiden Karbidbehälter kk werden mit Karbid und der Speisewasserbehälter c mit Wasser gefüllt. Man hebt sodann das unter dem
                              									Boden des Behälters c ersichtliche Gewicht etwas an,
                              									wodurch ein Abfluss von Wasser durch Rohr m in den
                              									Behälter d und von hier durch Verteilungsrohre in die
                              									Gefässe p bewirkt wird. Dieses Wasser gelangt in
                              									gleicher Weise zu dem in den Entwicklern k befindlichen
                              									Karbid, wodurch Acetylen erzeugt wird. Dasselbe gelangt in den Gasometer f, dessen Glocke n
                              									infolgedessen steigt. Das Ueberdruckventil g bewirkt,
                              									dass das Gas bei zu hohem Druck durch das Rohr i ins
                              									Freie abbläst. Sinkt infolge Gasverbrauch die Gasbehälterglocke n, so wird das Stück o auf
                              									das eine Ende des oben erwähnten Verschlusshebels unterhalb des Kastens c drücken und dadurch eine Wasserzuführung zu dem
                              									Karbid nach k in der vorbeschriebenen Weise bewirken,
                              									worauf das in die Glocke n tretende, neu entwickelte
                              									Acetylen diese wiederum hebt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 100
                              Fig. 8.Acetylenapparat „Orion I“ der Deutschen
                                 										Acetylengas-Gesellschaft m. b. H.
                              
                           Das Karbid befindet sich in den Entwicklern k in
                              									muldenförmigen, in mehrere Abteilungen getrennten Behältern. Das Wasser tritt nun
                              									nach seinem Einströmen zunächst in die erste Abteilung, vergast hier das Karbid
                              									vollständig und füllt die Abteilung vollkommen an, worauf es, da immer neues Wasser
                              									nachströmt, in das nächste Abteil überläuft, dort das Karbid zersetzt u.s.f. Ist ein
                              									Entwickler ausgebraucht, so tritt der zweite in Funktion.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 314, S. 100
                              Fig. 9.Transportabler Acetylenapparat der Deutschen
                                 										Acetylengas-Gesellschaft m. b. H.
                              
                           Die Handhabung des transportablen Apparates (Fig. 9)
                              									derselben Firma geschieht wie folgt: Der Behälter A
                              									wird bis 12 cm vom Rande mit Wasser gefüllt, desgleichen der Entwickler B bis zur Höhe des Kontrollhähnchens C. Hierauf wird der Karbidbehälter D beschickt, nachdem Hebel E in eine wagerechte Stellung gebracht wurde. Nun verschliesst man den
                              									Karbidbehälter mit dem Deckel H, der durch den Bügel
                              										L mit der Verschlusszwinge K festgehalten wird. Wird der Hebel E
                              									angehoben, so fällt das Karbid ins Wasser und das sich entwickelnde Acetylen wird
                              									von der Gasometerglocke P aufgenommen. Der Ablasshahn
                              										S dient zur Entleerung des Entwicklers, Hahn Z zum Ablassen des Kondenswassers.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)