| Titel: | Zurückführung des Biot'schen Dampfspannungsgesetzes und des Gesetzes der korrespondierenden Siedetemperaturen auf das verbesserte Grasspannungsgesetz. | 
| Autor: | Rudolf Mewes | 
| Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 424 | 
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                        Zurückführung des Biot'schen Dampfspannungsgesetzes und des Gesetzes der korrespondierenden Siedetemperaturen auf das verbesserte
                           Grasspannungsgesetz.
                        Von Rudolf Mewes, Ingenieur und Patentanwalt.
                        Zurückführung des Biot'schen Dampfspannungsgesetzes und des Gesetzes der korrespondierenden Siedetemperaturen auf das verbesserte
                           Grasspannungsgesetz.
                        
                     
                        
                           In „Neue Grundgesetze zur rationellen Physik und Chemie“ von Dr. E. Dühring (Erste Folge, Leipzig, Fuess' Verlag [R. Reisland] 1878) hat Ulrich Dühring, geleitet von seinem Vater, in seinem 16. Lebensjahre ein Gesetz der korrespondierenden Siedetemperaturen veröffentlicht und
                              mit Hilfe desselben der Biot'schen Dampfspannungsformel eine allgemeinere Fassung gegeben. Obwohl Vater und Sohn durch Verbesserung des Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetzes dadurch, dass sie die Spannung nicht auf das Gesamtvolumen, sondern auf das Zwischenvolumen bezogen, die Beziehungen,
                              welche zwischen Druck, Rauminhalt und Temperatur der Gase bestehen, wesentlich geklärt hatten, so hatten sie dennoch, wie
                              von mir in D. p. J. in dem Aufsatze „Ueber die Grundlagen der mechanischen Wärmetheorie“ S. 347 d. B. gezeigt worden ist, ein Versehen begangen, insofern sie die der absoluten Temperatur proportionale Aenderung
                              des Zwischenvolumens ohne Prüfung aus der Gay-Lussac'schen Gasspannungsformel in die von ihnen verbesserte Gasspannungsformel mit aufgenommen hatten. Sie konnten infolgedessen
                              auch nicht zu der von mir a. a. O. aufgestellten allgemeinen Zustandsgleichung der Stoffe, ganz gleichgültig, ob dieselben
                              fest, flüssig oder dampf- bezw. gasförmig sind, gelangen, geschweige denn den Zusammenhang zwischen dem Siedegesetz und der
                              Biot'schen Dampfspannungsformel untereinander und mit dem verbesserten Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetz aufdecken. Das Dühring'sche Gesetz der korrespondierenden Siedetemperaturen ist ebenso wie die Biot'sche Spannungsformel ein rein empirisches, lediglich die Beobachtungen deckendes Erfahrungsgesetz geblieben, nicht aber theoretisch
                              aus einfachen, allgemein gültigen mechanischen Grundsätzen hergeleitet worden.
                           Den ersten Versuch zur Lösung dieser Aufgabe habe ich im Jahre 1885 in der Arbeit
                              										„Die Bestimmungsmethoden der Atom- und Molekülvolumina“ (Zeitschrift des DeutschenVereins zur Förderung der Luftschiffahrt, Jahrg. 1885) gemacht. Der damals von mir eingeschlagene Weg ist, wie sich aus den kürzlich erst gefundenen Resultaten ergibt,
                              vollständig richtig und hätte bei weiterer Verfolgung schon damals zum Ziele führen müssen. Ich ging von der Annahme aus,
                              dass das Sieden verschiedener Substanzen in funktioneller Beziehung zum Atomvolumen stehen und sich diese Abhängigkeit gesetzmässig
                              feststellen lassen müsse. Im Anschluss an die Bestimmung der Molekül- und Atomvolumina mittels des auf das Zwischenvolumen
                              begrenzten Gasspannungsgesetzes folgerte ich daher, dass die gefundenen relativen Moleküle bezüglich Doppel- oder Mehrfach-Atomvolumina
                              in einfacher gesetzmässiger Beziehung zu den Siedetemperaturen und damit zu den spezifischen Faktoren der korrespondierenden
                              Siedetemperaturen stehen, so dass wechselweise die Molekülvolumina aus den spezifischen Faktoren und umgekehrt diese aus jenen
                              sich herleiten lassen, also die Zahlenwerte beider Grössen gegenseitig ihre Richtigkeit verbürgen.
                           Damit eine Flüssigkeit bei einem gewissen auf derselben lastenden Druck sieden kann, ist erforderlich, dass die Kraft, welche
                              die einzelnen Moleküle miteinander verbindet und den flüssigen Aggregatzustand durch Vereinen der Elementarmoleküle bedingt,
                              durch eine entsprechende Wärmezufuhr vollständig aufgehoben werde. Diese Wärme wirkt also auf die Moleküle als solche, nicht
                              aber auf deren Bestandteile, die Atome, ein; erstere sind demnach auch die massgebenden Faktoren für die Charakterisierung
                              der äusseren Erscheinungen des Siedens. Die ausserdem noch zugeführte Wärme trägt nicht zur Erhöhung der Temperatur der siedenden
                              Flüssigkeit bei, sondern dient nur dazu, den äusseren Druck zu überwinden. Man kann diesen Sachverhalt auch in Dühring'scher Manier dahin aussprechen, dass ein Sieden der Flüssigkeit nur dann eintreten kann, wenn durch stärkere Wärmezufuhr
                              eine Mehr- oder Ueberspannung erzeugt wird, durch welche die Kohäsion der einzelnen Moleküle überwunden wird. Allein dieser von Dühring behufs mechanischer Begründung des Siedens aus der technischen Mechanik in die Wärmetheorie eingeführte Begriff gibt im Grunde
                              genommen doch keine richtige Erklärung und Vorstellung von der Mechanik des Siedens; dies ist meiner Ansicht nach nur dadurch
                              möglich, dass man die Trennung der einzelnen Moleküle von der Flüssigkeit beim Sieden auf die mechanische Wirkung der Wärmestrahlen
                              zurückführt oder mit anderen Worten die diesbezüglichen Vorgänge als Wirkungen der Wärmeaufnahme und Wärmeausstrahlung betrachtet
                              und auch durch die Gesetze der Absorption und Emission der Wärmestrahlen erklärt.
                           Bevor ich die aus dieser Grundanschauung sich ergebenden Schlussfolgerungen ziehen kann, muss ich zum besseren Verständnis
                              die wirklichen aus den Erfahrungstatsachen abgeleiteten Siede- und Spannungsgesetze näher kennzeichnen. Es wird sich zeigen,
                              dass das Gesetz der korrespondierenden Siedetemperaturen nur eine Umformulierung des
                              										Biot'schen Dampfspannungsgesetzes darstellt. Das von Ulrich Dühring abgeleitete Siedegesetz lautet: „Von den Siedepunkten beliebiger Substanzen, wie sie für irgend einen für alle gemeinsamen Bruch als Ausgangspunkte gegeben
                                    sein mögen, sind bis zu den Siedepunkten für irgend einen anderen gemeinsamen Druck die Temperaturabstände sich gleichbleibende
                                    Vielfache voneinander.“ Am Beispiel des Wassers und Quecksilbers erläutert
                              										Ulrich Dühring dies Gesetz in der ersten Folge des oben angeführten Buches „Neue Grundgesetze zur rationellen Physik und Chemie“ S. 75 auf folgende leicht verständliche Weise: „Der Siedepunkt des Wassers bei Normaldruck, also + 100° C, wird hier der Ausgangspunkt der Zählung. Das Quecksilber siedet
                                 unter einer Atmosphäre Druck bei + 357 ° C.; man wird also die Temperaturdistanz, die mit derjenigen bei dem Wasser zu vergleichen
                                 ist, von diesem Punkte an ab- oder aufsteigend zu zählen haben. Greift man nun beispielsweise die Siedetemperaturen beider
                                 Stoffe bei 100 mm Druck heraus, so hat man für Wasser + 52 ° und für Quecksilber + 261 °. Die den gemeinsamen Drucken entsprechenden
                                 Temperaturabstände sind also 100 – 52 = 48 und 357 – 261
                                 										= 96, ihr Verhältnis aber \frac{96}{48}=2. Nimmt man hierzu noch den Fall für 30 mm, so sind die Siedepunkte für diesen Druck bezw. 29 und 215, die Temperaturabstände
                                 also 71 und 142, mithin wiederum 2 der spezifische, sich hiermit als konstant anzeigende Faktor. Die folgende Tabelle, die
                                 nach Massgabe der Regnault'schen Beobachtungen über die Maximalspannungen der Dämpfe entworfen ist, zeigt eine Konstanz des spezifischen Faktors, wie
                                 sie nur irgend angesichts der möglichen Beobachtungsfehler erwartet werden kann.“
                           
                              
                                 DampfspannunginMillimetern
                                 Entsprechende(Siede-) Tem-peratur fürWasserdampf(t)
                                 Entsprechende(Siede-) Tem-peratur fürQuecksilber-dampf (t1)
                                 SpezifischerFaktorq=\frac{t^1-357,2}{t-100}
                                 
                              
                                       5
                                       1,2°
                                 154,4°
                                 2,05
                                 
                              
                                     30
                                   29,1
                                 214,5
                                 2,01
                                 
                              
                                   100
                                   51,7
                                 261,2
                                 2,00
                                 
                              
                                   380
                                   81,7
                                 321,4
                                 1,98
                                 
                              
                                   760
                                 100,0
                                 357,2
                                 –
                                 
                              
                                 1520
                                 120,6
                                 397,2
                                 1,94
                                 
                              
                                 2280
                                 134,0
                                 422,8
                                 1,93
                                 
                              
                                 3040
                                 144,0
                                 442,4
                                 1,94
                                 
                              
                                 3800
                                 152,2
                                 458,2
                                 1,95
                                 
                              
                                 7600
                                 180,3
                                 512,7
                                 1,95
                                 
                              
                           Will man bei der Aufstellung der Formel für das vorstehende Gesetz einen ganz allgemeinen Ausdruck erhalten und auch die bestimmte
                              Beziehung auf das Wasser ausmerzen, so gilt für zwei beliebige Stoffe, die für irgend einen beliebigen Druck die Siedetemperaturen
                              d und d1, für irgend einen anderen Druck aber die Siedetemperaturen t und t1 haben, die Gleichung
                              									\frac{t^1-d^1}{t-d}=q, wobei q nichts anderes als einen Quotienten bedeutet, der sich mit d und tsowie den zugehörigen Werten d1 und t1 nicht verändert. Die nachfolgende Tabelle enthält die von Ulrich Dühring mit Bezug auf Wasser berechneten spezifischen Faktoren einer grossen Anzahl von Stoffen.
                           Tabelle der spezifischen Faktoren.
                           
                              
                                 Substanz
                                 Siedepuktbei1 Atmosphäre
                                 SpezifischerFaktor (q)
                                 
                              
                                 Aethylen
                                    – 110,00°C
                                 0,750
                                 
                              
                                 Stickoxydul
                                 – 88,06
                                 0,584
                                 
                              
                                 Chlorwasserstoff
                                 – 80,31
                                 0,608
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 – 78,20
                                 0,522
                                 
                              
                                 Bromwasserstoff
                                 – 73,33
                                 0,604
                                 
                              
                                 Schwefelwasserstoff
                                 – 61,66
                                 0,750
                                 
                              
                                 Chlor
                                 – 33,51
                                 0,627
                                 
                              
                                 Ammoniak
                                 – 32,59
                                 0,750
                                 
                              
                                 Jodwasserstoff
                                 – 32,40
                                 0,750
                                 
                              
                                 Methylchlorid
                                 – 23,73
                                 0,868
                                 
                              
                                 Methyläther
                                 – 23,65
                                 0,914
                                 
                              
                                 Cyan
                                 – 20,70
                                 0,750
                                 
                              
                                 Schweflige Säure
                                 – 10,08
                                 0,800
                                 
                              
                                 Aethyl
                                 –   2,00
                                 0,800
                                 
                              
                                 Aethylchlorid
                                 + 12,50
                                 0,992
                                 
                              
                                 Cyanchlorid
                                 + 12,66
                                 0,861
                                 
                              
                                 Borchlorid
                                    18,23
                                 1,029
                                 
                              
                                 Aethyläther
                                    34,97
                                 1,000
                                 
                              
                                 Aethylbromid
                                    38,37
                                 1,042
                                 
                              
                                 Schwefelkohlenstoff
                                    46,20
                                 1,111
                                 
                              
                                 Aceton
                                    56,30
                                 1,100
                                 
                              
                                 Siliciumchlorid
                                    56,81
                                 1,031
                                 
                              
                                 Chloroform
                                    60,16
                                 1,100
                                 
                              
                                 Methylalkohol
                                    66,78
                                 0,869
                                 
                              
                                 Aethyljodid
                                    71,26
                                 1,101
                                 
                              
                                 Phosphorchlorür
                                    73,80
                                 1,144
                                 
                              
                                 Chlorkohlenstoff
                                    76,50
                                 1,090
                                 
                              
                                 Aethylalkohol
                                    78,26
                                 0,904
                                 
                              
                                 Benzol
                                    80,36
                                 1,125
                                 
                              
                                 Wasser
                                 100,00
                                 1,000
                                 
                              
                                 Ameisensäure
                                 100,00
                                 1,160
                                 
                              
                                 Essigsäure
                                 119,50
                                 1,164
                                 
                              
                                 Aethylenbromid
                                 131,60
                                 1,328
                                 
                              
                                 Propionsäure
                                 139,50
                                 1,151
                                 
                              
                                 Terpentinöl
                                 159,15
                                 1,329
                                 
                              
                                 Buttersäure
                                 161,70
                                 1,228
                                 
                              
                                 Oxalsaures Methyl
                                 164,20
                                 1,225
                                 
                              
                                 Valeriansäure
                                 174,50
                                 1,269
                                 
                              
                                 Citronenöl
                                 174,80
                                 1,378
                                 
                              
                                 Monobromphenol
                                 209,30
                                 1,010
                                 
                              
                                 Glycerin
                                 290,00
                                 1,250
                                 
                              
                                 Quecksilber
                                 357,25
                                 2,000
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 448,40
                                 2,292
                                 
                              
                           Die Spannungen der Dämpfe bei den verschiedenen Siedetemperaturen erhält man aus der für Wasserdampf von Biot zuerst aufgestellten Spannungsformel log s = a – bαt – cβt, in welcher s die Spannung, a, b, c, α und β Konstanten sind. Diese fünf Konstanten sind für die einzelnen Stoffe verschieden, lassen sich jedoch, wie Ulrich Dühring dies ausgeführt hat, mit Hilfe des Gesetzes der korrespondierenden Siedetemperaturen für alle Stoffe auf die fünf Konstanten
                              des Wassers etwa und den spezifischen Siedefaktor und die Siedetemperatur bei 4,6 mm zurückführen. Wenn man nämlich für d den Siedepunkt 0
                              									°, dem bei Wasser eine Dampfspannung von 4,6 mm entspricht, wählt, so folgt aus der Formel \frac{t^1-d^1}{t-d}=q, dass t1
                              									– d1
                              									= tq oder t=\frac{t^1-d^1}{q} ist, worin d1 die Siedetemperatur der fraglichen Flüssigkeit bei einer Dampfspannung von 4,6 mm Quecksilbersäule bedeutet. Durch Einsetzen
                              dieses Wertes für t in die Biot'sche Formel erhält man
                           
                              log\,s=a-b\,\alpha^{\frac{t^1-d^1}{q}}-c\,\beta^{\frac{t^1-d^1}{q}}
                              
                           oder
                           log\,s=a-b\,\alpha^{-\frac{d^1}{q}}\,.\,\alpha^{\frac{t^1}{q}}-c\,\beta^{-\frac{d^1}{q}}\,.\,\beta^{\frac{t^1}{q}}.
                              								
                           Wie man aus der vorstehenden Formel ersieht, kann man aus den Konstanten b, c, α und β mit Hilfe der Werte d1 und q die vier Konstanten b1, c1, α1 und β1 für jede beliebige Flüssigkeit bestimmen, während die Konstante a für alle Stoffe dieselbe bleibt. Die verallgemeinerte Biot'sche Spannungsformel lautet daher, indem man wieder b1, c1, α1 und β1 mit den nicht gestrichelten Buchstaben bezeichnet,
                           log s = a – bαt– cβt.
                           Für die Siedetemperaturen t0 und t1 erhält man somit für die entsprechenden Spannungen
                              										s0 und s1 die Gleichungen
                           
                              log\,s_0=a-b\,\alpha^{t_0}-c\,\beta^{t_0},
                              
                           
                              log\,s_1=a-b\,\alpha^{t_1}-c\,\beta^{t_1},
                              
                           und durch Subtraktion der beiden Gleichungen voneinander
                           
                              log\,s_1-log\,s_0=-b\,\alpha^{t_1}+b\,\alpha^{t_0}-c\,\beta^{t_1}+c\,\beta^{t_0}
                              
                           oder
                           
                              
                                 
                                    log\,\frac{s_1}{s_0}=
                                    
                                 
                              
                                 
                                    -b\,\left[1+ln\,\alpha\,.\,t_1+\frac{(ln\,\alpha)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_1}^2+\frac{(ln\,\alpha)^2}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_1}^3+...\right]
                                    
                                    +b\,\left[1+ln\,\alpha\,.\,t_0+\frac{(ln\,\alpha)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_0}^2+\frac{(ln\,\alpha)^2}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_0}^3+...\right]
                                    
                                    -c\,\left[1+ln\,\beta\,.\,t_1+\frac{(ln\,\beta)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_1}^2+\frac{(ln\,\beta)^2}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_1}^3+...\right]
                                    
                                    +c\,\left[1+ln\,\beta\,.\,t_0+\frac{(ln\,\beta)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_0}^2+\frac{(ln\,\beta)^2}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_0}^3+...\right]
                                    
                                 
                              
                           Nun sind die Konstanten α und β in der Biot'schen Formel mit grosser Annäherung gleich 1, so dass die natürlichen Logarithmen dieser Grössen ln α und ln β ausserordentlich kleine Zahlenwerte besitzen. Man kann daher in den vorstehenden Exponentialreihen die Glieder, welche höhere
                              Potenzen von ln
                                 										α und ln β enthalten, fortlassen, ohne die Gültigkeit der Gleichung merklich zu beeinflussen. Man erhält dann
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                    log\,\frac{s_1}{s_0}=
                                    
                                 – b (1 + ln α . t1)+ b (1 + ln α . t0)– c (1 + ln β . t1)+ c (1 + ln β . t0)
                                 =
                                 – b ln α . t1+ b ln α . t0– c ln β . t1+ c ln β . t0
                                 
                              
                           oder log\,\frac{s_1}{s_0}=1(b\,ln\,\alpha+c\,ln\,\beta)\,(t_1-t_0)
                           Nun kann man aber gemäss der Definition der Logarithmen setzen
                           
                              -(b\,ln\,\alpha+c\,ln\,\beta),(Tt_1-t_0)=log\,10{-(b\,ln\,\alpha+c\,ln\,\beta)\,(t_1-t_0)}
                              
                           so dass man
                           
                              log\,\frac{s_1}{s_0}=log\,10^{-(b\,ln\,\alpha+c\,\,ln\,\beta)\,(t_1-t_0)}=log\,10^{-M\,(t_1-t_0)}
                              
                           oder, wenn man auf beiden Seiten die natürlichen Logarithmen wählt,
                           log\,\frac{s_1}{s_0}\,.\,2,302585=ln\,\frac{s_1}{s_0}=ln\,.\,e^{-2,302585\,.\,M\,(t_1-t_0)},
                              								
                           ln\,\frac{s_1}{s_0}=ln\,.\,e^{-M_1\,(t_1-t_0)},
                              								
                           erhält. Hieraus folgt
                           \frac{s_1}{s_0}=e^{-M_1\,(t_1-t_0)} . . . . . . 1)
                           Für die Spannungen s1 und s0 folgt bei einer anderen Flüssigkeit, die nur andere Werte für b, c, α und β und somit nur eine andere Konstante M11 und andere Siedetemperaturen t11 und t01 besitzt,
                           \frac{s_1}{s_0}=e^{-{M_1}^1\,({t_1}^1-{t_0}^1)} . . . . . . 2)
                           Durch Gleichsetzen der beiden für \frac{s_1}{s_0} gefundenen Ausdrücke 1) und 2) erhält man
                           e^{-M_1\,(t_1-t_0)}=e^{-{M_1}^1\,({t_1}^1-{t_0}^1)} . . . 3)
                           oder
                           – M1
                              										(t1 – t0) = – M11 (t11 – t01) . . . . 4)
                           oder
                           \frac{{t_1}^1-{t_0}^1}{t_1-t_0}=\frac{M_1}{{M_1}^1}=q . . . . . . 5)
                           d.h. die Formel für das Gesetz der korrespondierenden Siedetemperaturen. Das von Dühring als ein ganz neues Gesetz hingestellte Gesetz der korrespondierenden Siedetemperaturen ist also weiter nichts als eine andere
                              Form der Biot'schen Spannungsformel. Da Dühring Vater und Sohn bedeutende Mathematiker sind, so ist es zu verwundern, dass ihnen dieser einfache Zusammenhang zwischen dem
                              Siedegesetz und der Biot'schen Spannungsformel entgangen ist.
                           Aus der Dühring'schen Tabelle der Spannungskoeffizienten der Biot'schen Formel in deren Logarithmen
                           log s = a – bαt– cβt . . . .
                              									. 6)
                           
                              
                                 Substanz
                                 log (bαt)
                                 log (cβt)
                                 
                              
                                 Schwefel-  wasserstoff
                                 0,3575509 – 0,0021415 t
                                 8,9364576 – 10 – 0,0079343 t
                                 
                              
                                 Ammoniak
                                 0,4216822 – 0,0021415 t
                                 9,1670958 – 10 – 0,0079343 t
                                 
                              
                                 Aethyläther
                                 0,5516195 – 0,0016561 t
                                 9,6337883 – 10 – 0,0059507 t
                                 
                              
                                 Aethyljodid
                                 0,6008898 – 0,0015042 t
                                 9,8177358 – 10 – 0,0054133 t
                                 
                              
                                 Wasser
                                 0,6593123 – 0,0016561 t
                                 0,0207601        – 0,0059507 t
                                 
                              
                                 Quecksilber
                                 0,7895229 – 0,0008280 t
                                 0,4686338        – 0,0029753 t
                                 
                              
                           erhält man beispielsweise für Schwefelwasserstoff
                           log α = – 0,0021415 = 0,9968585 – 1,
                              										α = 0,99279,
                           log β = – 0,0079343 = 0,9920657 – 1,
                              										β = 0,9819.
                           Es wird daher, indem man log α bezw. log β mit \frac{1}{log\,e}=\mbox{ rund }2,3 multipliziert, ln α = – 0,00492545 und ln β =
                                 										– 0,01824889. Da die Werte für ln α und ln β negativ sind, so geht, wenn man deren absolute Werte mit α1 und β1 bezeichnet, die oben abgeleitete Gleichung für log\,\frac{s_1}{s_0} über in
                           
                              
                                 
                                    log\,\frac{s_1}{s_0}=
                                    
                                 
                              
                                 
                                    -b\,\left[1-\alpha^1\,t_1+\frac{(\alpha^1)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_1}^2-\frac{(\alpha^1)^3}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_1}^3+...\right]
                                    
                                    +b\,\left[1-\alpha^1\,t_0+\frac{(\alpha^1)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_0}^2-\frac{(\alpha^1)^3}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_0}^3+...\right]
                                    
                                    -c\,\left[1-\beta^1\,t_1+\frac{(\beta^1)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_1}^2-\frac{(\beta^1)^3}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_1}^3+...\right]
                                    
                                    +c\,\left[1-\beta^1\,t_0+\frac{(\beta^1)^2}{1\,.\,2}\,.\,{t_0}^2-\frac{(\beta^1)^3}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,{t_0}^3+...\right]
                                    
                                 
                              
                           oder durch Summieren
                           
                              
                                 
                                    log\,\frac{s_1}{s_0}=
                                    
                                 
                              
                                   b\,\left[\alpha^1\,(t_1-t_0)-\frac{(\alpha^1)^2}{1\,.\,2}\,.\,({t_1}^2-{t_0}^2)+\frac{(\alpha^1)^3}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,({t_1}^3-{t_0}^3)\right]+c\,\left[\beta^1\,(t_1-t_0)-\frac{(\beta^1)^2}{1\,.\,2}\,.\,({t_1}^2-{t_0}^2)+\frac{(\beta^1)^3}{1\,.\,2\,.\,3}\,.\,({t_1}^3-{t_0}^3)\right]
                                 
                              
                           u.s.w. u.s.w.
                           Aus der vorstehenden Form der Gleichung für log\,\frac{s_1}{s_0} ersieht man deutlich, dass die einzelnen Summen stark konvergente Reihen darstellen und ohne merklichen Fehler die höhere
                              Potenzen von α1 und β1 enthaltenden Glieder fortgelassen werden können und die oben abgeleitete Beziehung 1) \frac{s_1}{s_0}=e^{-M_1\,(t_1-t_0)} volle Gültigkeit besitzt.
                           Wenn nun auch aus Gleichung 1) nach den Entwickelungen der Gleichungen 1) bis 5) durch Ableitung der Beziehung \frac{{t_1}^1-{t_0}^1}{t_1-t_0}=\frac{M_1}{{M_1}^1}=q die Identität des korrespondierenden Siedegesetzes mit der Biot'schen Dampfspannungsformel
                              										6) nachgewiesen ist, so fehlt doch noch jede Aufklärung über die sachliche Bedeutung des spezifischen Faktors q. In der oben angeführten Arbeit aus dem Jahre 1885 sagte ich, dass der Quotient aus den beiden Temperaturdifferenzen
                              										t11
                              									– t01 und t1
                              									– t0 allein von der Natur der betreffenden Molekülsorten abhängig ist, weil in beiden Fällen die äusseren Umstände genau dieselben
                              sind. Dieser Quotient muss also, folgerte ich, das Verhältnis jener Moleküleigenschaften, welche die Siedetemperatur wesentlich
                              bestimmt haben, zum Ausdruck bringen. Nach der kinetischen Theorie der Gase kann nun aber die Wärme auf die Elementarteile
                              eines Körpers nur in der Weise wirken, dass sie dieselben in Bewegung versetzt, sich selbst also in lebendige Kraft umsetzt.
                              Setzt man demgemäss in die von Ulrich Dühring aufgestellte Formel der korrespondierenden Siedetemperaturen \frac{{t_1}^1-{t_0}^1}{t_1-t_0}=q für die verschiedenen Siedetemperaturen gemäss der Formel der kinetischen Gastheorie
                              									T=a\,.\,\frac{1}{2}\,M\,u^2 die gleichwertigen lebendigen Kräfte ein, so geht dieselbe über in
                           q=\frac{a\,.\,\frac{1}{2}\,.\,{M_1}^1\,[({u_1}^1)^2-({u_0}^1)^2]}{b\,.\,\frac{1}{2}\,.\,M_1\,[(u_1)^2-(u_0)^2]} . . . . 7)
                           Da in dem Quotienten auf der rechten Seite das Verhältnis der lebendigen Kräfte, welche die äusseren Arbeiten darstellen,
                              durch den Ausdruck
                           
                              \frac{\frac{1}{2}\,.\,{M_1}^1\,[({u_1}^1)^2-({u_0}^1)^2]}{\frac{1}{2}\,.\,M_1\,[(u_1)^2-(u_0)^2]}
                              
                           angegeben wird, so muss der letztere, da die Arbeit in beiden Fällen dieselbe ist bezw. als gleich angenommen werden kann,
                              = 1 sein. Es bleibt also der Quotient übrig \frac{a}{b}=q. Die Konstanten a und
                              										b hängen von der Zahl der in der Raumeinheit der Flüssigkeiten vereinigten Atome, also, da diese nur durch die Grösse der Atomvolumina
                              bedingt ist, von dem Atomvolumen ab. Welcher Art dieser gesetzliche Zusammenhang ist, ergibt sich, wenn man die verbesserte
                              Clapeyron'sche Zustandsgleichung
                           s (v – x)
                              										= s0 (v0
                              									– x) (1 + αt) . . . 8)
                           oder besser in der von mir abgeleiteten genaueren Gestalt
                           s\,(v-x)=s_0\,(v_0-x)\,(1+\alpha)^{T_1-T_0} . . . 9)
                           zu Hilfe nimmt (s. D. p. J. a. o. a. O.).
                           Aus Gleichung 8) erhält man für die Spannungen s1 und s2
                           s1
                              										(v11 – x1) = s0 (v01 – x1) (1 + α1t11),
                           s2
                              
                              
                              										(v21 – x1) = s0 (v01 – x1) (1 + α1t21),
                           oder
                           {t_1}^1-{t_2}^1=\frac{s_1\,({v_1}^1-x^1)-s_2\,({v_2}^1-x_1)}{s_0\,({v_0}^1-x^1)\,.\,\alpha^1} . 10)
                           und ganz entsprechend für eine zweite Flüssigkeit
                           t_1-t_2=\frac{s_1\,(v_1-x)-s_2\,(v_2-x)}{s_0\,(v_0-x)\,.\,\alpha} . . 11)
                           Durch Division der Gleichungen 10) und 11) erhält man
                           q=\frac{{t_1}^1-{t_2}^1}{t_1-t_2}=\frac{s_1\,({v_1}^1-x^1)-s_2\,({v_2}^1-x^1)}{s_1\,(v_1-x)-s_2\,(v_2-x)}\,.\,\frac{(v_0-x)\,.\,\alpha}{({v_0}^1-x^1)\,.\,\alpha^1} . 12)
                           Deutlicher wird der Zusammenhang des Siedegesetzes bezw. der Biot'schen Dampfspannungsformel mit dem verbessertenMariotte-Gay-Lussac'schen Gesetze, wenn man von der Gleichung 9)
                           
                              s\,(v-x)=s_0\,(v_0-x)\,(1+\alpha)^{T_1-T_0}
                              
                           ausgeht und letztere mit der Gleichung 1) \frac{s_1}{s_0}=e^{-M_1\,(t_1-t_0)} oder, da
                              										M1 eine negative Grösse und somit
                           M1= – M . . . . . . 13)
                           gesetzt werden kann, mit der gleichwertigen Gleichung
                           \frac{s_1}{s_0}=e^{M\,(t_1-t_0)} . . . . . 14)
                           vergleicht. Es sei hier bemerkt, dass bereits Pambour (Compt. rend. T. VI p. 374) einen Zusammenhang zwischen dem Dampfspannungsgesetze und dem Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetze nachzuweisen versucht hat.
                           Führt man in Gleichung 14) mit Rücksicht auf
                           (t1 +
                              									273) – (t0 + 273) = T1
                              									– T0
                              									= t1
                              									– t0
                           die absoluten Temperaturen ein und setzt, da M ein sehr kleiner Bruch ist, eM
                              									= (1 + β), so erhält man für Gleichung 14) die Gestalt
                           \frac{s_1}{s_0}=(1+\beta)^{(T_1-T_0)} . . . . . 15)
                           während aus Gleichung 9)
                           \frac{s_1}{s_0}=\frac{v_0-x}{v_1-x}\,.\,(1+\alpha)^{T_1-T_0} . . . . . 16)
                           folgt. Ebenso folgt für eine zweite Flüssigkeit
                           \frac{s_1}{s_0}=(1+\beta^1)^{{T_1}^1-{T_0}^1} . . . . 15a)
                           und
                           \frac{s_1}{s_0}=\frac{{v_0}^1-x^1}{{v_1}^1-x^1}\,.\,(1+\alpha^1)^{{T_1}^1-{T_0}^1} . . 16a)
                           Durch Logarithmieren der Gleichungen 15), 15a), 16), 16a) erhält man
                           log\,\frac{s_1}{s_0}=(T_1-T_0)\,log\,(1+\beta),
                              								
                           
                              log\,\left\{\frac{s_1}{s_0}\,:\,\frac{v_0-x}{v_2-x}\right\}=(T_1-T_0)\,log\,(1+\alpha)
                              
                           
                              log\,\frac{s_1}{s_0}=({T_1}^1-{T_0}^1)\,log\,(1+\beta^1)
                              
                           
                              log\,\left\{\frac{s_1}{s_0}\,:\,\frac{{v_0}^1-x^1}{{v_1}^1-x^1}\right\}=({T_1}^1-{T_0}^1)\,log\,(1+\alpha^1)
                              
                           Durch Auflösen der Gleichungen nach den Temperaturunterschieden und durch paar weises Dividieren folgt, dass
                           \frac{{T_1}^1-{T_0}^1}{T_1-T_0}=\frac{log\,(1+\beta)}{log\,(1+\beta')}=q=\frac{M}{M_1},
                           \frac{{T_1}^1-{T_0}^1}{T_1-T_0}=\frac{log\,\left(\frac{s_1}{s_0}\,:\,\frac{{v_0}^1-x^1}{{v_1}^1-x^1}\right)\,.\,log\,(1+\alpha)}{log\,\left(\frac{s_1}{s_0}\,:\,\frac{v_0-x}{v_1-x}\right)\,.\,log\,(1+\alpha^1)}=q ist.
                           Nun ist aber, wie a. a. O. in D. p. J. nachgewiesen ist, der auf das Zwischenvolumen bezogene Ausdehnungskoeffizient α konstant für alle Stoffe; somit folgt
                           
                              \frac{log\,(1+\beta)}{log\,(1+\beta^1)}=\frac{log\,\left(\frac{s_1}{s_0}\,:\,\frac{{v_0}^1-x^1}{{v_1}^1-x^1}\right)}{log\,\left(\frac{s_1}{s_0}\,:\,\frac{v_0-x}{v_1-x}\right)}
                              
                           oder
                           \frac{1+\beta}{1+\beta'}=\frac{\frac{v_0-x}{v_1-x}}{\frac{{v_0}^1-x^1}{{v_1}^1-x^1}}=e^{2,3\,q} . . . 17)
                           Die Gleichung 17) zeigt an, dass der spezifische Faktor q eine Exponentialfunktion des Zwischenvolumens ist. Die Grundbedingung für die Richtigkeit der Beziehung 17) ist die Gültigkeit der Gleichung 16)
                           \frac{s_1}{s_0}=\frac{v_0-x}{v_1-x}\,.\,(1+\alpha)^{T_1-T_0};
                           denn die Gleichung 15) \frac{s_1}{s_0}=(1+\beta)^{T_1-T_0} ist nur eine andere Form der
                              										Biot'schen Dampfspannungsformel, muss also ebenso wie diese die Beobachtungen wiedergeben. Die Gleichung 16) ist von mir in dem
                              oben angeführten Aufsatze „Ueber die Grundlagen der mechanischen Wärmetheorie“ abgeleitet und durch die Beobachtungen für Wasserdampf und für Quecksilber als richtig nachgewiesen worden. Die Uebereinstimmung
                              der Gleichungen 15) und 16) miteinander ist somit durch die Versuchsergebnisse bestätigt worden. Die Gleichungen
                           
                              
                              \frac{{T_1}^1-{T_0}^1}{T_1-T_0}=q=\frac{log\,(1+\beta)}{log\,(1+\beta^1)}
                              
                           \frac{s_1}{s_0}=(1+\beta)^{T_1-T_0},
                              								
                           \frac{s_1}{s_0}=(1+\beta^1)^{{T_1{^1-{T_0}^1},
                              								
                           \frac{s_1}{s_0}=\frac{v_0-x}{v_1-x}\,.\,(1+\alpha)^{T_1-T_0},
                              								
                           
                              \frac{s_1}{s_0}=\frac{{v_0}^1-x^1}{{v_1}^1-x^1}\,.\,(1+\alpha^1)^{{T_1}^1-{T_0}^1}
                              
                           stellen also nur verschiedene Formeln für einunddenselben Sachverhalt, nämlich für die Beziehung zwischen Spannung, Zwischenvolumen
                              und Temperatur, dar.