| Titel: | Die Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung. | 
| Autor: | Fr. Freytag | 
| Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, S. 678 | 
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                        Die Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung.
                        Von Fr. Freytag,
                           								Chemnitz.
                        (Fortsetzung von S. 629 d. Bd.)
                        Die Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           Eine der grössten Maschinen der Ausstellung ist die von A. Borsig in Tegel bei Berlin gelieferte, mit einer Drehstromdynamo von
                              										Siemens und Halske, A.-G., in Charlottenburg für
                              									2000 Kilo-Watt direkt gekuppelte, stehende Dreifach-Expansionsmaschine mit Kondensation von 2250 PS.
                           Die in Fig. 42 bis 44 dargestellte Maschine hat vier Cylinder, von denen die beiden Niederdruckcylinder mittels aufgesetzter gusseiserner Laternen,
                              welche in ihren beiden Oeffnungen durch zwischengeschraubte schmiedeeiserne Säulen ausgesteift sind, den Hochdruck- bezw.
                              den Mitteldruckcylinder tragen. Die Cylinder stützen sich einerseits mittels kräftiger gusseiserner Ständer, die auch zur
                              Geradführung der Kreuzköpfe dienen, andererseits mittels zweier geschmiedeter Stahlsäulen, die an kräftige Augen der oberen
                              Ständerenden angeschlossen sind, auf die zweiteilige, durch Flansche und Schrauben miteinander verbundene Grundplatte. Jede
                              Hälfte der Grundplatte trägt zwei Lager für die ebenfalls aus zwei Teilen zusammengesetzte Kurbelwelle. Letztere hat zwei
                              um
                              									180° gegenseitig versetzte, ausgewichtete Kurbeln, auf welche die Kolbenstangen je zweier in Tandem übereinander
                              liegender Cylinder wirken. Auf dem einen Ende der Kurbelwelle ist das Schwungrad befestigt, auf dessen Zahnkranz ein durch
                              einen Elektromotor angetriebenesSchaltwerk wirkt; am anderen Ende sitzt eine Kurbelscheibe, welche zum Antrieb zweier aneinander geschraubter, einfach wirkender
                              Luftpumpen dient. Dieselbe Welle bethätigt ferner mittels Spiralstahldrahtschnuren zwei kleine Kreiselpumpen, welche das in
                              den Mulden der Grundplatte angesammelte Tropföl nach einem Reiniger schaffen, von dem aus es den Schmierstellen wieder zugeführt
                              wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 315, S. 677
                              Fig. 42.Dreifach-Expansionsmaschine von A. Borsig.
                              
                           Allen Stopfbüchsen der Maschine wird das Oel unter Druck zugeführt. Zwei auf der Bühne des zweiten Stockwerkes aufgestellte
                              Oelverteiler, denen das Oel mit natürlichem Gefälle aus einem darüber befindlichen Behälter zufliesst, in welchen es von unten
                              durch eine Druckpumpe gefördert wird, versorgen die Stangen und Lager mit dem nötigen Schmiermaterial. Ein dritter, in Nähe
                              der vorgenannten aufgestellter Verteiler schmiert die Kolben und Cylinder. Die Lager und Zapfen schliesslich der Kondensationsanlage
                              werden von einem vor der Kurbelwelle auf einer gusseisernen Säule stehenden Oelverteiler geschmiert.
                           Insgesamt bildet die Maschine ein monumentales Bauwerk, welches sich 12,5 m über Flur erhebt. Die in vier Stockwerken liegenden,
                              durch Treppen leicht erreichbaren Bühnen ermöglichen die bequeme Zugänglichkeit sämtlicher Teile. An der Vorderseite der Maschine
                              ist an und auf der Grundplatte eine erhöhte Bühne aufgebaut, von der aus sämtliche nahe aneinander liegenden Ventilantriebe und Hahnzüge gehandhabt
                              werden. Inmitten dieser Bühne liegt das Handrad für Dampfeinlass, der Hebel für die Einspritzhähne und ein Schild zur Befestigung
                              der Messgeräte – Manometer, Vakuummeter – sowie einer Uhr. Dieses Schild dient gleichzeitig als Firmenschild. An der linken
                              Tragsäule der Maschine ist ferner mittels einer Konsole ein Tachometer nebst einem Umdrehungszähler angebracht.
                           Das Gesamtgewicht der Maschine beträgt 350 t, wovon 60 t auf die Grundplatte und 41 t auf das Schwungrad kommen. Die Cylinder
                              haben eingesetzte Lauf büchsen und Dampfmäntel, welche je durch den Arbeitsdampf des betreffenden Cylinders geheizt werden.
                              Die Kolben sind aus Stahlguss hergestellt. Zur Liederung dienen bei dem Hochdruckkolben gusseiserne Ramsbottoin-Ringe, bei
                              den drei anderen Kolben Buckley-Ringe neuester Konstruktion.
                           Die Abmessungen der Cylinder sind folgende:
                           
                              
                                 Durchmesser des Hochdruck-  cylinders
                                 760
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser des Mitteldruck-  cylinders
                                 1480
                                 „
                                 
                              
                                 Durchmesser der beiden  Niederdruckcylinder je
                                 1340
                                 „
                                 
                              
                                 Gemeinsamer Kolbenhub
                                 1200
                                 „
                                 
                              
                           Es ist hervorzuheben, dass die oberen Deckel und die Dampfkolben der Niederdruckcylinder zufolge der grossen Oeffnungen in
                              den Laternen, nachdem die schmiedeeisernen Säulen entfernt worden sind, leicht ausgehoben werden können. Die Kolbenstangen
                              werden, nachdem die Kreuzköpfe losgekuppelt sind, durch in der Grundplatte angeordnete und für gewöhnlich mit einem Deckel
                              verschlossen gehaltene Oeffnungen in vorgesehene Fundamentlöcher hinabgelassen und können dann seitlich an den Ständerköpfen
                              vorbei nach oben aus der Maschine herausgezogen werden.
                           Zur Steuerung sämtlicher Cylinder dienen entlastete Doppelsitzventile, die, wie in
                              										Fig. 45 ersichtlich, zu je zwei – ein oberes Einlassventil B und ein unteres Auslassventil C – in einem gemeinschaftlichen, am Hochdruck- und Mitteldruckcylinder hinten, an den Niederdruckcylindern seitlich angeordneten
                              Gehäuse D untergebracht sind, dessen mittlere Kammer mit dem betreffenden Cylinder in Verbindung steht.
                           Die Ventile sind, gleich wie bei der von L. Láng in Budapest ausgestellten Ventildampfmaschine mit einem Oelkatarakt, Patent Collmann (D. R. P. Nr. 84548) versehen. Zur Bethätigung derselben dienen die Steuerexzenter einer hinter den Niederdruckcylindern
                              in sechs Konsollagern ruhenden Welle, die von der Kurbelwelle aus durch Kegelräder mittels einer zwischen den Ständern schräg
                              nach obenführenden Zwischenwelle, auf der auch der federbelastete Federregulator angeordnet ist, angetrieben wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 315, S. 678
                              Fig. 43.Dreifach-Expansionsmaschine von A. Borsig.
                              
                           Letzterer regelt die Einströmung des in den Hochdruckcylinder tretenden Dampfes mittels von ihm abhängiger Daumen, welche
                              die Auslösung der Einlassventile dieses Cylinders bewirken (vgl. 1896 301 * 8), während die anderen Ventile durch feste, aber von Hand verstellbare Anschläge ausgelöst werden. Bei der Hoch- und Mitteldrucksteuerung
                              werden ein Einlass- und das dazu gehörige Auslassventil zusammen von einem Exzenter bethätigt,während die Ventile der Niederdruckcylinder jedes für sich durch ein Exzenter gesteuert werden. Die Tourenzahl der Maschine
                              lässt sich durch eine in das Oelkataraktgehäuse des Regulators eingebaute Zusatzfeder mittels eines Handrades während des
                              Ganges der Maschine verändern.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 315, S. 679
                              Fig. 44. Dreifach-Expansionsmaschine von A. Borsig.Fig. 45. Doppelsitzventile.
                              
                           
                           Das Ingangsetzen der Maschine geschieht mittels eines in Höhe der oberen Cylinder und zwischen denselben angeordneten besonderen
                              Ventils, welches durch eine mit Handrad versehene vertikale Stange bethätigt wird. Bei geöffnetem Ventil strömt Frischdampf
                              nacheinander in den Hochdruck- und Mitteldruckcylinder, und nach vollbrachter Arbeit durch ein vertikales Rohr in einen zwischen
                              dem Niederdruckcylinder liegenden Behälter. Die Ausströmungin den Kondensator erfolgt durch die hohlen Maschinenständer. Im normalen Gange entwickelt die Maschine mit 14 kg/qcm Admissionsspannung bei 90 minutlichen Umdrehungen und einer Gesamtexpansion des Dampfes gleich dem 20fachen seines ursprünglichen
                              Volumens 2500 bis 3000 PS. In der Ausstellung läuft die Maschine mit nur 83,5 minutlichen Umdrehungen bei 9,5 kg/qcm Admissionsspannung.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)