| Titel: | Die Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung. | 
| Autor: | Fr. Freytag | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 37 | 
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                        Die Dampfmaschinen der Pariser
                           								Weltausstellung.
                        Von Fr. Freytag,
                           
                           								Chemnitz.
                        (Fortsetzung von S. 21 d. Bd.)
                        Die Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           Die von der Ersten Brünner
                                 										Maschinenfabriksgesellschaft in Brunn ausgestellte liegende Verbundmaschine
                              									mit Kondensation von 1000 PSe arbeitet mit einer dem
                              									Ingenieur Hugo Lentz unter D. R. P. Nr. 107813
                              									geschützten zwangläufigen Ventilsteuerung, die sich durch eine grosse Einfachheit
                              									der konstruktiven Durchbildung auszeichnet. Wegen der erheblichen Verminderung der
                              									bewegten Massen ist diese nur einen geringen Kraftbedarf erfordernde Steuerung, die
                              									im übrigen vollständig geräuschlos arbeitet und auf den Regulator nur einen geringen
                              									Rückdruck ausübt, besonders für Maschinen mit hohen Umdrehungszahlen geeignet.
                           Bei der in Fig. 15 und
                              										16 ersichtlichen
                              									Steuerung werden die Einlassventile a von den durch
                              									einen Flachregler beeinflussten losen Exzentern b, die
                              									Auslassventile c von den festen Exzentern d bewegt. Die Ventile sind Doppelsitzventile. Jedes
                              									Einlassventil a hängt an einer mit Querrillen
                              									versehenen Spindel e, die ohne Zuhilfenahme von
                              									Stopfbüchsen, welche durch starkes oder einseitiges Anziehen die Reibung der Spindel
                              									unnützerweise vermehren, in einer mit einem mittleren Hohlraum geführten Büchse
                              
                              
                              									geführt und abgedichtet wird. Damit sich die Spindel überhaupt nicht in der Führung
                              									reibt, und sich bei ungleicher Wärmeausdehnung von Spindel und Führung nicht
                              									festsetzt, ist sie von vornherein nicht straff, sondern leicht in die Führung
                              									eingepasst. Auf ihrer oberen Seite bildet die Führung einen Behälter, der stets mit
                              									Oel gefüllt ist. Dieses wird von der Spindel nach unten mitgerissen, wodurch deren
                              									in der oberen Hälfte der Büchse geführter Teil geschmiert wird. Das überschüssige
                              									Oel nebst dem vom Ventilraum aus durchdringenden Gemisch von Dampf, Wasser und Oel
                              									sammelt sich im mittleren Hohlraum der Führung an, von wo aus es die untere Hälfte
                              									der Büchse schmiert, kühlt und abdichtet, während der überschüssige Teil dieses
                              
                              									Gemisches durchein Rohr derart ausfliesst, dass die Menge ständig beobachtet
                              									werden kann.
                           Die Spindel ist mit ihrem oberen Ende in die mit einem senkrechten Schlitz versehene,
                              									in der ebenfalls geschlitzten Laterne i geführten
                              									Verlängerung f, welche noch mittels des Bolzens g die Rolle h trägt,
                              									eingeschraubt. Oben bildet die Laterne ein Gehäuse für die Schraubenfeder k, die sich einerseits gegen f, andererseits gegen die mittels Schraube m
                              									nachstellbare Druckplatte l stützt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 37
                              Zwangläufige Ventilsteuerung von Lentz.
                              
                           Die Ventile werden in einfacher Weise durch einen im Schlitz der Laterne und der
                              									Spindelverlängerung schwingenden, mittels Zapfen n in
                              									der ersteren befestigten Gleitschuh o gesteuert, dessen
                              									nasenartige Erhöhung beständig gegen die in der Büchse f der Spindel e gelagerte Rolle h drückt und so geformt ist, dass ein schneller,
                              									sanfter und zwangläufiger Schluss des Einlassventils ermöglicht wird.
                           Am Zapfen p des Gleitschuhes o greift die Exzenterstange q an.
                           Mit der Steuerwelle ist ein Gleitklotz r (Fig. 17 und 18) fest verbunden, auf
                              									welchem das mit zwei zu einander senkrecht stehenden Schlitzen versehene
                              									Einlassexzenter b aufgesteckt ist. Dieses kann durch
                              									den Stein E vom Regulator aus derart verschoben werden,
                              									dass sich Exzentrizität und Voreilwinkel je nach der Belastung der Maschine ändern. Da
                              									im Augenblicke der Ventilöffnung, in welchem die grössten Widerstände zu überwinden
                              									sind, die Exzenterstange q senkrecht zum Gleitklotz r steht, wird die Rückwirkung der Steuerung vom
                              									Gleitklotz aufgenommen und kann deshalb den Regulator nicht beeinflussen. Die
                              									Steuerung der Auslassventile erfolgt in gleicher Weise, wie oben erläutert, nur mit
                              									dem Unterschiede, dass die Bewegung von auf der Steuerwelle festsitzenden Exzentern
                              									abgeleitet wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 38
                              Achsenregler, Bauart Lentz.
                              
                           Damit die Steuerung auch bei hohen Umlaufzahlen richtig und geräuschlos arbeitet, ist
                              									es nötig, dass die Rolle h in steter Berührung mit dem
                              									Gleitschuh o bleibt. Zu dem Zwecke müssen die nach
                              									abwärts gerichteten Kräfte in jedem Augenblicke gleich oder grösser als die nach
                              									oben wirkenden sein. Dies lässt sich unter Berücksichtigung der Massenwirkungen bei
                              									richtiger Wahl der Feder h leicht erreichen.
                           Zur Regulierung der Maschine dient ein Achsenregler, Bauart Lentz, von dessen Arbeitsweise Fig. 19 eine
                              									schematische Darstellung gibt. Wie ersichtlich, besteht der Regler aus einem
                              									Trägheitsringe C, an welchem die Pendel AA und die Feder B
                                 										unmittelbar angreifen, während sie andererseits mit dem Gehäuse D verbunden sind, im Gegensatz zu anderen derartigen
                              									Konstruktionen, bei denen der Trägheitsring mit den Pendeln und der Feder durch
                              									Vermittelung von Stangen, Schneiden u.s.w. verbunden ist. Die verwendete Feder ist
                              									eine spiralförmig gewundene Biegungsfeder, die gegenüber den üblichen cylindrischen
                              									Torsionsfedern mannigfache Vorteile besitzt. Vor allem bedingt diese einfache Form
                              									eine leichte Herstellung; dann braucht die Feder wenig Platz, ist zentral aufgehängt
                              									und lässt trotzdem die Anbringung auf einerdurchgehenden Welle zu. Weiter ist
                              									das Material viel günstiger beansprucht und der zwar nur geringe Einfluss der
                              									Federfliehkraft leichter und genauer zu ermitteln. Wie aus der später erläuterten
                              									Konstruktion des Reglers hervorgeht, ist diese Feder durch Aufziehen sehr leicht
                              
                              									nachzuspannen, was den Vorteil hat, dass der Regulator bei der Montage leicht zu
                              									adjustieren ist, und dass die Umlaufzahl der Maschine mit Hilfe einfacher
                              
                              									Vorkehrungen während des Ganges derselben verändert werden kann.
                           Im Ruhezustande sind, wie in Fig. 19 gezeichnet, die Pendel ganz zusammengeklappt, und der
                              									Trägheitsring befindet sich in seiner vordersten Lage. Beim Anlassen der Maschine
                              									wird der Trägheitsring durch die Feder so lange mitgenommen, bis bei wachsender
                              									Geschwindigkeit der Maschine die Pendel ausfliegen. Die Feder wird nunmehr gespannt,
                              									der Trägheitsring, der bereits die Geschwindigkeit der Maschine angenommen hat,
                              									zurückgezogen und die Steuerung auf die entsprechende Füllung gestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 38
                              Fig. 20.Achsenregler, Bauart Lentz.
                              
                           Ist die von der Maschine entwickelte Arbeit gleich der abgegebenen, so halten die
                              									Pendelfliehkräfte den Federspannungen das Gleichgewicht; der Trägheitsring hängt
                              									frei zwischen der Feder und den Pendeln und macht die Drehung der Maschine mit.
                              									Nimmt aber bei einer Mehrbelastung der Maschine die Geschwindigkeit ab, so eilt die
                              									Ringmasse infolge ihrer Trägheit vor, zieht die Pendel zusammen und stellt eine
                              									grössere Füllung ein. Bei Entlastung der Maschine tritt der gleiche Vorgang im
                              									umgekehrten Sinne auf.
                           In Fig. 20 bis 22 ist die Konstruktion
                              									des Reglers gezeigt. Die Steuerwelle a ist mit den
                              									Durchbohrungen b und c
                              									versehen und die Feder O einerseits am Schwungringe B, andererseits an dem über die Nabe des Pendelträgers
                              										J geschobenen, mit einem Zahnradsegment d versehenen Ringe e
                              
                              									befestigt. In die schraubenförmig gestalteten Zähne d
                              									greift das Kegelrad f ein, das mit dem in der Mitte
                              									Stirnzähne g tragenden Bolzen h aus einem Stück gefertigt ist. In die Zähne g greift das als Zahnstange m ausgebildete
                              									Ende der in der Bohrung b liegenden und durch den Keil
                              										k mitgenommenen Spindel l. An das Steuerwellenlager ist der Halter n
                              									geschraubt, in dem die mit Bund t und Innengewinde
                              
                              
                              									versehene Büchse p gelagert ist. Auf dieser ist mittels
                              									Feder q und Mutter r ein
                              									Handrad s derart befestigt, dass Längsbewegungen der
                              
                              									Büchse ausgeschlossen sind. Die in das Gewinde der Büchse eingreifendeSpindel
                              										u ist durch eine Kuppelung v mit der Spindel l drehbar verbunden. Gegen
                              									das Schneidenlager K an den Enden des Pendelträgers J stützen sich mittels Schneiden M die mit dem Schwungringe B durch Bolzen N verbundenen Pendel L.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 39
                              Verbundmaschine mit Kondensation von der Ersten Brünner
                                 										Maschinenfabriksgesellschaft.
                              
                           Soll die Umlaufzahl der Maschine verändert werden, so werden durch Drehen des
                              									Handrades s die Spindeln u
                              									und l verschoben. Die am Ende der Spindel l sitzende Zahnstange m
                              									dreht den Bolzen h und das Kegelrad f. Hierdurch und durch die schraubenförmigen Zähne d wird auch der Ring e, an
                              									dem die Feder O befestigt ist, entsprechend gedreht und
                              									damit die Spannung der letzteren verändert. Eine selbstthätige Verstellung kann nicht
                              									eintreten, da die Schraubenspindel u selbsthemmend ist
                              									und die Büchse p in dem seitlich geschlitzten Lager o des Lagerhalters mittels der einen Griff y tragenden Schraube x
                              									festgeklemmt werden kann. Das Handrad s wird auch
                              
                              									vielfach durch einen vom Schaltbrett aus zu bedienenden Elektromotor ersetzt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 40
                              Verbundmaschine mit Kondensation von der Ersten Brünner
                                 										Maschinenfabriksgesellschaft.
                              
                           Diese Art der Verstellung der Umlaufzahl durch alleinige Veränderung der
                              									Federspannung, welche bis jetzt bei Achsenreglern allgemein gebräuchlich ist, hat
                              									den Nachteil, dass sich mit der Veränderung der Umlaufzahlen auch der
                              									Ungleichförmigkeitsgrad des Regulators verändert, undzwar wird er mit
                              									abnehmender Umlaufzahl zunehmen. Deshalb konstruiert Lentz in neuester Zeit eine andere Verstellvorrichtung, bei der, um den
                              									Ungleichförmigkeitsgrad für alle Umlaufzahlen konstant zu erhalten, nicht nur die
                              									Spannung der Feder, sondern gleichzeitig auch die freie Länge derselben und damit
                              									die normale Umdrehungszahl der Maschine verändert wird.
                           Fig. 23 bis 26 geben ein Bild der in
                              									Paris ausgestellten Dampfmaschine.
                           Die Kurbeln sind nicht, wie sonst allgemein üblich, unter 90° versetzt, sondern es
                              									eilt die Niederdruckkurbel der Hochdruckkurbel um 120° vor, wodurch ein besserer
                              									Massenausgleich und infolgedessen gleichmässigerer Gang erzielt wird. Der
                              									Hochdruckcylinder hat 525 mm, der Niederdruckcylinder 950 mm Bohrung; der Kolbenhub
                              									beträgt 900 mm, die normale Umdrehungszahl 125 in der Minute. Bei 12 at
                              									Eintrittspannung, Kondensationsbetrieb und 14- bis 10facher Expansion soll die
                              									Maschine 800 bis 1000 PSe leisten.
                           Sie betrieb in Paris eine Drehstrommaschine von Ganz und
                                 										Co. in Budapest, die sich zwischen ihren Hauptlagern befindet. Der
                              									Magnetring dient zugleich als Schwungrad. Die Cylinder ruhen verschiebbar auf einer
                              
                              									am Fundament befestigten Sohlplatte. Sämtliche Rohranschlüsse befinden sich an der
                              									Unterseite des Cylinders. Das Absperrventil ist in den an den Hochdruckcylinder
                              									angegossenen Zuleitungskanal eingebaut.
                           Beide Cylinder sind mit der Ventilsteuerung von Lentz
                              									versehen. Die Hochdruckeinlässe werden von dem auf der Steuerwelle sitzenden
                              									Achsenregler beeinflusst, welcher durch Drehen des am rückwärtigen Steuerwellenlager
                              
                              									angebrachten Handrades für verschiedene Umlaufzahlen eingestellt werden kann.
                           Die mit einem eingegossenen bleiernen Gegengewicht versehene Kurbelscheibe ist aus
                              									Stahlguss hergestellt und auf die Kurbelwelle warm aufgezogen. Vom Kurbelzapfen der
                              									Niederdruckseite aus wird die doppelt wirkende Luftpumpe angetrieben. Sie hat einen
                              									Kolben mit Labyrinthdichtung und Kautschukklappen. An ihrem Balken ist auch die
                              									Speisepumpe befestigt. Der Luftpumpenkreuzkopf und der Speisepumpenkolben sind aus
                              									einem Stück.
                           Die von der Maschine betriebene Ganz'sche
                              									Drehstrommaschine hat ein Magnetrad von 4100 mm Durchmesser und einem Gewicht von 21
                              									t. Die 40 mit je drei Schlitzen versehenen Pole bestehen aus ½ mm starkem
                              									Flussstahlblech, die Armatur aus blankem Kupferband. Die Maschine arbeitet mit 2200
                              									Volt und leistet 1200 Kilo-Watt. Zur Phasenerregung dient eine durch einen
                              									Schleppkurbelantrieb bewegte Erregerscheibe von 20 Kilo-Watt Leistung. Die
                              									Spannungsveränderung der Drehstrommaschine beträgt unter der Voraussetzung
                              									konstanter Umlaufzahl und Erregung für eine durch Einschaltung nicht induktiver
                              									Widerstände hervorgerufene Belastungsänderung von 1200 Kilo-Watt 5 %, für eine
                              									gleich grosse, durch einen Induktionswiderstand hervorgerufene Belastungsänderung 15
                              									%. Der elektrische Nutzeffekt beträgt im ersten Falle 94 %, die höchste Erwärmung
                              
                              									über die Umgebung bei Dauerbetrieb 35° C.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)