| Titel: | Die Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung. | 
| Autor: | Fr. Freytag | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 119 | 
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                        Die Dampfmaschinen der Pariser
                           								Weltausstellung.
                        Von Fr. Freytag,
                           								Chemnitz.
                        (Fortsetzung von S. 73 d. Bd.)
                        Die Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           In hervorragender Weise ist die Firma Franco Tosi
                              									in Legnano (Italien), deren Dampfmaschinen sich auch inDeutschland eines guten
                              									Rufes erfreuen, auf der Ausstellung vertreten. Sie hat, wie schon eingangs erwähnt,
                              										eine liegende
                              									viercylindrige Dreifach – Expansionsmaschine von 1200 PS und eine stehende Vierfach
                              									– Expansionsmaschine von 700 PS, ausserdem noch eine stehende Tandemverbundmaschine
                              									von 60 PS geliefert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 120
                              Fig. 45.
                              
                           Fig. 45 bis 49 zeigen
                              									die mit einer Schuckert'schen Gleichstromdynamo direkt
                              									gekuppelte, liegende Dreifach-Expansionsmaschine von 1200 PS. Hochdruck- und
                              									Mitteldruckcylinder sind durch unter 90° gegenseitig versetzte Kurbeln miteinander
                              									verbunden; an jeden der genannten Cylinder ist ein Niederdruckcylinder
                              									angehängt.
                           Die Hauptabmessungen der Maschine sind folgende:
                           
                              
                                 Durchmesser des Hoch-    druckcylinders
                                   525 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser des Mit-    teldruckcylinders
                                   825   „
                                 
                              
                                 Durchmesser der bei-    den Niederdruckcy-    linder je
                                   975   „
                                 
                              
                                 Gemeinsamer Kolben-    hub
                                 1200   „
                                 
                              
                                 Minutliche Umdre-    hungszahl
                                   107
                                 
                              
                                 Admissionsspannung
                                     12  at
                                 
                              
                           Mitteldruck- und Niederdruckcylinder sind mit Dampfmänteln versehen, welche vom
                              									Arbeitsdampf durchströmt werden, bevor derselbe in den betreifenden Cylindern zur
                              									Wirkung kommt. Die Cylinderdeckel werden ebenfalls geheizt. Der Hochdruckcylinder
                              									erhält überhitzten Dampf. Jeder Cylinder hat vier Ventile für die Dampfverteilung;
                              									diejenigen am Hochdruckcylinder sind Doppelsitzventile von verhältnismässig grossem
                              									Durchmesser, während die anderen Cylinder mit viersitzigen Ventilen ausgerüstet
                              									sind.
                           Die dem Ingenieur G. Boner der Firma Franco Tosi patentierte auslösende Steuerung des
                              									Hochdruckcylinders ist in Fig. 48 ersichtlich. Die Stange des für jedes Einlassventil auf der
                              									Steuerwelle befestigten Exzenters trägt an ihrem oberen gegabelten Ende einen
                              									Winkelhebel, dessen nach abwärts gerichteter Schenkel, ähnlich wie bei der bekannten
                              									Sulzer-Steuerung, den aktiven Mitnehmer bildet und vom Regulator verstellt wird. Der
                              									aktive Mitnehmer setzt sich bei seiner Bewegung mit geringer Geschwindigkeit auf den
                              									passiven Mitnehmer auf und drückt ihn, während die abwärts gehende Geschwindigkeit
                              									nun rasch wächst, mit beträchtlicher Geschwindigkeit nieder. Infolgedessen wird das
                              									betreffende Einlassventil langsam angehoben und dann mit zunehmender Geschwindigkeit
                              									geöffnet. Gleichzeitig mit der vom Exzenter ausgehenden Abwärtsbewegung des aktiven Mitnehmers
                              									erfolgt auch eine Verschiebung desselben über den passiven, bis die Auslösung
                              
                              									eintritt und das Einlassventil unter Mitwirkung einer Feder schnell auf seinen Sitz
                              
                              									zurückgelangt. Diese letztere Bewegunwird in der in Fig. 48 ersichtlichen
                              									Weise mittels Hebel- und Gestängeverbindung von der nach dem zugehörigen
                              									Auspuffventil führenden Stange abgeleitet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 121
                              Fig. 46.Dreifach-Expansionmaschine von 1200 PS von Tosi, gekuppelt mit
                                 										einer Schuckert'schen Gleichstromdynamo.
                              
                           Die Auslassventile des Hochdruckcylinders werden, wie auch die Einlass- und
                              									Auslassventile der anderen Cylinder, durch von Hand stellbare Daumenscheiben der
                              									Steuerwelle bethätigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 122
                              Dreifach-Expansionmaschine von 1200 PS von Tosi, gekuppelt mit einer
                                 										Schuckert'schen Gleichstromdynamo.
                              
                           Die in einem Stück gegossenen Dampfkolben tragen zweiteilige Ringe, die durch
                              									hinterliegende Machfedern nachgespannt werden können. Die Stopfbüchsen der
                              									Kolbenstangen sind mit Metallpackungen versehen. Um die direkte Ankuppelung zweier
                              
                              									Dynamos, gleicher oder ungleicher Bauart, zu ermöglichen, sind Rahmen und
                              									Kurbellager der Maschine zur Aufnahme einer doppelt gekröpften Welle
                              									eingerichtet.
                           Der eigenartige Rahmen besteht aus zwei miteinander verschraubten symmetrischen
                              									Stücken, deren Teilfuge durch das mittlere Kurbelwellenlager, parallel zu den
                              									Cylinderachsen,geht. Jedes Stück trägt eine zwischen den förmigen Balken
                              									desselben eingegossene, flache Kreuzkopfführung, ein äusseres Kurbellager und die
                              									eine Hälfte des Mittellagers. Von jedem Lager aus verläuft der Rahmen in hoher
                              									kräftiger Form nach einem Mansch, an dem die Cylinder befestigt sind. Die
                              									rückwärtige Verlängerung des Rahmens bildet eine Oelmulde, die sich vom Ende der
                              									Kreuzkopfführungen bis über das Wellenmittel erstreckt.
                           Die Kurbelwelle setzt sich ebenfalls aus zwei Teilen zusammen, von denen der eine als
                              									gekröpfte Welle geschmiedet und mit einem Flansch zum Ankuppeln der Dynamowelle
                              									versehen ist, während die zweite Kröpfung durch an den betreffenden Wellenenden
                              									aufgezogene und ausgewichtete Kurbeln mit gemeinschaftlichem Kurbelzapfen gebildet
                              									wird.
                           Der durch Schraubenräder von der Steuerwelle angetriebene Porter – Regulator regelt
                              									die Füllungen im Hochdruckcylinder zufolge Verstellung des aktiven Mitnehmers der
                              									zugehörigen Steuerung innerhalb der Grenzen von 0 bis 60% des Kolbenhubes. Mit dem
                              									Regulator ist eine Vorrichtung zur Verstellung der Umdrehungszahl der Maschine, auch
                              									während des Ganges derselben, verbunden. Dieselbe besteht aus einer am
                              									Regulatorständer gelagerten Hilfswelle, die ihre mittels Handrad erteilten
                              
                              									Drehbewegungen mittels Winkelräder auf eine Schraubenspindel überträgt, welche ein
                              									auf dem Regulatorhebel verschiebbares Gewicht bethätigt. Damit wird verhütet, dass
                              									der Regulatorhebel selbst durch den Maschinisten zeitweise belastet wird. Die
                              									Plungerkolben der beiden durch gemeinschaftlichen Schwinghebel verbundenen, einfach
                              									wirkenden Luftpumpen werden, wie Fig. 49 ersichtlich,
                              									mittels Schubstange von einem der Kurbelzapfen aus bewegt. Saugventile sind nicht
                              									vorhanden. Die leicht zugänglichen Druckventile arbeiten mit Kautschukklappen.
                           Alle vier Cylinder haben direkte Schmierung ins Innere, der Hochdruckcylinder
                              
                              									ausserdem noch direkte Oelzufuhr durch die beiden Einlassventile. Die erforderlichen
                              									sechs Zufuhrleitungen werden von einer sechsfachen Pumpe, diese selbst von einem
                              									gemeinsamen Oelbehälter aus gespeist. Letzterer ist mitsamt der von zwei Exzentern
                              									der Steuerwelle betriebenen Pumpe in gedrängter Anordnung an einem der zwischen je
                              									zwei Cylindern angeordneten Verbindungsstücke befestigt.
                           Die Schmierung der Lager und Gleitflächen der Kreuzköpfe geschieht ununterbrochen von
                              									einem hochgelegenen Behälter aus. Das verbrauchte Oel läuft in geeigneten
                              									Auffangvorrichtungen einem gemeinsamen Filter zu und wird nach erfolgter Reinigung
                              									mittels Pumpe dem Behälter von neuem zugeführt.
                           Zum Anlassen dient eine kleine stehende Dampfmaschine, die mittels Schneckentrieb und
                              									auslösbaren Kolben auf den Schaltkranz des Schwungrades wirkt.
                           Die mit einer Gleichstromdynamo von Esercizio Bacini in
                              									Genua direkt gekuppelte, stehende Vierfach-Expansionsmaschine von 700 PS setzt sich,
                              									wie Fig. 50 bis 53 erkennen lassen, aus
                              									zwei durch Kurbeln unter 90° miteinander verbundenen Cylinderpaaren zusammen. Der
                              									erste und zweite Cylinder von 375 bezw. 525 mm Durchmesser sind in Tandemanordnung
                              									aus einem Stück gegossen und zwar der grosse Cylinder über dem kleinen. Die
                              
                              									Abdichtung der Kolbenstange im Zwischendeckel dieser beiden Cylinder wird mittels
                              									Metallpackung bewirkt. Der dritte und vierte Cylinder von 675 bezw. 1000 mm
                              									Durchmesser sind in gleicher Weise zusammengegossen. Der gemeinschaftliche Kolbenhub
                              									beträgt 650 mm, die minutliche Umdrehungszahl 160.
                           Auch hier sind, mit Ausnahme des Hochdruckcylinders, der überhitzten Dampf erhält,
                              									die Cylinder und zugehörigen Deckel mit Dampfmänteln versehen.
                           Die Dampf Verteilung erfolgt in jedem Cylinder durch Kolbenschieber, System Tosi (D. R. P. Nr. 66070), deren Konstruktion und
                              									Wirkungsweise 1892 284 * 147 zu entnehmen sind. Das
                              									Charakteristische dieser Steuerung liegt darin, dass die Schieber in einer gemeinschaftlichen, auf die ganze Länge beider Cylinder
                              									sich erstreckenden Kammer untergebracht und auch auf derselben Stange befestigt sind. Die bei
                              									plötzlichen Belastungsänderungen stattfindende schnelle Regulierung wird
                              									hauptsächlich durch die besondere Bauart der Maschine erreicht, welche einen nur bei
                              									Tandemanordnung möglichen kleinsten Receiverraum zwischen den Cylindern jeder
                              									Maschinenseite gestattet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 123
                              Fig. 49.Dreifach-Expansionmaschine von 1200 PS von Tosi, gekuppelt mit
                                 										einer Schuckert'schen Gleichstromdynamo.
                              
                           Die Schieber des dritten und vierten Cylinders sind demzufolge auf gemeinsamer Stange
                              									befestigt und werden von demselben Exzenter bewegt; dasselbe gilt für den Schieber
                              									des zweiten Cylinders und den Verteilungsschieber des Hochdruckcylinders, während
                              									der zu dem letzteren gehörige Expansionsschieber von einem besonderen Exzenter
                              									gesteuert wird, welches mit einem Achsenregler in Verbindung steht. Derselbe
                              									verstellt die Füllungen in den Grenzen von 0 bis 60 % des Kolbenhubes.
                           Die Dampfkolben sind, den Schiffskolben ähnlich, als geschmiedete Stahlscheiben
                              									geformt; sie tragen, wie die Kolben der vorbeschriebenen
                              									Dreifach-Expansionsmaschine,je einen zweiteiligen Dichtungsring aus Gusseisen
                              									mit hinterliegenden Flachfedern.
                           Die in einem Stück geschmiedete, doppelt gekröpfte Kurbelwelle trägt an dem einen
                              									Ende einen Flansch zur Verbindung mit der Dynamowelle; auf dem anderen Ende sitzt
                              									der Achsenregler.
                           Der Rahmen ist, wie bei der liegenden Maschine, aus zwei symmetrischen Stücken
                              									zusammengesetzt, deren jedes einen vertikalen Ständer mit ebener Gleitbahn für den
                              
                              									Kreuzkopf, ein äusseres Wellenlager und die Hälfte des mittleren Wellenlagers,
                              									ferner die zwischen den Kurbellagern muldenförmig ausgebildete Grundplatte in einem
                              									Gussstück vereinigt. Drei kräftige Stahlsäulen verbinden Grundplatte und Ständer in
                              									der üblichen Weise.
                           Die einfach wirkende Luftpumpe wird mittels Schwinghebel vom Kreuzkopfe des
                              									Niederdruckcylinders aus betrieben. Behufs Aenderung der Umdrehungszahl der Maschine
                              									lässt sich mittels Handpumpe eine schwere Flüssigkeit (Glycerin) in die hohlen
                              									Fliehgewichte des Regulators treiben oder aus denselben entfernen.
                           Die Schmierung der Cylinder und Kolbenschieber geschieht mittels einer vom Ende der
                              									Kurbelwelle aus mittels Schraubenräder und Exzenter angetriebenen mehrfachen
                              									Oelpumpe, die mit dem Apparat zur Aenderung der Tourenzahl vereinigt ist. Lager und
                              									Gleitbahnen werden ununterbrochen, wie bei der vorbesprochenen liegenden Maschine,
                              
                              									von einem hochgelegenen Behälter aus geschmiert.
                           Die in Fig. 54 dargestellte stehende
                              									Tandemverbundmaschine von 60 PS arbeitet ohne Kondensation; sie ist mit einer
                              									Gleichstromdynamo von G. Ansaldo und Co. in Genua
                              									direkt gekuppelt.
                           Die Hauptabmessungen sind folgende:
                           
                              
                                 Durchmesser des Hochdruckcylinders
                                 225 mm
                                 
                              
                                            „         „   Niederdruckcylinders
                                 325   „
                                 
                              
                                 Gemeinsamer Kolbenhub
                                 250   „
                                 
                              
                                 Minutliche Umdrehungszahl
                                 325   „
                                 
                              
                           Die Maschine repräsentiert den Typus der Schnellläufer,
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 124
                              Vierfach-Expansionmaschine von 700 PS von Tosi, gekuppelt mit einer
                                 
                                 										Gleichstromdynamo von Bacini.
                              
                           wie sie seit einer Reihe von Jahren von der Firma Franco Tosi gebaut werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 125
                              Fig. 51.Vierfach-Expansionmaschine von 700 PS von Tosi, gekuppelt mit
                                 										einer Gleichstromdynamo von Bacini.
                              
                           Die beiden aus einem Stück gegossenen Cylinder sind ohne Dampfmantel ausgeführt. Zur
                              									Dampfverteilung dienen zwei Kolbenschieber, System Tosi, die auf gemeinsamer Stange befestigt und von einem Exzenter bewegt
                              									werden,welches mit einem Achsenregler – für Füllungen von 0 bis 60% des
                              									Kolbenhubes – in Verbindung steht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 125
                              Fig. 54.Tandemverbundmaschine von 60 PS von Tosi, gekuppelt mit einer
                                 										Gleichstromdynamo von Ansaldo und Co.
                              
                           Der Rahmen besteht aus einem doppelten Ständer mit cylindrischer Kreuzkopfführung,
                              									zwei Kurbellagern für die gekröpfte Welle und der als Mulde ausgebildeten
                              									Grundplatte. Das dem Schwungrade nächstliegende Kurbellager hat eine Länge gleich
                              									dem vierfachen Wellendurchmesser. Derartige Schnellläufer werden in Grossen für 5
                              									bis 700 PS mit 600 bis 180 minutlichen Umdrehungen gebaut.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)