| Titel: | Ueber die Gleichung der Kurve, auf welcher sich ein Punkt eines sich biegenden Stabes bewegen muss. | 
| Autor: | G. Ramisch | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 149 | 
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                        Ueber die Gleichung der Kurve, auf welcher sich
                           								ein Punkt eines sich biegenden Stabes bewegen muss.
                        Von Prof. G. Ramisch,
                           									Breslau
                        [Ueber die Gleichung der Kurve, auf welcher sich ein Punkt eines
                           								sich biegenden Stabes bewegen muss.]
                        
                     
                        
                           Ein elastischer Stab sei an einem Ende D
                              									eingeklemmt und am anderen Ende mit einem starren Stabe AB in fester Verbindung und im Punkte G der
                              									neutralen Faser mit einer dazu lotrechten Kraft P
                              									belastet. Infolgedessen wird sich der Stab biegen und der Punkt A ist gezwungen, während der Biegung eine Kurve zu
                              									beschreiben. Es soll nun unsere Aufgabe sein, die Gleichung der Kurve aufzustellen
                              									und wir wollen hierbei auch die Temperatur berücksichtigen; im übrigen soll die
                              									Elastizität des Stabes dem Hooke'schen Gesetze
                              									unterworfen sein. – Für einen Punkt C der neutralen
                              									Faser zwischen D und G
                              									ist, wenn u die Entfernung dieses Punktes von P ist, das Biegungsmoment gleich P. u. Der Querschnitt bei C wird sich infolge der Belastung um den sehr kleinen Winkel dγ drehen. Ist ς der
                              									Krümmungsradius im Punkte C und du das Bogenelement der neutralen Faser, so ist bekanntlich: \varrho=\frac{d\,u}{d\,\gamma}.
                              									Bezeichnet man weiter mit E den Elastizitätsmodul und
                              
                              									mit J das Trägheitsmoment in Bezug auf die neutrale
                              									Achse für jeden Querschnitt des Stabes, so ist bekanntlich: P\,\cdot\,u=\frac{E\,\cdot\,J}{\varrho} und es ergibt
                              									sich aus den beiden letzten Gleichungen: \frac{E\,\cdot\,J}{\varrho}=\frac{E\,J\,\cdot\,d\,\gamma}{d\,u}=P\,u; oder auch:
                           
                              E . J . dγ = P . u . du.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 149
                              
                           Man ziehe CA, nenne r diese
                              									Strecke, so ist der von A infolge der Biegung bei C zurückgelegte unendlich kleine Weg gleich r . dγ. Wir zerlegen denselben in zwei senkrecht zu
                              									einander stehende Komponenten, von denen die eine dy in
                              
                              										BA zu liegen kommt, also die andere dx zum Stabe parallel ist. Setzt man die Strecke BA = a und die Entfernung des Punktes B von P gleich e, so lässt sich leicht ableiten, dass:
                           dx = a . dγ und dy = (e + u) . dγ
                           sind.
                           Wir erhalten daher:
                           
                              d\,x=\frac{P}{E\,\cdot\,J}\,a\,\cdot\,u\,\cdot\,d\,u
                              
                           und
                           
                              d\,y=\frac{P}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,(e+u)\,\cdot\,u\,\cdot\,d\,u.
                              
                           Man integriere diese beiden Gleichungen von u = o bis u = u1, wobei u1 eine beliebige
                              									Strecke innerhalb der Punkte G und D ist, so entsteht:
                           
                              x=\frac{1}{2}\,\cdot\,\frac{P}{E\,\cdot\,J}\,a\,\cdot\,{u_1}^2
                              
                           und
                           
                              y=\frac{P}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,\left(\frac{1}{2}\,e\,\cdot\,{u_1}^2+\frac{1}{3}\,{u_1}^3\right).
                              
                           Man nenne l die Strecke BD,
                              									so erkennt man, dass wenn ε der Ausdehnungskoeffizient
                              									des Stabstoffes für 1° C. bei einer Temperaturzu- oder -abnähme von t° ist, die Entfernung der Punkte D und B sich um ε . t . l vergrössert oder
                              									verkleinert.
                           Mit Rücksicht darauf erhält man:
                           
                              x=\frac{1}{2}\,\cdot\,\frac{P}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,a\,{u_1}^2\,\mp\,\varepsilon\,t\,\cdot\,l.
                              
                           Aus den beiden letzten Gleichungen ergibt sich:
                           
                              \frac{8}{9}\,\frac{E\,\cdot\,J}{P\,\cdot\,a}\,(x\,\pm\,\varepsilon\,t\,l)^3=(y\,a-e\,[x\,\pm\,\varepsilon\,t\,l])^2
                              
                           als die Gleichung der Kurve, auf
                                 										welcher sich A während der Biegung des Stabes bewegt; die Koordinatenachsen
                              									sind parallel bezw. senkrecht zum Stabe und haben A zum
                              									Anfangspunkt.
                           Ist z.B. ε = o, d.h. wird die Temperatur
                              									unberücksichtigt gelassen, so lautet die Gleichung:
                           
                              \frac{8}{9}\,\frac{E\,\cdot\,J}{P\,\cdot\,a}\,\cdot\,x^3=(y\,a-x\,e)^2.
                              
                           Setzt man noch u1
                              									= l, so erhält man die grösste Durchbiegung:
                           
                              y_{max}=\frac{P}{E\,\cdot\,J}\,\cdot\,\left(\frac{1}{2}\,e\,l^2+\frac{1}{3}\,l^3\right)
                              
                           oder auch:
                           
                              y_{max}=\frac{P\,l^3}{6\,E\,\cdot\,J}\,\cdot\,\left(\frac{3\,e}{l}+2\right).
                              
                           Ist noch e hierbei gleich Null, d.h. wirkt die Last am
                              									freien Ende B, so erhält man hieraus den Wert, wie er
                              									in den verschiedenen Taschenbüchern der Technik enthalten ist.