| Titel: | Trockenbagger mit Zwillingsdampfmaschine von 10 PS der Firma Ruston, Proctor und Co., Limited, in Lincoln. | 
| Autor: | Fr. Freytag | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 266 | 
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                        Trockenbagger mit Zwillingsdampfmaschine von 10
                           								PS der Firma Ruston, Proctor und Co., Limited, in Lincoln.
                        Von Fr. Freytag,
                           									Chemnitz.
                        Trockenbagger mit Zwillingsdampfmaschine der Firma Ruston, Proctor
                           								und Co., Limited, in Lincoln.
                        
                     
                        
                           Auf der Pariser Weltausstellung 1900 erregte ein von Ruston, Proctor und Co., Lincoln, in Vincennes vorgeführter
                              									Dampftrockenbagger, wie solche in der Neuzeit zur Ausführung grosser Erdarbeiten
                              									beim Bau von Eisenbahnen, Kanälen etc., ferner zum Aufschliessen von Erz- und
                              									Kohlenlagern, bei Abraumarbeiten im Tagebergbau, in der Thonindustrie etc. mit
                              									grossem Erfolge benutzt werden, wegen seiner gewaltigen Abmessungen und kräftigen
                              									Durchbildung der zum Zwecke der verschiedenen Arbeitsverrichtungen leicht und
                              									schnell in Thätigkeit zu setzenden Einzelteile, berechtigtes Aufsehen.
                           Derartige Bagger sollen nach Angabe der Erbauerin ohne übermässige Anstrengung sogar
                              									verhältnismässig harte Materialien, wie Sandstein, harten Kalkfels, Steinmergel,
                              
                              									Liasgestein etc. bewältigen, sofern dieselben durch Sprengen, was während der Nacht
                              
                              
                              									geschehen kann, vorher etwas gelockert werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 266
                              Fig. 1.
                              
                           Fig. 1 zeigt einen derartigen Trockenbagger mit
                              									Dampfmaschine von 10 PS (nominell) im Betriebe. Die Arbeit vollzieht sich
                              									folgendermassen: Der Baggereimer wird so weit herabgelassen, bis der Träger
                              									desselben sich in senkrechter Lage befindet. Dann wird der Bagger bis vor den
                              									herzustellenden Einschnitt gebracht, die Dampfmaschine angelassen und der
                              									Baggereimer vorwärts bewegt und im Erdreich nach oben gezogen, bis er gefüllt ist.
                              									Der Inhalt des Eimers fällt nach erfolgter Schwenkung des Auslegers und nachdem ein
                              									auf der Plattform des letzteren stehender Arbeiter durch Ziehen an einer Schnur die
                              
                              									Thür des Gefässes geöffnet hat, in einen darunter stehenden Transportwagen. Hierauf
                              									bringt der Maschinist den Ausleger zur Vornahme eines neuen Schnittes in seine
                              									frühere Lage zurück. Durch raschen Niedergang des Gefässes wird die Thür desselben
                              
                              									selbstthätig geschlossen.
                           Bei Verwendung eines Baggereimers von 1 bis 1,75 cbm Inhalt können – je nach
                              									Beschaffenheit des Erdmaterials – stündlich 50 bis 80 Abgrabungen vorgenommen
                              									werden. Bei sehr hartem Boden, z.B. in mit Geröll durchsetztem Thonmergel, ist ein
                              									Baggereimer von 1 cbm Inhalt am geeignetsten, bei gewöhnlichem harten Material ein
                              									solcher von 1,15 cbm Inhalt.
                           Sobald der Bagger das jeweils erreichbare Erdmaterial abgegraben hat, werden die ihn
                              									festhaltenden Schraubenwindengelöst und er selbst um 1 m oder etwas mehr
                              									vorgeschoben, um eine neue Reihe von Abgrabungen zu beginnen. Auf diese Weise lässt
                              									sich mit Verwendung eines 10pferdigen Baggers ein Einschnitt ausschachten, der eine
                              									Tiefe von 6 bis 7,5 m, ja selbst bis zu 9 m und eine obere Breite von 15 bis 18 m
                              									hat. Die Bauart des Baggers und seiner Einzelteile lassen Fig. 2 und 3 erkennen.
                           Rahmen, Turm und Ausleger des Baggers sind aus Walzeisen gefertigt. Der auf vier, mit
                              									doppeltem Spurkranz versehenen Rädern ruhende Hauptrahmen – eine rechteckige
                              									Plattform – ist aus kräftigen, durch Querträger verbundenen eisernen Längsträgern
                              									hergestellt. Auf diesem Untergestell sind die Dampfmaschine mit Kessel sowie das
                              									Triebwerk befestigt. An den Ecken der Plattform, sowie unter dem Mittelzapfen des
                              									Auslegers angebrachte kräftige Konsolen stützen sich zur Vermeidung etwaiger
                              									Verschiebungen des Baggers während des Betriebes auf untergelegte hölzerne Klötze
                              									oder Bohlen.
                           Der ebenso wie die Dampfmaschine stehend angeordnete Kessel hat Quersiederröhren. Die
                              									Dampfmaschine hat zwei ummantelte Cylinder von je 178 mm Durchmesser und 305 mm
                              									Kolbenhub; sie ist mit den Lagerböcken der Kurbelwelle durch der Firma Ruston, Proctor und Co. patentierte
                              									Dampfexpansionssteifen oder Strebestangen verbunden. Die Maschine läuft mit 160 bis
                              									170 minutlichen Umdrehungen und steht unter dem Einflüsse eines Regulators. Auf der
                              									Kurbelwelle ist ein Zahnrad festgekeilt, welches seine Bewegungen im Verhältnis 4: 1
                              
                              									einem auf der
                              									Haupttrommelwelle sitzenden Stirnrad mitteilt. Von der letztgenannten Welle aus
                              									werden die Bewegungen aller übrigen arbeitenden Teile abgeleitet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 267
                              Fig. 2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 267
                              Fig. 3.
                              
                           Die Haupttrommel ist konisch gestaltet, um die Geschwindigkeit in möglichst
                              									vorteilhafter Weise der Kraft anzupassen. Die Welle derselben setzt mittels eines
                              									Getriebes eine zweite Trommel in Bewegung, die dazu dient, den Baggereimer
                              									herunterzulassen. Die Welle dieser zweiten Trommel überträgt ihrerseits die Bewegung
                              									auf eine dritte Trommel, durch welche das Drehen des Auslegersin dem einen oder
                              									anderen Sinne bewirkt wird. Ein auf der dritten Trommelwelle sitzendes Zahnrad steht
                              									durch eine endlose Gelenkkette mit der vorderen Achse des Wagengestelles in
                              									Verbindung. Kuppelungsmuffen dienen dazu, entweder das Zahnrad oder die Trommel in
                              									Eingriff zu bringen, je nachdem der Bagger vorrücken oder der Ausleger gedreht
                              									werden soll. Da die Bewegung durch konische Zahnräder und Reibungskegel übertragen
                              
                              									wird, kann der Bagger schnell und stossfrei vor- oder rückwärts bewegt oder zum
                              									Stillstand gebracht werden.
                           
                           Der den Ausleger tragende Turm bestellt aus gewalzten Eisenplatten, die durch
                              									T-Eisen verstärkt und in allen Richtungen durch Anker und Streben aus Winkeleisen
                              									fest miteinander verbunden sind. Der Turm selbst ist durch Bolzen auf der Plattform
                              									befestigt, auf deren hinterem Teil sich der Wasserbehälter und der Kohlenraum
                              									befinden. In Verbindung mit dem Turm und der Plattform sind starke Eisenträger zur
                              									Aufnahme des Auslegers vorgesehen. Dieser, gleichfalls gänzlich aus Walzeisen
                              									hergestellt, besteht aus Doppelrahmen, die an ihrem, der Turmseite zugekehrten Ende
                              									sich in einem vertikalen Gliede vereinigen, während sie am äusseren Ende
                              									zusammengenietet sind. Die Rahmen sind durch eine Anzahl von Querstreben
                              									verstärkt.
                           Der Hebearm oder Träger des Baggereimers besteht aus zwei durch Eisenplatten
                              									verstärkten eichenen Balken, die an beiden Enden durch Bolzen derart verbunden sind,
                              									dass zwischen ihnen der für den Durchgang der Zugkette erforderliche Raum verbleibt.
                              									Die Bewegung des Hebearmes innerhalb des Doppelrahmens des Auslegers wird dadurch
                              									bewirkt, dass der auf einer runden, am Fusse des Auslegerständers angebrachten
                              									Plattform stehende Maschinist ein Schwungrad bethätigt, welches mittels Kette ein
                              									auf den Ausleger befestigtes Rad in Umdrehung versetzt. Die Welle desselben trägt
                              									ein Zahnrad, welches in die Doppelzahnstange des Trägers eingreift und somit den
                              									Baggereimer direkt beeinflusst. Durch eine mit dem Fuss zu bedienende Bremse wird
                              									der Träger des Baggereimers in jeder beliebigen Höhe festgehalten. Die zur Bewegung
                              
                              
                              									des Auslegers dienende Kette ist um die runde Plattform herumgelegt.
                           Der schneidende Rand des aus starkem Stahlblech hergestellten, durch Bügel, Steifen
                              									und Winkeleisen verstärkten Baggereimers besteht aus Stahl und ist mit vier Zähnen
                              									zur Lockerung des Erdreiches versehen. Dieselben sind am Eimer durch Bolzen
                              									befestigt, können aber leicht abgenommen werden, um sie zu schleifen oder durch neue
                              									zu ersetzen.
                           Auf der Abbildung, Fig. 2, ist auch die Schnur
                              									ersichtlich, mittels welcher seitens des Maschinisten die Thür des Baggereimers
                              									behufs Entleerung geöffnet wird.
                           Sämtliche Trommeln sind mit Bremsen versehen, deren Hebel bequem zugänglich
                              									sind.
                           Gegen Witterungseinflüsse sind Dampfmaschine, Kessel und Triebwerk durch eine auf
                              									vier eisernen Pfeilern ruhende Bedachung aus Wellblech geschützt.
                           Das Gesamtgewicht dieses Baggers beträgt annähernd 36500 kg. Zur Bedienung sind nur
                              									zwei Leute erforderlich.
                           Mit einem 10pferdigen Trockenbagger der vorbesprochenen Bauart sind bei
                              									Doppelgeleisen in 10 Stunden 378 Transportwagen von je 3,5 cbm Inhalt in
                              									mittelschwerem Boden gefüllt worden, was einer täglichen Leistung von 1320 cbm
                              									entspricht. Massgebend für die Leistungsfähigkeit des Baggers ist die Beschaffenheit
                              									des Abraummaterials.
                           Ein für die Richard Hartmann – Schächte in Ladowitz (Böhmen) gelieferter 10pferdiger
                              									Trockenbagger wird bei den Braunkohlentagbauen zum Abraum der Hangendschichten
                              									(Ueberlagerung) des Kohlenflözes benutzt, die zum Teil aus unbauwürdiger fester
                              									Kohle, zum Teil aus zähem Thon und Schotter bestehen; vorkommende grosse
                              									Gesteingeschiebe stören nach einem vorliegenden Zeugnisse der Direktion der
                              									genannten Schächte den Betrieb durchaus nicht. Das feste Braunkohlenflöz selbst soll
                              									sich von der Maschine ebenso anstandslos bearbeiten lassen.
                           Bezüglich der Abraumkohlen wird angegeben, dass sich dieselben, ausschliesslich
                              									Abfuhr, im Jahre 1895 bei günstigem Material (feste, trockene Substanzen, wie Kohle,
                              									Hangendflöze, spröder Lehm und Thon, Gerolle, Sand etc.) – durchschnittlich 360 cbm
                              									in 10 Arbeitsstunden – auf 14,2 Kreuzer für 1 cbm, bei ungünstigem Material
                              
                              
                              									(plastische Thone und Lehm, die ein öfteres Säubern des Baggereimers nötig machen) –
                              									durchschnittlich 240 cbm in 10 Arbeitsstunden – auf 21,2 Kreuzer für 1 cbm Abraum
                              									stellten.
                           Demgegenüber standen im Jahre 1895 als mittlere Gestehungskosten für 1 cbm Abraum bei
                              									Handbetrieb 40 bezw. 20 Kreuzer.
                           Seit dem Jahre 1895 haben sich die Löhne um etwa 15 % erhöht und es wäre dieser
                              									Umstand sowohl bei Maschinen- wie bei Handbetrieb in Rechnung zu ziehen.