| Titel: | Neue Regelung an Pressstrahlturbinen. | 
| Autor: | Wilh. Müller-Cannstatt | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 283 | 
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                        Neue Regelung an Pressstrahlturbinen.
                        Neue Regelung an Pressstrahlturbinen.
                        
                     
                        
                           Das Bestreben, die Austrittsweiten der Laufradkanäle regeln zu können, war schon
                              									längst vorhanden. Diesbezügliche Versuche wurden zum Teil durch Verschmälerung der
                              									Kanäle, zum Teil durch Blindscheiben am Auslauf derselben u.s.w. bewerkstelligt, die
                              									betreffenden Vorrichtungen jedoch als nicht betriebssicher und ihren Zweck nicht
                              
                              									erfüllend bald wieder verlassen.
                           Andere Regeleinrichtungen bestehen z.B. in Abschlussvorrichtungen der Kanäle des
                              
                              									Leitapparates, sei es, dass mehrere Schaufelkränze an der Turbine angewendet und
                              									diese dann einzeln oder zu mehreren oder zellenweise dem vorhandenen Wasserzufluss
                              									entsprechend abgeschlossen werden. Wenn nun auch durch gänzliches Schliessen eines
                              									oder mehrerer Schaufelkränze des Leitapparates die Wirkungsweise der anderen Kränze
                              									mit keinem wesentlichen Nachteil verbunden war, so wurde durch Schliessen der
                              									Einzelkanäle eines Kranzes der Wirkungsgrad der Turbine wesentlich verschlechtert,
                              									also gerade bei knappem Wasserstand ein geringer Nutzeffekt erzielt.
                           Bei der Regelung durch besondere Schieber in jeder Leitzelle oder durch Ringschieber
                              									treten ähnliche Missstände auf, wie bei Deckelregulierungen und besitzt letztere Art
                              									der Regelung noch den weiteren Nachteil, dass dieselbe sich bei unreinem Wasser, das
                              									Laub, Gras und Geschiebe mit sich führt, verstopft und häufig den Dienst versagt.
                              									Auch durch Regelung mittels Drosselklappe im Saugrohr unter der Turbine wird der
                              									Nutzeffekt schädlich beeinflusst und kann eine solche Regelung überhaupt nur dann in
                              									Betracht kommen, wenn stets überschüssiges Wasser vorhanden ist und auf
                              									wirtschaftliche Ausbeutung desselben weniger Wert gelegt wird. Die
                              									Jalousieregelungen im Leitapparat, wie solche in neuerer Zeit vielfach ausgeführt
                              									werden, zeigen gleichfalls einige Missstände. Die Eintrittswinkel der Leitradkanäle
                              									ändern sich hierbei in hohem Grade, derart, dass der ganze Charakter der Turbine
                              									dadurch verändert ist. Während sie bei voller Oeffnung des Leitapparates als
                              									Pressstrahlturbine wirkt, kann bei kleiner Oeffnung ein Wechsel in der Wirkungsweise
                              									eintreten und zu der einer Freistrahlturbine übergehen. Thatsächlich ergibt eine
                              									solche Turbine bei mittlerer Beaufschlagung den grössten Effekt, während sie bei
                              									grösster und geringster Oeffnungsweite eine relativ schwächere Nutzwirkung
                              									abwirft.
                           Die vorliegende Erfindung (D.R.P. Nr. 117465 vom 14. Februar 1901) Ferdinand Ruess in Baienfurt b. Ravensburg, Württ.,
                              									betrifft eine Vorrichtung zum Regeln von Pressstrahlturbinen aller Art durch auch
                              									während desGanges der Turbine zu bewirkende Aenderung
                                 										des Austrittsquerschnittes der Laufradschaufeln, dadurch gekennzeichnet,
                              									dass die festen Schaufeln auf ihrer Rückseite mit drehbaren
                                 										Schaufeln versehen sind, welche sich am Wassereintrittsende an die Rückwand
                              									der festen Schaufeln anschliessen und mit ihren beweglichen am Wasser austritt
                              									befindlichen Enden beliebig gegen die festen Schaufeln verstellt werden können.
                           Die neue Reguliervorrichtung soll den vorhin erwähnten Missständen abhelfen und an
                              									allen Vollturbinen mit oberer, innerer oder äusserer Beaufschlagung anwendbar sein;
                              									dieselbe ist durch Fig.
                                 										1 und 2 für
                              									eine achsiale Vollturbine, in Fig. 3 für eine Radialturbine mit innerer und in Fig. 4 für eine
                              									Radialturbine mit äusserer Beaufschlagung dargestellt. Fig. 5 bis 8 veranschaulichen in
                              									grösserem Massstab die Schaufellängs- bezw. Querschnitte durch diese drei
                              									Turbinenarten. Die Einrichtung besteht im wesentlichen darin, dass in jedem
                              									Laufradkanal noch eine besondere drehbare Schaufel (Rückschaufel) eingesetzt ist,
                              									welche mit ihrem äusseren Ende der normalen Laufschaufel beliebig genähert und nach
                              									Bedarf verändert werden kann. Jeder Laufradkanal besteht somit, von seinen
                              									feststehenden Seiten Wandungen abgesehen, aus einer fixen Schaufel, welcher man die
                              									dem Gefälle entsprechende günstigste Form zu geben hat und deren Ein- und
                              
                              									Austrittswinkel also unverändert bleiben, sowie einer, gegen diese beweglichen
                              									Schaufel, deren innerer Teil sich in richtiger Fortsetzung der Form der festen
                              									Schaufeln anschliesst, während der äussere Teil gegen die feste Schaufel beweglich
                              									ist und dadurch die lichte Austrittsweite des Laufradkanals beliebig verstellbar
                              									gemacht ist. Diese Verstellung sämtlicher beweglicher Schaufeln kann auch während
                              									des Ganges der Turbine entweder von Hand, durch Schwimmer oder durch einen
                              									automatischen Regulator bewirkt werden. Die Kanäle bleiben bei jeder Stellweite
                              									vollständig mit Wasser gefüllt, die Ueberdruckwirkung erleidet keinerlei Aenderung
                              									und da der Arbeitswinkel der Laufradschaufeln an der einen Seite stets derselbe
                              									bleibt, soll die Turbine bei jedem Wasserstand, also jedem Beaufschlagungsgrade
                              									ihrer Natur gemäss richtig arbeiten.
                           Wie schon bemerkt, passt sich die Form der beweglichen Schaufeln derjenigen der
                              									festen sachgemäss an und ist zu diesem Zwecke die gewöhnlich aus Eisen oder
                              									Stahlblech hergestellte, in die Kränze eingegossene feste Schaufel (Fig. 5 bis 7) oben hakenförmig
                              									umgebogen, wobei der eine längere Schenkel dieses Hakens die dem Gefälle, somit der Geschwindigkeit
                              									entsprechende passende Schaufelform erhält und an den kürzeren Schenkel der festen
                              									Schaufel sich die, am geeignetsten aus Stahlguss hergestellte, bewegliche Schaufel
                              									so dicht wie möglich anlegt und im übrigen in der Form so ausgeführt wird, dass ihre
                              									äusseren Flächen zusammen mit der feststehenden Schaufel den für den Nutzeffekt der
                              									Turbinen günstigsten Kanalquerschnitt ergeben. Die gemeinsame Verstellung sämtlicher
                              									beweglichen Schaufeln kann in verschiedener Weise erfolgen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 284
                              Fig. 1 u. 2 Achsiale Vollturbine. Fig. 3 Innere Radialturbine. Fig. 4 Aeussere
                                 										Radialturbine. Fig. 5, 6 u. 7 Schaufelschnitte. Fig. 8 Schaufelquerschnitt zu
                                 										Fig. 3.
                              
                           Die Regelung selbst lässt sich während des Ganges der Turbine vollziehen. Da der
                              									Wasserdruck auf die drehbaren Schaufeln stets konstant ist, so kann er durch das
                              									Gewicht der zur Reguliervorrichtung erforderlichen Teile möglicherweise unter Zugabe
                              									eines besonderen Gegengewichtes ausgeglichen werden, derart, dass bei Verstellung
                              									der Schaufeln nur die Reibung der bewegten Teile zu überwinden wäre, was durch einen
                              									Schwimmer oder durch einen Regulator erreicht und dadurch die Regulierung
                              									selbstthätig gemacht werden kann.
                           Unter Umständen, wenn z.B. gleichmässige Geschwindigkeit der Turbine verlangt wird,
                              									der Kraftbedarf derselben aber stark veränderlich ist, könnte der Fall eintreten,
                              									dass bei starker Drosselung im Ausflussquerschnitt des Laufrades die Geschwindigkeit
                              									des Wasseraustritts aus demselben nicht mehr in richtigem Verhältnis zur
                              									Umlaufgeschwindigkeit der Turbine steht, ja sogar kleiner wird als die
                              									Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades und demgemäss der Nutzeffekt beeinträchtigt
                              									werden könnte.
                           Eine Reguliervorrichtung für Vollturbinen aller Art mittels Regeln des
                              									Wasseraustrittes aus den Laufrädern ohne Wasserstoss in den letzteren, bezw. ohne
                              									störende Formänderung der Laufradschaufeln durch Verstellung der Kanalaustritts
                              
                              									weite wäre die rationellste, nurscheiterte bis jetzt die Lösung des Problems an
                              
                              									den komplizierten Stelleinrichtungen.
                           Vorliegendes System passt wie kein anderes als Reaktionsturbine für das Saugrohr,
                              									insbesondere besser als die Francis-Turbine; letztere wird, wenn bis zu einem
                              									gewissen Grade geschlossen, zweifellos eine Freistrahlturbine, die ganze saugende
                              									Wassersäule hängt daran, gehen muss es ja, aber hier bliebe unter allen
                              									Schliessungsverhältnissen eine Reaktionsturbine erhalten.
                           Die Möglichkeit einer präzis gleichen Teilung und Schluckweite der Laufradkanäle (mit
                              									ihren Forderungen für konstante Wassergeschwindigkeiten durch die Turbine) bliebe
                              									gesichert; wenn man in Betracht zieht, dass ein Turbinenrad niemals genau
                              									gleichmässig im Guss ausfällt. Alle Schaufeln gehen während eines Umganges unter
                              									einem Leitkanal vorbei, kommt nun ein Laufkanal, der etwas weiter ist als der
                              									vorherige, vorüber, so ist klar, dass das durchfliessende Wasser in diesem
                              									Augenblick eine grössere Geschwindigkeit annimmt; läuft nun eine engere Schaufel
                              
                              									vorüber, so findet ein Rückstoss während der Umdrehung
                              									statt und wird ein Pulsieren des Wassers verursacht. Nun könnte man bei dieser Art
                              									der Ausführung von Turbinenrädern – da beide Radkränze gedreht und
                              									zusammengeschraubt würden – die Einteilung auf der Richtplatte vornehmen, wie bei
                              									einem Zahnrad, wodurch absolut gleiche Winkel und gleiche Austrittsweiten erreicht
                              									werden.
                           Bezüglich der Aufstellung würden sich alle Vorteile wie bei der Francis-Turbine
                              									bieten, man kann die Turbine auf den Fabrikboden stellen und das Saugrohr in einen
                              									Schacht hängen, es wäre dadurch ermöglicht, kurze Wellen bei hochwasserfreier Lage
                              									zu erhalten. Die Aufstellung kann in einem zugänglichen hellen Raume erfolgen, es
                              
                              									ist dies entschieden vorzuziehen gegenüber den alten Bauarten, wo das Turbinenrad – der
                              									wichtigste Teil des Motors – meistens in einem dunklen Schachte untergebracht
                              									war.
                           Das Reinigen des Laufrades von Fremdkörpern, die während des Ganges durch den Rechen
                              									gehen, wäre ermöglicht: durch momentanes Oeffnen würde der
                              									Schaufelapparatausgespült. Relativ weite Radkanäle sind vorteilhafter als
                              									kleine Zellen, je öfter man den Strahl durchbricht, desto nachteiliger wirkt
                              									dies.
                           Vorstehend beschriebene Regulierung wird in manchen Fällen weite Kanäle
                              									gestatten.
                           Wilh. Müller-Cannstatt.