| Titel: | Zur Theorie der Festigkeit krummer Träger. | 
| Autor: | Emil Herrmann | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 405 | 
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                        Zur Theorie der Festigkeit krummer
                           								Träger.
                        Von Emil Herrmann,
                           								Oberbergrat in Schemnitz (Ungarn).
                        Zur Theorie der Festigkeit krummer Träger.
                        
                     
                        
                           Bezüglich dieser Theorie sind die Meinungen der Ingenieure bekanntlich geteilt.
                              									Während die eine Partei die von weiland Prof. Grashof
                              									aufgestellten und von Prof. C. Bach in dem Werke Elastizität und Festigkeit ebenfalls aufgenommenen
                              									Spannungs- und Biegungsformeln als richtig ansieht, bezweifelt die andere Partei
                              									deren Richtigkeit (vgl. die Zuschriften an die Zeitschrift
                                       										des deutschen Ingenieurvereins, Jahrg. 1899 S. 261, 403, 501 und 633), weil
                              									man bei der Lösung von gewissen Aufgaben auf Widersprüche stösst, welche in der
                              
                              									beschränkten Gültigkeit des sogen. Proportionalitätsgesetzes ihre Erklärung nicht
                              										findenAnmerkung der
                                    											Redaktion: Es handelt sich in Wirklichkeit nicht um einen persönlichen
                                    											Meinungsaustausch, sondern um die praktisch wichtige Frage: Ist ein gekrümmter stabförmiger Körper in Hinsicht auf
                                    											die Beanspruchung durch ein biegendes Moment und durch eine Normalkraft so
                                    											zu behandeln, als ob seine Querschnitte einem geraden Stabe angehören? Nach den Ergebnissen der in dieser
                                    											Richtung angestellten Versuche (vgl. C. Bach,
                                       												Elastizität und Festigkeit, 3. Aufl. 1898 S. 470 u. f., Bantlin, Zeitschrift des Vereins deutscher
                                       												Ingenieure, 1899 S. 261 u. f. u.s.w.) kann es keinem Zweifel
                                    											unterliegen, dass dieser Weg der Spannungsermittelung zu einer – unter
                                    											Umständen sehr bedeutenden – Unterschätzung der Beanspruchung des gekrümmten
                                    
                                    											Stabes führt. Die einfache Ueberlegung, welche von dem Unterschiede zwischen
                                    											der geraden und gekrümmten Stabform ausgeht, liefert das gleiche
                                    											Ergebnis.Dass die Gleichung\sigma=\frac{P}{f}+\frac{M}{f\,r}+\frac{M}{x\,f\,r}\,\frac{\eta}{r+\eta}für diejenigen Querschnitte, wo die Form eine
                                    
                                    											Stetigkeitsunterbrechung durch eine plötzliche Aenderung des
                                    											Krümmungshalbmessers r erfährt, eben infolge
                                    											dieser Stetigkeitsunterbrechung keine zutreffenden Ergebnisse liefert, ist
                                    											von C. Bach schon hervorgehoben sowie bemerkt
                                    											worden, dass hier ein allmählicher Ausgleich stattfinde (Elastizität und Festigkeit, 3. Aufl. S. 373
                                    											und 374, S. 484 und 485).Dass die bezeichnete Gleichung im Falle der Fig.
                                       												2 des vorliegenden Aufsatzes zu einer unendlich grossen Spannung
                                    											an der Innenkante führt, hat ersichtlich darin seinen Grund, dass hier ein
                                    											Körper zu Grunde gelegt ist, welcher an der inneren Seite eine scharfe Ecke,
                                    											also den Krümmungshalbmesser Null besitzt, während die Entwickelung der
                                    											Gleichung nach Lage der Sache solche Körper voraussetzt, welche auch an der
                                    											inneren Seite noch ausreichend Krümmung aufweisen.Es handelt sich, wie bereits bemerkt, im vorliegenden Fall nicht um absolut
                                    											richtige mathematische Gleichungen, sondern um Gleichungen, welche den Bedürfnissen der Technik dienen sollen. Das
                                    											gilt ebenso für den Stab mit gerader Achse wie für denjenigen mit gekrümmter
                                    											Achse. Die vorstehenden Bemerkungen werden bei Beurteilung der Darlegungen
                                    											des Herrn Verfassers im Auge zu behalten sein, insbesonders auch gegenüber
                                    											dem Satze am Schlusse des Aufsatzes..
                           Die nachstehende Aufgabe ist eine solche, bei welcher man zu dem erwähnten
                              									Widerspruch kommt.
                           Ein krummer Träger mit rechteckigem Querschnitte besteht aus zwei kreiscylindrischen
                              									Stücken.
                           Der eine Teil AB (Fig. 1)
                              									hat einen Kreisbogen als Mittellinie, dessen Radius 16 h = r.
                           Der zweite Teil BC ist ein Kreisbogen vom Radius r1 = 4h.
                           Auf jede der Endflächen wirkt das Kräftepaar M
                              									jedoch im entgegengesetzten Sinne, so dass der Träger im äusseren Gleichgewichte
                              									ist. Es fragt sich, wie gross die Spannung im Punkte a
                              									des Querschnittes B ist?
                           Da der Querschnitt B beiden Teilen angehört, kann man
                              									vom einen oder anderen Ende ausgehen.
                           
                              Natürlich kann in einem Punkte nur einerlei Spannung
                                 										auftreten, es müssten daher die beiden Rechnungsresultate identisch sein.
                              
                           Die Formel für die Spannung findet sich in Prof. C.
                                 
                                 										Bach's obgenanntem Werke I. Aufl. S. 303 Gl. 210.
                           \sigma=\frac{P}{f}+\frac{M}{f\,r}+\frac{M}{x\,f\,r}\,\frac{\eta}{(r+\eta)} . . . 1)
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 405
                              Fig. 1.
                              
                           Hierin bedeutet P die Normalkraft (S. 299), M das Moment positiv, wenn es eine Vermehrung der
                              									Krümmung herbeiführt, f die Fläche des Querschnittes,
                              										η den Abstand desjenigen Punktes von der
                              									Cylinderfläche der Mittellinie, in welchem die Spannung g auftritt und r der Krümmungsradius der
                              									Schwerpunktsfaser. Nach Gleichung 207 (S. 302) ist
                           
                              -x\,f=\int_{-e_2}^{+e_1}\,\frac{\eta\,d\,f}{r+\eta}.
                              
                           η ist positiv, wenn es auf der
                              									von der Krümmungsachse abgewendeten Seite liegt.
                           Für den rechteckigen Querschnitt mit den gewählten Dimensionen ist laut Gleichung 213
                              									(S. 306)
                           
                              x=-1+\frac{r}{h}\,ln\,\frac{r+\frac{h}{2}}{r-\frac{h}{2}}.
                              
                           
                           Für den Teil „CB“ wird
                           
                              x=-1+4\,l\,\cdot\,n\,\frac{9}{7}=0,00525772.
                              
                           Für den zweiten Teil AB
                           
                              x=-1+16\,l\,\cdot\,n\,\frac{33}{31}=0,00032576.
                              
                           Dem Punkte a entspricht \eta=\frac{h}{2}. Die Normalkraft P = 0, daher die Spannung im Punkte „a“ von A
                              
                              									ausgerechnet
                           
                              \sigma=\frac{M}{16\,b\,h^2}+\frac{M\,0,5}{0,00032576\,b\,h\,\cdot\,16\,h\,\cdot\,16,5},
                              
                           das ist
                           
                              \sigma=\frac{5,8764\,M}{b\,h^2}.
                              
                           Rechnen wir von der anderen Seite, d. i. von C, dann
                              									ist
                           
                              \sigma=\frac{M}{4\,b\,h^2}+\frac{M\,\cdot\,0,5}{0,00525772\,\cdot\,b\,h\,\cdot\,4\,h\,\cdot\,4,5}
                              
                           
                              \sigma=\frac{M}{4\,b\,h^2}+\frac{M}{0,18927792\,b\,h^2}
                              
                           das ist
                           
                              \sigma=\frac{5,5332\,M}{b\,h^2}.
                              
                           Da der Unterschied in den Werten der Spannung in ein und demselben Punkte desselben
                              									Querschnittes nicht etwa einem Rechnungsfehler zuzuschreiben ist, die Möglichkeit
                              									desselben aber nicht zugegeben werden kann, so kommt man zu dem Schlusse, dass die
                              									Formel auf Grund einer Voraussetzung abgeleitet sein muss, welche mit den
                              									Verhältnissen der oben gestellten Aufgabe unvereinbar ist.
                           Zu bemerken ist noch, dass die Gleichung 1 auch geschrieben werden kann
                           \sigma=\frac{P}{f}+\frac{M}{f\,r}+\frac{M}{r\,(r\,i-f)}\,\frac{\eta}{r+\eta} . . 1b)
                           worin
                           
                              i=\int\limits_{-e_2}^{+e_1}\,\frac{d\,f}{r+\eta}
                              
                           ist.
                           Uebrigens ist die obige Aufgabe nicht die einzige, bei welcher die Gleichung 1 auf
                              									einen Widerspruch führt, es gibt auch eine andere, bei welcher die Gleichung 1
                              									geradezu unmögliche Spannungswerte ergibt, wie nachstehendes zeigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 406
                              Fig. 2.
                              
                           Es sei BAC (Fig. 2) die
                              									Schwerpunktsfaser eines Trägers von rechteckigem Querschnitt. In B wirkt die Kraft R, man
                              									bestimme die Normalspannung im Querschnitt mit OAQ.
                           Da hier r = e1 wird
                           
                              i=b\,\int\limits_{-e}^{+e}\,\frac{d\,\eta}{r+\eta}=b\,ln\,\frac{r+e}{r-e}=b\,ln\,\frac{2\,e}{0}=\infty.
                              
                           Das Moment hR strebt die krumme Mittellinie gerade
                              									zu richten, ist somit negativ. Die Normalkraft P =
                                 										Rcosφ. Wir nehmen h = 5e, somit nach der modifizierten Gleichung 1b
                           
                              \sigma=\frac{R\,cos\,\varphi}{2\,e\,b}-\frac{R\,5\,e}{2\,e\,b\,e}-\frac{R\,5\,e}{r\,\cdot\,\infty}\,\frac{\eta}{e+\eta}.
                              
                           Das letzte Glied fällt weg und für φ = 60° bleibt
                           
                              \sigma=\frac{R}{4\,e\,b}-\frac{10\,R}{4\,e\,b}=-\frac{9\,R}{4\,e\,b}=-\frac{4,5\,R}{f},
                              
                           wenn f = 2eb die Fläche des
                              
                              									Querschnittes. Nach der Gleichung 1 würde daher in jedem Punkte des Querschnittes
                              										OQ ein und dieselbe Spannung, und zwar überall
                              									Druckspannung herrschen. Eine Ausnahme macht nur die Kante O.
                           Da für diese η = – e,
                              									wird
                           
                              \sigma=-\frac{4,5\,R}{f}+\frac{5\,R\,e^2}{r\,\cdot\,\infty\,\cdot\,0}.
                              
                           Bestimmen wir den Wert von ∞ . 0.
                           Wenn r nicht gleich e, η
                              
                              									hingegen = e, dann ist der Nenner des letzten
                              									Gliedes
                           
                              \left(b\,ln\,\frac{r+e}{r-e}-f\right)\,(r-e)=(b\,ln\,[r+e]-f)\,(r-e)-b\,(r-e)\,ln\,(r-e).
                              
                           Für r = e wird
                           (bln2e – f) 0 = 0
                           nur
                           – b (c – e)ln(e – c) = b . 0 . – ∞.
                           Somit ist
                           lim – b (r – e)ln(r – e) = X
                           für r= e zu bestimmen.
                           
                              \begin{array}{rcl}X&=&lim\,\left(-b\,\frac{ln\,[r-e]}{\left[\frac{1}{r-e}\right]}\right)=lim\,\left(-b\,\frac{ln\,[r-e]}{[r-e]^{-1}}\right)\\&=&lim\,-b\,\frac{1}{(r-e)-(r-e)^{-2}}=lim\,\left(\frac{b\,[r-e]^2}{r-e}\right)\end{array}
                              
                           
                              =lim\,(b\,[r-e])=0
                              
                           
                              r=e
                              
                           Nachdem nun der Nenner von 5Re2 Null ist, wird
                           
                              \sigma=-\frac{4,5\,R}{f}+\infty=\infty,
                              
                           d.h. in der Kante O erzeugt jedes
                              									Moment eine unendlich grosse Zugspannung. Es müsste somit auch das kleinste Moment
                              									den Haken abbrechen. Unmittelbar neben der unendlich grossen Zugspannung herrscht
                              									aber schon nur mehr die in allen Punkten konstante Druckspannung =\frac{4,5\,R}{f}. Dies
                              									scheint mir der klarste Beweis für die Unhaltbarkeit der Gleichung 1 zu sein.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 406
                              Fig. 3.
                              
                           Nachdem die Gleichung 1 unter der Voraussetzung abgeleitet ist, dass die
                              									Querschnitte, welche vor der Belastung eben und senkrecht auf die Schwerpunktsfaser
                              									waren, auch während der Belastung dieselbe Form und Lage beibehalten, diese
                              									Voraussetzung aber, wie wir gesehen, unhaltbar ist, müssen wir versuchen, die
                              									Spannungsformel unter einer anderen, zutreffenderen Voraussetzung abzuleiten. Machen
                              									wir vorläufig keine andere Annahme als die, die Spannung sei der relativen Dehnung
                              									proportional, welche das Grundgesetz der heutigen Festigkeitslehre ist.
                           Es sei AA0 (Fig. 3) die Schwerpunktsfaserschichte und B0B eine beliebige, der ersteren parallele Schichte; OA0 =
                                 										r der Krümmungsradius von A0A, η der Abstand der
                              									zwei Schichten vor der Belastung.
                           SG die Schwerpunkts-, CE
                              									eine beliebige, der ersteren parallele Faserschichte in der Entfernung η.
                           Die Spannung in der Schwerpunktsfaser AA sei σ0, jene der Faser BB sei σ.
                           Der Krümmungswinkel der ersteren Faser vor und unter der Belastung sei dφ bezw. dψ; ihre
                              									Krümmungshalbmesser r und ρ.
                           Die Länge der Faser B0B während der Belastung sei CE so, dass der Fahrstrahl SE vom Schwerpunkte S nach E mit QD den Winkel dw bildet.
                           Da die ursprüngliche Länge B0B = (r + η) dφ ist, so wird sie nach der Dehnung, wenn E der Elastizitätsmodulus ist,
                           
                              (r+\eta)\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{\sigma}{E}\right)=C\,D+D\,E.
                              
                           Es ist aber
                           CD = (ρ +
                              										η) dψ DE = ηdw,
                           somit
                           
                              (r+\eta)\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{\sigma}{E}\right)=(\varrho+\eta)\,d\,\psi+\eta\,d\,w.
                              
                           Für die Schwerpunktsfaser ist einfach
                           
                              r\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{\sigma_0}{E}\right)=\varrho\,d\,\psi.
                              
                           Der Unterschied dieser zwei Gleichungen ist
                           
                              r\,d\,\varphi\,\frac{\sigma-\sigma_0}{E}+\eta\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{\sigma}{E}\right)=\eta\,d\,\psi+\eta\,d\,w,
                              
                           mit \frac{E}{d\,\varphi} multipliziert
                           
                              r\,(\sigma-\sigma_0)+\eta\,(E+\sigma)=\eta\,\left(E\,\frac{d\,\psi}{d\,\varphi}+E\,\frac{d\,w}{d\,\varphi}\right).
                              
                           Die zwei Differentialverhältnisse
                           \alpha=E\,\frac{d\,\psi}{d\,\varphi} und \zeta=E\,\frac{d\,w}{d\,\varphi} . . . . 2)
                           sind voneinander wesentlich verschieden.
                           Während \alpha=E\,\frac{d\,\psi}{d\,\varphi} sich auf jede Faserschichte des Querschnittes AB bezieht, also für diese eine konstante Grösse sein
                              									muss, kann sich \zeta=E\,\frac{d\,w}{d\,\varphi} von Faserschichte zu Faserschichte ändern, d.h. f kann
                              									auch eine Funktion von η sein.
                           a) Ist ξ = 0, dann bleiben die ebenen und auf die
                              									Schwerpunktsfaserschicht senkrechten Querschnitte des unbelasteten Trägers auch
                              									während der Belastung eben und senkrecht.
                           b) Ist ξ = konstant, dann bleiben die ebenen und
                              									senkrechten Querschnitte im belasteten Träger zwar gerade, aber nicht senkrecht zur
                              									Schwerpunktsfaserschichte.
                           c) Ist ξ = cη oder sonst
                              									eine Funktion von η, dann krümmen sich die früher
                              									senkrechten und ebenen Querschnitte infolge der Belastung.
                           Die obige Gleichung ist jetzt
                           r(σ – σ0) + η(E + σ) = η(α + ξ) . . . . . . . . . .
                              									3)
                           Man kann nun die Rechnung unter verschiedenen Voraussetzungen weiter führen.
                           A. Bisher hat man angenommen, es sei
                           ξ = 0.
                           Unter dieser Voraussetzung erhält man die Gleichung 1 oder Gleichung 1b.
                           Nach Punkt a) ist dies gleichbedeutend mit der Voraussetzung, die ebenen und
                              									senkrechten Querschnitte bleiben auch im belasteten Träger eben und senkrecht. Diese
                              									Voraussetzung machte man offenbar in der Meinung, dass man dem Problem ohne diese
                              									Vereinfachung nicht näher treten könnte, hielt sie aber kaum für ganz
                              									zutreffend.
                           Das Resultat der weiter geführten Rechnung ist dann Gleichung 1 oder Gleichung
                              									1b.
                           B. Man kann aber die Bedingung des Ebenbleibens der Querschnitte fallen lassen und
                              									die Rechnung auf folgende Weise weiter führen.
                           Dividiere ich die Gleichung 3 durch η, dann kommt
                           
                              r\,\frac{\sigma-\sigma_0}{\eta}=\alpha+\zeta-(E+\sigma).
                              
                           Diese Gleichung muss für alle Werte von η bestehen, also
                              									auch dann, wenn η = 0.
                           Damit nun \frac{\sigma-\sigma_0}{\eta} nicht unendlich gross werde, muss
                           
                              \frac{\sigma-\sigma_0}{\eta}=0
                              
                           sein, daraus folgt aber
                           ra = α +
                              										ξ – (E + σ),
                           worin a konstant sein kann, wenn
                              										(ξ – σ) konstant
                              									wird.
                           Wir erhalten somit
                           σ = σ0
                              									+ ση.
                           Nennt man das Trägheitsmoment des Querschnittes J
                              									nämlich
                           
                              J = ∫η
                              2
                              df,
                              
                           wogegen
                           ∫ηdf = 0
                           ist, dann folgt aus
                           
                              P = ∫σdf = σ
                              0
                              f,
                              
                           aus
                           
                              M = ∫σηdf = aJ,
                              
                           so dass nun wie bei geraden Trägern
                           \sigma=\frac{P}{f}+\frac{M}{J}\,\eta . . . . . . 5)
                           ist.
                           Setzt man diese Werte in die Gleichung 3 ein, dann kommt
                           \frac{r\,M}{J}+E+\frac{P}{f}+\frac{M}{J}\,\eta=\alpha+\zeta . . . 6)
                           Diese Gleichung muss für jeden Wert von η bestehen und
                              									kann es auch, sobald
                           
                              \zeta=\frac{M}{J}\,\eta
                              
                           ist.
                           Da ξ nicht konstant ist, bleiben die Querschnitte im
                              									gebogenen Stabe laut Punkt c nicht eben. Es wird mit
                              									Rücksicht auf
                           
                              \zeta=E\,\frac{d\,w}{d\,\varphi}=\frac{M}{J}\,\eta,
                              
                           und die Abweichung DE = dξ in Fig. 3 von der
                              									Ebene QD
                           dξ = ηdw,
                           d.h.
                           
                              d\,\xi=\eta^2\,\frac{M}{E\,J}\,d\,\varphi.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 407
                              Fig. 4.
                              
                           Das Integral
                           
                              \int\limits_0^\varphi\,\frac{M}{J\,E}\,d\,\varphi=C
                              
                           ist für jeden einzelnen Querschnitt, d.h. für jeden besonderen
                              									Wert von φ konstant, deshalb
                           ξ = Cη2,
                           d.h. die früher ebenen Querschnitte bilden in belasteten
                              									Trägern parabolische Cylinderflächen, wie RST in Fig. 4.
                           Die Hauptachse der Parabel ist die Tangente an die Schwerpunktsachse Sξ.
                           Die hohle Seite ist dem abgeschnittenen Trägerende zugekehrt, wenn das Moment das
                              									abgeschnittene Ende zum Krümmungsmittelpunkt biegt, also den Stab stärker krümmt, im
                              									entgegengesetzten Falle aber ist die Höhlung umgekehrt.
                           Man darf aber hierbei nicht vergessen, dass die Formänderung des Querschnittes (wegen
                              									der Veränderung der Kantenwinkel im unendlich kleinen Prisma) offenbar
                              									Schubspannungen wachruft, welche die Gestalt der gekrümmten, vorher ebenen
                              									Querschnitte jedenfalls beeinflussen, hier nicht berücksichtigt sind.
                           Nur wenn der Stab ursprünglich gerade ist, wird φ = dφ =
                              									0, daher nur dann ist dw = 0 und ξ = 0, d.h. nur dann bleiben die ebenen Querschnitte
                              									des unbelasteten Stabes auch im belasteten eben.
                           Die Gleichung 6 vereinfacht sich nun
                           
                              \frac{r\,M}{J}+E+\frac{P}{f}=\alpha=E\,\frac{d\,\psi}{d\,\varphi},
                              
                           daraus wird die Aenderung des Krümmungswinkels der
                              									Schwerpunktsfaser
                           E\,(d\,\psi-d\,\varphi)=d\,\varphi\,\left(\frac{P}{f}+\frac{M\,r}{J}\right) . . 7)
                           Ferner ist für diese Faser
                           
                              r\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{\sigma_0}{E}\right)=\varrho\,d\,\psi,
                              
                           d.h.
                           
                              r\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{P}{E\,f}\right)=\varrho\,\frac{M\,r}{E\,J}
                              
                           mit rρ dividierend
                           
                              \frac{1}{\varrho}-\frac{1}{r}=\frac{M}{\left(E+\frac{P}{f}\right)\,J}
                              
                           
                              \frac{1}{\varrho}=\frac{1}{r}+\frac{M}{\left(E+\frac{P}{f}\right)\,J}
                              
                           womit der neue Krümmungsradius der Schwerpunktsfaserschichte
                              
                              									bestimmt erscheint.
                           Da \frac{P}{f} neben E verschwindet, genügt
                           \frac{1}{\varrho}=\frac{1}{r}+\frac{M}{E\,J} . . . . . . 8)
                           Die Gleichungen 5, 7 und 8 erledigen die Frage der Biegung des krummen Trägers und
                              									beheben den Widerspruch, welcher sich bei den Spannungen zeigt, wenn man annimmt,
                              									der Krümmungshalbmesser der Schwerpunktsfaserschichte ändere sich irgendwo
                              									plötzlich.
                           Berechnen wir jetzt den Wert der Spannung in der eingangs erwähnten Aufgabe, dann
                              									finden wir
                           
                              \sigma=\frac{6\,M}{b\,h^2},
                              
                           ob wir von der einen oder anderen Seite ausgehen. Was die
                              									Krümmung der Querschnitte anbelangt, so wäre eine direkte Beobachtung derselben
                              									natürlich das sicherste Mittel zur Entscheidung der Frage. Es ist aber zu
                              									bezweifeln, dass man selbst mit den feinsten Instrumenten dieselbe wahrnehmen wird,
                              									denn erstens ist bei allen Materialien, selbst Gummi, die Spannung σ so klein gegen den Elastizitätsmodulus, dass in der
                              									Gleichung 3 statt E + σ
                              									unbedingt E allein gesetzt werden kann, und dann kann
                              									auch ξ = 0 sein, d.h. die Krümmung der Querschnitte ist
                              									eine verschwindende Grösse; zweitens wirken der Entstehung der Krümmung, wie schon
                              									erwähnt, die auftretenden Schubspannungen entgegen, besser gesagt, ziehen die
                              									ohnehin kaum merkbare Grösse noch herab.
                           Ich habe mit verschiedenen geschlossenen und offenen Gummiringen, ferner mit
                              									verschieden gekrümmten Guttaperchastücken, unter anderem auch S-förmigen Stücken von
                              									rechteckigem Querschnitte, Versuche gemacht, aber die vorher mit Bleistift
                              									bezeichneten oder fein eingeritzten ebenen Querschnitte haben keine Spur von
                              									Krümmung gezeigt, obwohl bei den Guttaperchastücken schon der Kiss begann.
                           Es ist ja möglich, dass die Integration der richtigen Differentialgleichungen, welche
                              									sich auf den krummen Träger beziehen, auf die Art, wie sie de Saint-Venant für den geraden Träger durchgeführt hat, dahin führt, dass
                              									die Querschnitte eben bleiben, obgleich die Spannung eine lineare Funktion der
                              									Koordinaten des betreffenden Punktes im Querschnitte, d.h. in unserem Falle
                           σ = aη + b
                           ist. Dann kann die nachstehende Darstellung der Wahrheit
                              									am nächsten stehen.
                           Es sei in Fig. 5
                              									ABCD ein differentialer Teil
                              									eines krummen Trägers, QS0
                              									= r der Krümmungshalbmesser der Schwerpunktslinie.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 408
                              Fig. 5.
                              
                           Das Moment M, welches auf den Querschnitt CD wirkt, verdreht denselben
                              									so, dass er in die Stellung EF kommt. Der Winkel CGE = dw ist dann die Zunahme des Krümmungswinkels, so
                              									dass, wenn OS = ρ der neue Krümmungshalbmesser
                           rdφ = ρdψ0
                              									= dl
                           ist.
                           Ferner ist, wenn σ die Spannung in G, σ0 jene in S ist
                           
                              \frac{d\,l\,(\sigma-\sigma_0)}{E}=C\,E
                              
                           und
                           \frac{C\,E}{S\,C}=\frac{d\,l\,(\sigma-\sigma_0)}{\eta\,E}=d\,\omega=d\,\psi_0-d\,\varphi . 9)
                           Es ist aber
                           
                              σ – σ
                              0
                              = aη,
                              
                           daher
                           σ = aη + σ0,
                           somit, wenn P die Normalkraft und
                              
                              										M das biegende Moment ist
                           
                              P = ∫σdf = a∫ηdf+ σ
                              0
                              ∫df,
                              
                           d. i.
                           
                              P = σ
                              0
                              f
                              
                           und
                           
                              M = ∫σηdf = a∫η
                              2
                              df +σ
                              0
                              ∫ηdf,
                              
                           d. i.
                           M = aJ,
                           d.h.
                           
                              a=\frac{M}{J},
                              
                           also ist, wie nach Gleichung 5,
                           
                              \sigma=\frac{M}{J}\,\eta+\frac{P}{f}.
                              
                           Dies in die Gleichung 9 eingesetzt, gibt
                           
                              \frac{M}{E\,J}=\frac{d\,\psi_0}{d\,l}-\frac{d\,\varphi}{d\,l}=\frac{1}{\varrho}-\frac{1}{r},
                              
                           oder wie Gleichung 8
                           
                              \frac{1}{\varrho}=\frac{1}{r}+\frac{M}{E\,J}.
                              
                           Die Normalkraft P dehnt die Fasern, trotz ihrer durch
                              									das Moment hervorgerufenen verschiedenen Spannungen, im gleichen Verhältnis,
                              
                              									z.B.
                           
                              E\,G=B\,E\,\frac{\sigma_0}{E};\ S\,K=S_0\,G\,\cdot\,\frac{\sigma_0}{E},
                              
                           also
                           
                              E\,G=(\varrho+\eta)\,(d\,\psi-d\,\psi_0)=(\varrho+\eta)\,d\,\psi_0\,\frac{\sigma_0}{E},
                              
                           
                              S\,K=\varrho\,(d\,\psi-d\,\psi_0)=\varrho\,d\,\psi_0\,\frac{\sigma_0}{E}.
                              
                           Die Querschnitte bleiben dann eben. Der Unterschied dieser zwei Gleichungen gibt
                           
                              \eta\,(d\,\psi-d\,\psi_0)=\eta\,d\,\psi_0\,\frac{\sigma_0}{E},
                              
                           somit
                           
                              d\,\psi=d\,\psi_0\,\left(1+\frac{\sigma_0}{E}\right).
                              
                           Weil aber
                           rdφ = ρdψ0
                           ist, folgt.
                           
                              d\,\psi_0=\frac{r}{\varrho}\,d\,\varphi,
                              
                           
                           also
                           
                              d\,\psi=\frac{r}{\varrho}\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{\sigma_0}{E}\right)=\frac{r}{\varrho}\,d\,\varphi\,\left(1+\frac{P}{E\,f}\right).
                              
                           Aus der Gleichung 5 erhält man
                           
                              \frac{r}{\varrho}=1+\frac{M\,r}{E\,J}.
                              
                           Dies eingesetzt
                           
                              d\,\psi=d\,\varphi\,\left(1+\frac{M\,r}{E\,J}\right)\,\left(1+\frac{P}{E\,f}\right).
                              
                           Da \frac{M\,r}{E\,J}\,\cdot\,\frac{P}{E\,f} wegen dem sehr grossen Werte von Einnerhalb der Fehlergrenzen liegt, kann man auch nehmen
                           
                              E\,(d\,\psi-d\,\varphi)=d\,\varphi\,\left(\frac{M\,r}{E\,J}+\frac{P}{E\,f}\right)
                              
                           und dies ist unsere Gleichung 7.
                           Nur genaue Versuche können entscheiden, ob sich die Querschnitte des krummen Trägers
                              									bei der Belastung krümmen oder nicht, ob somit unsere erstere oder letztere
                              									Darstellung und Anschauung richtig ist; so viel steht aber schon jetzt fest, die
                              									Gleichung 1 mitsamt ihrer Ableitung ist unhaltbar, weil sie auf zu augenscheinliche
                              									Widersprüche führt.