| Titel: | Veränderliche Riemenübertragung für Selbstfahrer von R. de Montais. | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 780 | 
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                        Veränderliche Riemenübertragung für Selbstfahrer
                           								von R. de Montais.
                        Veränderliche Riemenübertragung für Selbstfahrer von R. de
                           
                           
                           								Montais.
                        
                     
                        
                           Hinsichtlich der vielen Gattungen von Selbstfahrern, welche von Motoren
                              
                              									angetrieben werden, die weder das Anpassungsvermögen von Dampfmaschinen noch deren
                              									leichte Lenksamkeit besitzen, wird neuestens in französischen Fachkreisen die
                              									nachstehend zu schildernde, in Fig. 1 und 2
                              									ersichtlich gemachte Riemenübertragung als ganz besonders vorteilhaft und
                              									zweckdienlich anempfohlen. Wie der Präsident der Société
                                 										d'Encouragement pour l'industrie nationale im Junihefte der Bulletins
                              									dieser Gesellschaft mitteilt, sind durch eine Kommission aus sachverständigen und
                              									interessierten Vereinsmitgliedern mit einem besonderen, von einem Benzinmotor
                              									angetriebenen Versuchswagen zahlreiche Erprobungen der de
                                 										Montais'schen Uebertragung durchgeführt worden, welche trotz der etwas
                              									flüchtigen und mangelhaften Ausführung der zur Verfügung stehenden Vorrichtung
                              									durchaus so günstige Ergebnisse erzielen liessen, dass hierdurch die vorteilhafte
                              									Ausnutzbarkeit des betreffenden Konstruktionsprinzipes ganz ausser Frage gestellt
                              									erscheint.
                           Bei der in Rede stehenden Vorrichtung, deren GesamtanordnungFig. 1 zeigt, läuft der
                              									endlose Treibriemen, dessen Aufgabe es ist, die Nutzwirkung des Motors von der Welle
                              										w1 auf die
                              									Arbeitswelle w2 zu
                              									übertragen, über zwei Riemenscheiben s'1 und s'2 von veränderlichem Durchmesser. Diese
                              									Veränderlichkeit wird dadurch erzielt, dass eben die Felgen und Speichen der beiden
                              									Riemenscheiben, ähnlich wie die Flügel gewisser regulierbarer Garnhaspel,
                              									verstellbar sind. Besonders deutlich lässt sich das Nähere dieser Anordnung aus dem
                              									durch die Längsachse der Welle w1 gelegten Querschnitt (Fig. 2) ersehen. Von den
                              									drei Naben des Riemenscheibengestelles s'1 sitzen die zwei seitlichen n1 und n2, welche durch 6, 8 oder mehr Paare gleich langer
                              									stählerner Gelenkspangen g gegenseitig verbunden sind,
                              									nur lose auf der Welle w1, wogegen die dritte, nämlich die mittlere Nabe n auf w1 bei
                              										d festgekeilt ist und mit jedem einzelnen oder
                              									wenigstens mit jedem zweiten Speichenpaar durch die angelenkten Stahlspangen hh in Verbindung steht. Die sämtlichen äusseren
                              									Speichenenden tragen dann noch durch Federn a nach
                              									auswärts gepresste kurze Felgenstücke b aus Stahlblech,
                              										die zur
                              									Aufnahme des Treibriemens an ihrer Mantelfläche schwach erhöht und an den beiden
                              									Seiten mit aufgebogenen Schutzrändern c versehen sind,
                              									die das Abgleiten des Riemens verhindern. Vermöge der Gelenksverbindungen in den
                              									Speichen wird sich also der Halbmesser der Riemenscheibe beim Auseinandergehen der
                              
                              									beweglichen Naben n1
                              									und n2 verkleinern und
                              									umgekehrt beim gegenseitigen Näherrücken von n1 und n2 sich vergrössern. Zwei kräftige Spiralfedern,
                              									welche w1 umgeben und
                              
                              									zwischen den Lagergehäusen der Welle und den beweglichen Naben eingespannt sind,
                              									haben dauernd das Bestreben, die beiden letzteren einander zu nähern, während sie
                              									umgekehrt durch den über einen Teil des Felgenpolygons laufenden Treibriemen
                              									auseinander gepresst werden. Der Druck des Riemens ist jedoch weit kräftiger als der
                              									Federndruck, weshalb der erstere stets ein Auseinandergehen der beweglichen Naben,
                              									d.h. eine Verkürzung des Scheibendurchmessers bewirkt, wenn die Federkraft nicht in
                              									irgend einer Weise unterstützt wird. Die Anordnung und Ausstattung der Arbeitswelle
                              										w2 (Fig. 1) ist ganz dieselbe
                              									wie die soeben geschilderte, lediglich mit dem Unterschiede, dass hier der Druck der
                              									beiden Spiralfedern f3
                              									und f4, welcher
                              									seitlich auf die beweglichen Naben der Riemenscheibe s'2 einwirkt, jenen des Treibriemens
                              									überwiegt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 316, S. 781
                              Veränderliche Riemenübertragung für Selbstfahrer von de Montais.
                              
                           Um nun Verschiebungen der Naben bezw. Aenderungen in den Scheibendurchmessern nach
                              									Erfordernis und Belieben durchführen zu können, sind zwei Schienen e1 und e2 (Fig. 1) vorhanden, welche
                              									mit dem einen Ende in einem genügend weiten Schlitze einer an dem Gestelle der
                              									Gesamtvorrichtung festgemachten Querleiste ruhen, während sie mit dem vorderen Ende
                              									durch einen Drehbolzen x1 bezw. x2
                              									mit je einer Schraubenmutter in Verbindung gebracht sind, die auf einer Schraube s1 bezw. s2 läuft. Die beiden
                              									Schrauben s1 und s2 sind auf einer
                              									gemeinsamen Spindel, jedoch verkehrt, geschnitten; sie drehen sich also
                              									gleichzeitig, wenn das auf der Schraubenspindel festgekeilte Kegelrad r1 durch Drehung eines
                              									in dasselbe eingreifenden Kegelrades r2 angetrieben wird. Wird die zu diesem Behufe auf
                              									der Achse vor r2
                              									aufgesetzte, in der Zeichnung nicht dargestellte Handkurbel nach rechts oder nach
                              									links gedreht, so laufen die Muttern x1 und x2 gleichmässigauseinander oder sie nähern sich.
                              									Letzterenfalls werden durch e1 und e2 die
                              
                              									beweglichen Naben der Riemenscheibe s'1 gegeneinander gedrückt und daher der Halbmesser
                              									von s'1 vergrössert.
                              									Die hierdurch herbeigeführte Erhöhung der Riemenspannung überwindet an der
                              									Riemenscheibe s'2 den
                              									Druck der Federn f3 und
                              										f4, weshalb sich
                              									hier die beiden beweglichen Naben voneinander entfernen und der Scheibenhalbmesser
                              									sich verkleinert. Erfolgt der vorgedachte Handkurbelantrieb nach der anderen
                              									Drehrichtung, dann werden die beiden Schienen e1 und e2 voneinander entfernt, so dass hierdurch genau die
                              									entgegengesetzten Wirkungen erzielt werden als vorhin; der Halbmesser von s'1 wird kleiner, jener
                              									von s'2 grösser.
                           Es ist leicht einzusehen, dass auf diese Art die Uebertragung innerhalb gewisser
                              									Grenzen beliebig einreguliert werden kann, und dass bei richtiger Bemessung der
                              									Federpressungen der Riemen stets gut gespannt sein wird. Das sonst namentlich bei
                              									Selbstfahrern mit Riemenübertragungen so leicht vorkommende gefährliche Abgleiten
                              									der Treibriemen kommt bei der de Montais'schen
                              									Anordnung nie vor; das Abändern des Uebertragungsverhältnisses geschieht bei
                              									derselben weitaus leichter, ruhiger und sicherer als bei anderen. Es fällt dieser
                              									Umstand für Selbstfahrer um so günstiger ins Gewicht, als die Widerstände, welche
                              									sich während der Fahrt ergeben, so sehr veränderlich sind, sowohl wegen der
                              									ungleichen Gefällsverhältnisse als zufolge des verschiedenen Bodenmaterials und des
                              									sehr ungleichen Zustandes der Wege. Die bisher zur Bekämpfung dieser schwankenden
                              									Erfordernisse in der Regel verwendeten, aus mehreren verschiedenen Zahnradvorgelegen
                              									bestehenden Reguliervorrichtungen haben zuvörderst ein grosses Eigengewicht, sind
                              									ferner trotz aller Schutzhauben sehr leicht Beschädigungen durch Staub, Sand,
                              									einspringende Steinchen o. dgl. ausgesetzt und einer raschen Abnutzung unterworfen.
                              									Ihr Hauptfehler aber besteht bekanntlich darin, dass sich der Wechsel von einem
                              									Uebersetzungsverhältnis zum anderen nur ruckweise vollziehen lässt, statt, wie es
                              									erwünscht wäre, in sanften, unmerklichen Uebergängen. Von allen diesen Uebelständen
                              									ist die oben geschilderte Riemenübertragung vollständig frei und namentlich erfolgt
                              									bei derselben, wie die Versuche zeigten, der Wechsel in den
                              									Uebertragungsverhältnissen ganz sanft und geräuschlos bei einer Bedienung, die mit
                              									keinerlei Anstrengung verbunden ist und an Einfachheit, Raschheit und Bequemlichkeit
                              									wirklich nichts zu wünschen übrig lässt. Man hat es wiederholt versucht, die
                              									Geschwindigkeiten von der geringsten plötzlich in die grösste oder umgekehrt von der
                              									grössten in die geringste übergehen zu lassen, und die Vorrichtung entsprach hierbei
                              									jedesmal ihrer Aufgabe nicht nur ganz richtig, sondern auch gleichmässig sanft und
                              									ohne Stösse.
                           Ein eigentümlicher, aber besonders wertvoller Vorzug der Vorrichtung liegt nach der
                              									Ueberzeugung der Versuchskommission endlich auch noch in der überaus einfachen,
                              									raschen und wirksamen Art der Bremsung, die sie zulässt. Die betreffende Bremse
                              									besteht lediglich aus einem Stellhebel oder aus einer Schraubenspindel mit Handrad
                              									oder Kurbel, welche Teile in gewöhnlicher Anordnung auf einen Hebel g1 (Fig. 1) anziehend oder
                              									loslassend einwirken. Der Hebelarm g1 erfasst, wenn er angezogen wird, die Feder f4 und drückt dieselbe
                              									zusammen, weshalb die beweglichen Naben des Speichengestelles der Riemenscheibe s'2 sich voneinander
                              									entfernen und der Halbmesser von s'2 sich demzufolge verkleinert; je nach Massgabe
                              									dieser Verkleinerung bezw. je nach der Vergrösserung der Weglänge des angezogenen
                              									Bremshebels g1
                              									vermindert sich die Spannung bezw. die Nutzreibung des Treibriemens, bis dieselbe
                              									allenfalls durch die völlige Erschlaffung des Treibriemens ganz aufhört. Durch
                              									späteres Lüften des Bremshebels g1 wird vermöge des Druckes der Spiralfeder f4 der ursprüngliche
                              									Zustand der Uebertragung wieder hergestellt. Bei Selbstfahrern kann natürlich an den
                              									Hebel g1 mit Vorteil
                              									gleich auch ein gewöhnliches Bremsbackengestänge für die Treib- und Laufräder des
                              									Fahrzeuges angeschlossen sein.
                           So weit der eingangs erwähnte Bericht, welcher der Sachlage völlig entsprechen
                              									dürfte, da ja die Vorrichtung, obwohl sie nur aus lauter altbekannten Elementen
                              									besteht, in der
                              									That geeignet erscheint, den in Frage kommenden Zwecken bestens zu dienen; allein
                              
                              									sie entbehrt wohl auch nicht ihrer Schattenseiten. Hierzu gehört in erster Linie der
                              									Kraftverlust durch die Reibung beim Klemmen der Riemenscheibe s'1 (Fig. 1) mittels der
                              									Schienen e1 und e2, ein Uebelstand, der
                              									sich kaum gänzlich bekämpfen lassen dürfte. Nennenswerter erscheint allerdings die
                              
                              									Schwierigkeit, den Federn f1 bis f4
                              									diejenige Spannung zu erteilen, welche sie besitzen müssen, um ihre ausgleichenden
                              									Wirkungen, die unter den verschiedensten Verhältnissen immereine Art
                              									Gleichgewicht zu stände zu bringen haben, pünktlich auszuüben. Am allerschwierigsten
                              									dürfte es aber sein, die gehörig bemessenen Federspannungen dauernd auf der
                              
                              
                              									richtigen Höhe zu erhalten, da in dieser Beziehung bei langen Stahldrahtspiralen
                              									bekanntlich nicht nur durch Temperaturunterschiede, sondern auch als Folge des
                              									längeren Gebrauches an sich störende Einflüsse ausgeübt werden und insbesondere
                              									durch fortgesetztes Rütteln die Elastizität des Federnmaterials oder selbst die
                              									Kohärenz des Stahles nachteiligen Veränderungen unterworfen ist.