| Titel: | Naphtha als Brennmaterial für Dampfkesselheizung. | 
| Autor: | Hoh. Winkel | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 783 | 
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                        Naphtha als Brennmaterial für
                           								Dampfkesselheizung.
                        Von Hoh. Winkel, Ingenieur.
                        Naphtha als Brennmaterial für Dampfkesselheizung.
                        
                     
                        
                           In der folgenden Besprechung sollen einige beschreibende Aufschlüsse über die
                              									Naphtha als Brennmaterial, besonders für Dampfkesselheizungen, über seine Anwendung,
                              									sein Vorkommen und seine Zukunft gegeben werden.
                           In umgekehrter Reihenfolge beginne ich mit der Beschreibung einiger Kesselheizungen,
                              									für welche die Verwendung von Naphtha grosse Vorteile in sich bergen dürfte.
                           Zu den schwierigsten, dabei aber auch wichtigsten Dampfkesselfeuerungen, welche in
                              									Betrieb gehalten werden, sind diejenigen auf Lokomotiven und Seedampfern zu rechnen.
                              									Ist das Heizen von Dampfkesseln schon für sich keine leichte Arbeit, so wird sie in
                              									diesen Fällen noch erschwert dadurch, dass die Arbeitsplätze sich in Bewegung
                              									befinden und räumlich äusserst beschränkt sind. Trotz dieser ungünstigen Bedingungen
                              									werden an die zu leistende Arbeit ständig wachsende Anforderungen gestellt. Denken
                              									wir uns um 20 bis 30 Jahre zurück, so hatten wir für Lokomotiven eine
                              									Geschwindigkeit von 40 bis 50 km pro Stunde und besassen dieselben für Personenzüge
                              									ein Gewicht von 35 bis 45 t. Heute wird eine Geschwindigkeit von 60 bis 80 km
                              									verlangt, und müssen die Maschinen, um die durch die grossen Pullmann-Wagen
                              									erschwerten Züge bewältigen zu können, ein Gewicht von 80 bis 100 t haben. Für
                              									Dampfschiffe der Kriegs- und Handelsmarine waren zu jener Zeit Geschwindigkeiten von
                              									12 bis 14 Knoten pro Stunde und Schiffe mit 6000 t Wasserverdrängung ganz
                              									respektable Leistungen, und als damals Schichau in
                              									Elbing die ersten Torpedoboote mit 16 bis 18 Knoten Geschwindigkeit baute, glaubte
                              
                              									man in Fachkreisen, damit das Möglichste erreicht zu haben. Heute verlangt man
                              									selbst für grosse Schiffe Geschwindigkeiten von 18 bis 24 Knoten und Deplacements
                              									von 10000 bis 20000 t; – für Torpedoboote und deren Divisionsschiffe sind sogar
                              									schon Geschwindigkeiten von 33 Knoten erzielt worden, und das mit der Hoffnung, noch
                              									mehr erreichen zu können.
                           In dem genannten Zeitraume sind also, wie wir sehen, die Leistungen in Bezug auf
                              									Geschwindigkeit und Gewicht für Lokomotiven und Schiffe geradezu verdoppelt worden,
                              									und niemand wird behaupten wollen, dass nunmehr das ersehnte Ziel erreicht sei; im
                              									Gegenteil, Wettbewerb und Erfordernis drängen zu stets vermehrten Leistungen. Wir
                              									wissen nun aber auch, dass diese grösseren Leistungen abhängig sind von der zu
                              									entwickelnden Dampf kraft und Dampfmenge, welche ihrerseits wieder in direktem
                              									Verhältnis zu der Menge des aufzuwendenden Brennmaterials, d. i. hier der Steinkohle
                              									stehen.
                           Es wäre ja keine zu grosse Schwierigkeit, Maschinen und Kesselanlagen für jede, noch
                              									so grosse Leistung zu bauen, aber sowohl für Lokomotiven als auch für die
                              									Maschineneinrichtung auf Schiffen hat der Konstrukteur in Bezug auf
                              									Raumbeanspruchung nicht ganz freie Hand. Für erstere ist bekanntlich das
                              									Normalprofil, d. i. eine über die Schienen gedachte Thoröffnung von ganz bestimmten
                              
                              									Abmessungen, diejenige Grösse, welche von keinem, auch noch so kleinen Teil der
                              									Lokomotive überragt werden darf, in welchen Rahmen die Maschine also
                              									hineinkonstruiert werden muss, während nur für die Länge eine gewisse Freiheit
                              									erlaubt ist. In Schiffen, welche schonso wie so einen beschränkten Raum
                              									darstellen, kann für die Maschinenanlage nebst Kesseln und Brennmaterialräumen auch
                              									nur ein gewisser Teil abgegeben werden, insofern ein Schiff noch seinen weiteren
                              									Bestimmungen, sei es zur Personen- oder Frachtbeförderung, sei es als Kriegsschiff,
                              									dienen soll.
                           In beiden Fällen werden die Konstrukteure allen Scharfsinn aufzubieten haben, um in
                              									einen gegebenen Raum eine der geforderten Kraftleistung entsprechende Maschine
                              									hineinzubauen. An den heutigen Lokomotiven sehen wir schon äusserlich, wie sich der
                              									Konstrukteur manchmal hat helfen müssen, wie hier z.B. der Schornstein zu einem, den
                              									Zweck kaum verratenden Stutzen zusammengeschrumpft ist, da der Kessel den
                              									verfügbaren Raum einnimmt; aber noch eins sehen wir, dass für den Raum, in dem der
                              									Mensch zu arbeiten hat, dass für den Führer- und Heizerstand der Konstrukteur keinen
                              									Platz mehr übrig hatte, er ist derselbe geblieben wie früher so jetzt, und doch
                              									muss, wie nachgewiesen wurde, jetzt auf demselben Platze die doppelte Arbeit gegen
                              									früher geleistet werden.
                           Das Gleiche gilt in noch verstärktem Masse von den Heizräumen in den Schiffen: die
                              									Ausnützung des verfügbaren Raumes zur Unterbringung von Maschinen, Kesseln und
                              									Kohlenbunkern ist bis auf das Möglichste getrieben, auf kleinstem Raum wird die
                              									gesamte Dampfanlage zusammengedrängt, welche diese schwimmenden Paläste, diese
                              									Warenspeicher, diese schwimmenden Festungen mit Geschwindigkeiten von bald 40 km pro
                              									Stunde durch die Meere treiben. Aber auch hier kann der Konstrukteur einen, der zu
                              
                              									leistenden Heizerarbeit mit ihrer unvermeidlichen Hitze, entsprechenden Arbeitsraum
                              									nicht erübrigen; mit der Vermehrung der geforderten Arbeit hat die eigentlich
                              									notwendige Vergrösserung der Heizräume nicht Schritt gehalten.
                           Wenn auch heute noch der Betrieb aufrecht erhalten werden kann, so geschieht es mit
                              									den grössten Anstrengungen; bei einer weiteren Vermehrung der Kraft, zur Erlangung
                              									noch grösserer Geschwindigkeit, wird aber sehr bald die Grenze der Möglichkeit
                              									erreicht sein. Für die Schiffe der Handelsmarine, welche die heissen Zonen befahren,
                              									ist es hinlänglich bekannt, dass sie zur Kesselheizung europäische Arbeiter nicht
                              									mehr brauchen können, vielmehr solche von südlichen Rassen benutzen müssen, welche
                              									den Einflüssen grosser Hitze besser widerstehen können. Ferner brachten die
                              									Zeitungen die Mitteilung, dass bei den diesjährigen Seemanövern der französischen
                              
                              									Flotte ein ganz neues Kriegsschiff zum Umbau zurückgezogen werden musste, weil beim
                              
                              									Heizen von nur 24 der vorhandenen 36 Kessel die Temperatur in den Heizräumen schon
                              									auf 62 ° C. stieg, ein Arbeiten also fürder unmöglich war. In diesem Falle war also
                              									die Grenze der Möglichkeit überschritten. Durch Kunst wird ja auch hier Rat
                              									geschaffen werden, aber der Dampfbetrieb und die Seele desselben, die Heizung, wird
                              									eine gekünstelte sein und bleiben, und wird wenig mit der Betriebseinfachheit und
                              									Sicherheit, welche für ein Kriegsschiff erforderlich ist, im Einklang stehen.
                           Um ein Bild der auf einem Schiffe zu leistenden Heizerarbeit zu erhalten, nehme ich z.B. die Angaben
                              									über den Dampfer „Kronprinz Wilhelm“ des Norddeutschen Lloyd. Das Schiff führt für seine Maschinen, von zusammen
                              									35000 PS, 16 grosse Kessel, davon 12 Doppel- und 4 einfache Kessel an Bord. Die
                              									Bunker fassen 4450 t und der tägliche Verbrauch beträgt 500 t Steinkohlen. Die
                              									Mannschaft zählt über 500 Mann. Diesen Zahlen zufolge ist der tägliche
                              									Brennmaterialverbrauch also ein Eisenbahnzug von 50 Waggon Kohlen, und stündlich
                              									müssen über 2 Waggonladungen aus den Bunkern vor den Kessel geschafft und von hier
                              									aus schaufelweise auf die Roste aufgeworfen werden. Bedenkt man, dass dabei die
                              
                              									Bewegungen des Schiffes und die strahlende Hitze der Kessel und der Feuerungen mit
                              									ausgehalten werden müssen, so kann man sich vorstellen, welche gewaltige Arbeit
                              									dabei geleistet werden muss, und erklärt sich dadurch auch der grosse
                              									Mannschaftsbedarf.
                           Auf den Eisenbahnen wie bei der Schiffahrt werden die heute erreichten
                              									Geschwindigkeiten noch ohne Anstand gefahren. Diese Geschwindigkeiten dürften aber
                              									noch nicht das letzte Wort sein. Für die Eisenbahnen liegen ja bereits die
                              									endgültigen Projekte für bedeutende Geschwindigkeitsvermehrungen vor, welche mit
                              									Zuhilfenahme der Elektrizität auch erreicht werden können. Für die Schifffahrt mit
                              									ihrer freien Bewegung, gegenüber der zwangläufigen der Eisenbahnen, ist der Ausweg
                              									zu einer derartig radikalen Umwälzung noch nicht geboten; wird hier ebenfalls eine
                              									erhebliche Geschwindigkeits- und damit Kraftvermehrung gefordert, so muss, falls mit
                              									dem jetzigen Steinkohlenbetrieb die Grenze der Möglichkeit erreicht wird, ein
                              									besseres Brennmaterial, welches höhere Effekte erzielt, gesucht werden. – Ein
                              									solches ist vorhanden, es ist die Naphtha!
                           Naphtha oder Petroleum, auch Erdöl, Steinöl und Bergöl genannt, ist bekanntlich ein
                              									Naturprodukt, welches sowohl in gasförmigem wie in tropfbar-flüssigem Zustande im
                              									Erdinneren vorkommt und im Grossbetriebe durch Tiefbohrungen gewonnen wird. Es ist
                              
                              
                              									in seiner chemischen Zusammensetzung eine Verbindung von Kohlenstoff mit
                              									Wasserstoff, also ein Kohlenwasserstoff von, je nach dem Fundort und dessen
                              									geologischem Alter, verschiedener Zusammensetzung. Die Rohnaphtha, wie sie aus dem
                              									Erdinneren gewonnen wird, stellt dabei ein Gemenge von verschiedenen, schwerer und
                              									leichter flüchtigen Oelen dar, im Gesamtprodukt jedoch ein dickflüssiges Oel von
                              									schwarzgrüner Farbe, mit einem spezifischen Gewicht von etwa 0,81 bis 0,88 und einem
                              
                              									Entflammungspunkt von etwa 24 bis 35° C. Rohnaphtha ist daher seiner Konsistenz
                              									halber nicht direkt als Lampenöl und seiner leichten Entflammbarkeit wegen auch
                              									nicht direkt als Brennmaterial, ausgenommen etwa an dem Gewinnungsplatze selbst, zu
                              									verwenden. Sie muss zum Zwecke ihrer Verwendung bearbeitet werden.
                           Durch Destillation wird das Rohprodukt in verschiedene Oele von entsprechend
                              									einheitlichem spezifischen Gewicht und Entflammbarkeit getrennt, um dann durch
                              									weitere Behandlung zu, verschiedenen Zwecken dienender, marktfähiger Ware
                              									verarbeitet zu werden.
                           So werden z.B. die amerikanischen Rohöle (Pennsylvanien) verarbeitet in:
                           
                              
                                   8
                                 bis
                                 10 %
                                 Gasolin
                                 Spez.
                                 Gew.
                                 0,645
                                 S.-P.
                                   18°
                                 C.S.-P.
                                          													Siedepunkt, Fl.-P. Entflammungspunkt.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 und Benzin
                                 „
                                 „
                                 0,73
                                 „
                                   70°
                                 „
                                 
                              
                                 70
                                 „
                                 80 „
                                 Lampenpetroleum
                                 „
                                 „
                                 0,796
                                 Fl.-P.
                                   22°
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                             „
                                 „
                                 „
                                 0,788
                                 „
                                   38°
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                             „
                                 „
                                 „
                                 0,825
                                 „
                                 121°
                                 „
                                 
                              
                                   5
                                 „
                                   9 „
                                 Rückstände, welche zur Oelgasbereitung ver-wandt oder auf
                                    											Schmieröle und Paraffin ver-arbeitet werden.
                                 
                              
                           Die kaukasischen Rohöle werden verarbeitet in:
                           
                              
                                   2
                                 bis
                                 10 %
                                 Benzin
                                 Spez.
                                 Gew.
                                 0,75
                                 S.-P. 60 bis
                                   80° C.
                                 
                              
                                 25
                                 „
                                 35 „
                                 Lampenpetroleum
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 oder Kerosin
                                 „
                                 „
                                 0,825
                                 Fl.-P.
                                   29° „
                                 
                              
                                 
                                 
                                   4 „
                                 Solaröl
                                 „
                                 „
                                 0,875
                                 „
                                 105° „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 zur Oelgasbereitung und
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 50
                                 „
                                 70 „
                                 Rückstände: Spez. Gew. 0,9 b. 0,915, Fl.-P. 80 b. 170°
                                    											C.welche teilweise zu Schmierölen verarbeitet, derHauptsache nach
                                    											aber als Brennmaterial verwandtwerden.
                                 
                              
                           Diese Zusammenstellung, in welche nur die hauptsächlichsten Destillate aus
                              									Rohnaphtha aufgenommen sind, zeigt einerseits die Verschiedenartigkeit der zu
                              									gewinnenden Produkte, andererseits zeigt sie den vorher erwähnten Unterschied
                              									zwischen Naphtha von älterem und jüngerem geologischen Alter, insofern die
                              
                              									pennsylvanischen Oele solche von altem Vorkommen aus der devonschen Formation,
                              									diejenigen des Kaukasus aber der jüngeren tertiären Periode zuzuzählen sind. Erstere
                              									gibt bis 90 % leichtere Oele und geringe, dabei paraffinhaltige Rückstände; letztere
                              									dagegen nur 30 bis 50 % leichtere Oele und 50 bis 70 % Rückstände, welche nur Wert
                              									als Brennmaterial haben. Die geologisch älteren Oele sind daher die wertvolleren,
                              									solange es Zweck der Petroleumindustrie ist, Lampenöle zu produzieren, welches
                              									Verhältnis sich aber zu Gunsten der jüngeren Oele ändert, sobald Naphtha als
                              									Brennmaterial die ihm gebührende Beachtung und Verwendung findet.
                           Hier möchte ich eine Bemerkung bezüglich der bisher vorgekommenen und noch
                              									vorkommenden Benennungen über das zu besprechende Naturprodukt einschalten.
                              									Petroleum ist schon seit alten Zeiten bekannt; eine Petroleumindustrie besteht aber
                              									erst seit etwa 40 Jahren, d. i. seitdem es in Amerika gelungen ist, aus dem
                              									Naturprodukt durch Destillation ein brauchbares, in Lampen zu brennendes Leuchtöl im
                              									grossen herzustellen. Da diese Industrie also noch verhältnismässig jung ist und
                              									sich der Hauptsache nach nur in Amerika und Russland konzentrierte, so haben sich,
                              									verstärkt durch die Sprachverschiedenheit in den beiden Zentren, noch keine
                              									feststehenden Benennungen für deren Produkte eingebürgert. In Deutschland wird mit
                              										„Petroleum“ das zum Brennen in Lampen taugliche Mineralöl bezeichnet; in
                              									Amerika wird unter „petroleum“ und „crude petroleum“ das Rohöl
                              									verstanden, wogegen das erstere unter den Namen „ordinary lamp oil“,
                              										„water-white-oil“, „high-test-oil“ u.s.w. geht. In Russland wird
                              									das Rohöl mit „Naphtha“, das daraus destillierte Lampenöl mit
                              										„Kerosin“ und die Rückstände mit „Masut“ oder „Ostatki“
                              									bezeichnet. Mit diesen Benennungen „Naphtha, Kerosin und Masut“ wären nun
                              
                              									eigentlich drei sehr scharf ausgeprägte und nicht zu verwechselnde Bezeichnungen
                              									gegeben, von denen die beiden ersteren auch schon Eingang, selbst unter den
                              									englischen Benennungen gefunden haben, wogegen die Benennung „Masut“ sogar in
                              									Russland nicht Wurzel fassen konnte, so dass z.B. die Heizung mit Masut allgemein
                              									Naphthaheizung genannt wird. – Der leichteren Verständlichkeit halber behielt ich
                              									deshalb diese Bezeichnung auch bei, bezeichne dann aber auch das dabei zur
                              									Verwendung kommende Brennmaterial, der Kürze und Einfachheit halber, mit
                              										„Naphtha“, statt jedesmal „Naphtharückstände“ zu sagen, und
                              									unterscheide davon das Rohprodukt mit „Rohnaphtha“. Naphtharückstände und
                              									Rohnaphtha unterscheiden sich übrigens im äusseren Aussehen sehr wenig voneinander,
                              
                              									sie sind beide dickflüssig und von dunkler Farbe, so dass sie nur durch Feststellung
                              									des spezifischen Gewichtes und des Entflammungspunktes bestimmt werden können, die
                              									ungenaue Bezeichnung dürfte deshalb keine besondere Verwirrung hervorrufen.
                           Die Naphtha, welche zur Heizung von Dampfkesseln benutzt wird, hat, wie vordem
                              									erwähnt, ein spezifisches Gewicht von 0,900 bis 0,915, einen Flammpunkt von 80 bis
                              									170° C, einen Heizwert von 10000 bis 11000 W.-E. und eine Verdampfungsfähigkeit von
                              									12- bis 13fach.
                           Durch diese Zahlen ist der Wert der Naphtha schon festgestellt. Steinkohlen haben
                              									einen mittleren Heizwert von 6000 W.-E. und eine 6fache Verdampfungsfähigkeit.
                           Naphtha hat also, wenn wir die Verdampfungsfähigkeit in Betracht ziehen, welche für
                              									die Praxis ohnedem der ausschlaggebende Faktor ist, den doppelten Heizwert gegen
                              									Steinkohle. – Das heisst also, für Erzeugung einer gewissen Dampfmenge ist an
                              									Gewicht nur halb so viel Naphtha notwendig als Steinkohle. Auf Dampfschiffe
                              									angewandt, ergibt sich, dass für eine bestimmte Fahrt, dem Gewicht nach, nur halb so
                              									viel an Naphtha als an Steinkohle mitzunehmen ist, oder falls die gleiche
                              									Gewichtsmenge wie jetzt an Bord genommen wird, kann das Schiff den doppelten Weg
                              									zurücklegen.
                           Ausser diesem wichtigen Ergebnis ist nun weiter zu
                              									beachten, dass Naphtha eine Flüssigkeit ist; sie kann deshalb wie jede
                              									Flüssigkeit mittels Pumpen in Röhren fortbewegt werden, gestattet also einen,
                              									jedweder Oertlichkeit sich ohne Schwierigkeit anpassenden Transport.
                           Die Heizung selbst basiert nun darauf, die Naphtha in feinst verteiltem Zustande zur
                              									Verbrennung zu bringen. Sie wird zu diesem Zwecke mittels geeigneter Apparate in den
                              									Brennraum hinein zerstäubt, entzündet sich hier und zieht in Form einer
                              									rutenförmigen Flamme in den Kessel. Die Zerstäubung wird entweder durch Dampf oder
                              									Pumpendruck bewirkt.
                           Die Heizeinrichtung gestaltet sich dann auf folgende einfache Weise. Aus einem zur
                              									Feuerstelle passend gelegenen Naphthabehälter fliesst unter eigenem Druck die
                              									Naphtha in Röhren zum Zerstäuber, welchem durch ein zweites Rohr der Dampf zugeführt
                              									wird. Beide Röhren sind mit Ventilen ausgerüstet, und der gesamte
                              
                              									Zerstäubungsapparat in Scharnieren, welche an der Stirnwand des Kessels sitzen, so
                              									beweglich, dass er zur Feuerstelle ein- und ausgeschwenkt werden kann. Ist beim
                              									Ingangsetzen der Heizung die Flamme zur Entzündung gebracht, so bedarf die Feuerung,
                              									ausser einer anfänglichen Regulierung der Naphtha-, Dampf- und Luftzuströmung bis
                              									zur Erzielung einer nicht leuchtend weissen, sondern gelblichroten Flamme keiner
                              									weiteren Wartung. Geschieht die Zerstäubung durch Pumpendruck von 3 bis 5 at, so
                              									fällt auch die Dampfzuführung weg und ist nur die Naphtha- und Luftzuführung zu
                              									regulieren.
                           Aus der Beschreibung ist ersichtlich, dass die Naphthaheizung nicht nur eine überaus
                              									einfache, sondern auch eine vollkommen automatische ist, welche einer besonderen
                              									Geschicklichkeit und ständigen Aufmerksamkeit der Heizer entbehren kann.
                           Ein weiterer wesentlicher Vorzug dieser Heizung ist darin zu finden, dass die
                              									Feuerung stets geschlossen bleibt, womit jede unkontrollierbare Luftzuführung
                              									ausgeschlossen ist, letztere vielmehr eine stets gleichmässige bleibt. Das
                              									Zusammenwirken solcher, für eine rationelle Verbrennung günstigen Bedingungen lässt
                              									deshalb den guten Wirkungsgrad der Naphthaheizung erklärlich erscheinen.
                           In den früher genannten Zahlen war angegeben, dass Steinkohlen bei 6000 W.-E. eine
                              									6fache Verdampfung, Naphtha bei 10000 W.-E. aber eine 12fache Verdampfung ergibt,
                              									durch welchen Unterschied, da die letzte Zahl der Praxis entnommen ist, der
                              									hervorragende Effekt genügend erklärt ist.
                           Der Vollständigkeit halber wäre noch zuzufügen, dass ausser den aufgeführten
                              
                              									Heizungen, mit Zerstäuben der Naphtha durch Dampf oder mittels Pumpendruck, von
                              									welchen erstere die am meisten gebräuchliche ist, auch eingehende Versuche gemacht
                              									wurden, Naphtha auf rostartigen Einrichtungen, nur durch den Schornsteinzug, zur
                              									Verbrennung zu bringen, und andererseits Naphtha durch Pressluft zu zerstäuben.
                              									Erstere Einrichtung verlangte eine sehr schwierig zu handhabende Luftregulierung und
                              									gab, wie gleichfalls die letztere Einrichtung auch, eine viel zu heisse Flamme,
                              									welcher weder die Dampfkessel noch deren Einmauerungsmaterial auf die Dauer
                              									widerstehen konnten. Beide Einrichtungen werden dagegen mit grösstem Vorteil in der
                              									metallurgischen Industrie, wie für Puddelöfen, Schweissöfen, Tiegelschmelzöfen, für
                              									Schmiedefeuer u.a.m. angewandt.
                           An Hand der gegebenen Erklärungen wäre nunmehr die Anwendung der Naphthaheizung auf
                              									die Lokomotiv- und Schiffskessel zu besprechen.
                           Als Hauptpunkte sind hier hervorzuheben: erstens, dass bei der Naphthaheizung jedwede
                              									physische Arbeit wegfällt; der Heizerdienst wird ein reiner Ueberwachungsdienst; es
                              									besteht die ganze Handhabung bei demselben im Regulieren einiger Ventile; zweitens,
                              									dass durch das Fortfallen der zu öffnenden Feuerthüren, wie bei der
                              									Steinkohlenheizung, eine Belästigung durch die strahlende Wärme der Feuerung
                              									ausgeschlossen bleibt.
                           Der jetzt so schwierige und die Gesundheit beeinflussende Heizerdienst wird dadurch
                              									ein wesentlich leichterer und gesünderer. – Für Schiffe und besonders für grosse
                              									Schiffe kommt noch der günstige Umstand dazu, dass nicht für einen Kessel so und so
                              									viel Mann notwendig sind,sondern dass ein Mann, ohne Anstrengung, viele Kessel
                              									bedienen kann, also eine Verminderung des Heizerpersonals. Von grossen Fabriken z.B.
                              									kenne ich Dampfanlagen mit Naphthaheizung für zehn und mehr grosse Kessel, welche
                              									von nur zwei Mann bedient werden, wobei der zweite Mann auch nur mehr der
                              									Gesellschaft halber und zur Wachhaltung da ist; zu thun haben sie beide nichts.
                           Für Lokomotiven ist die Einrichtung nun derartig, dass auf dem Tender, brückenartig
                              									auf die seitlichen Wasserkasten, ein Naphthareservoir aufgesetzt ist, von welchem
                              									eine Rohrleitung zu dem Zerstäuber führt, welcher unten im Aschenfall der
                              									Feuerbüchse angebracht ist. Durch Dampf wird die Naphtha zerstäubt, und zieht die
                              									Flamme durch die, zur Unschädlichmachung der Stichflamme, mit Mauerwerk
                              									ausgekleidete Feuerbüchse nach oben, dann durch die Heizrohre zur Rauchkammer. Die
                              									Verbrennung ist dabei eine so vollkommene, dass weder eine Belästigung durch Russ
                              									noch durch den Geruch ungenügend verbrannter Naphtha stattfindet; aus dem
                              									Schornstein kommt der kaum gefärbte Dampf. – Bei der ungemeinen Erleichterung durch
                              									Fortfall der Rostbedienung bleibt im sonstigen der Dienst auf der Lokomotive der
                              									übliche, nur mit dem Unterschied, dass der stark entlastete Gehilfe, auf seiner
                              									linken Seite der Maschine, mehr zur Mitüberwachung der Strecke herangezogen werden
                              									kann. – Der aufmerksam beobachtende Reisende in Russland kann z.B. sehen, dass auf
                              									naphthageheizten Lokomotiven der Heizer ständig seinen Platz am linken Auslug
                              									einnehmen kann, und wird sich wundern können über das ungewohnte reinliche Aussehen
                              									desselben.
                           Bezüglich der Einwirkung auf die Gesundheit hat die Wladikawkaser Eisenbahn durch
                              									Statistik festgestellt, dass mit Einführung der Naphthaheizung, die Erkrankungen an
                              
                              									Rheumatismus beim Lokomotivpersonal sehr merklich zurückgegangen sind.
                           In Russland ist die Anwendung der Naphthaheizung auf Lokomotiven eine schon weit
                              									verbreitete und schon längst aus jedem Versuchsstadium herausgetreten; laut
                              
                              									Mitteilungen in dem amtlichen Anzeiger des Finanzministeriums gab es in Russland
                              									Ende 1900 zusammen 12187 Lokomotiven, von welchen 5647 mit Steinkohlen, 4536 mit
                              									Naphtha und 2004 mit Holz oder Torf geheizt werden.
                           Die ersten Versuche mit Naphthaheizung wurden vor nun etwa 20 Jahren gemacht und sind
                              									seitdem zu der jetzigen Höhe angewachsen; ausreichende Erfahrungen sind daher im
                              									vollsten Masse vorhanden.
                           Für Schiffe hat die Anwendung der Naphthaheizung noch nicht in gleichem Verhältnisse
                              									platzgreifen können wie für Lokomotiven. Die gesamte Dampfschiffahrt auf der Wolga
                              									und dem Kaspischen Meere verwendet zwar ausschliesslich diese Heizung; in der
                              
                              									Seeschiffahrt konnte dieselbe aber noch nicht Eingang finden, und zwar aus Gründen,
                              									welche später zur Besprechung kommen.
                           An und für sich dürften dagegen die Vorteile, welche nach dem bisher Gesagten die
                              									Seeschiffahrt, sowohl der Kriegs- als auch der Handelsmarine, durch Anwendung der
                              									Naphthaheizung erzielen könnte, vollständig klar sein.
                           Für Kesselanlagen mit stark beschränktem Arbeitsraum, wie sie in diesen Fällen
                              									vorliegen, wäre die Verwendung eines Brennmaterials, welches die Beihilfe einer
                              									jeden physischen Kraft fast ganz ausschliesst und eine unnötige Raumerwärmung stark
                              									vermindert, eine geradezu ideale Lösung dieser schwierigen Frage zu nennen.
                           Ausser diesem grundsätzlichen Vorteil sind nun noch weitere Vorteile aufzuführen,
                              									welche in pekuniärer Hinsicht nicht ausser acht zu lassen wären und zu Gunsten der
                              									Verwendung der Naphtha sprechen dürften. Es ist einerseits die bedeutende
                              
                              									Verminderung an Heizerpersonal und die damit zusammenhängende Ersparnis an Geld und
                              									Raum; andererseits ein Gewinn an Ladefähigkeit dadurch, dass nur die Hälfte an
                              									Gewicht von Naphtha gegen Steinkohle mitgenommen werden muss, wobei die Ersparnis an
                              									Raum jedoch nicht in gleichem Verhältnis steht, da sich die spezifischen Gewichte
                              									von Naphtha zu Steinkohle etwa wie 1 : 1,5 verhalten. Indirekt können aber auch
                              									hierin wesentliche Vorteile erzielt werden. Naphtha ist eine Flüssigkeit! – In einem
                              
                              									Schiffe gibt es, verursacht durch die Form des Körpers, viele Räume, welche weder
                              									zum Verstauen noch
                              									zur Unterbringung von Menschen geeignet sind, – für eine Flüssigkeit wären sie aber
                              									geeignet. Die Kohlenbunker nehmen im Schiffe sehr schöne Räume ein, sie müssen
                              									günstig zu den Kesseln und günstig zum Kohleneinnehmen gelegen sein, sie müssen
                              									ausserdem geeignete Form haben, um die Kohle gut lagern und ohne Schwierigkeit gut
                              									entnehmen zu können. Bei einer Flüssigkeit fallen alle derartigen Bedenken weg.
                              									Durch geeignete Rohrleitungen und Pumpenanlagen kann man eine Flüssigkeit in jeden
                              									Teil des Schiffskörpers hinschaffen und von dort auch wieder wegholen, ihr kann man
                              
                              									jeden Platz im Schiffe einräumen. Eine solche Dispositionsfreiheit gestattet eine
                              									sehr rationelle Ausnutzung des vorhandenen Raumes.
                           Ein sehr beachtenswerter Punkt für die Verwendung von Naphtha dürfte die
                              									Zeitersparnis beim Einnehmen des Brennmaterials sein. Bei sachgemässen Einrichtungen
                              									können durch entsprechend grosse Pumpen, oder mehrere solcher, in verhältnismässig
                              									ganz kurzer Zeit die grössten Quantitäten Naphtha aus den Reservoirs oder
                              									Tankschiffen an Bord übergeführt werden, so dass sich hierfür die Zeitverluste auf
                              									ein Minimum reduzieren lassen, wobei die ganze Arbeit mit Ausschluss von fast jeder
                              
                              									menschlichen Hilfe vor sich geht.
                           Um hierfür ein Zahlenbeispiel aufzuführen, greife ich auf die über den Dampfer
                              										„Kronprinz Wilhelm“ gemachten Angaben zurück. Zu einer Reise muss
                              									derselbe 445 Waggonladungen Steinkohle einnehmen, welches Quantum sich bei Naphtha
                              									auf etwa 220 Waggonladungen reduzieren würde. Stehen 6 Pumpen zur Verfügung, welche
                              									je eine Waggonladung in 10 Minuten überpumpen, so ist das ganze Quantum in etwa 6
                              									Stunden bewältigt.
                           Die hier kurz aufgeführten Ersparnisse, welche die Schiffahrt an Mannschaft, Gewicht,
                              									Raum und Zeit bei Verwendung von Naphtha erzielen kann, welche Ersparnisse sich
                              									nicht um Kleinigkeiten, sondern um sehr gewichtige Zahlen drehen, werden denjenigen,
                              									die es angeht, vollkommen einleuchtend sein.
                           Zur Beleuchtung des Vorstehenden führe ich noch eine Zeitungsmitteilung an, welche
                              
                              									während der Drucklegung dieses Aufsatzes erschien: Vor einigen Tagen traf nach
                              									45tägiger Fahrt von Borneo der 3550-t-Dampfer „Clam“ der Londoner Shell-Linie in Dover ein, nachdem er die 11000
                              
                              									Seemeilen lange Fahrt ausschliesslich unter Oelfeuerung zurückgelegt hatte. Während
                              									ein Dampfer dieser Grosse bei Verwendung von Kohlen als Heizstoff immerhin 18 bis 20
                              									Heizer an Bord haben muss, waren auf der „Clam“ deren nur drei vorhanden.
                              									Besonders ins Auge fiel das reinliche Aussehen des ganzen Schiffes und insbesondere
                              									des Laderaumes. Um die nach dem fernen Osten fahrenden Dampfer auch für die Ausreise
                              									mit der erforderlichen flüssigen Feuerung zu versorgen, beabsichtigt die Shell-Linie, in Dover drei grosse Oelbehälter und
                              									ausserdem in Havre und Liverpool Niederlagen zu errichten, so dass die Schiffe dann
                              
                              									auf ihrer Fahrt nach China und Japan in regelmässigen Zwischenräumen Stellen zum
                              									Auffüllen ihrer Bunker vorfinden würden. Für die Heimreise hatte der oben erwähnte
                              									Dampfer etwa 1500 t Oel an Bord genommen, eine Arbeit, die in kaum 3 Stunden ohne
                              									Schwierigkeiten und ohne die Unannehmlichkeiten des Kohlenbunkerns ausgeführt
                              									wurde.
                           Wenn trotz aller dieser, nehmen wir an, als richtig erkannten Vorteile dieses
                              									Brennmaterial selbst bei der russischen Flotte, welcher dasselbe zur Verfügung
                              									stehen könnte, noch nicht Eingang gefunden hat, so liegt das daran, dass dasselbe
                              									noch zu wenig produziert wird und daher noch sonst nirgends in Verwendung steht. Ein
                              									Schiff für grosse Fahrt kann sich aber nicht auf ein Brennmaterial seines
                              									Heimatshafens einrichten, wenn es nicht die Möglichkeit hat, sich dasselbe auch
                              									anderwärts beschaffen zu können.
                           Bis die Schiffahrt sich dieses ideale Brennmaterial zu nutze machen kann, ist es
                              									daher noch ein weites Ziel. Ueber die Möglichkeit, es zu erreichen, werden die
                              
                              									späteren Zeilen berichten.
                           Bisher war nur stets von hervorragend guten Eigenschaften der Naphtha die Rede, eine
                              									Erwähnung gebührt nun auch der etwaigen Feuergefährlichkeit dieses Brennmaterials. –
                              									Für diese ist der Flammpunkt entscheidend. –
                           In den Erklärungen über Naphtha wurde mitgeteilt, dass das Rohöl einen
                              
                              									Flammpunkt von 24 bis 35° C., die Naphtharückstände dagegen einen solchen von 80 bis
                              									170° C. haben. In diesen Grenzen von 24 bis 170° C. bewegt sich also der Flammpunkt;
                              									je niedriger dieser ist, um so grösser ist die Entzündbarkeit und
                              									Feuergefährlichkeit, um so dünnflüssiger ist aber auch das Material; während
                              									umgekehrt die Feuergefährlichkeit ab-, die Dickflüssigkeit aber zunimmt. Die als
                              									Heizmaterial zu verwendende Naphtha muss aber von einer Beschaffenheit sein, dass
                              									sie genügende Sicherheit gegen Entzündbarkeit bietet, andererseits aber auch
                              									dünnflüssig genug ist, um enge Röhren, sowie die Zerstäuber schnell durchfliessen zu
                              									können. Ein solches Material herzustellen, hat man bei der Verarbeitung des Rohöls
                              									jedoch vollständig in der Hand, indem man nach Bedarf mehr oder weniger leichte Oele
                              
                              									ausdestilliert. Naphtha mit einem Flammpunkt von 120 bis 170° C. dürfte nicht viel
                              									feuergefährlicher sein als etwa auch Holz oder Steinkohle, man kann z.B. in
                              
                              									derselben ein brennendes Scheit Holz ganz ruhig, ohne jede Gefahr einer Entzündung,
                              									ablöschen. In der Praxis, wie sie uns hier beschäftigt, würde eine Gefahr nur darin
                              									zu suchen sein, wenn der Flammpunkt des Brennmaterials niedriger liegen würde als
                              									die Temperatur des Heizraumes, in welchem es verwandt wird, so dass bei etwaigen
                              									Undichtigkeiten der Röhren das heraustropfende Oel eine Entzündung erleiden könnte;
                              									diese Temperatur dürfte mit 50° C. als Maximum anzusehen sein; jede Naphtha mit
                              									einem Flammpunkt höher als 50° C. wäre daher ungefährlich.
                           Sind damit die hauptsächlichsten die Naphthaheizung betreffenden Punkte besprochen,
                              									so wirft sich die Frage auf: Wird denn genügend Naphtha produziert, um dieselbe
                              									eventuell als Brennmaterial im Eisenbahnbetrieb oder in der Seeschiffahrt in
                              									grösserem Masse einführen zu können? Die Beantwortung dieser Frage fällt fürs erste
                              									verneinend aus.
                           Die Rohnaphthaproduktion auf der ganzen Erde betrug für das Jahr 1899:
                           
                              
                                 Nordamerika
                                 8600000 t
                                 
                              
                                 Russland
                                 9000000 t
                                 
                              
                                 Galizien
                                 330000 t
                                 
                              
                                 Rumänien
                                 313000 t
                                 
                              
                                 Holländisch Indien
                                 217000 t
                                 
                              
                                 Peru
                                 125000 t
                                 
                              
                                 Japan
                                 100000 t
                                 
                              
                                 Birma
                                 77000 t
                                 
                              
                                 Deutschland
                                 26000 t
                                 
                              
                                 Italien
                                 1900 t
                                 
                              
                           Gegenüber dieser Zusammenstellung ist in Bezug auf die Frage, Naphtha als
                              									Brennmaterial zu benutzen, folgendes zu beachten.
                           Vordem wurde erwähnt, dass nur die Rohnaphtha von geologisch jüngerem Alter, aus der
                              									tertiären Periode, eine Zusammensetzung hat, welche sich zur Herstellung von
                              									Heizölen eignet. Aus der vorstehenden Tabelle ist deshalb die Produktion von
                              									Nordamerika, welche sich auf Rohnaphtha von älterem Herkommen bezieht, auszuschalten
                              									bezw. verbleiben von diesem Quantum nur die Produktionen von Kalifornien und Texas,
                              									deren Lagerstätten der tertiären Formation zuzuzählen sind, und zusammen etwa 5% des
                              									Gesamtquantums, also 430000 t, betragen. Die übrigen genannten Produktionsstellen
                              									zählen wohl sämtlich der tertiären Periode zu, könnten also für Heiznaphtha in
                              									Betracht kommen. Ein Vergleich zeigt uns nun aber, dass die Gesamtproduktion der in
                              									Frage kommenden Fundstellen nur etwa ⅙ der russischen Produktion beträgt. Von der
                              									russischen Rohnaphtha war gesagt worden, dass nur 50 bis 70 % derselben als
                              									Heizmaterial zu verwenden sind; nehme ich den Höchstwert an, so kann das Quantum,
                              									welches Russland im Jahre 1899 an Naphtha zu Brennmaterial lieferte, auf 6300000 t
                              									und, bei angenommen ähnlichen Verhältnissen, dasjenige der übrigen Länder auf
                              									1000000 t veranschlagt werden. Berücksichtigen wir ferner, dass das in Russland
                              									erzeugte Quantum ganz dorten verbleibt und noch lange nicht den eigenen Bedarf
                              									deckt, und dass dabei die Seeschiffahrt noch nicht mitbeteiligt ist, so ist
                              									ersichtlich, dass das zur Zeit in der Gesamtheit produzierte Produkt noch zu gering
                              										ist, um eine
                              									grössere Verwendung zu ermöglichen oder auch nur an eine solche heranzutreten.
                           In meinen Darlegungen wollte ich nun aber darauf hinweisen, dass an unsere
                              									Verkehrsbetriebe zu Wasser und zu Lande möglicherweise, und möglicherweise in gar
                              									nicht zu ferner Zeit, die Frage einer sehr vermehrten Leistungsfähigkeit herantritt.
                              									Damit wird aber auch die Frage der Ausfindigmachung eines sehr viel intensiveren
                              									Heizmaterials, als des Urquells der zu erzeugenden Kraft, an sie herantreten; – ein
                              									solches Heizmaterial ist, wie ich nachzuweisen versuchte, in der Naphtha gegeben. Es
                              									drängt sich daher jetzt die Frage auf: Ist Aussicht vorhanden, die Naphthaproduktion
                              									derartig zu steigern, dass sie grossen Anforderungen genügen kann? Diese Frage ist
                              									meiner Ansicht und meinen Studien zufolge in bejahendem Sinne zu beantworten.
                           Aus der vorstehenden Zusammenstellung der Naphthaproduktion ersehen wir schon, an wie
                              									verschieden gelegenen Stellen der Erde Naphtha bereits jetzt gewonnen wird. Diese
                              									Zusammenstellung kann aber noch um sehr viel vermehrt werden, wenn diejenigen Plätze
                              									in Berücksichtigung gezogen werden, an welchen Naphtha konstatiert wurde. So steckt
                              									z.B. Ostasien in seinen Küstenländern und den vorgelagerten Inselgruppen voll von
                              									Naphtha: ausser den genannten Stellen, wie Holländisch Indien, Birma und Japan, sind
                              									noch die Küstengebiete Chinas, die Aleuten, Kamtschatka, Sachalin und Russisch
                              									Ostasien als naphthaführend bekannt. Welche Bedeutung den letzteren Gebieten
                              									beigelegt wird, geht daraus hervor, dass im Juli d. J. von St. Petersburg eine
                              									Verordnung erlassen wurde, wonach im Küstengebiete des Amurgebietes, von der
                              									koreanischen Grenze an, in einem Küstenstreifen von 100 Werst landeinwärts, sowie
                              									auf Sachalin und allen anderen umliegenden Inseln auf russischem Gebiet, der private
                              									Gold- und Naphthaindustriebetrieb untersagt wird, d.h. also, die Regierung
                              
                              									reserviert sich den ganzen Petroleumbergbau für sich selbst.
                           Weitere Naphthagebiete sind in Zentralasien auf russischem Territorium bekannt. –
                              									Einer Beschreibung über die projektierte Bagdadbahn entnehme ich, dass im östlichen
                              									Zuge derselben auf ausgedehnten Gebieten Naphtha konstatiert wurde.
                              									Naphthaausschwitzungen an der Erdoberfläche, wie sie hier gefunden wurden, haben
                              
                              									allerdings für den Petroleumbergbau fürs Erste nur einen zweifelhaften Wert, da es
                              									sich dabei meist um sekundäre Fundstellen mit sogen. Oberflächenöl handelt, immerhin
                              									sind sie aber ein gutes Zeichen, zumal diese Gegend als Naphthagebiet in genetischem
                              									Zusammenhang mit den vorgenannten Fundstellen, sowie mit dem kaukasischen Vorkommen
                              									stehen dürfte und primäre Lagerstellen aufgefunden werden können. Der Bagdadbahn
                              									kann man, falls sich diese Aussichten verwirklichen sollten, nur Glück wünschen; sie
                              									wird sich nicht nur ein vorzügliches Heizmaterial, sondern auch ergiebige Frachten
                              									sichern.
                           In Nord- wie in Südamerika sind Naphthagebiete bekannt, in Mexiko, im Anschluss an
                              									das sich neuerdings als sehr ergiebig erweisende Vorkommen in Texas, ferner in
                              									Ecuador, Venezuela und Argentinien, sowie auf den Inseln Trinidad und Barbados; auch
                              
                              									aus Alaska kommen Mitteilungen, dass man dort auf Naphtha gestossen sei, was sehr
                              									wahrscheinlich sein dürfte. Aber ausser diesen mehr entlegenen dürfte es auch in
                              									Europa noch Gegenden geben, wo mit Aussicht auf Erfolg Naphtha gemutet werden
                              									könnte.
                           Von grossem Gesichtspunkte aus betrachtet, zeigt uns dieser Hinweis also, dass noch
                              
                              									an den verschiedensten Punkten der Erde Naphtha in ihrem Schosse geborgen ist und
                              									einer Ausbeute entgegenharrt. Solange es aber der Hauptzweck des Petroleumbergbaus
                              									sein wird, Leuchtöl zu erzeugen, würde eine wesentliche Vermehrung der jetzigen
                              									Exploitationsstellen nur eine Ueberproduktion an solchem hervorrufen und die ganze
                              
                              									Naphthaindustrie zu einer unrentablenmachen. Gegen eine solche Vermehrung
                              									würden auch die bestehenden Produktionszentren mit allen ihnen zur Verfügung
                              									stehenden Mitteln ankämpfen.
                           Die Sachlage würde sich aber sofort ändern, sobald es Zweck dieses Bergbaus wäre,
                              									Brennmaterial zu gewinnen. Es bedarf ja nur der Einführung desselben auf z.B.
                              									einigen grossen Weltdampferlinien, um sofort einen Bedarf zu schaffen, der einen
                              									ausgedehnten Bergbaubetrieb erforderlich machen und einen Konkurrenzkampf für lange
                              									Zeit ausschliessen würde. Die Chancen für diese Industrie sind ja nicht ungünstig.
                              									In Anbetracht, dass Naphtha den doppelten Heizwert der Steinkohle hat, ist der
                              
                              									Paritätswert dementsprechend der doppelte Wert der Steinkohle. Kosten, für deutsche
                              									Verhältnisse, Steinkohlen am Produktionsorte etwa 100 M. pro 10 t, so kann Naphtha
                              									200 M. pro 10 t erzielen. Umgerechnet in russische Werte gibt das 15¾ Kopeken pro
                              									Pud, das ist ein Preis, welcher im Kaukasus zu den guten gerechnet wird. Ein Preis
                              									also, bei welchem der Petroleumbergbau auch, ähnlich wie dort, unter schwierigen
                              									Verhältnissen gut und nutzbringend bestehen kann.
                           Nach der gegebenen Zusammenstellung der bis jetzt aufgedeckten Naphthafundsteilen
                              									finden wir eine grosse Zahl derselben in Gebieten, welche von den Kulturstaaten weit
                              									entlegen sind. Diesem, vom geschäftlichen Standpunkt aus betrachtet, zur Aufnahme
                              									und Ausführung eines Bergbaubetriebes in vielen Hinsichten sehr ungünstigen
                              									Verhältnis treten beim Petroleumbergbau jedoch zwei Faktoren entgegen, welche den
                              									Fehler einigermassen wett machen. Es sind die nur einheitliche Qualität und die
                              									leichte Transportfähigkeit des Fördermaterials.
                           Naphtha kommt je an seiner Fundstelle nur immer in einer stets gleichmässig
                              									hochwertigen Qualität vor; Ansammlungen von minderwertigen Produkten, wie beim
                              									Steinkohlenbergbau, welche nur an Ort und Stelle verwertet werden können, gibt es
                              									beim Petroleumbergbau nicht, vielmehr hat hier das ganze Förderquantum vom ersten
                              									bis zum letzten Tropfen gleichen Versandwert.
                           Die leichte Transportfähigkeit der Naphtha wurde schon mehrfach, bei der Verwendung
                              									derselben, erwähnt, für den Grossbetrieb gilt dasselbe. Der Transport derartiger
                              									Flüssigkeiten in Spezialwagen der Eisenbahnen, sowie in Tankschiffen für See- und
                              									Flusstransport, samt den Pumpanlagen zum Be- und Entladen sind gewohnte
                              									Erscheinungen. Für den Bergbaubetrieb in Gegenden ohne Eisenbahnen ist der Transport
                              									in Röhrenleitungen bis zu günstig gelegenen Stapelplätzen ein vollwertiger Ersatz.
                              									Derartige ungemein leistungsfähige Röhrenleitungen, welche leicht und schnell
                              									ausführbar sind, für welche es weder Terrainschwierigkeiten noch Entfernungen gibt,
                              									sind ein Transportmittel, wie es einfacher und billiger nicht gedacht werden kann.
                              									Ausführungen solcher Leitungen bis zu Längen von vielen Hunderten von Kilometern
                              									liegen in vielen Beispielen bereits vor.
                           Ebenso einfach wie der Transport gestaltet sich auch die Lagerung der Naphtha. Der
                              									Hauptsache nach geschieht dieselbe in grossen eisernen cylindrischen Reservoirs von
                              									oft gewaltigen Dimensionen. Als grösster derartiger Behälter wäre ein in Frankreich
                              									aufgestellter zu erwähnen, welcher bei 25 m Durchmesser und 12 m Höhe 5400 t Naphtha
                              									in sich bergen kann. Eine solche Stapelhöhe und dementsprechend geringe Bodenfläche
                              									erreichen zu können, dürften auch Bedingungen sein, wie man sie für Lagerung eines
                              									Massenproduktes nicht besser finden kann. Die Bedienung der Lagerreservoirs
                              									geschieht ebenfalls, wie auch die Fernleitungen, automatisch durch Pumpenbetrieb und
                              									erfordert, wie der gesamte Naphthabetrieb, nur geringe menschliche Beihilfe.
                           Damit wären alle etwa in Betracht kommenden hauptsächlichsten Punkte, welche in den
                              									Rahmen der vorliegenden Aufzeichnungen gehören, besprochen, und geben dieselben wohl
                              									ein ungefähres Bild dieser für die Zukunft so hochwichtigen Naphthaindustrie.