| Titel: | Die Entwickelung des Unterseebootwesens in den Jahren 1900 und 1901. | 
| Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 822 | 
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                        Die Entwickelung des Unterseebootwesens in den
                           								Jahren 1900 und 1901Vgl. D. p. J. 1900 315
                                 										277..
                        Die Entwickelung des Unterseebootwesens in den Jahren 1900 und
                           								1901.
                        
                     
                        
                           Während der beiden angeführten Jahre ist die Entwickelung des Unterseebootwesens
                              									eine derartige gewesen, dass es angebracht erscheint, der besseren Uebersicht wegen
                              									die Fortschritte auf diesem Gebiet nach Ländern geordnet anzuführen. Das Bestreben,
                              									die bisher erreichten Erfolge, soweit sie auf feste Basis Anspruch haben, als
                              									Unterlage für die Weiterentwickelung nutzbar zu machen, ist allgemein vorhanden.
                              
                              									Daneben tauchen phantastische Projekte wie bisher auf, um meist noch vor der
                              									Ausführung zu verschwinden. Es scheint jedoch, als ob die Zahl derjenigen, welche
                              									unabhängig von dem bisher Erreichten sich mit diesem Gebiet beschäftigen und mit
                              									ihren Ideen hervortreten, abgenommen hat. Der Grund liegt wohl darin, dass es,
                              									namentlich in Frankreich und den Vereinigten Staaten, bereits für die
                              									Unterwasserfahrt brauchbare Unterseefahrzeuge gibt, die tadellos insoweit
                              									funktionieren, als es das Fahren und Manövrieren auf und unter der Wasseroberfläche
                              									angeht und die auch in der Lage sind, Torpedos abzulassen. Das zuverlässige, für die
                              									Besatzung gefahrlose Unterseeboot, das auch grössere Strecken in offener See
                              
                              									zurücklegen kann, ist also da und in der Marine Frankreichs bereits in einer ganzen
                              									Anzahl von Exemplaren vertreten. Es sind mit diesen Fahrzeugen viele Fahrten gemacht
                              									worden, ohne dass ein Verlust an Personal und Material zu verzeichnen gewesen ist,
                              									und man kann das Problem der Unterwasserfahrt als gelöst betrachten, wenn es sich
                              									darum handelt, unter der Oberfläche mit bemannten Taucherbooten sich zu bewegen und
                              									wieder aufzutauchen. Man hat das Unterseeboot vielfach mit dem lenkbaren Luftschiff
                              									verglichen – mit vollem Recht! – Auch das lenkbare Luftschiff ist längst erfanden,
                              									denn, wenn es den Franzosen Renard und Krebs gelang, bei ihren Fahrten an den Abgangspunkt
                              									zurückzukehren, und in der Luft eine ∞ zu fahren, so ist zweifellos das Luftschiff
                              									lenkbar, mithin ist das Problem als gelöst zu erachten. Aber so einleuchtend es ist,
                              									dass die Lenkbarkeit des angeführten Luftschiffes eine ungemein begrenzte durch die
                              									Luftverhältnisse sein muss und die Lenkbarkeit nur unter ganz besonders günstigen
                              									Witterungsverhältnissen vorhanden ist, so ist auch die Verwendbarkeit der
                              
                              									Unterwasserfahrzeuge von den Wasser- und Windverhältnissen nicht nur, sondern noch
                              									dazu von den Tiefen Verhältnissen abhängig, wozu noch kommt, dass der Luftschiffer
                              									sehen kann und danach seine Anordnungen für die Sicherung seines Fahrzeuges und
                              									seiner Bemannung zu treffen in der Lage ist, während das Unterseeboot nur einen
                              									äusserst beschränkten Gesichtskreis besitzt, so beschränkt, dass der unter Wasser
                              									voraus gesichtete Gegenstand in demselben Moment schon überlaufen ist. Allerdings
                              									hat man eine Menge Vorrichtungen erfunden, welche bezwecken, das Fahrzeug unter der
                              									Oberfläche nicht blind zu machen, und der frühere Marineminister Frankreichs, Lockroy, versicherte 1899 vor der französischen Kammer,
                              
                              									die Blindheit sei nicht mehr vorhanden.
                           Aber Lockroy ist nur ein Marineenthusiast erster Klasse,
                              									er ist überhaupt nicht Fachmann, schwärmt für alle Gebiete des Seewesens, hat sich
                              									aber nur ganz kurzeZeit auf dem heiss erstrebten Posten des Ministers halten
                              									können. Von den neuesten Apparaten, mit welchen man Unterseeboote ausrüstet, um zu
                              									ermöglichen, dass sie ohne mit ihrer Kuppel aufzutauchen, Ueberblick über die
                              
                              									Umgebung erhalten sollen, seien einige genannt. Man umgibt diese Neuerungen mit
                              									einem besonderen geheimnisvollen Nebel, aber die Erfahrung lehrt, dass in solchen
                              									Fällen gerade der Kern, soweit er überhaupt vorhanden ist, sich meist als Popanz
                              									entpuppt. Alle diese Sehvorrichtungen sind optische Anordnungen, wohl meist vom
                              									alten Periskop ausgehend, das nach Art der Camera obscura durch ein über Wasser
                              									angebrachtes Prismensystem ein Bild der Wasserfläche auf eine im Boote befindliche
                              									weisse Platte wirft. Dass diese Bilder sehr verzerrt sein müssen, da das Boot nicht
                              									stillsteht, liegt auf der Hand. Ob die französischen Boote dieses Periskop
                              									vielleicht in verbesserter Form führen, ist natürlich nicht bekannt; ebensowenig ob
                              									die Sehvorrichtung, welche die Schiffsfähnriche Violette und Davelny erfunden, zur Einführung
                              									gelangt ist; dagegen haben die italienischen Ingenieure Russo und Laurent das Periskop verbessert und
                              									in Gegenwart des Marineministers Proben gemacht, die angeblich klare Bilder ergaben,
                              									so dass man diese Vorrichtung der französischen gegenüber für überlegen hält.
                              									Ingenieur Albrizzi konstruierte nach demselben Prinzip
                              									das Kleptoskop, das im Unterseeboot „Delfino“ angebracht wurde. Es verlautet,
                              									dass die Bilder vom Horizont nicht verzerrt gewesen seien, und dass der Sichtwinkel
                              									60° gegen etwa 4° des Periskops betrage. Nach La Marine
                                 										française vom 15. November 1901 hat „Delfine“ eine Sehvorrichtung
                              									der Ingenieure Bardick und Hall erhalten.
                           Wenn nun auch zweifellos Fortschritte in der Konstruktion der Unterseeboote zu
                              
                              									verzeichnen sind, so bleiben sie als Kriegswaffe, für welchen Zweck sie mit geringen
                              									Ausnahmen gebaut werden, noch von stark angezweifeltem Wert. Nur in Frankreich
                              									scheint man sie für durchaus verwendungsfähig zu halten und gesonnen zu sein, sie in
                              									erklecklicher Zahl im Ernstfall verwenden zu wollen. England hat sich der
                              									Verpflichtung nicht entziehen können, bei seiner militärisch-politischen Lage der
                              
                              									Sache näher zu treten und hat einige Boote in Auftrag gegeben, während Deutschland
                              									sich nach wie vor durchaus ablehnend verhält, und die Marineleitung nicht dazu zu
                              									haben war, sich mit einem auf den Howald-Werken Kiel
                              									erbauten Fahrzeug, trotz mancherlei Pressreklame, überhaupt näher zu befassen. In
                              										Der Tag, Nr. 515 vom 19. November 1901, gibt
                              									Kapitänleutnant Graf E. Reventlow seine Ansicht über
                              									die Taktik der Unterseeboote, die, weil sie die neueste ist, hier Platz finden
                              									soll.
                           
                              „Nehmen wir an, das Boot befinde sich vor einem feindlichen Hafen, aus dem, wie
                                 										man mit Sicherheit vermuten darf, in nächster Zeit feindliche Kriegsschiffe
                                 										auslaufen werden. Da seine Geschwindigkeit gering, es also aussichtslos ist,
                                 										sich auf die Verfolgung eines schnellfahrenden Schiffes einzulassen, so wählt es
                                 										seine Position möglichst derart, dass es dem Feind noch in denjenigen Teil der
                                 										Hafeneinfahrt beikommen kann, wo er mit langsamer Fahrt auf einem bestimmten
                                 										Kurse zu laufen gezwungen ist. Dann kann das Unterseeboot sofort bei
                                 										Insichtkommen des Schiffes sein Manöver beginnen. Ideal ist der Angriff, wenn
                                 										der Torpedo die Breitseite des Feindes senkrecht trifft und bietet auch grössere
                                 										Treffchancen. Um dies zu erreichen, darf nun, weil der Panzer sich ebenfalls in
                                 										Bewegung befindet, das Unterseeboot nicht direkt auf ihn los bis in
                                 
                                 										Torpedoschussweite laufen, sondern muss ‚vorhalten‘, wie beim Hasenschiessen.
                                 										Dies ist mit das Schwierigste des Angriffes, desto schwieriger, je schneller der
                                 										Feind läuft.
                              
                           
                              Nachdem das an der Wasseroberfläche befindliche Boot den Feind gesichtet hat,
                                 										beobachtet es seinen Kurs und die Fahrtgeschwindigkeit, bis es nur noch etwa
                                 										1000 m entfernt ist; dann taucht es unter, nachdem der Kommandant sich seinen
                                 										Kurs unter Berücksichtigung des Vorhaltens ausgerechnet hat, und fährt einige
                                 										100 m in dieser Richtung näher heran. Die Grösse dieser Strecke wird nach der
                                 										Uhr berechnet, da der Kommandant die Anzahl der Meter weiss, welche sein Boot in
                                 										1 Sekunde zurücklegt. Er taucht nun noch einmal einen Moment auf, und zwar nur
                                 										so weit, dass er vermittelst des Spiegelapparates die Stellung des Feindes
                                 										feststellen und seine eigene Fahrtrichtung danach kontrollieren kann,
                                 										verschwindet wieder unter Wasser und nähert sich bis auf die – wieder mit Hilfe
                                 										der Uhr festgestellten – Schussentfernung, und gibt einen oder mehrere
                                 										Torpedoschüsse ab. Da er im Augenblick des Schusses das Ziel nicht sieht,
                                 										sondern nur in der vorher durch Berechnung ermittelten Richtung schiesst, so hat
                                 										man als Schussentfernung eine sehr geringe – 100 bis 150 m – vorläufig
                                 										festgesetzt. Auf einen schnellfahrenden Gegner gut zu Schuss zu kommen, ist
                                 										annähernd ausgeschlossen, und kann man in der Geschwindigkeit dann auch das
                                 										hauptsächlichste Abwehrmittel der Schiffe gegen ihre unsichtbaren Gegner
                                 										erblicken.“
                              
                           Das ist aber stark Zukunftsmusik, denn die Zeit, in welcher es möglich ist, ein Boot
                              									zum Tauchen zu bringen und in Fahrt zu setzen, soll nur bei einem, der
                              										„Sirène“, die zu Cherbourg am 4. Mai 1901 ablief, neun (9) Minuten in
                              									Anspruch nehmen, was auch schon etwas sanguinisch erscheint, während „Narwal“
                              									etwa 20 Minuten gebraucht. Die angeführten 1500 m aber durchläuft ein Panzer mit 10
                              									Meilen Fahrt in weniger als 6 Minuten, mithin ist die Rechnung falsch, abgesehen
                              									davon, dass nach der Uhr in undurchdringlichen Nebel hinein zu torpedieren, herzlich
                              									wenig Aussicht auf Erfolg hat. Es ist im Jahre 1901 allerdings, soweit die Quellen
                              									zuverlässig sein können, ein Erfolg der Unterseeboote zu verzeichnen, der wohl
                              									geeignet ist, ihnen bei ihrer Billigkeit und schnellen Beschaffung Anhänger weiter
                              									zu schaffen und der auch die Aufmerksamkeit der Fachkreise erregt hat. Während der
                              									französischen Flottenmanöver trat der alte „Gustave Zédé“, dessen Leistungen
                              									Frankreich seine Unterseebootflotte überhaupt verdankt, in Aktion. Unter Befehl des
                              									Linienschiffsleutnant Jobard verliess er am Morgen des
                              									2. Juli 1901 in Begleitung des Schleppers „Utile“ den Hafen von Toulon, kam
                              									am Morgen des 3. Juli auf der Reede von Ajaccio auf Corsika an und griff, als das
                              									dort liegende Geschwader des Vizeadmirals de la Noë
                              
                              									auslief, dasselbe an. „Gustave Zédé“ wurde nicht bemerkt und es gelang ihm,
                              									das Linienschiff „Charles Martel“ zu torpedieren. Als er dann mit der Kuppel
                              									auftauchte, wurde er vom Feuer der leichten Schnelllader des „Charles Martel“
                              									und des Linienschiffes „Jauréguiberry“ begrüsst, geriet gerade vor den Bug
                              									des „Jauréguiberry“, dem es mit Mühe gelang, durch Ausscheren ein Ueberrennen
                              									zu vermeiden. Der Angriff wurde dann als unsachgemäss erklärt, „Zédé“ als
                              									vernichtet betrachtetMitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens,
                                    											1901. Deutsche Marine-Rundschau vom August
                                    											1901.. Zweifellos ist dieses Ergebnis dazu geeignet, für den
                              									weiteren Ausbau der französischen Unterseebootflotte Propaganda zu machen.
                           Frankreichs unterseeische Flotte ist heute bereits
                              
                              									zahlreich. Nach den Mitteilungen aus dem Gebiete des
                                 										Seewesens wird sie einschliesslich von drei, neuerdings in Bau genommenen
                              									Probebooten, 32 Fahrzeuge, im Jahre 1906 aber 68 Fahrzeuge zählen. Für den Jahrgang
                              									1901/1902 stehen an Personal 10 Offiziere und 141 Mann zur Verfügung, für den von
                              									1902/1903 bereits 27 Offiziere und306 Mann. Die Zahl der fertigen und im Bau
                              									befindlichen Fahrzeuge wird sehr verschieden angegeben, nach sorgfältig geführten
                              									Listen sind es aber gegenwärtig 37, die in Bau und Ausführung begriffen oder bereits
                              									fertig gestellt sind. Was die älteren angeht, so sei auf dieses Journal (1900 315 277) verwiesen; was auf diesem Gebiet innerhalb der
                              									kurzen Zeit von 2 Jahren geschehen, ist folgendes: Fünf Boote waren Anfang 1900
                              									fertig („Gymnote“, „Goubet“ [inzwischen zurückgewiesen], „Gustave
                                 										Zédé“, „Morse“, „Narval“), zehn weitere befanden sich in der
                              									Konstruktion („Français“, „Algérien“, „Farfadet“,
                              										„Gnôme“, „Korrigan“, „Lutin“, „Silure“,
                              										„Espadon“, „Sirène“, „Triton“). In Bau gelegt wurden
                              									weiter: „Perle“, „Estourgeon“, „Bonite“, „Thon“,
                              										„Souffleur“, „Dorade“, „Grondin“, „Anguille“,
                              										„Alose“, „Truite“ zu Toulon; „Najade“, „Portée“,
                              										„Lynx“, „Ludion“ zu Cherbourg; „Loutre“, „Castor“,
                              										„Phoque“, „Otarie“, „Meduse“, „Oursin“ zu Roquefort,
                              									zusammen 34. Dazu treten die erwähnten drei Versuchsboote „Q35“,
                              									„Q36“, „Q37“ nach Plänen von Romazotti in
                              									Cherbourg, von Mangras in Roquefort, von Bertin in Toulon herzustellen. Man scheint demnach
                              									keineswegs sich über die Typs so einig zu sein, wie es den Anschein hat oder haben
                              									soll. Man hat von neuen Booten bisher in grossen Zügen drei Typs: die eigentlichen
                              									Unterwasserboote, die versenkbaren Boote und die Boote, welche für die direkte
                              									Hafen- und Küstenverteidigung vorläufig bestimmt sind. Dazu kommen die drei
                              									Versuchsboote von drei verschiedenen Konstrukteuren und fünf ältere Boote in fünf
                              
                              									Typs, macht elf verschiedene Typs bei 37 Fahrzeugen. Es
                              									liegt auf der Hand, dass bei diesem verschiedenartigen Material nur ein
                              									Einzelauftreten Erfolg haben kann, ein gemeinsames Zusammenwirken unter
                              									einheitlicher Leitung dürfte ausgeschlossen sein. Für 1903/1904 sind dreizehn Boote
                              									festgelegt, zu bauen in Toulon, für 1905 achtzehn, wovon acht in Rochefort, zehn in
                              									Cherbourg konstruiert werden. Alle sind bis 1906 fertig zu stellen, so dass dann die
                              									Unterseebootflotte 68 Fahrzeuge zählen kann.
                           Eine Anzahl Verordnungen erschienen. Die Besatzungen der unterseeischen Fahrzeuge
                              									erhalten Löhnungszulage und höhere Kindergelder; den Kommandanten wird ihre
                              									Bestimmung 3 Monate vor Antritt des Dienstes mitgeteilt. Erlaubnis zur Teilnahme an
                              									den Uebungen wird nicht gewährt. Die Dauer der Kommandierungen ist auf 18 Monate vom
                              									Zeitpunkt der ersten Fahrt an zu rechnen. – Zu Toulon, Rochefort und Cherbourg
                              									wurden die Torpedoboote zusammen einem Marineoffizier unterstellt. Der Präfekt des
                              
                              									ersten Arrondissements, Vizeadmiral Dieulouard, verbot
                              									auf das strengste das Photographieren von Unterseebooten sowohl im Hafen wie auf der
                              									Reede, Personen, welche dabei betroffen werden, sollen als – Spione betrachtet und
                              									behandelt werden. Als Präsident Loubet jedoch im Juni
                              									1901 Toulon besuchte, den „Zédé“ betrat und in ihm einige Uebungen innerhalb
                              									des Hafens machte, wurde das Unterseeboot in allen möglichen Stellungen
                              									photographiert, beispielsweise von Bugault in Toulon,
                              									und diese Bilder waren überall erhältlich.
                           Was den Typ der letzten 20 Boote – vom „Perle“ ab – angeht, so ist man
                              									merkwürdigerweise bei ihnen in den Abmessungen ganz erheblich zurückgegangen. Die
                              									Boote werden bei 23,5 m Länge, 2,26 m Breite und 2,4 m Höhe nur 68 t deplacieren,
                              									woraus geschlossen wird, dass sie lediglich zur Hafenverteidigung Verwendung finden
                              									sollen. Von ihnen ist noch keines fertig, wie denn überhaupt die Unterseeboote vom
                              									Beginn ihrer Inangriffnahme bis zur Beendigung ihrer Proben, also bis zu ihrer
                              
                              									thatsächlichen eventuellen Verwendung, weit mehr Zeit beanspruchen als man annahm.
                              									Frankreich besitzt im Grunde nur fünf verwendungsbereite Unterwasserfahrzeuge:
                              										„Gustave Zédé“, „Morse“, „Narval“, „Français“,
                              										„Algérien“. – Von den weiteren acht nächsten sind vier 185 t gross, nach
                              									Plänen von Maugras, im allgemeinen Typ „Narval“,
                              									zu Roquefort gebaut: „Farfondet“, „Gnôme“, „Korrigan“ und
                              										„Lutin“. Man hat während des Baues an der Konstruktion Aenderungen
                              									vorgenommen, was ihre Fertigstellung verzögerte. Als erstes lief „Farfondet“
                              									am 17. März 1901 vom Stapel, von Uebungen ist noch nichts näheres bekannt geworden.
                              									Vier weitere verkleinerte Typ „Narval“ von 106 t, gebaut zu Cherbourg nach
                              
                              									den Plänen von Laubeuf,
                              									sind weiter
                              									vorgeschritten. „Sirène“ lief am 4. Mai 1901 ab und hat, wie der am 31.
                              									August abgelaufene „Espadon“ und der in demselben Jahre zu Wasser gebrachte
                              										„Triton“, Probefahrten bereits gemacht, während von dem vierten,
                              										„Silure“, das nicht bekannt ist. Die Fahrzeuge sollen viel schneller
                              									tauchen als „Narval“ und nur etwa 9 gegen 20 Minuten brauchen, jedoch dürften
                              									die Uebungen nicht als abgeschlossen zu betrachten sein.
                           Was die neuesten Experimente mit Unterseebooten anbelangt, so ist die Fahrt des
                              										„Gustave Zédé“ von Toulon nach Ajaccio bereits erwähnt. Wie man ihm als
                              									Begleiter einen Schlepper mitgab, hat man es auch bei anderen Fahrten für notwendig
                              									erachtet, die Fahrzeuge nicht ohne Begleitung laufen zu lassen, was natürlich
                              									kriegerischen Verhältnissen durchaus entgegen ist. So gingen Sommer 1901
                              										„Narval“, „Morse“ und „Algérien“ mit je einem Schlepper von
                              									Cherbourg nach Dünkirchen, „Narval“ mit eigener Maschine, die beiden anderen
                              									geschleppt. Wenn Le Yacht enthusiastisch sagt: „Die
                                 										Unterseeboote haben Bürgerrecht in unserer Marine erlangt, und das ist der beste
                                 										Beweis ihrer Kriegsbrauchbarkeit,“ so ist es gerade diese Reise angehend,
                              									gehörig über das Ziel hinausgeschossen. Dasselbe Blatt bezeichnet im Oktober die
                              									Unterseeboote als eine „Gutwetterwaffe“ mit vollem Recht. Erwägt man nun,
                              									dass es beispielsweise während der Operationen der Franzosen gegen die deutschen
                              									Küsten 1870 so gut wie nie gutes Wetter gab, so wird zugestanden werden müssen, dass
                              									die Verwendbarkeit unterseeischer Fahrzeuge eine sehr beschränkte sein muss. Wenn
                              									das schon bei Fahrzeugen von ziemlichen Abmessungen zutrifft, wie viel mehr für
                              									solche, welche sich an Bord von Linienschiffen mitführen lassen. Man studiert aber
                              									in Frankreich eifrig an Plänen für transportable Unterseebotte und hofft den im Bau
                              									liegenden 14865 t grossen Linienschiffen „Patrie“ und „Republique“
                              									solche bereits geben zu können. Es verlautet, dass man glaube, in dem Typ
                              										„Goubet“ etwas Brauchbares gefunden zu haben, doch klingt das deshalb
                              									nicht glaubhaft, weil die Abnahme von „Goubet II“ im Herbst 1901 seitens der
                              									Uebernahmekommission abgelehnt wurde, worauf das Boot nach Paris geschafft worden
                              									ist und daselbst auf – der Seine Uebungen machen soll, die allerdings ein wenig
                              									geeignetes Operationsfeld abgibt. Goubet beabsichtigt
                              									einen „Goubet III“ zu erbauen und weiter will er den englischen Kanal mit
                              									Unterseebooten für Personen- und Postverkehr durchqueren, wobei die Boote ähnlich
                              									wie die Wagen der Schwebebahnen an Kabeln hängen sollen. Es wird damit gehen wie mit
                              									den Erfindungen Nicola Tesla's, der beabsichtigte im
                              
                              									Laufe des Jahres 1901 mit drei oder vier seiner Werke praktisch an die
                              									Oeffentlichkeit zu treten, darunter mit einer Verständigung mit dem Mars und mit
                              									einer automatischen Maschine, zuerst an einem Unterseeboot zu zeigen. – Die
                              									Verständigung mit dem Mars gehört nicht hierher, jedenfalls ist sie nicht einfach,
                              									aber von der praktischen Anwendung der automatischen Maschine ist auch nichts
                              									bekannt, obwohl das Unterseeboot „Tesla“ seit Anfang 1899 – in Zeichnungen –
                              									erschienen ist, und der Erfinder die sichere Zerstörung der Flotten verkündete.
                           Was Motoren anbelangt, so sind zwei neue aufgetreten, der Otto'sche Gasolinmotor, der im Frühjahr 1901 in den Vereinigten Staaten
                              									geprüft wurde und ein Turbinenpropeller von Leutnant Weir
                                 										Grey (U. St.) erdacht. Ersterer leistete 160 PS bei 322 Umdrehungen, 190 PS
                              									bei 390 Umdrehungen, nimmt wenig Raum ein und braucht pro Stunde und Pferdekraft nur
                              									½ l Oel. Von dem Turbinenmotor verlautet, dass eine gemischte Kommission der Armee
                              
                              									und Marine ihn prüfen werde und der Erfinder erhofft mit ihm auf Wasserfahrzeugen –
                              									50 (!) Meilen in der Stunde zu machen.
                           Da sich bei den zahlreichen Uebungen französischer Unterseeboote mehrfach ungünstiger
                              									Gesundheitszustand der Besatzungen ergab, sind eingehende Untersuchungen über die
                              									Ursachen angestellt worden, die noch nicht abgeschlossen werden konnten. Natürlich
                              									sind auch Erfindungen aufgetaucht, die solche Zustände, ähnlich etwa wie die
                              									Seekrankheit, bekämpfen. Eine stammt von einem Dr. Gibrat, soll um Mund und in die Nasenlöcher der Besatzung gestrichen
                              									werden und das Eindringen schädlicher Gase verhindern. – Endlich sei erwähnt, dass
                              									die Kammer im Juni 1900 Mittel für Preisausschreiben auf Unterseebootebereit
                              									gestellt hat, so dass es an Geld für sie in Frankreich nicht fehlt, wobei zu
                              									bemerken, dass die Billigkeit der unterseeischen Fahrzeuge eine mehr ideelle ist.
                              									Die Boote kosten zwar nur zwischen 350000 und 700000 Fr. durchschnittlich, ausser
                              									den älteren, von denen „Zédé“ auf gut 2 Millionen zu stehen kommt, aber sie
                              									sind bedeutenden Nebenkosten unterworfen, da sie eigentlich niemals ganz fertig
                              									werden, und ihre Dienstdauer ist auch nicht auf lange Zeit anzusetzen. Die Flotte
                              									von 68 Booten, die Frankreich 1906 besitzen wird, kann man gut auf 50 Millionen
                              									Franken Herstellungskosten schätzen, für welche Summe sich zwei Linienschiffe oder
                              									fünf starke Kreuzer bauen liessen.
                           Durch das energische Vorgehen Frankreichs auf dem bisher nur versuchsweise und
                              									vorsichtig berührten Gebiete des Unterseetorpedobootes sah sich die britische Regierung veranlasst, nicht mehr lediglich
                              									Zuschauer zu bleiben und die Erfolge des natürlichsten und gefährlichsten Gegners zu
                              									beobachten, sondern auch praktisch vorzugehen, und es erfolgte bei der Firma Vickers-Barrow in Furness die Bestellung auf fünf
                              									Unterseeboote, die natürlich zunächst als Versuchsobjekte dienen sollen. Das erste
                              									derselben lief am 2. Oktober 1901 ab, erhielt keinerlei Bezeichnung, die anderen
                              									folgen bald, und ihre Fertigstellung wird nicht viel Zeit beanspruchen, so dass
                              									diese fünf Fahrzeuge im Frühjahr 1902 für Proben sicher bereitgestellt sein können.
                              									Die Boote sind im allgemeinen Typ „Holland“ der Vereinigten Staaten und
                              									sollen nach Engineering bei 63 Fuss 4 Zoll Länge, 11
                              									Fuss 9 Zoll Breite ein Deplacement von 120 t besitzen. Sie erhalten nur ein
                              									Lancierrohr in der Kiellinie, haben keine Ecken in den Linien des Rumpfes, tragen
                              
                              									für Fahrten an der Oberfläche ein Deck von 31 Fuss Länge und werden über Wasser von
                              									einer Naphthamaschine bewegt, während, wie bei allen Booten neuester Art, als
                              									Triebkraft unter der Oberfläche elektrische Motoren, durch Akkumulatoren gespeist,
                              									in Betrieb gesetzt werden. Ein besonderer Apparat regelt die nach dem Torpedoschuss
                              									veränderten Gewichtsverhältnisse. Man kann nicht sagen, dass England, nachdem
                              									allerdings der Auftrag zum Bau 1900 vor dem Parlamentsantritt 1901 erteilt war,
                              									besondere Heimlichkeiten mit den fünf Booten trieb, wie das mehrfach in der
                              									Tagespresse gemeldet wurde. Engineering brachte am 21.
                              									März 1901 ziemlich genaue Beschreibungen, und England wird wohl das Resultat recht
                              									eingehender Prüfungen abwarten, bevor man dort daran denkt, mit Frankreich auf
                              									diesem Terrain in Wettbewerb zu treten. Sollte das Ergebnis ein derartiges sein,
                              									dass man in England zu der Ansicht neigt, ohne Uebermacht an solchen Fahrzeugen
                              									gefährdet zu sein, dann allerdings kann es geschehen, dass noch in diesem Jahrzehnt
                              
                              									die Unterseeboote nicht mehr nach Dutzenden zu zählen sind, sondern die Zahl hundert
                              									erheblich überschreiten werden. – Es ist bezeichnend, dass in England der Bau
                              									solcher Fahrzeuge ausschliesslich der Privatindustrie zugewiesen wurde, während man
                              
                              									in Frankreich gerade von dem Zeitpunkte ab, wo man sich entschied
                              									Unterseebootflotten zu beschaffen, die Privatwerften gänzlich von diesen Bauten
                              									ausschloss. Von diesen Booten brachte die Berliner Tägliche
                                 										Rundschau am 2. September 1900 Nachrichten, nach denen tiefes Geheimnis
                              									über den Dingern lagern sollte: „Nicht einmal der Name des ‚Erfinders‘ ist
                                 										bekannt geworden.“ Die Polaer Mitteilungen
                              									hatten aber bereits im Augustheft nähere Angaben gemacht und auch den Konstrukteur,
                              										James Ellis Howard, genannt.
                           Seitdem in den Vereinigten Staaten die Regierung sich entschlossen hat,
                              									Unterseeboote, und zwar solche Typ „Holland“ anzunehmen, hat die
                              									Erfindungssucht erheblich nachgelassen, und damit auch die Reklame. Sieben Boote
                              									sind im Bau, welche nach dem Stand am 1. September 1901 folgende Fortschritte in der
                              									Fertigstellung erreicht hatten: „Plunger“ 25, „Adder“ 85,
                              										„Grampus“ 51, „Moccassin“ 80, „Pike“ 50, „Porpoise“
                              									70, „Shark“ 68%. „Plunger“ ist ein Unglücksbau. Er lief bereits am 7.
                              									August 1897 auf den Columbian Iron Works in Baltimore
                              									vom Stapel. Die Werft stellte jedoch, pekuniärer Schwierigkeiten wegen, den
                              									Weiterbau Anfang 1900 ein, und 1½ Jahre später wird, wie erwähnt, „Plunger“
                              									von dem Army and Navy Journal vom 21. September 1901,
                              									also offiziell, zu nur 1/4 fertiggestellt angeführt. Die übrigen sechs Boote
                              									erhalten bei 19,2 m Länge, 3,6 m Breite 120 t Deplacement, sollen 8 Meilen über, 7 unter
                              
                              									Wasser laufen und zwar oben mittels einer Gasolinmaschine von 160 PS, unten durch
                              									Elektrizität getrieben. Die Boote haben nur ein Buglancierrohr und fünf Torpedos.
                              
                              									Man hat also von der vielgerühmten, komplizierten und als fürchterlich geschilderten
                              									Armierung des eigentlichen „Holland“ ganz und gar abgesehen. Der Kosten preis
                              									von 714000 Mark ist im Verhältnis zu den Franzosen recht hoch. Vier Boote liefert
                              									die Crescent Werft in Elizabethport, zwei bauen die Union Iron Works in San Francisco. Der Vorrat an
                              									Gasolin beträgt 2860 l, ein für die Grösse der Fahrzeuge recht beträchtliches
                              									Quantum. In der Beilage Nr. 34 der Vossischen Zeitung
                              
                              									schreibt jedoch Franz Bendt:
                              									„Die Boote sind so im Innern eingeteilt, dass sie 3070
                                    											cbm Brennstoff für den Benzinmotor mitführen können“, was bei
                              									Fahrzeugen von 120 t Wasserverdrängung wohl kaum angängig sein dürfte. Auch steht an
                              									derselben Stelle der unverständliche Preis von 170000 Pfund Sterling angeführt,
                              									Beweise dafür, wie wenig das allerdings komplizierte Gebiet der Unterwasserfahrzeuge
                              									beherrscht wird. Eines der oben angeführten Boote hat übrigens den Namen gewechselt,
                              									denn am 19. Juni 1901 ist auf der Werft von Lewis-Nixon
                              									in Elizabethport ein Boot der angegebenen Dimensionen unter dem Namen
                              										„Fulton“ vom Stapel gelaufenDeutsche Marine-Rundschau vom September
                                    											1901.. Da von den vier dort erbauten „Shark“ am 19.
                              									Oktober, „Porpoise“ am 23. September, „Moccassin“ am 20. August 1901
                              									abliefen, kann es nur „Adder“ sein. Es ist eigentlich in Amerika recht still
                              									geworden, seit die Regierung sich thatsächlich für die Annahme eines bestimmten Typs
                              
                              									von unterseeischen Fahrzeugen, bekanntlich des Typs „Holland“, definitiv
                              									entschieden hat. Nicht nur die Erfinder der früher zahlreichen abenteuerlichsten
                              									Dinger scheinen verschwunden, sondern man vernimmt in neuester Zeit auch wenig mehr
                              									von den enthusiastisch gepriesenen Leistungen der Regierungsboote, und von einer
                              									Massenbeschaffung – allein zur Verteidigung von New York wurden 50 Boote verlangt –
                              
                              									ist keine Rede mehr. Es scheint, dass man drüben die Leistungen der Unterseeboote,
                              									seit man sie in der Kriegsmarine thatsächlich besitzt, weit kühler als früher
                              									gegenübersteht, jedenfalls aber die Hoffnungen der Franzosen auf ihren Wert nur in
                              									recht geringem Umfang teilt.
                           Italien soll Frankreich folgen wollen, denn der Moniteur de la flotte meldete Sommer 1901, dass die
                              									Regierung den Bau von 20 Unterseebooten beschlossen und die Kontrakte bereits
                              									abgeschlossen habe. Da aber seither näheres nicht bekannt geworden ist, scheint die
                              									Nachricht zum mindesten verfrüht, jedenfalls die Zahl übertrieben. Den
                              										„Delfino“ hat man, nachdem er gründlich überholt wurde, ein Beweis dafür,
                              									dass man ihn nicht ständig verwendungsbereit gehalten hat, am 11. Januar 1901 wieder
                              									einmal für Proben in Dienst gestellt und zu Spezzia unter Teilnahme des
                              									Kontreadmirals Carlo Marchese einige Fahrten gemacht.
                              									Es gelang, die ganze Bucht unter der Oberfläche zu durchqueren, auch soll ein
                              									Torpedoschuss gegen den Panzerkreuzer „Varese“ erfolgreich gewesen sein. Das
                              									Fahrzeug führte den bereits bei Frankreich erwähnten Sehapparat von Albrizzi und ist gelegentlich des Stapellaufs des
                              									Linienschiffes „Regina Margherita“ am 30. Mai 1901 vom König und dem Herzog
                              									der Abbruzzen besichtigt worden; er ist jetzt über sechs Jahre alt.
                           In Schweden macht man viel Aufhebens von einem Boot, das
                              
                              
                              									der Marineingenieur Enroth konstruiert hat. Dasselbe
                              
                              									ist 24 m lang, 4 m breit, 3,5 m hoch, deplaziert über Wasser 142, untergetaucht 150
                              									t, hat zwei Triplemaschinen von 100 PS, zwei Schrauben und soll über Wasser 12,
                              									unter der Oberfläche 6 Meilen stündlich laufen. Es kann in 25 Sekunden (?!) tauchen
                              									und bis 60 m unter die Oberfläche gebracht werden. Als Angriffswaffe erhält es vier
                              									Torpedos in vier Lancierrohren, wovon zwei Panzerschutz bekommen, also zu
                              									Lancierungen über der Wasserfläche dienen. Unter der Oberfläche erfolgt die Bewegung
                              									durch Pressluft, die in Behältern an den Enden untergebracht ist. Manche der Angaben
                              									klingen so rosig, dass in Wirklichkeit wohl geringere Leistungen sich erzielen
                              									lassen dürften, namentlich was die Schnelligkeit des Tauchens angeht und die,
                              									übrigens gänzlich überflüssige und garnicht anzustrebende, Tauchtiefe von 60 m.
                              									Es verlautet, dass mehrere solche Enroth-Boote bestellt seien.
                           Norwegen steht Schweden nicht nach und will seine
                              
                              									Küstengewässer durch Unterseeboote verteidigt sehen, zunächst aber ein Boot Typ
                              										„Holland“ von 120 t bauen lassen. Man hält die norwegischen Gewässer ganz
                              									besonders für Operationen unterseeischer Fahrzeuge geeignet. Wenn norwegische
                              									Blätter von einem Boot aber schreiben, das der Erfinder der amerikanischen
                              									Unterseeboote, Holland, für die norwegische Marine
                              									konstruiert hat, so dürfte diese Meldung kaum richtig sein. Das Fahrzeug soll bis 10
                              									m tauchen, vier Stunden unter Wasser bleiben können und vier Mann Besatzung
                              									erhalten. Marineminister Admiral Boresen befürwortet
                              									die Beschaffung.
                           In Russland sind zwei neue Boote erschienen. Ingenieur
                              										Borchard hat sich vorläufig damit begnügt, nur ein
                              									Modell herzustellen. Er will sein Boot mit flüssiger Kohlensäure treiben und sechs
                              									Stunden unter Wasser bleiben. Im Oktober 1901 hatte er die Absicht, mit Probefahrten
                              
                              									auf der Newa zu beginnen. Das andere Boot stammt von dem Leutnant Kolbasjeff und dem Ingenieur Kuteinikoff und ist Ende Oktobar 1901 zu Kronstadt abgelaufen. Es ist aus
                              									neun Sektionen auseinandernehmbar konstruiert, 16 m lang, 1,3 m breit und deplaciert
                              									nur 20 t. In den drei mittelsten Sektionen befindet sich die Maschinenanlage, die
                              									mittels Elektrizität sechs Propeller treibt. Die Akkumulatoren, System Bari, sind in drei weiteren Sektionen vorne und achter
                              
                              									untergebracht, und diese Sektionen nehmen auch beim Untertauchen den Wasserballast
                              									ein. Das Boot richtet sich auch bei über 90° Neigung selbstthätig auf und soll in
                              
                              									kurzer Zeit für Proben fertiggestellt sein.
                           Zum erstenmal tauchen Südamerikaner mit Projekten für unterseeische Navigation
                              									hervor, ein Brasilianer und ein Argentinier. Von letzterem kennt man nicht einmal den Namen des
                              									Konstrukteurs. Es soll ein Unterseeboot eigener Erzeugung in Argentinien
                              									fertiggestellt sein; das ist alles was man weiss, und das ist gerade nicht viel. In
                              									Brasilien aber hat, wie sich der allerdings in Seesachen nicht gerade zuverlässige
                              										Berliner Lokal-Anzeiger vom 29. September 1900 aus
                              
                              									Rio de Janeiro telegraphieren liess, ein vom Ingenieur Mello
                                 										Marques erbautes Unterseefahrzeug in Gegenwart des Präsidenten in der Bai
                              									Probefahrten gemacht. Die Deutsche Marine-Rundschau
                              									bestätigt das im Novemberheft und fügt hinzu: „Um ein endgültiges Urteil zu
                                 										gewinnen, beschloss die Regierung ein grösseres Boot in Bau zu geben.“
                              									Danach handelt es sich jedenfalls bei den Proben nur um ein Modellfahrzeug, welche
                              									Konstruktionen schon oft grosse Hoffnungen erweckt haben, die später zu nichte
                              									wurden.
                           In wenigen Jahren wird sich – nach Inbetriebsetzung der Flotte Frankreichs – zeigen,
                              									ob das Unterseebootwesen bereits soweit Feld erobert hat, dass man unterseeische
                              									Fahrzeuge als vollwertige Kriegswaffen, wenn auch nur für besondere Zwecke, in Masse
                              									verwenden kann. Nicht zum wenigsten ist es der geringe Beschaffungspreis, der ihnen
                              									Freunde, namentlich in den politischen Parteien erweckt, die mit dem Geldgeben für
                              									Heer und Flotte zähe sind, und weiterhin ist die Möglichkeit, durch den Schuss eines
                              									Unterseebootes ein Linienschiff für 25 und mehr Millionen zu vernichten, sehr
                              									verlockend für ihre Beschaffung. Auch unterliegt es keinem Zweifel, dass ihr blosses
                              									Vorhandensein und die Möglichkeit ihres aktiven Auftretens, auf den Gegner
                              									beunruhigend wirken muss, wie überhaupt der Respekt vor unterseeischen Waffen sehr
                              									gross ist, und häufig sogar, wie im griechischen und im amerikanischspanischen
                              									Kriege in Lächerlichkeit ausartet. Immer wird das Unterseeboot die Waffe des
                              									Schwächeren bleiben und ist auch als solche von der Vollkommenheit noch recht weit
                              									entfernt. Die Sehvorrichtungen sind noch mangelhaft, und der Ausruf Lockroy's in der französischen Kammer, „die
                                 										Unterseeboote sind nicht mehr blind wie bisher“, war der Ausruf eines
                              									Enthusiasten, schlagend widerlegt durch das angeführte Manöver des „Gustave
                                 										Zédé“ vor Ajaccio, der dem „Jauréguiberry“ ahnungslos unmittelbar vor
                              									dem Bug auftauchte. Deutschland wird schwerlich in nächster Zeit aus seiner Reserve
                              									heraustreten, sondern die bewährten zuverlässigen Seewaffen vervollkommnen, wohl
                              									aber die Fortschritte im Unterseebootwesen, auch ohne selbst kostspielige
                              									Experimente zu machen, verfolgen.