| Titel: | Eine neue Pressluftfeuerung. | 
| Autor: | L. L. | 
| Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 108 | 
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                        Eine neue Pressluftfeuerung.
                        Eine neue Pressluftfeuerung.
                        
                     
                        
                           Neben der Konstruktion einer rauchfreien Feuerung spielt in der modernen
                              									Feuerungstechnik die Frage der Verwertung minderwertiger Brennmaterialien, wie
                              									Koksgriess, Anthracitklein, Braunkohle u.s.w. eine wichtige Rolle. Aus Gründen, auf
                              									deren nähere Besprechung wir im folgenden eingehen, war bisher als Brennmaterial für
                              									Dampfkesselfeuerungen Steinkohle massgebend, weshalb die vorher genannten
                              									minderwertigen Brennstoffe zu den Preisen abgegeben werden, die nicht im Verhältnis
                              									stehen zu deren relativ hohem Heizwert. Der kalorische Wert der Koksgriesse z.B.
                              									beträgt 5/7 bis ⅝
                              									desjenigen der Steinkohle, während der Einkaufspreis derselben etwa nur ¼ bis ⅓
                              									desjenigen guter Steinkohle ausmacht. Die Verwertung der Koksgriesse u. dgl. zur
                              									Kesselheizung bedeutet hiernach eine wesentliche Verminderung der Betriebs- und
                              									aller Produktionskosten. Die Frage der Verwendung der Koksgriesse zur Kesselheizung
                              									ist um so mehr von Wichtigkeit, als in den Schmelzkokereien Deutschlands und
                              									Oesterreichs enorme Mengen dieses Brennstoffes unbenutzt lagern und immer noch
                              									produziert werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 108
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 108
                              Fig. 2.
                              
                           Was Braunkohle anbelangt, so sind insbesondere in Sachsen und Brandenburg grosse
                              									Lager derselben vorhanden. Man unterscheidet zwei Arten Braunkohle: Schwel- und
                              									Feuerkohle. Nur die Feuerkohle – am häufigsten bitumenarme Partien Lignits – dient
                              									zu Feuerungszwecken, doch selten in rohem, lufttrockenem Zustande, vielmehr
                              									gewöhnlich in Gestalt von Nasspresssteinen oder Presskohle. Verbrennungswärme
                              									lufttrockener Braunkohle schwankt zwischen 3500 bis 4500 W.-E. (diejenige guter
                              
                              									Steinkohle macht 7000 W.-E., d.h. 1,5- bis 2mal so viel aus). Preis pro 10000 kg
                              									Braunkohle beträgt im Mittel 50 Mark loco Kesselhaus (10000 kg Steinkohle kosten
                              									loco Kesselhaus 140 Mark, d.h. 2,8mal so viel!). Die Jahresproduktion Deutschlands
                              									an Braunkohle betrug 1890 20000000 t; davon wird nur ein geringer Teil auf
                              									Treppenrosten verbrannt und zwar in Gestalt von Presskohle.
                           Auch der natürliche Kohlenstaub findet nur in Gestalt von Briquetts Verwendung.
                              									Was endlich Koksgriesse anbetrifft, so sind die bisherigen Versuche, dieselben durch
                              
                              
                              
                              
                              									Briquettieren mit Erzen zum Zwecke der Metallerzeugung u. dgl. zu verwerten
                              									resultatlos geblieben.
                           Das Briquettieren erhöht natürlich nicht unwesentlich den Preis der Kohle, so dass
                              									direkte Verfeuerung von Braunkohle u. dgl. im rohen oder wenig veränderten Zustande
                              									immer noch eine Frage von hoher wirtschaftlicher Bedeutung ist. Bekanntlich lassen
                              									sich die eingangs genannten Brennstoffe auf gewöhnlichen Planrosten nicht
                              									verbrennen, teils weil sie, wie Koks, viel Asche absondern und in kurzer Zeit den
                              									Rost verschlacken, teils weil sie bei breiten Spalten unverbrannt durchfallen, bei
                              									engen nicht genügenden Zug haben, zum Teil noch, weil sie sich nur äusserst schwer
                              									entzünden und in der Zeiteinheit nicht genügenden Dampf entwickeln. Besser eignet
                              									sich der Treppenrost, namentlich für Braun- und Staubkohle; indessen ist dessen
                              									Anwendung bei Koksgriess wegen starker Erzeugung von Asche und Schlacke, die bei
                              									diesem Roste nicht selbständig durchfallen, unvorteilhaft. – Vorzüglich eignet sich
                              									zur Verfeuerung allerlei Kohlenabfälle, Braunkohle u.s.w. Kohlenstaubfeuerung, die
                              									ausserdem anerkannt eine vollständig rauchlose Verbrennung ergibt. Indessen stehen
                              									der Verbreitung der Kohlenstaubfeuerung zur Zeit einige Hindernisse im Wege, so
                              									namentlich die Abhängigkeit von der Müllerei, da die Zechen selbst keinen
                              									Kohlenstaub liefern.
                           Zur Zeit werden zur Verbrennung schwer entzündlicher, aschenreicher und
                              									kohlenstoffarmer Brennstoffe Feuerungen mit Unterwind verwendet. Bei Verwendung von
                              									Pressluft kann man das feinkörnige Brennmaterial in einer Schicht auf den Rost
                              									aufschütten, bei der unbedeckte Stellen nicht auftreten können, auch ist wegen des
                              									Luftüberdrucks die Verbrennung in der Regel so lebhaft, dass alle Brennstoffe? auch
                              									die schwer entzündlichen Koks mit Leichtigkeit und fast rauchlos verbrennen. Endlich
                              									ist bei Anwendung von Druckluft ohne weiteres die Möglichkeit gegeben, die
                              									Rostplatten 
                              									eng zu machen, damit das Brennmaterial nicht unverbrannt durchfalle. – Von den
                              									bisher bekannten Systemen der Unterwindfeuerungen dürfte die von Kudlicz mit Windkasten und Dampfstrahlgebläse die
                              									bekannteste sein. – Bei Anwendung von Windkasten und Luftzuführung durch die gesamte
                              									ungeteilte Spaltlänge ist es schwer den Luftdruck auf der ganzen Rostfläche
                              
                              									gleichmässig zu gestalten und eine innige Durchdringung des Brennmaterials mit Luft
                              									zu erzielen. Auch macht die Entfernung der durchfallenden Asche einige
                              									Unannehmlichkeiten. Bei Luftzufuhr durch die hohlen Roststäbe gesellt sich zu den
                              									genannten Schwierigkeiten noch schneller Verschleiss der Hohlstäbe, deren
                              									Ausströmungsöffnungen dem Feuer ein günstiges Angriffsobjekt bieten.
                           Diese Schwierigkeiten zu beheben und die wirtschaftliche und betriebssichere
                              									Verfeuerung minderwertiger Brennstoffe zu ermöglichen, soll die Aufgabe der vom
                              									Ingenieur Döhlert in Köln a. Rh. erfundenen
                              									Pressluftfeuerung sein. Die Gesichtspunkte, welche bei der neuen Konstruktion
                              									massgebend waren, sind folgende. Die Zuführung von Pressluft geschieht durch eine
                              									Reihe Hohlstäbe, deren dem Feuer zugekehrte Seite mit einer Reihe runder
                              									eingebohrter Löcher und Spalten versehen ist. Zwecks grösster Haltbarkeit sind diese
                              									Stäbe aus vorzüglichen nahtlosen Stahlröhren von ovalem Querschnitt hergestellt, was
                              									ausserdem den Vorteil gewährt, dass sich die Armaturen nicht drehen können und
                              									keiner besonderen Befestigung bedürfen. Die Hohlstäbe sind der direkten Einwirkung
                              									des Feuers entzogen, da sie durch einen besonderen Gitterrahmenrost aus
                              									Tempergussstahl bedeckt sind. Zwecks möglichst gleichmassiger Luftverteilung ist die
                              									Luftzuführung folgendermassen eingerichtet. Die durch einen Ventilator erzeugte
                              									Pressluft wird durch das Rohr A (Fig. 2) und die beiden Verbindungsrohre B und B1 (Fig. 1 und 2) in die Verteilungskammern K und K1
                              									geleitet. In diese Kammern mündet das eine Ende jedes Stahlrohres, während das
                              									andere mit den Aschekammern L und L1 in Verbindung steht.
                              									Die Anordnung ist so getroffen, dass die Rohre die Pressluft abwechselnd das eine
                              									vom vorderen Wind Verteiler, das nächste vom hinteren Verteiler erhalten (vgl. Fig. 2). In dem den Windkasten zugekehrten Teile,
                              									welcher etwa zwei Drittel der ganzen Rohrlänge ausmacht, sind die Stahlrohre mit
                              									runden Löchern von wenigen Millimetern Durchmesser versehen; im letzten Drittel des
                              									Rohres sind diese Löcher durch Querschlitze ersetzt. Dieses im Verein mit der
                              									beiderseitigen Luftzuführung sichert eine vollständig gleichmässige Verteilung des
                              									Luftdruckes über die gesamte Rostfläche. Da ausserdem die Luft in Gestalt von
                              									sehr feinen Strömen austritt, so ist die Bildung von Stichflammen vermieden. Die in
                              									die Pressluftrohre eingedrungene Asche kann durch das Abblaserohr C vermittelst des im ganzen System vorhandenen
                              									Luftüberdrucks nach Bedarf entfernt werden. Die Regelung der Luftzufuhr geschieht
                              									durch Regulierschieber R. Die auf dem Rost sich
                              									ablagernde Schlacke kann, da die Spalten in der Längsrichtung verlaufen, vom
                              									Heizerstande aus mittels Schüreisen mit Leichtigkeit entfernt werden und kann die
                              
                              									Luftzuführungsöffnungen nicht verstopfen – im Gegensatz zu anderen
                              									Unterwindfeuerungen, bei denen ausserdem die Reinigung des Rostes, der meistens mit
                              									Querspalten versehen ist, nicht so leicht erfolgen kann. – Die Luftverteilungskästen
                              									sind aus mehreren Teilen zusammengesetzt, um für verschiedene Breiten des Rostes mit
                              									möglichst geringer Anzahl der Modelle auszukommen. Die Konstruktion der
                              									Gitterrahmenroste ist aus den Figuren ersichtlich. Die Verbindung der Pressluftrohre
                              									mit den Anschlussköpfen geschieht durch Innenmuffen; dasjenige Ende jedes Rohres,
                              									welches in eine Aschekammer mündet, kann sich über der Innenmuffe frei bewegen,
                              									wodurch der Ausdehnung desselben durch die Hitze Rechnung getragen wird. Die
                              									Bedienung des Pressluftrostes unterscheidet sich durch nichts von der eines
                              									Planrostes, nur ist die Menge des aufzuschüttenden Brennmaterials und der Schlacke
                              									grösser.
                           Da die Koksgriesse stark schlacken, so empfiehlt Ingenieur Döhlert dieselben in geeigneter Mischung mit Braunkohle oder Torf zum
                              									Abbrand zu bringen. Dieser Mischung ist, falls eine Forcierung des Kessels erwünscht
                              									ist, ein Teil guter Steinkohle beizugeben. – Die an den mit Döhlert-Feuerung
                              									versehenen Kesseln vorgenommenen Verdampfungsversuche haben recht zufriedenstellende
                              									Resultate ergeben. Die Versuche betrafen einen Dürr-, einen Piedboeuf- und einen
                              									kombinierten Kessel. Als Brennmaterial wurde eine Mischung von Steinkokle,
                              									Braunkohle und Koksgriess von der mittleren Zusammensetzung – 27 bis 50 %
                              									Steinkohle, 50 bis 24 % Koksgriess und 23 bis 26 % Braunkohle bezw. 33 % Braunkohle
                              									und 67 % Steinkohle – verwendet. Die Versuche haben eine vollständige, ungestörte
                              									und zum Teil rauchfreie Verbrennung während mehrstündiger Beobachtungszeit erwiesen.
                              									Die Nachrechnung hat ergeben, dass die Betriebskosten bei Anwendung vorgenannter
                              									Brennstoffe im Mittel um 29 % billiger ausfallen, als bei der Verbrennung von
                              									Steinkohle auf gewöhnlichen Planrosten.
                           
                              L. L.