| Titel: | Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. | 
| Autor: | M. Richter | 
| Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 539 | 
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                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
                        Von Ingenieur M. Richter, Bingen.
                        (Fortsetzung von S. 78 d. Bd.)
                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
                        
                     
                        
                           Die folgenden Zeilen sollen denjenigen, welche nicht Gelegenheit gehabt haben,
                              									die Weltausstellung Paris 1900 bezw. den Annex in Vincennes zu besuchen, oder
                              									solchen, welchen die Reihe der vorgeführten Muster von Schnellzuglokomotiven nicht
                              									die nötige Vollständigkeit zu besitzen schien, einen gewissen Ersatz bieten, soweit
                              
                              									es sich um einen umfassenden Ueberblick über die heute und in der nächsten Zukunft
                              									üblichen, zur Beförderung von Schnellzügen im weitesten Sinne des Wortes dienenden
                              									Bauarten der Lokomotive handelt. Ein Eingehen in Einzelheiten würde, besonders wenn
                              									diese mit schon vorhandenen Normalien sich decken, eine dem vorliegenden Thema
                              									ungünstige Erweiterung, ja sogar Zersplitterung des Rahmens bedingen und soll daher
                              									im allgemeinen vermieden werden. Die nötigen Rücksichten lassen sich im Text durch
                              									einige Bemerkungen genügend erledigen, was zum Klarhalten des Stoffes vorteilhaft
                              									ist.
                           Die Leistungsfähigkeit der Schnellzuglokomotive soll durch eine internationale
                              									Ausstellung der modernsten Typen auf dem Papier beleuchtet werden, wobei die
                              									schematische Darstellung der Bauart, bezw. die äussere Ansicht durch die Angaben der
                              
                              									Hauptabmessungen, Verhältnisse und Wertziffern, sowie durch Bemerkungen über das
                              									Verhalten bei Probefahrten und im täglichen Betrieb, endlich durch Belastungs- und
                              									Geschwindigkeitstabellen unterstützt werden möge, so dass die Beurteilung und
                              									Vergleichung der einzelnen Typen nach ihrer Brauchbarkeit und der davon abhängigen
                              									Existenzberechtigung sehr einfach ausfällt. Was die Einteilung des Stoffes betrifft,
                              									so ist die Frage, ob die Gruppierung nach der Gesamtzahl der Achsen oder nach der
                              									Zahl der Triebachsen zu geschehen hat, durch die Herkunft der
                              									Schnellzuglokomotive gelöst: Geschwindigkeit, Leistung, Kesselgewicht, Gesamtzahl
                              									der Achsen sind gleichwertige, untereinander proportionale Massstäbe, welche an die
                              									Lokomotive anzulegen sind. Die Gruppierung muss daher der Zahl sämtlicher Achsen der
                              									Lokomotive, genauer auch diejenigen des Tenders inbegriffen, entsprechen; die Zahl
                              									der Triebachsen kommt, zu höheren Werten ansteigend, erst in zweiter Linie in
                              									Betracht, da die Mehrkuppelung von Achsen bei gegebenem Dienstgewicht nur eine
                              									Vergrösserung der Zugkraft, nicht aber der Geschwindigkeit bedingt; die
                              									Unterabteilungen richten sich somit nach der Zahl der Triebachsen, mit der das
                              									Adhäsionsgewicht bezw. die nutzbare Zugkraft, aber nicht die Leistung
                              									zusammenhängt.
                           Die Kennzeichnung der Bauart geschieht bekanntlich mit Rücksicht auf diese Umstände
                              									durch einen Bruch, der das Verhältnis der Zahl der Triebachsen zur Gesamtzahl der
                              									Achsen darstellt, in seinem Zähler also einen Massstab der Kraft, in seinem Nenner
                              									einen Massstab der Geschwindigkeit (Leistung) enthält; während der Nenner
                              									naturgemäss sich langsam vergrössert hat, muss der Zähler zurückbleiben, damit die
                              									Schnelllokomotive nicht in die Kraftlokomotive übergeht, die gewählte Einteilung
                              									erscheint daher begründet. In dem Bruch drückt sich sehr klar die zunehmende
                              									Vergrösserung der toten Last aus, er kann deshalb den kommerziellen Wirkungsgrad
                              									\left(\frac{\mbox{Nutzlast}}{\mbox{Gesamtlast}}\right) ersetzen, und selbst als Wirkungsgrad bezeichnet werden: \frac{\mbox{Nutzachsen}}{\mbox{Gesamtachsen}} für
                              									die Lokomotive an sich.
                           
                           Dieses Verhältnis heisse „Achsziffer“ zur Abkürzung, und es sind zwei
                              									Achsziffern vorhanden:
                           Die erste mit Weglassung der Tenderachsen ist der oben erwähnte gewöhnlich benutzte
                              									Bruch, welcher von Rechts wegen auf die Tenderlokomotive nicht angewendet werden
                              									dürfte, da bei dieser eben stets die von der Maschine unzertrennlichen Vorratskästen
                              									schon mit berücksichtigt sind. Gerechter erscheint daher zur Kennzeichnung der
                              									Bauart die zweite Ziffer, deren Nenner sämtliche Achsen einschliesslich des Tenders
                              
                              									enthält.
                           Ist die Zahl der Triebachsen A, der Lokomotivachsen im
                              									ganzen Am, der
                              									Tenderachsen At, die
                              									Achsziffer η' η'', so ist die „erste“
                              									Achsziffer
                           
                              \eta'=\frac{A}{A_m},
                              
                           die „zweite“ Achsziffer
                           \eta''=\frac{A}{A_m+A_t}.
                              								
                           Diese Achsziffern haben klassifizierende Bedeutung.
                           Ist ferner das Adhäsionsgewicht La, das Dienstgewicht der Maschine Lm, des Tenders Lt, so können zwei weitere wichtige
                              									Güteverhältnisse gebildet werden, welche als „Gewichtsziffern“ zu bezeichnen
                              									wären und das Verhältnis des Adhäsionsgewichts zum Dienstgewicht angeben, nämlich
                              									die „erste“ Gewichtsziffer
                           
                              \eta_1=\frac{L_{\alpha}}{L_m}
                              
                           die „zweite“ Gewichtsziffer
                           
                              \eta_2=\frac{L_{\alpha}}{L_m+L_t}
                              
                           Die Gewichtsziffern sind zwar den Achsziffern analog, aber für verschiedene Bauarten
                              									derselben Klasse verschieden; sie haben daher spezialisierende, individuelle
                              									Bedeutung.
                           Auch hier muss die Trennung zwischen Schlepptender und Tenderlokomotive
                              									stattfinden.
                           Dieselbe Rücksicht ist zu beachten bei der Berechnung der als „Kraftwert“ und
                              										„Geschwindigkeitswert“ bezeichneten Verhältnisse w1 und w2 (1901 316 362). Wird
                              									bei der Tenderlokomotive unter „Dienstgewicht“ stets dasjenige mit Einschluss
                              									der Vorräte, bezw. der zur Aufnahme derselben nötigen Tragachsen verstanden, so muss
                              									sich diese Anschauung ebensogut auch auf Maschinen mit Schlepptender erstrecken. Bei
                              
                              									beiden Lokomotivarten wird dann die zu erwartende Ausdauer in ihrer Abhängigkeit von
                              									der Menge der mitgeführten Vorräte und von den Zugeständnissen an die Höhe der toten
                              									Last im allgemeinen zum Ausdruck kommen. Mindestens ist es geboten, die erwähnten
                              
                              									Werte zweifach, nämlich mit und ohne Einschluss des Tenders aufzustellen, ersteres
                              									einer gerechten Vergleichung wegen, letzteres dem üblichen Gebrauch zu Liebe.
                              									Einerseits ist zwar der Schlepptender mit der Maschine nicht so innig verbunden,
                              									dass er nicht, ohne den geringsten Einfluss auf die letztere, jederzeit mit einem
                              									leichteren oder schwereren vertauscht werden könnte, womit allerdings sein Gewicht
                              									die Berechtigung verliert, als Konstante in den Wertziffern mitzuspielen;
                              									andererseits aber muss logischerweise alles, was vor dem Tenderzughaken, ohne Arbeit
                              									zu leisten, im Zuge mitläuft, als tote Last betrachtet werden, ohne Rücksicht
                              									darauf, ob nun die Vorräte in einem besonderen Wagen oder auf dem Maschinengestell
                              									mitgeführt werden.
                           Dieser Widerspruch kann nur so gehoben werden, dass man eine bloss äusserliche
                              									Kennzeichnung der Bauart durch die erste Achsziffer η',
                              									eine Beurteilung des kommerziellen Wirkungsgrades dagegen durch die zweite
                              									Achsziffer η'' vornimmt; eine Trennung der beiden
                              									Angaben wird sich im folgenden oft als passend erweisen.
                           Endlich soll an die „Ladeziffer“ des Tenders
                              										\left(\frac{\mbox{Gewicht der
                                 										Vorräte}}{\mbox{Dienstgewicht}}\right) erinnert werden.
                           In den Tabellen ist die „Maschinen“zugkraft Z1 (für geringe Geschwindigkeiten) nach den Formeln
                              									berechnet (d Durchmesser des Hochdruck-, d1 des
                              									Niederdruckcylinders):
                           für Zwillingsmaschinen (α = 0,5):
                           
                              Z_1=\alpha\,\frac{d^2\,s\,p}{D}
                              
                           für Verbundmaschinen mit einem Niederdruckcylinder:
                           
                              Z_1=\alpha\,\frac{{d_1}^2\,s\,p}{2\,D}
                              
                           für Verbundmaschinen mit zwei Niederdruckcylindern:
                           
                              Z_1=\alpha\,\frac{{d_1}^2\,s\,p}{D}
                              
                           wobei der Einheitlichkeit wegen für alle Kolbenverhältnisse
                              										α = 0,4 gesetzt werden soll.
                           Ferner ist die „Adhäsions“zugkraft Z2 (aus dem Adhäsionsgewicht), unter welcher die
                              
                              									Maschinenzugkraft Z1
                              									bleiben muss, wenn Schleudern vermieden werden soll, für einen mittleren
                              									Adhäsionskoeffizient \frac{Z_2}{L_n}=\frac{1}{6} berechnet mit
                           Z2 = 0,167 Lα
                              								
                           und die „Kraftziffer“
                              									\frac{Z_2}{Z_1} gebildet, um auszudrücken, wieviel Prozent der Maschinenkraft als Reibung
                              									verwendbar sind bei mittleren Verhältnissen.
                           In den Tabellen finden sich somit folgende Wertziffern:
                           
                              
                                 die Kraftziffer \frac{Z_2}{Z_1}
                                 (Adhäsion: Maschinenkraft)
                                 
                              
                                 die Gewichtsziffern η1 η2
                                 (Adhäsionsgew.: Dienstgew.)
                                 
                              
                                 die Ladeziffer wt
                                 (Ladegew.: Tenderdienstgew.)
                                 
                              
                                 die Kraftwerte w1' w1'' 
                                 (Maschinenkraft: Dienstgew.)
                                 
                              
                                 die Geschwindigkeitswerte w2' w2'' 
                                 (Leistung: Dienstgewicht).
                                 
                              
                           Die Einteilung der heutigen Bauarten ist nun folgende:
                           a) Verkehr auf durchgehenden Hauptbahnen:
                           Lokomotiven mit Schlepptender.
                           
                              
                                 α)
                                 Mittlere Leistungen: Vierachsige Lokomotiven.
                                 
                                 
                              
                                 
                                 1. Mässige Belastung, hohe Geschwindigkeit:
                                 ¼ gek. L.
                                 
                              
                                 
                                 2. Mittlere Belastung, mittlere Geschwindigkeit:
                                 2/4 gek. L.
                                 
                              
                                 
                                 3. Hohe Belastung, massige Geschwindigkeit:
                                 ¾ gek. L.
                                 
                              
                                 β)
                                 Hohe Leistungen: Fünfachsige Lokomotiven.
                                 
                                 
                              
                                 
                                 1. Mittlerere Belastung, hohe Geschwindigkeit:
                                 ⅖ gek. L.
                                 
                              
                                 
                                 2. Hohe Belastung, mittlere Geschwindigkeit:
                                 ⅗ gek. L.
                                 
                              
                           b) Vorort- und Lokalverkehr:
                           Tenderlokomotiven.
                           
                              
                                 α)
                                 Mässige Leistungen: Vierachsige Lokomotiven.
                                 
                                 
                              
                                 
                                 1. Mittlere Belastung, massige Geschwindigkeit:
                                 2/4 gek. L.
                                 
                              
                                 
                                 2. Hohe Belastung, massige Geschwindigkeit:
                                 ¾ gek. L.
                                 
                              
                                 β)
                                 Mittlere Leistungen: Fünfachsige Lokomotiven.
                                 
                                 
                              
                                 
                                 1. Mittlere Belastung, mittlere Geschwindigkeit:
                                 ⅖ gek. L.
                                 
                              
                                 
                                 2. Hohe Belastung, massige Geschwindigkeit:
                                 ⅗ gek. L.
                                 
                              
                           Als normal sollen hier nur diese Bauarten gelten. Besonders unter b) kommen auch noch
                              
                              									andere Achsziffern vor, wobei der Nenner meistens nur durch die Menge der
                              									mitgeführten Vorräte beeinflusst wird. Für die Abteilung a) ist daher die Achsziffer
                              										η', für die Abteilung b) die Achsziffer η'' gewählt. Verschiebungen im Rang innerhalb dieser
                              									Gruppierung sind keineswegs ausgeschlossen, da die Ausdrücke „mässig, mittel,
                                 										hoch“ sehr allgemein sind, und die Massstäbe dafür nicht nur für
                              									Geschwindigkeit und Belastung, sondern auch für gleichartige Typen verschiedener
                              									Länder (besonders bei der Vergleichung amerikanischer und europäischer
                              									Verhältnisse), je nach Grösse und Anstrengung der Maschine verschiedene sein
                              									müssen.
                           In Amerika sind die Zugbelastungen zwei- bis dreimal so hoch als bei uns bei gleicher
                              									Geschwindigkeit, umgekehrt die letztere bei gleicher Belastung manchmal um die
                              									Hälfte höher als bei uns. Ohne besondere Voraussetzungen und Begriffserweiterungen
                              									kann deshalb die Anstrengung gleicher Typen, d.h. Typen mit gleichen Achsziffern, in
                              									verschiedenen Ländern nicht durch dieselben Worte angegeben werden.
                           Zum Beispiel: die ⅖ gekuppelte Schnellzuglokomotive der Pfalzbahn befördert einen Zug
                              									von 320 t Gewicht einschliesslich Maschine und Tender mit 90 km/Std., die ⅖
                              									gekuppelte Schnellzuglokomotive der New Yorker Zentralbahn dagegen befördert einen
                              									Zug vom Gesamtgewicht 800 t mit 97 km/Std.; diese grosse Verschiedenheit in der Leistung
                              									ist nur durch die Verschiedenheit der Abmessungen bedingt, wenn man gleichartige
                              									Anstrengung des Blasrohrs und 
                              									Qualität des Brennstoffs voraussetzt, was allerdings nicht zutrifft. Der
                              									Achsziffer ⅖ entsprechend müssen trotzdem beide Maschinen in die Kategorie a β 1 der vorigen Zusammenstellung eingereiht werden,
                              									wobei eben dann für die Anstrengung der deutschen Lokomotive ein europäischer, für
                              									diejenige der amerikanischen ein amerikanischer Massstab anzulegen ist.
                           Aehnliche Bemerkungen sind im Gebiet der Tenderlokomotive zu machen; zu Gunsten der
                              									Leistung, noch mehr aber der Grösse der Vorratsräume sind in Amerika vielachsige
                              									Lokomotiven auch im Vorortverkehr üblich, welche überhaupt nicht unter die
                              									aufgeführten Titel gebracht werden können (ausgenommen die älteren, leichten
                              									Maschinen der Hochbahnen in New York, Chicago), so z.B. die 3/7 gekuppelte
                              									Untergrundlokomotive der New Yorker Zentralbahn.
                           
                        
                           a) Lokomotiven mit Schlepptender.
                           Wie schon ausgeführt (1901 316 363), bedingt die
                              									Vergrösserung der Ansprüche des Verkehrs zwei Verschlechterungen des kommerziellen
                              									Wirkungsgrades und damit auch der Achsziffern: einerseits eine Erhöhung der toten
                              									Last infolge des für die höhere Leistung nötigen grösseren Kessels; andererseits
                              									eine Erhöhung der toten Last infolge des für grössere Ausdauer der Leistung, sowie
                              									für den grösseren Materialverbrauch nötigen grösseren Tenders, wovon nur die Bahnen
                              									mit Wassertrögen nicht betroffen werden. Geht man über die zahllosen
                              									Entwickelungsstufen weg, welche die Lokomotive von ihrer ersten Form, die
                              									bezeichnenderweise schon nicht den besten kommerziellen Wirkungsgrad besass, bis
                              									heute durchlaufen hat, stellt die älteste Form der neuesten entgegen und trennt den
                              									Schnellbetrieb vom Kraftbetrieb, so gewinnt man den Ueberblick (Fig. 1 bis 4).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 541
                              Fig. 21.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 541
                              Fig. 22.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 541
                              Fig. 23.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 541
                              Fig. 24.
                              
                           
                              
                                 Verwendung
                                 Jahr
                                 Achsziffer η' 
                                 Achsziffer η'' 
                                 Figur
                                 
                              
                                 Schnellbetrieb
                                 18301900
                                   ½ =   50 %  ⅖ =   40  „
                                   ¼ = 25 %  2/9 = 22  „
                                 2122
                                 
                              
                                 Kraftbetrieb
                                 18301900
                                   2/2 = 100  „  ⅗ =   60  „
                                   2/4 = 50  „  3/9 = 33  „
                                 2324
                                 
                              
                           Die stetige Zunahme der toten Last prägt sich darin deutlich aus, welche nur mit der
                              									Steigerung der Geschwindigkeit, soweit es die Werte η',
                              									aber mit der gleichzeitigen Steigerung von Geschwindigkeit und Ausdauer, soweit es
                              									die Werte η'' betrifft, zusammenhängt. Die hier
                              									benutzten Beispiele sind Grenzfälle der gebräuchlichen Ausführungen von heute und
                              									damals; durch Einführung der Achsziffer ist die sehr veränderliche Grösse der
                              									Achsbelastungen ausgeschaltet. Durch Aufstellung des Verhältnisses zwischen
                              									Adhäsionsgewicht und Dienstgewicht verliert der Gegensatz seine allgemeine
                              
                              									Gültigkeit und ist nur für bestimmte Bauarten noch brauchbar, wofür die folgenden
                              									Beispiele dienen mögen:
                           
                              
                                 
                                    
                                    Bahn
                                    
                                 
                                    
                                    η
                                    
                                 η''
                                 Adh.-Ge-wicht
                                 Dienstgewicht
                                 
                                    
                                    η
                                    1
                                    
                                 
                                    
                                    η
                                    2
                                    
                                 
                              
                                 Ma-schine
                                 Tender
                                 
                              
                                 New York  ZentralFranz. Nord
                                 ⅖
                                 2/9
                                 43 t33 „
                                 80 t63 „
                                 50 t46 „
                                 54 %52 „
                                 33 a30 „
                                 
                              
                                 Atch. Top. St.  FéElsass-Lothr.
                                 ⅗
                                 3/9
                                 66 „47 „
                                 95 „69 „
                                 55 „47 „
                                 70 „68,
                                 44 „40 „
                                 
                              
                           Auffallend ist, dass bei den verschiedenen Abmessungen die Verhältnisse für die
                              									Maschinen derselben Klasse doch fast die gleichen sind, d.h. dass die Gleichheit der
                              									Achsziffern auch die Gleichheit der Gewichtsziffern bedingt, ein Beweis dafür, dass
                              									die Ziffern proportional sind. Die amerikanischen Lokomotiven weisen dabei noch eine
                              									geringe Ueberlegenheit auf, welche noch grösser wäre, wenn nicht der Tender solche
                              									Abmessungen besässe, dass sein Gewicht meistens das Adhäsionsgewicht erreicht, oft
                              									aber übersteigt; letzteres tritt natürlich wieder bei den Lokomotiven mit geringer
                              									Zugkraft schneller ein als bei solchen mit grösserer.
                           Wie die vorausgegangene Zusammenstellung zeigt, besitzt die heutige
                              									Schnellzuglokomotive fast ausnahmslos vier oder fünf Achsen, je nach den an sie
                              									tretenden Ansprüchen, und ausnahmslos im Durchgangsverkehr einen Schlepptender auf
                              
                              									drei oder vier, in vereinzelten Fällen nur auf zwei Achsen, je nach der verlangten
                              									Ausdauer und dem Vorhandensein von Wassertrögen auf freier Strecke. Als Ausnahmen
                              									sind nur zu erwähnen: die 3/6 gekuppelten Lokomotiven einiger Bahnen in Amerika,
                              									welche jedoch gerade nicht neuesten Datums sind, und die 2/7 gekuppelte Thuile'sche Lokomotive mit fünfachsigem Tender, welche
                              									sich in Paris 1900 zeigte; andere Abweichungen sind wohl noch nicht vorgekommen. Zu
                              									besprechen ist daher:
                           
                        
                           α) Die vierachsige Lokomotive.
                           Dieselbe ist die heute verbreitetste Gattung, welche sich auch des grössten Ansehens
                              									erfreut und überhaupt erst seit etwa 15 Jahren sich zu der heutigen Brauchbarkeit
                              									entwickelt hat, ohne dadurch aber zu verhindern, dass schon wieder ein stärkerer
                              									Nachfolger (die fünfachsige Lokomotive), der sich in der Stille ausgebildet hat,
                              									nachdem er lange Jahre ein vereinzeltes Dasein geführt hatte, plötzlich auftreten
                              									und sich in kurzer Zeit ein grosses Gebiet erobern konnte. Nur durch Erhöhung der
                              									zulässigen Achsbelastung, durch die Annahme des Verbundsystems und des
                              									Dampfüberhitzers gelingt es der vierachsigen Lokomotive, wenigstens da, wo sie
                              									selbst erst vor kurzer Zeit Eingang gefunden hat, oder wo die Betriebsweise eine
                              									Ueberlastung verhindert, sich noch längere Zeit zu halten.
                           Ansprüchen, welche bis zu 1300 PS höchstens gehen, kann die Lokomotive auf vier
                              									Achsen genügen. Das Hinzutreten einer vierten zu den vorher vorhandenen drei Achsen
                              									war bloss durch die vermehrte Leistung, also tote Last erforderlich geworden,
                              									während die vermehrte Zugkraft durch höhere Achsdrücke auf stärkerem Oberbau, ohne
                              									Vermehrung der Zahl der Triebachsen, erzielt wurde. Die sehr verschiedenartigen
                              									Forderungen, denen die Lokomotive auf verschiedenen Verkehrsadern unterworfen ist,
                              									haben im übrigen eine weitgehende Zersplitterung der Bauarten, ein Eingehen auf alle
                              									möglichen Rücksichten gezeitigt. In fallenden Potenzen der Geschwindigkeit, in
                              									steigenden Potenzen der Zugkraft geordnet, sind diese Bauarten diejenigen mit einer,
                              									zwei, drei Triebachsen, soweit es sich um Schnellbetrieb handelt.
                           
                        
                           1. Die ¼ gekuppelte Schnellzuglokomotive.
                           Diese höchst beachtenswerte Type mit freier Triebachse besteht mit zwei vereinzelten
                              									Ausnahmen zur Zeit nur in England, wo sie als „single flyer“ in
                              									unangetastetem Ansehen die besten Schnellzüge führt. Ihre Entstehung 
                              									aus der ⅓ g!kuppelten Type entspricht den Rücksichten auf die höhere Leistung,
                              									die die steigende Zuglast hinter dem Tender verlangt; wobei aber auch das Bedürfnis
                              									nach einem längeren Radstand mit gleichzeitiger Kurvenbeweglichkeit im Interesse der
                              									hohen Geschwindigkeit mitwirkt. Vorgänger besass diese sehr moderne, aber spezifisch
                              									englische Gattung diesseits und jenseits des Kanals in grösster Menge, und zwar in
                              
                              									zwei nebeneinander laufenden Bauarten von verschiedener Herkunft und Anordnung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 542
                              Fig. 25. Typus „Stephenson“.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 542
                              Fig. 26. Typus „Crampton“.
                              
                           I. Der ältere „Typus Stephenson“ (Fig. 25), etwa aus dem Jahre 1835, in sehr
                              									verschiedenen Formen (mit äusseren und inneren Rahmen, äusseren und inneren
                              									Cylindern, überhängender und gestützter Feuerbüchse u.s.w.) zahlreich verbreitet, in
                              									den Anfängen des Eisenbahnwesens überall in Europa vertreten, in späteren Jahren nur
                              									noch in Norddeutschland und England recht heimisch, starb Ende der achtziger Jahre
                              									aus, um der modernen Form Platz zu machen, bei der an die Stelle der vorderen
                              									Laufachse ein Drehgestell trat, bei entsprechender Verstärkung von Maschine und
                              									Kessel.
                           II. Der „Typus Crampton“ (Fig. 26), aus dem Jahre 1850, kam in den fünfziger
                              									Jahren in Süddeutschland und Frankreich zu umfangreicher Verwendung, starb mit der
                              									vorigen Bauart aus, ohne jedoch einen Nachfolger zu erhalten. Der vielleicht
                              									allerletzte Vertreter der einst so berühmten Klasse „Crampton“ sieht
                              
                              									gegenwärtig in Mannheim seinem Untergang entgegen, wenn derselbe nicht schon erfolgt
                              
                              									ist, nachdem er etwa 40 Jahre lang der badischen Staatsbahn Dienste geleistet und
                              
                              									dabei die meisten seiner gleichartigen Genossen um 20 Jahre überlebt hat. In
                              									Deutschland sorgt kein South Kensington-Museum für die Erhaltung solcher ehrwürdigen
                              									Denkmäler.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 542
                              Fig. 27.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 542
                              Fig. 28.
                              
                           Die Zuglasten sind bei der Betriebsweise des europäischen Festlandes so hoch und die
                              									zulässigen Achsdrücke gleichzeitig so gering (14 bis 16,5 t), dass jedenfalls eine
                              									künftige Wiederholung der ungekuppelten Lokomotive auf dem Festland ganz
                              									ausgeschlossen ist, während sie für England ein Ideal darstellt. Zur Erhaltung des
                              									Beharrungszustandes ist bei einem leichteren Schnellzug eine Zugkraft nötig, welche
                              									bequem von einer 17 bis 19 t belasteten Einzeltriebachse abgegeben werden kann; für
                              									die Abgabe der grossen Anfahrzugkraft sorgen vorzüglich konstruierte
                              									Sandstreuapparate, ohne welche allerdings die ungekuppelte Maschine nicht brauchbar
                              									ist. Da ferner die Zugkraft hinter der Geschwindigkeit zurücktritt bei der Wahl der
                              									Abmessungen, so erhalten die Triebräder grossen Durchmesser von 2,1 bis 2,5 m. Die
                              									geringere Tourenzahl trägt zum ruhigen Gang bei, welcher noch durch die meist
                              									inneren Cylinder unterstützt wird, ferner zur Erhöhung des
                              									Kesselwirkungsgrades, wodurch der geringe Ausfall an spezifischer Kesselleistung
                              									\left(\frac{N}{H}=a\,\sqrt{n}\right), besonders bei Verwendung guter Kohle gedeckt werden kann; endlich ist
                              									auch der mechanische Wirkungsgrad der Dampfmaschine ein guter, so dass thatsächlich
                              									in der ungekuppelten Maschine sich eine Reihe von Vorzügen vereinigt, denen der
                              									geringe kommerzielle Wirkungsgrad (die geringe Achs- und Gewichtsziffer) leider
                              									feindlich gegenüberstehen muss.
                           Die Lokomotive mit freier Triebachse ist gerade wegen dieser unbestrittenen Punkte in
                              									den letzten zehn Jahren sorgfältig ausgearbeitet worden und gehört zu den Normalien
                              									aller englischen Hauptbahnen. Ihre Leistungsfähigkeit ist auf der Ostbahn durch die
                              									Oelfeuerung, ihre Ausdauer und ihr kommerzieller Wirkungsgrad auf der Ostbahn und
                              									mehreren anderen Bahnen durch die Tenderfüllvorrichtung noch bedeutend gehoben.
                           Die zeitgenössische Fachlitteratur hat sich zur Genüge mit der ¼ gekuppelten
                              									Lokomotive der Midland-Bahn abgegeben, welche in Paris 1900 zu sehen war, so dass
                              									hier nicht näher auf dieselbe eingegangen werden soll. Erwähnt sei nur, dass
                              									dieselbe, als der ungünstigste Vertreter der Klasse, besser nicht ausgestellt worden
                              									wäre, da sie einen nicht mit Wasserschöpfer versehenen schweren vierachsigen Tender
                              									führte, so dass sowohl die Achs- wie die Gewichtsziffer besonders schlecht ist.
                           Die bedenkliche Abnahme dieser Werte erhellt am besten aus den beistehenden Skizzen,
                              
                              
                              									von denen die erste (Fig. 27) eine Maschine der
                              									älteren Art, die zweite (Fig. 28) die in Paris 1900
                              									ausgestellte Midland-Lokomotive darstellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 542
                              Fig. 29. Great Eastern, England.
                              
                           Diese Lokomotiven besitzen im allgemeinen folgende Abmessungen:
                           
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                   457
                                 bis
                                   495
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                   610
                                 „
                                   711
                                 „
                                 
                              
                                 Triebraddurchmesser
                                 2134
                                 „
                                 2448
                                 „
                                 
                              
                                 Kesseldruck
                                     11,3
                                 „
                                     14,6
                                 at
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                       1,86
                                 „
                                       2,3
                                 qm
                                 
                              
                                 Heizfläche
                                     87,4
                                 „
                                   131,7
                                 „
                                 
                              
                                 Adhäsionsgewicht
                                     18,2
                                 „
                                     19,3
                                 t
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                     45,2
                                 „
                                     51,0
                                 „
                                 
                              
                                 Vorräte
                                 KohlenWasser
                                   3    12,7
                                 „„
                                   5    18,2
                                 „„
                                 
                              
                                 Tendergewicht
                                     36,5
                                 „
                                     49,9
                                 „
                                 
                              
                                 Gesamtgewicht
                                     85,2
                                 „
                                   100,8
                                 „
                                 
                              
                           Von den unter sich ziemlich gleichartigen Ausführungen der ¼ gekuppelten Lokomotive
                              									sei hier diejenige der Ostbahn (G. E. R.) Westbahn (G. W. R.) und Nordbahn (G. N.
                                 										R.) als typisch herausgegriffen, dabei aber sei bemerkt, dass leider keine
                              									derselben alle Vorzüge auf einmal in sich vereinigt, indem z.B. die Maschine der
                              									Ostbahn den übrigen gegenüber wieder durch etwas zu geringen Kesseldruck lahm gelegt
                              									ist.
                           Bei der Berechnung des Geschwindigkeitswertes
                           
                              \frac{N}{L}=a\,\left(\frac{H}{L}\right)\,\sqrt{n}
                              
                           ist einheitlich a = 0,46 gesetzt,
                              									sowie eine Geschwindigkeit von 97 km/Std. (60 engl. Meilen) der Tourenzahl zu Grunde
                              									gelegt und 90 % der äusseren Heizfläche als wirksam angenommen.
                           Vier Maschinen sind durch Skizzen und Photographien (Fig.
                                 										29 bis 32) und die folgende Tabelle
                              									wiedergegeben, 
                              									in der sich die eingeklammerten Zahlen auf das Gesamtgewicht einschliesslich
                              									Tender beziehen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 543
                              Fig. 30a. Great Western, England.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 543
                              Fig. 30b.
                              
                           
                              
                                 
                                 
                                 Ostbahn
                                 Westbahn
                                 Nordbahn
                                 
                              
                                 
                                    a
                                    
                                 
                                    b
                                    
                                 
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                 mm
                                 457
                                 483
                                 495
                                 483
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 „
                                 660
                                 610
                                 712
                                 660
                                 
                              
                                 Triebraddurchmesser
                                 „
                                 2134
                                 2340
                                 2480
                                 2318
                                 
                              
                                 Kesseldruck
                                 at
                                 11,3
                                 12,7
                                 12,3
                                 12,0
                                 
                              
                                 Aeussere Heizfläche
                                 qm
                                 119
                                 154
                                 112
                                 118
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 „
                                 1,98
                                 1,98
                                 2,17
                                 2,16
                                 
                              
                                 Adhäsionsgewicht
                                 t
                                 19,3
                                 18,4
                                 18,4
                                 18,4
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 ohne Tendermit
                                 „„
                                 49,385,8
                                 51,784,8
                                 46,689,1
                                 48,590,2
                                 
                              
                                 Vorräte
                                 KohlenWasser
                                 „„
                                 3,18 (Oel)12,65
                                 4,0713,6
                                 5,117,5
                                 5,116,7
                                 
                              
                                 TourenzahlLeistung
                                 bei 97 km/Std.
                                 PS
                                 240770
                                 219945
                                 206665
                                 220725
                                 
                              
                                 Adhäsionszugkraft Z2
                                 kg
                                 3220
                                 6060
                                 3070
                                 3070
                                 
                              
                                 Maschinenzugkraft Z1
                                 „
                                 3670
                                 3820
                                 4350
                                 3980
                                 
                              
                                 Kraftziffer \frac{Z_2}{Z_1}
                                 
                                 0,88
                                 0,79
                                 0,71
                                 0,77
                                 
                              
                                 Gewichtsziffern
                                 
                                 0,39 (0,23)
                                 0,354 (0,22)
                                 0,395 (0,21)
                                 0,38 (0,20)
                                 
                              
                                 Ladeziffer
                                 
                                 0,43
                                 0,53
                                 0,53
                                 0,52
                                 
                              
                                 Kraftwerte \frac{Z_1}{L}
                                 kg/t
                                 74 (43)
                                 74 (45)
                                 93 (49)
                                 82 (44)
                                 
                              
                                 Geschwindigkeitswerte \frac{N}{L}
                                 PS/t
                                 15,6 (9)
                                 18,2 (11,1)
                                 14,3 (7,5)
                                 14,9 (8)
                                 
                              
                           Die Tabelle zeigt, dass die Hauptabmessungen der ¼ gekuppelten Maschine sich nur in
                              									der Grösse der Triebräder und dem Adhäsionsgewicht von denjenigen der 2/4 gekuppelten
                              									unterscheiden. Die Vergleichung ergibt ferner, dass die Maschine der Westbahn ihr
                              									Gesamtgewicht hinsichtlich der Leistung am vorteilhaftesten ausnutzt und auch den
                              									günstigsten Tender führt, dass sie somit neben der höchsten absoluten auch die beste
                              									spezifische Leistung aufweist und daher für den Schnellbetrieb als günstigste der
                              									angeführten Bauarten bezeichnet werden muss, wenn auch die Maschine a der Nordbahn eine spezifisch höhere Zugkraft,
                              									diejenige der Ostbahn eine bessere Ausnutzung des Adhäsionsgewichts zeigt. Trifft
                              									dies zu bei gleichen Zugsgeschwindigkeiten, so wird der Gegensatz noch auffallender
                              									bei gleichen Tourenzahlen. Die Vergleichung verschiedener Bauarten in Bezug auf ihre
                              
                              									kommerzielle Brauchbarkeit kann aber nicht von der Tourenzahl, sondern nur von der
                              									Zugsgeschwindigkeit ausgehen, welche für einen und denselben Zug ein für allemal die
                              									gleiche ist, ohne Rücksicht auf die Art der vorgespannten Maschine, sobald der
                              									Zug ein fahrplanmässiger geworden ist und damit kommerziellen Zwecken dient. Dass
                              
                              									dann die Wahl der Maschine im allgemeinen nicht mehr beliebig, sondern eben diesen
                              									Wertziffern angepasst ist und daher in engen Grenzen sich bewegt, ist klar. – Im
                              									einzelnen ist zu bemerken:
                           1. Die Lokomotive der Ostbahn aus dem Jahre 1898 ist mit
                              									der bekannten Oelfeuerung, System Holden, ausgestattet
                              
                              									(ausführliche Beschreibung derselben in der Zeitschrift des
                                 										Vereins deutscher Ingenieure, 1. Februar 1902), deren Behälter zwischen die
                              									Seiten des hufeisenförmigen Wasserbehälters in den dreiachsigen Tender eingesetzt
                              									ist. Der durchgehende Hauptrahmen der Triebachse und hinteren Laufachse liegt
                              									aussen, der Rahmen des Drehgestells innen, die geneigten Cylinder ebenfalls innen,
                              
                              									die durch die Stephenson-Steuerung angetriebenen Kolbenschieber unter den Cylindern.
                              									Die Westinghouse-Bremse wirkt auf Triebachse, Laufachse und alle drei Tenderachsen,
                              									und zwar einseitig, auf erstere von vornen, auf letztere von hinten. Der Tender
                              									besitzt Wasserschöpfer.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 543
                              Fig. 31. Great Northern, England.
                              
                           Die Leistungen der Ostbahn sind keine grossartigen im Schnellbetrieb, nur die
                              									Pünktlichkeit ist sprichwörtlich, was ohne weiteres zu erklären ist: Die Maschinen
                              									fahren infolge ihrer grossen Adhäsion und guten Kraftziffer flott an und versagen
                              									infolge der Oelfeuerung unter keinen Umständen, soweit die Abgabe von Zugkraft in
                              									Betracht kommt, während andererseits die Leistung und der Geschwindigkeitswert nicht
                              									hoch sind, so dass die Geschwindigkeit auf freier Strecke keine besonders hohen
                              									Werte zu erreichen im stände ist. Dafür folgende Proben:
                           Schnellste Fahrt der Ostbahn:
                           Gainsboro-Lincoln 24,9 km in 18 Minuten: 83 km/Std.
                           Längste und schnellste Weitfahrt (ohne Halt):
                           London-North Walsham 209 km in 2 Std. 38 Min.: 78,8 km/Std.
                           2. Die Lokomotive der Westbahn aus dem Jahre 1901 ist in
                              									der hier gezeigten Bauart noch nicht normal geworden, sondern erst durch Umbau
                              									einiger älterer Maschinen ist die letztere ins Leben gerufen worden; der Umbau ist
                              										
                              									aber sehr gelungen und offenbar als Vorteil gegenüber der früheren Form
                              									aufzufassen. Während das Untergestell nicht verändert worden ist, ist der
                              									hochliegende domlose Kessel mit seiner Belpaire'schen
                              									Feuerbüchse und verlängerten Rauchkammer neu für die ¼ gekuppelte Gattung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 544
                              Fig. 32. Great Northern, England.
                              
                           Hauptrahmen und Rahmen des Drehgestells liegen aussen, ausserdem ist zur vierfachen
                              									Lagerung der Kurbelachse noch ein durchgehender innerer Rahmen vorhanden. Die
                              									geneigten Cylinder liegen innen. Der dreiachsige, flache, leichte Tender besitzt
                              									ebenfalls Wasserschöpfer; die automatische Vakuumbremse wirkt einseitig auf die
                              									gleiche Art wie bei dem vorigen Beispiel.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 544
                              Fig. 33.
                              
                           Ueber die Leistungen dieser Gattung im täglichen Betrieb sei erwähnt: Die
                              									Geschwindigkeit steigt auf günstigen Strecken bis 128 km/Std., beträgt
                              									mit Zügen von 130 bis 180 t (5 bis 7 D-Wagen) auf
                              									freier Strecke 90 bis 100 km/Std. in der Horizontalen, und bis 85 km/Std. auf
                              									Steigungen bis 1/100; der Anfahrweg ist gewöhnlich 8 bis 9 km. Ferner ist die
                           schnellste Fahrt der Westbahn:
                           London-Birmingham 208 km in 2 Std. 23 Min.: 87,3 km/Std.,
                           längste Weitfahrt:
                           London-Exeter 312 km in 3 Std. 38 Min.: 85,8 km/Std., welche
                              
                              									beide von solchen Maschinen täglich mehrmals gemacht werden. Einzelne Züge der
                              									Westbahn sind durch dieselben berühmt geworden, so der „fliegende Holländer“,
                              									welcher schon eine lange Reihe von Jahren unter diesem Namen besteht. Als weiterer
                              									Beleg möge noch das mit dem Längenprofil der Strecke verbundene
                              									Geschwindigkeitsdiagramm zweier Fahrten von London über Bristol nach Exeter hier
                              									folgen (entnommen aus Vinter, G. W. R. Expresses,
                              									Fig. 33).
                           Zu erwähnen ist noch, dass die Westbahn bis 1892 Breitspur von 2134 mm (7 engl. Fuss)
                              
                              									besass und auf dieser seit 1846 sich im Schnellfahren Verdienste erworben hatte. Die
                              									besten breitspurigen Maschinen waren ebenfalls ¼ gekuppelt, jedoch waren die beiden
                              									vorderen Laufachsen nicht zu einem Drehgestell vereinigt, sondern steif im
                              									Hauptrahmen gelagert; schon seit etwa 1854 war die Geschwindigkeit von 128 km/Std. ab und zu
                              									erreicht worden. Die bekannteste Maschine der alten Klasse war der „Lord of the
                                 										Isles“ mit Triebrädern von 2,48 m Durchmesser, der zuletzt noch im Jahre
                              									1890 auf der Ausstellung von Edinburgh glänzen konnte, nach 40jähriger
                              									Dienstzeit.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)