| Titel: | Entsprechen die telephonischen Einrichtungen den Verkehrsanforderungen? | 
| Autor: | Conrad Hesse, Conr. Hesse | 
| Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 642 | 
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                        Entsprechen die telephonischen Einrichtungen den Verkehrsanforderungen?
                        Von Oberingenieur Conrad Hesse in Berlin.
                        Entsprechen die telephonischen Einrichtungen den Verkehrsanforderungen?
                        
                     
                        
                           Der vermehrte Verkehr und der Wettkampf der Völker brachte es mit sich, dass das
                              									Telephon zu einem der wichtigsten Verkehrsmittel angewachsen ist. Von dem Gebrauch
                              
                              									des Telephons, innerhalb begrenzter Gebiete, den sehr umfangreichen Telephonanlagen
                              									industrieller Werke, in Bank- und Verwaltungsgebäuden, Bergwerken und auf
                              									landwirtschaftlichen Grundstücken sei hier noch ganz abgesehen, wiewohl auch diese
                              									Anlagen ihrer Eigenart entsprechend, eine besondere Ausgestaltung der Apparate und
                              									Schaltungsanordnungen bedingten. Die vermehrten, hochgespannte Ströme führenden
                              									Freileitungsanlagen und Strassenbahnoberleitungen forderten, auch die
                              									Telephoneinrichtungen und Telephonapparate derart zu sichern, dass bei etwaigen
                              									Stromübergängen in die Schwachstromleitung die Gesundheit des Telephonierenden nicht
                              									gefährdet, die Telephonzentralen nicht gestört und die Baulichkeiten einer
                              									Beschädigung nicht ausgesetzt würden.
                           Doch alle diese Einrichtungen und Verbesserungen gehören mehr oder weniger in das
                              									Konstruktionsgebiet, dienten zur Sicherheit und haben eine Verkehrserleichterung
                              
                              									wenig oder garnicht herbeigeführt.
                           Anders verhält es sich schon mit den grossen Vermittelungszentralen im Vielfach-Ort-
                              									und Fernverkehr und deren Konstruktion und Errichtung. Bei diesen kommt in Frage,
                              									wie hoch die Aufnahmefähigkeit ausgebildet und der betrieb vereinfacht – und
                              									verbilligt – werden kann. Hier werden höhere Anforderungen an den Konstrukteur und
                              									Erbauer gestellt und sind Gesichtspunkte massgebend, die über den Rahmen der
                              									Konstruktion hinausgehen.
                           Erst in den achtziger Jahren wurden in Deutschland in den grösseren Städten, voran
                              									Berlin, derartige Vielfachvermittelungszentralen errichtet, die aber, da die
                              									deutsche Industrie noch nicht auf ihrer jetzigen Höhe stand, von amerikanischen
                              									Firmen erbaut werden mussten.
                           Erst im Jahre 1893 gelang es als erster deutscher Firma nach mehrjähriger ernster
                              
                              									Arbeit der Akt.-Ges. Mix & Genest in Berlin, die
                              									ersten Vermittelungsämter deutschen Fabrikats. deren Konstruktion und Installierung
                              									auszuführen mir vergönnt war, zu errichten.
                           Einige Jahre später folgte die Akt.-Ges. Siemens &
                                 										Halske mit neuen Konstruktionen und Schaltungssystemen, nachdem
                              									zwischendurch die Berliner Firma Stock & Co. sich
                              									auch mit derartigen Einrichtungen befasst hatte.
                           Die Ausführung dieser grossen Apparate und Einrichtungen erläuterte ich an dieser
                              									Stelle schon im Jahre 1896 und 1897 (D. p. J. Bd. 301, Heft 3 und 4, Bd. 303, Heft
                              									1, S. 15 und Heft 7, S. 158) worauf hier verwiesen sei. Wie dort zu ersehen, trat zu
                              									jener Zeit das Bestreben auf, an Stelle der bis dahin gebräuchlichen
                              									Vielfachumschalter in Schrankform, solche in Tischform zu verwenden. Massgebend war
                              									dabei, der gesteigerten Teilnehmerzahl entsprechend, eine grössere Aufnahmefähigkeit
                              									der Einzelämter und bessere Ausnutzung der Klinkenfelder herbeizuführen, können doch
                              									die Tischumschalter von beiden Längsseiten bedient und damit, dem Schrankumschalter
                              									gegenüber, dasselbe Klinkenfeld von der doppelten Anzahl Anschlussklinken beherrscht
                              									werden. Diese Vorteile sind in ökonomischer Beziehung unstreitig sehr bedeutend. Dem
                              									gegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass das Bedienungspersonal bei der gebeugten
                              									Stellung an dem Tischumschalter nicht nur mehr angestrengt, sondern auch an seiner
                              									Gesundheit geschädigt wird. So hat der Tischumschalter den älteren in Schrankform
                              									nicht zu verdrängen vermocht und wie sehr letzterer sich behauptet, beweist der
                              									Umstand, dass bei dem grössten Einzelamt der Welt, welches die Stockholms Allmänna Telefon Akiebolag für den Anschluss
                              									von 30000 Teilnehmern jetzt errichtet und zum Teil schon in Betrieb gesetzt hat, die
                              									Schrankumschalter Verwendung fanden. Um die Unterbringung dieser grossen Anzahl
                              									Anschlussleitungen und Klinken in einem Vielfachamt zu ermöglichen, wurde, ausser
                              									anderen zweckmässigen Einrichtungen, die eingehend zu besichtigen ich kürzlich
                              									Gelegenheit hatte, der Schrankumschalter bei Verwendung wenig Raum beanspruchender
                              									Klinken durch vorteilhafte konstruktive Einteilung bestens ausgenutzt.
                           Die Errichtung möglichst grosser Einzelämter hat den Vorteil, dass bei der
                              									Herstellung der Verbindungen nicht mehrere Aemter mitzuwirken haben, wodurch die
                              									Verbindung 
                              									schneller erfolgen und vorzeitige Trennung und Störung eines Gespräches kaum
                              									geschehen kann, ferner der Ersparung von Personal. Bei ausgedehnten Orten wird
                              									allerdings dadurch eine Grenze, ob alle Teilnehmer an ein Amt angeschlossen werden,
                              									gezogen, dass die Anschlussleitungen unter Umständen zu lang und diese damit zu
                              									teuer würden. Die Anschlussleitungen, bezw. die übergrosse Belastung der Dächer
                              									bilden überhaupt nur den erklärlichen Grund, wenn seitens der deutschen
                              									Reichspostverwaltung auf die Vermehrung der Fernsprechanschlüsse in grossen Städten
                              									kein Wert gelegt und dieser sogar durch hohe Gebührenforderung gesteuert wird. Jetzt
                              									ist man schon durch Einführujg der metallischen Rückleitung bei den
                              
                              
                              									Teilnehmeranschlüssen gezwungen, die Leitungen in Kabeln unterirdisch zu verlegen.
                              									Hierdurch ist auch das weitere Hindernis beseitigt, So tritt nun an die Verwaltung
                              									und den Konstrukteur und Fabrikanten gleichermassen die Frage erneut heran, wie sind
                              									die Vermittelungsanstalten zur Aufnahme von wesentlich mehr Anschlüssen und
                              									schnellere Verbindung auszugestalten, und wie sind die Hausanschlüsse und
                              									Teilnehmerapparate zweckmässig1 einzurichten, denn
                              									hierin und in den zu entrichtenden Gebührensätzen liegen die Forderungen, welche
                              									heute an den Fernsprechverkehr gestellt werden.
                           Je mehr Anschlüsse in einem Ortsnetz verein igt sind, um so vorteilhafter wird die
                              									Benutzung dem Teilnehmer und um so billiger der Betrieb. Um dem Einzelnen einen
                              									Fernsprechanschluss zu ermöglichen, müssen daher zunächst die Gebührensätze auf ein
                              
                              									Minimum herabgesetzt werden, wenn auch der Reichspostverwaltung nicht zugemutet
                              									werden soll, gleich ihrer vorzüglichen eingerichteten schwedischen Kollegin (oder
                              									den schwedischen Telefongesellschaften), die für den Fernsprecher nur 5,6 Millionen
                              									einnimmt, aber 6,4 Millionen verausgabt, im Telephon verkehr mit einer Unterbilanz
                              									zu arbeiten. Gleichzeitig mit der Vermehrung und Verbilligung der
                              									Teilnehmeranschlüsse, sowie der schnelleren Verbindung bei Herstellung und der
                              
                              									sofortigen, aber nicht vorzeitigen, Lösung eines beendeten Gespräches muss auch eine
                              									zweckmässigere Einrichtung der Hausanschlüsse bezw. Teilnehmerapparate eintreten.
                              									Dies darf um so mehr gefordert werden, als hierdurch niemandem ein Nachteil, dem
                              									Teilnehmer aber ein grosser Vorteil entsteht, und somit zur weiteren Ausdehnung des
                              									Fernsprechnetzes nur beitragen kann. Auch hierin können die schwedischen
                              									Einrichtungen uns in vielem als Vorbild dienen.
                           Wie zeitraubend und auch umständlich ist es für den Vielbeschäftigten zum
                              									Telephonieren sich an den oft weit entfernten Apparat zu begeben. Auch die als
                              									Nebenstellen in Deutschland wohl schon eingeführten Tischapparate arfüllen,
                              									abgesehen davon, dass noch eine besondere Gebühr dafür erhoben wird, ihren Zweck
                              									nicht ganz, denn der Teilnehmer wird nicht immer denselben Tischplatz beibehalten.
                              									Die Vorschläge gehen deshalb, auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten, dahin, dass
                              									die Fernsprechverwaltungen die Anschlussleitungen auf Antrag des Teilnehmers nur bis
                              									in das betreffende Gebäude oder die betreffende Wohnung einführen und dem Teilnehmer
                              									gestatten, die Innenleitung auf seine Kosten von einem – von der Behörde
                              									konzessionierten – Privatinstallateur, ausführen zu lassen. Die Ausführung der
                              									Innenleitung durch Privatinstallateure wird damit begründet, dass die Postverwaltung
                              									das hierzu mehr benötigte Personal nicht wird ständig halten wollen, wie auch die
                              									Inneninstallation durch die Verwaltung teurer wie im freien Wettbewerb werden
                              
                              									dürfte.
                           Die Inneninstallation wird dann nach den Wünschen des Teilnehmers derart
                              									gemacht, dass die Leitung durch alle in Frage kommenden Räume geführt und hier an
                              									mehreren beim Telephonieren event. verwendeten Stellen abgezweigt wird und in einer
                              									Rosette endigt.
                           Die Postverwaltung liefert dem Teilnehmer ausser einem etwa verlangten Wandapparat
                              									einen (oder mehrere) transportable Apparate mit Mikrotelephon und Leitungsschnur,
                              									welche in einem Stöpsel endigt, der beliebig in eine der Wandrosetten der
                              									Ortsanschlussleitung eingesteckt werden kann, je nach dem Platz, welchen der
                              									Teilnehmer gerade einnimmt. Für das ankommende Rufzeichen dient eine besondere
                              									Signalglocke.
                           Die Apparate zu liefern, müsste sich die Verwaltung allerdings zur Bedingung machen,
                              									um zu verhüten, dass minderwertige Fabrikate an ihr Netz angeschlossen werden. Ein
                              									Missbrauch durch Verwendung nicht von der Verwaltung gelieferter Apparate kann u.a.
                              									dadurch vermieden werden, dass der Kauf oder die Miete solcher Apparate möglichst
                              									niedrig bemessen wird, wozu die Verwaltung durch Masseneinkauf der Apparate in der
                              									Lage ist. Sonst werden auch noch andere Mittel und Wege oder Einrichtungen an den
                              									Apparaten zu finden sein, diejenigen, welche gegen diese Bedingung verstossen zu
                              									ermitteln. Ausser der Apparatmiete würden von der Verwaltung eine einmalige kleine
                              									Gebühr für die Anschlussinstallation und dann fortlaufende Gebühren für die
                              
                              									Benutzung des Anschlusses zu erheben sein. Letztere wären dann, in Rücksicht auf die
                              									event. von einem Privatinstallateur auf Kosten des Teilnehmers ausgeführte
                              									Inneninstallation, bezw. die von der Verwaltung einmalig zu erhebende Gebühr der
                              
                              									Anschlussinstallation, im Gegensatz zur jetzigen Berechnungsweise niedriger zu
                              									bemessen. Solche Verteilung der Kosten rechtfertigt sich dadurch, dass dem
                              
                              									Teilnehmer, welcher seinen Anschluss lange besitzt, geringe, dem, der oft wechselt,
                              									grössere Kosten entstehen und der Verwaltung durch öfteren Wechsel manche Unkosten
                              									erspart werden. Durch solche Massnahmen und Anordnungen würde nicht nur dem
                              									Bedürfnis nach grösserer Ausdehnung des Fernsprechnetzes und zweckmässigerer
                              									Einrichtung der Hausanschlüsse Rechnung getragen, sondern auch der Industrie ein
                              									neuer Erwerbszweig erschlossen, der gleichermassen zum Nutzen aller Beteiligten
                              									ist.
                           Eine weitere Aufmerksamkeit würde denjenigen Teilnehmern zuzuwenden sein, welche den
                              									Fernsprecher wenig benutzen. Diese wenig benutzten, aber besonderen Anschlüsse
                              									überlasten sowohl die Tragfähigkeit der Dächer oder vorhandenen Kabel und die Aemter
                              									in unzweckmässiger Weise, als auch die Gebühren auf das Einzelgespräch berechnet,
                              									dem Teilnehmer eine zu hohe oder unerschwingliche Ausgabe bilden werden. Die
                              									vorgeschlagenen Einrichtungen, mehrere Teilnehmer eines Gebäudes auf eine gemeinsame
                              
                              
                              									Amtsanschlussleitung zu vereinigen (West, Elektr.
                              
                              									Zeitschrift 1897, Heft 6 und 46) haben sich leider kaum über einen Versuch erhoben,
                              									trotzdem solche Einrichtungen sehr zweckmässig erscheinen. Auch hier müsste, sei es
                              									nun mit automatisch wirkenden Anschlussapparaten oder bei Vorhandensein einer
                              									Bedienungsperson (Portier) mit einem kleinen Zentralumschalter, an welchen die
                              									einzelnen Mieter des Gebäudes angeschlossen sind, ein ernstlicher Fortschritt
                              									gemacht werden. Es sei dabei dahin gestellt, wie weit die bereits vorgeschlagenen
                              									Einrichtungen dieser Art den technischen Anforderungen genügen oder von dem
                              									Konstrukteur noch zu ergänzen und zu vervollkommnen sind.
                           Conr. Hesse.