| Titel: | Prof. E. Heyn, Untersuchungen über Krankheitserscheinungen im Eisen und Kupfer. | 
| Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 741 | 
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                        Prof. E. Heyn, Untersuchungen über Krankheitserscheinungen im Eisen und Kupfer.
                        [Prof. E. Heyn, Untersuchungen über Krankheitserscheinungen im Eisen und Kupfer.]
                        
                     
                        
                           Krankhafte Zustände der Metalle nennt Prof. Heyn
                              									Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1902 S. 1115. solche,
                              									in denen die Metalle für praktische Zwecke mehr oder weniger unbrauchbar sind. Ihre
                              
                              									Entstehungsursachen sind unter anderem zurückzuführen auf nachteilige
                              									Wärmebehandlung oder auf den Gehalt an schädlichen fremden Bestandteilen. Unter den
                              									Krankheitserscheinungen infolge von Wärmeeinflüssen sind am Eisen bekannt die
                              
                              									Brüchigkeit bei Blauwärme und nach Einwirkung übermässig hoher Wärmegrade. Im
                              									allgemeinen bezeichnet man die Wirkung der letzteren als „Verbrennen“. Prof.
                              										Heyn unterscheidet zwischen „Ueberhitzung“,
                              									sofern die Wärmewirkung nur schädliche Veränderungen der physikalischen
                              									Eigenschaften herbeiführte, und „Verbrennen“, sofern auch chemische
                              									Veränderungen des Metalles stattgefunden haben.
                           Die Folgen der durch Ueberhitzung herbeigeführten Krankheitserscheinungen geben sich
                              									häufig nur bei stossweiser Beanspruchung in Brüchigkeit zu erkennen, während
                              									statische Belastungsproben (Zerreissversuch und Biegeproben) keine auffallenden
                              									Eigenschaften zu Tage treten lassen. So teilt Heyn z.B.
                              									mit, dass ein Blech, von dem an einzelnen Stellen Teile mit dem Handhammer
                              									abgeschlagen werden konnten, bei der Zerreissprobe 33 kg Festigkeit und 22,5 %
                              									Dehnung lieferte und sich bei ruhiger Beanspruchung ohne Bruch vollständig
                              
                              									zusammenbiegen liess.
                           Die Ursachen dieser Erscheinung fand Heyn durch
                              									systematische Glühversuche mit einem Stab aus basischem Flusseisen in den
                              									Beziehungen zwischen Glühgrad, Glühdauer und Sprödigkeit.
                           Zur Ermittelung der Sprödigkeit bediente er sich des nachfolgend beschriebenen
                              									Prüfungsverfahrens, welches die Brüchigkeit besonders scharf hervortreten liess. Mit
                              									kleinen Probestäben von 60 mm Länge und 4 × 6 mm Querschnitt, die an einer
                              									Breitseite in der Mitte mit einer ½ mm tiefen Kerbe versehen waren, wurden
                              									Schlagbiegeproben ausgeführt. Die Proben wurden hierbei in einem Schraubstock
                              
                              									eingespannt und durch Schläge, die mit einem Handhammer gegen das freie Ende der
                              
                              									eingekerbten Breitseite des Stabes geführt wurden, um 90° gebogen und hierauf
                              
                              									zwischen den Backen des Schraubstockes wieder gerade gerichtet. Als Massstab für die
                              									Sprödigkeit diente die Anzahl der Hin- und Herbiegungen um 90°, die das Probestück
                              									bis zum Bruch erleiden konnte und die mit Biegezahl BE bezeichnet wurde.
                           Die durch die Versuche ermittelten Beziehungen zwischen Glühdauer, Glühgrad und
                              									Sprödigkeit stellte Heyn in dem beigegebenen Schaubild
                              										(Fig. 1) in achsonometrischer Darstellung
                              									zusammen. Auf der x-Achse ist die Glühdauer, auf der
                              										y-Achse der Glühgrad und auf der z-Achse als Mass für die Sprödigkeit die Anzahl der
                              									Hin- und Herbiegungen (Biegezahl BE), die mit zunehmender Sprödigkeit abnimmt, aufgetragen. Zu dem
                              									Schaubilde bemerkt Heyn erläuternd:
                           „Für alle eingezeichneten Beobachtungspunkte, mit Ausnahme von h, i und k wurden die
                                 										Geschwindigkeiten der Erhitzung und Abkühlung nach Möglichkeit gleich
                                 										gemacht und es wurde dafür gesorgt, dass die auf der x-Achse aufgetragene Zeit in der Hauptsache der auf der y-Achse verzeichneten Temperatur T entspricht. Probe h
                                 										wurde in 13½ Stunden auf 1200° erhitzt und dann schnell an der Luft abgekühlt;
                                 										Probe i wurde schnell im vorgeheizten Ofen auf
                                 										1200° erhitzt, ½ Stunde bei dieser Temperatur erhalten und dann in 13 Stunden
                                 										auf 680° abgekühlt. Bei Probe k dauerten Erhitzung
                                 										und Abkühlung nahezu gleich lange, etwa 14½ Stunden. Abschrecken der Proben
                                 										wurde vermieden. Die mit einem Kreis bezeichneten Punkte sind durch Versuche
                                 										ermittelt und gründen sich auf mindestens 4 Biegeversuche; die übrigen Punkte
                                 										sind teils interpoliert, teils ergeben sie sich aus der Ueberlegung.“ –
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 741
                              Fig. 1.
                              
                           Die aus den Versuchsergebnissen abgeleiteten Gesetze sind im folgenden kurz
                              									wiedergegeben.
                           Kohlenstoffarme Flusseisensorten nehmen an Sprödigkeit zu, wenn sie bei höheren
                              									Wärmegraden (über 1000°) genügend lange Zeit geglüht werden und zwar um so mehr, und
                              									nach um so kürzerer Zeit, je höher die Glühwärme liegt.
                           Die durch solche Ueberhitzung verursachte Sprödigkeit lässt sich durch Ausglühen
                              									beseitigen. Der erforderliche Glühgrad ist abhängig von der Glühdauer; bei kurzer
                              									Glühdauer sind mindestens 900° erforderlich, bei längerem, tagelangem Glühen genügen
                              									bereits 700–850°.
                           Flusseisen, welches im überhitzten Zustande durch Walzen, Schmieden etc. mechanisch
                              									bearbeitet wird, zeigt nach dem Erkalten keine Sprödigkeit.
                           Ueberhitztes Flusseisen zeigt in der Regel auf den Bruchflächen grobes Korn und im
                              									Gefüge Krystallkörner von erheblichen Abmessungen. Beide Eigentümlichkeiten lassen
                              									allein jedoch nicht auf vorangegangene Ueberhitzung schliessen, da sie auch durch
                              									andere Umstände (Geschwindigkeit und Art der Abkühlung und Bruchherbeiführung)
                              									veranlasst sein können. –
                           
                           Hiernach kann bei Flusseisen auf Ueberhitzung geschlossen werden, wenn grosse
                              									Sprödigkeit vorhanden ist und diese Sprödigkeit nach kurzem Glühen bei 900° bezw.
                              									sehr langem Glühen bei 700–850° beseitigt wird. Die Sicherheit der Diagnose wird
                              									erhöht, wenn auch grobkörniger Bruch und Gefüge mit grossen Krystallkörnern
                              									festgestellt werden können. –
                           Aehnliche Ueberhitzungserscheinungen fand Heyn für
                              									Kupfer. Die Versuche wurden mit Drähten von 4 mm Durchmesser ausgeführt und zwar
                              									blieben die Abschnitte für die Schlagbiegeproben ungekerbt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 742
                              Fig. 2.
                              
                           Die ermittelten Beziehungen zwischen Glühgrad, Glühdauer und Sprödigkeit zeigt die in
                              										Fig. 2 wiedergegebene achsonometrische
                              										Darstellung.Heyn bemerkt hierzu ausdrücklich, dass die im
                                    											Schaubilde eingetragenen Werte sich nur auf Stäbe kleiner Abmessungen und
                                    											auf Kupfersorten gleicher chemischer Zusammensetzung beziehen.
                              									Aus ihr ergiebt sich, dass schon bei verhältnismässig kurzem Glühen oberhalb 500°
                              									die Sprödigkeit des Kupfers umsomehr erhöht werden kann, je höher der Glühgrad
                              									liegt. Bei über 1000° reicht hievzu schon eine Glühdauer von 7 Minuten hin. Dies
                              									Ergebnis ist besonders beachtenswert beim Auflöten von Flanschen auf
                              									Kupferrohre, indem hierbei zum Schmelzen des Lothes bis auf 1000° erhitzt
                              									werden muss. Längeres Erhitzen bei 500° wird hingegen bei kaltgezogenen
                              									Kupferdrähten nur den Einfluss der Bearbeitung beseitigen und demzufolge die
                              									Sprödigkeit vermindern, was auch durch sehr schnelles und kurzes Erhitzen bei 1000°
                              									erreicht wird.
                           Im Gegensatz zum Eisen kann beim Kupfer die durch Ueberhitzung erzeugte Sprödigkeit
                              									durch Wiedererhitzen nicht beseitigt werden.
                           Ferner hängt die Grösse der Eisenkrystalle wesentlich von der Geschwindigkeit der
                              									Abkühlung ab, während die Kupferkrystalle mit steigender Ueberhitzung wachsen und
                              									eine Umlagerung derart erfahren, dass die groben Krystalle sich vorwiegend senkrecht
                              									zur Oberfläche anordnen.
                           Verbrennen des Kupfers, d.h. eine chemische Veränderung durch teilweise Umwandlung in
                              									Kupferoxydul kann jedoch nur eintreten, wenn Erhitzungen des Kupfers an der Luft bis
                              									auf etwa 20° unter seinem Schmelzpunkt stattfinden. –
                           Eine andere Krankheit des Kupfers stellte Heyn an einem
                              									Kupferrohr fest, dessen Material ausserordentlich brüchig und mürbe war und beim
                              									Biegen zahlreiche Längsrisse an Stellen zeigte, die sich unter dem Mikroskop als
                              									vollkommen mit Kupferoxyduladern durchsetzt, erwiesen. Heyn schloss auf Grund seiner früheren Untersuchungen, wonach eine Bildung
                              									von Kupferoxydul im metallischen Kupfer nur durch Erhitzen desselben an der Luft bis
                              									nahe an seinen Schmelzpunkt heran möglich ist, dass in dem brüchigen Kupfer von
                              									vornherein Risse vorhanden waren, die nachträglich beim Glühen unter Luftzutritt mit
                              									Kupferoxydul ausgefüllt wurden. Er erzeugte willkürlich in Kupfer, welches geringe
                              									Mengen Kupferoxydul erhielt, feine Risse dadurch, dass er dasselbe in Wasserstoff-
                              									oder Leuchtgas, überhaupt in Gasen glühte, die Wasserstoff enthielten. Wurden die
                              									rissigen Stücke dann nochmals an der Luft erhitzt, so füllten die Risse sich mit
                              									Kupferoxydul aus. Sowohl unter dem Mikroskop als auch beim Biegen zeigte das so
                              									behandelte Material die gleichen Krankheitserscheinungen, wie das oben erwähnte
                              									Kupferrohr; die mit sprödem Kupferoxydul ausgefüllten Stellen rissen beim Biegen der
                              									Länge nach auf. Eine Heilung von dieser Krankheit hält Heyn für ausgeschlossen, und warnt daher davor, glühendes Kupfer der
                              									Einwirkung von Wasserstoff auszusetzen, damit keine Rissbildungen entstehen. –