| Titel: | Neuerungen in der Papierfabrikation. | 
| Autor: | Alfred Haussner | 
| Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, S. 748 | 
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                        Neuerungen in der Papierfabrikation.
                        Von Professor Alfred Haussner, Brünn.
                        (Fortsetzung von S. 717 d. Bd.)
                        Neuerungen in der Papierfabrikation.
                        
                     
                        
                           1. Holzvorbereitung.
                           Bekanntlich ist das Holz weitgehend zu zerkleinern, in Spähne
                                 										zu verwandeln, bevor es dem Kocher übergeben wird. Will man recht reines,
                              									gutes Holz in die Kocher bringen, so muss man sogar sehr kleine Holzteilchen
                              									schaffen. Dies geschieht bekanntlich auf Hackmaschinen mit gradlinig oder drehend
                              									bewegten Messern, wie sie bereits vielfach beschrieben worden sind. Vergl. z.B. Bd.
                              									275 S. 577, Bd. 300 S. 50. Die so erzielten Holzteile werden dann noch häufig in
                              									Desintegratoren 
                              									weiter zerkleinert. Hierher gehörige Maschinen sind jüngst von A. O. Lombard im amerikanischen Patent 662238 und H. G. Shortt im amerikanischen Patent 366211 angegeben
                              									worden, ohne dass aber nach Ansicht des Verfassers eine hervorragendere Neuheit
                              									geboten wäre, obwohl die Konstruktionen gut erdacht sind. Um sehr kleine Holzteile
                              
                              									zu schaffen, in welche die Kochlauge leicht und rasch eindringen kann, sind noch
                              									energischere Zerkleinerungsapparate nötig. Ein solcher ist jener von B. Dietrich in Merseburg, der gleichzeitig den
                              									Transport der Spähne durch seinen Exhaustor-Raspler nach D. R. P. 97391 besorgt. In
                              										Fig. 14,
                              										15
                              									bedeutet A das Eingangsrohr, B das Ausblaserohr, dazwischen liegt der Raspler. Dieser ist mit
                              									Ventilatorflügeln E auf einer durch die Riemenscheibe
                              										C betriebenen Welle versehen. Die Flügel E sind aber schneidend ausgestaltet und arbeiten mit
                              									zwei festliegenden, kegeligen Messerscheiben D
                              
                              									zusammen, die entweder gesonderte, spiralig gekrümmte Gussstahlmesser eingesetzt
                              									erhalten oder mit diesen gegossen werden. Die Spähne werden zwischen den beiden
                              									Messergruppen (drehend und fest) durchgezogen und dabei, wie gewünscht,
                              									zerkleinert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 749
                              Exhaustor-Raspler von Dietrich.
                              
                           Bei diesem Verfahren werden entrindete und vom Bast befreite Hölzer vorausgesetzt. Es
                              									muss daher die Entrindung vorausgehen. In der üblichen
                              									Art und Weise ist dabei nicht unmerklicher Holzverlust, wie schon in früheren
                              									Berichten erwähnt worden ist, unvermeidlich. Verfasser hatte allerdings jüngst
                              									Gelegenheit, ein praktisch und zwar mit ausgezeichnetem Erfolge geübtes
                              									Schälverfahren zu sehen, wobei der Holzverlust thatsächlich Null ist und die Kosten
                              									geringfügig sind. Die etwa meterlangen Rundhölzer mit Rinde werden bei diesem
                              									Verfahren in eine gemauerte Grube gestellt, zugedeckt und durch kurze Zeit mit aus
                              									anderen Teilen des Betriebes herrührenden Abdampf behandelt. Dies, veranlasst dann
                              									so weitgehende Trennung von Bast und Holzkörper, dass ersterer samt der Rinde ohne
                              									weiteres in grossen Streifen abgezogen werden kann und der Holzkörper ganz glatt
                              									zurückbleibt.
                           So vorteilhaft, wie dieses Verfahren, arbeiten wohl die Holzentrindungstrommeln
                              									nicht. Doch ist auch bei ihnen der Abgang kaum jemals so gross, wie bei den mit
                              									schneidenden Werkzeugen arbeitenden Schälmaschinen. Eine solche
                              									Holzentrindungstrommel, welche allerdings an jene von Wertheim, beziehungsweise Baache-Wieg
                              
                              									Vergl. Dinglers Polytechn. Journal Bd. 292 S. 98 und Bd. 308 S.
                                    										149. erinnert, ist jene von Ferd. Kück
                              									in Altkloster nach D. R. P. 120330 (Fig. 16, 17). Die
                              									Holzentrindungstrommel mit ihren Endscheiben c und den
                              									nach innen gerichteten, als wesentlich arbeitende Teile zu betrachtenden Winkeln d ist verstärkt durch Winkelringe g. Ist die Trommel durch die Thür h mit Hölzern beschickt worden, so wird die Schütze k geschlossen, und Wasser unter die Trommel geleitet,
                              									so dass sie darin eintaucht und das Wasser in bestimmter Höhe über den Schützen
                              									abfliesst. Nun wird auch etwas Wasser durch das Rohr e
                              									in die hohle, bei a und f
                              									gelagerte Achse der Trommel eingeführt, damit es durch die Löcher b austrete und diese sich nicht durch Rindenspähne und
                              									dergl. während der Drehung der Trommel verstopfen. Sobald die Entrindung merklich
                              									vorgeschritten ist, wird der Zufluss von Wasser unter der Trommel abgesperrt, die
                              									Schütze k hochgezogen und viel Wasser durch das Rohr
                              										e zugeführt, bis die Hölzer von Rinde und Schmutz,
                              									besonders an den Stirnenden, ganz befreit sind. Dann wird die Trommel durch die Thür
                              										h geleert. Es ist wohl klar, dass die eigentliche
                              									Holzfaser bei solchen Trommeln sehr geschont wird. Mechanisch arbeitend dürfte das
                              									System das schonendste überhaupt sein. Noch schonender ist das allerdings
                              									Handbetrieb voraussetzende, erwähnte Schälverfahren des etwas angedämpften
                              									Holzes.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 749
                              Holzentrindungstrommel von Kück.
                              
                           Abgesehen von diesem, soweit dem Verfasser bekannt, wenig geübten Verfahren ist doch
                              									immer damit zu rechnen, dass merkliche Mengen Holzfaser, sei es beim Hand- oder beim
                              									Maschine-Schalen mit Bast und Rinde vereint abgehen. Sie können immerhin (bei
                              									Anwendung von Schälmessern) 10 % ausmachen, was besonders bei den wachsenden
                              									Holzpreisen nicht unwesentlich ist.
                           Um diesem Verluste einigermassen zu steuern, empfiehlt R.
                                 										Dietrich in Merseburg im Anschluss an sein oben geschildertes Verfahren für
                              									die Trennung der Holzteile von den Rinden folgendes Verfahren:
                           Die Rindenschälspähne werden entsprechend zerkleinert und zwar vielleicht am
                              									zweckentsprechendsten in einer Art Häckselmaschine, allerdings schwerster Art B (Fig. 18) nachdem sie
                              									vorher, etwa, auf den durch Abdampf geheizten Schlangen A getrocknet worden sind, um ihre übergrosse Feuchtigkeit abzugeben. Die
                              									Spähne fliegen dann leichter auseinander, auch löst sich der Schmutz besser ab. Man
                              									kann auch die getrockneten Spähne etwas vorsortieren, um nur die mit Holz reicher
                              									versehenen wieder zu verwerten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 749
                              Fig. 18. Trennung der Holzteile von den Rinden nach Dietrich.
                              
                           Die auf B geschnittenen Spähne können dann auf einem
                              									Raspler-Exhaustor C noch weiter zerkleinert werden, um
                              									hierauf, von dem Luftstrom getragen, in die Kammer E zu
                              
                              									gelangen. Infolge der verschiedenen spezifischen Gewichte werden, ähnlich wie bei
                              									einer Getreideputzmaschine, die Holzteile weiter oder näher vom Eingang
                              									niederfallen, während die Luft durch Kanäle F abzieht.
                              									Die aus verschiedenen Arten von Material bestehenden Haufen können durch Thüren G abgezogen und weiterer Benützung zugeführt, je nach
                              									ihrer Natur verkocht oder verbrannt werden.
                           
                           Nach dem D. R. P. 113466 Kletzl-Freyler werden die
                              									rohen Holzteilchen anders behandelt, um weitgehend gelockert und doch in ihrem
                              									Volumen verkleinert zu werden. Die Holzteilchen werden kräftig gewalzt. Man erhofft
                              									dadurch bei gleichen Abmessungen ein gleichmässigeres Produkt zu gewinnen.
                           Auf gleichmässigeres Produkt arbeiten übrigens auch alle Sortiervorrichtungen für Spähne hin. Für diese sind meist runde Siebe
                              									beliebt. Neuestens erstrebt aber die Maschinenfabrik Heinrich Wigger in Unna die Anwendung von ebenen Schüttelsieben, auf
                              									welche die mittels der Schleudermühle zerkleinerten Spähne aufgeschüttet werden. Die
                              									Fabrik rühmt diesen Schüttel-Siebsortierern viele Vorzüge nach. Thatsächlich hat
                              									auch die Anordnung der zwei Siebe über einander manches für sich: leichte Reinigung
                              									der Siebe, bessere Ausnützung der Siebfläche, günstige Anordnung u. dergl.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 750
                              Sortiermaschine von Fannon mit feststehenden Sieben.
                              
                           Eine allem Anscheine nach ganz vorteilhafte Einrichtung für die Trennung brauchbarer
                              									Spahnteile von weniger guten oder von ganz unbrauchbaren Stoffen, wie Sand u. dgl.
                              									bietet das amerikanische Patent 621402 von W. A. Fannon
                              									in Appleton. Die Spähne gelangen durch den Trichter h
                              
                              									in einen im Zickzack gelegten, abfallenden Kanal (Fig. 19–20), der auf zwei Seiten
                              									durch lotrechte Wände a, auf den beiden anderen durch
                              
                              									schiefe Wände begrenzt ist. Die letzteren bestehen zur Hälfte aus Sieben c in Rahmen de, zur anderen Hälfte aus undurchlässigen
                              									Brettern b. Man erkennt sogleich, dass bei der
                              									getroffenen Anordnung das herabkommende Gemenge auf die Siebe auffällt und durch
                              									diese Teile treten lässt, welche auf die Aussenseite der Wände b gelangen und auf diesen abwärts gleiten in die Rinnen
                              
                              										f, aus denen sie geeignet entfernt werden. Indem
                              									man das oberste Sieb mit den engsten Maschen versieht, fallen durch dasselbe nur
                              									Sand, Sägspähne u. dgl., welche für die Zellstoffindustrie nicht weiter nutzbar
                              									sind. Die anderen Teile können um so eher ordentlich durch richtige Maschenweite der
                              									Siebe gesondert werden, als durch den Fall die Spähne fortwährend durcheinander
                              									geraten, gemischt, teilweise auch im Zusammenhang gelockert werden, und auch die
                              									Schüttelvorrichtung, welche bei iklm ersichtlich
                              									ist, und den ganzen Sortierkasten stossweise auf- und abbewegt, das Sondern
                              									befördert sowie Festsetzen verhindert. Nachdem die Spähne diese Sondervorrichtung
                              									verlassen haben, fallen sie auf das Transporttuch g,
                              									welches die besten Spähne der weiteren Verwendung zuführt. Bei starker
                              									Verunreinigung empfiehlt Fannon drehende Siebe r (Fig. 21), welche
                              									durch die bei t angetriebene endlose Kette s bewegt werden können und durch Bleche u sozusagen abgedichtet sind. Die Drehsiebe nehmen die
                              									ärgsten Unreinigkeiten auf und schleudern das Brauchbarere gegen die ebenen Siebe
                              										c. Sonst wirkt der Reuter so wie der nur mit ebenen
                              									Sieben ausgestattete.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 750
                              Fig. 21. Sortiermaschine von Fannon, mit Drehsieben.
                              
                           
                        
                           2. Kochverfahren.
                           Bei der Verarbeitung des genügend vorbereiteten Holzes auf Zellstoff strebt man
                              									naturgemäss immer an, möglichst viel von den in der gewachsenen Pflanze
                              									enthaltenen Fasern zu gewinnen. Bei den heute noch vorwaltend geübten Verfahren, dem
                              									Kochen mit Natron-, beziehungsweise Sulfitlösungen gehen zweifellos merkliche
                              									Fasermengen bei dem Kochen in Lösung, daher mit der Ablauge verloren, obgleich das
                              									Sulfitverfahren schon vi!l höhere Ausbeute, als wie das Natronverfahren ergiebt. Es
                              									hängt dies wohl aller Wahrscheinlichkeit nach damit zusammen, dass die Chemie der
                              									Zellstoffgewinnung noch immer nicht geklärt ist. Man ist ja weiter gekommen, wie bei
                              
                              									Besprechung der Zellstoff-Ablaugen kurz berichtet werden soll, aber volles Licht
                              									scheint man noch lange nicht zu haben.
                           Vielfach wird versucht, durch absatzweises, nicht so summarisches Behandeln, wie es
                              									bei den streng durchgeführten beiden Hauptverfahren geschieht, günstigere Erfolge zu
                              									erzielen. So wird in dem französischen Patent 265027 an Rudolf Temple und Nils Vauvert empfohlen, das
                              									Rohmaterial vor dem eigentlichen Kochen mit überhitztem
                              									Dampf zu behandeln. Dadurch wird der Kocherinhalt rasch auf die notwendige, hohe
                              									Temperatur gebracht, dabei nicht soviel Kondenswasser erzeugt und viel mehr an
                              									inkrustieren den Stoffen des Holzes gelöst, als durch den gewöhnlichen, nassen
                              									Dampf. Doch ist grosse Vorsicht hinsichtlich der Verbleiungen geboten, weil die hohe
                              									Temperatur des überhitzten Dampfes allenfalls Blei direkt ausschmelzen kann. Dr. Max Müller und Dr. Emil
                                 										Meyer (Altdamm-Berlin) beabsichtigen nach dem D. R. P. 112449 das so
                              									unwillkommene Harz vor der weiteren Behandlung aus dem Holz herauszulösen, indem das
                              									Holz mit einem Alkohol-Benzin-Gemisch ausgezogen wird, wobei der Alkohol nur als
                              									Träger des Benzins auftritt. Wenn sich die von den Erfindern angegebenen
                              									Errungenschaften bewahrheiten, wäre thatsächlich viel erreicht.
                           Papier, welches aus Holzschliff, der, so wie oben angegeben, aus vorher entharztem
                              									Holz erzeugt worden ist, verändert am Tageslicht die Farbe nicht und wird nicht
                              									brüchig.
                           Selbstredend wird durch die Entfernung des Harzes das Sulfitverfahren wesentlich
                              									erleichtert.
                           L. K. Böhm in New-York empfiehlt nach D. R. P. 124556
                              									bei der Herstellung von Strohcellulose vor der Natronbehandlung die Anwendung von
                              									Essigsäure. Einerseits sollen dadurch wasserlösliche Stoffe ausgezogen und
                              									andererseits das Stroh weich gemacht, sowie diejenigen organischen Bestandteile des
                              									Strohes, welche Basen oder von basischem Charakter sind, gelöst und ausgelaugt
                              									werden. Die nachfolgende Kochung mit Aetznatron ist dadurch besser ausführbar. Wenn
                              									man nach der Kochung, beim Waschen und Bleichen (mit Chlorkalk) ebenfalls mit
                              
                              									Essigsäure (stark verdünnt) absäuert, so ist auch dies für den gewonnenen Zellstoff
                              									von Vorteil.
                           Willy Schacht in Niederlössnitz endlich giebt im D. R.
                              									P. 122171 an, dass die Kochung mit einer Lauge, die als Hauptbestandteile neutrales
                              									schwefligsaures Natron und etwas unterschwefligsaures Natron enthält, besondere
                              									Vorteile bietet. Nach dem neuen Verfahren soll 15–20 % mehr Zellstoffausbeute gegen
                              									das Natron- oder Sulfitverfahren erhalten werden. Der entlaugte und ausgewaschene
                              									Zellstoff erscheint heller und kräftiger, er ist leichter teilbar, geschmeidiger und
                              									verfilzungsfähiger, die Faser leichter bleichbar.
                           Die Kochlaugen werden hergestellt, indem man schweflige Säure in die Rohsoda- oder
                              
                              									Schmelzlösungen so lange einleitet, bis alles Aetznatron, Schwefelnatrium,
                              									kieselsaures Natron und ein Teil des kohlensauren Natrons in neutrales
                              									schwefligsaures Natron und in unterschwefligsaures Natron übergeführt worden ist.
                              									Der Rest von Karbonat der Rohlösung wird dann durch einen entsprechenden Zusatz von
                              									Aetzkalk kaustisch gemacht. Dadurch, dass so wenig an ätzendem Alkali vorhanden ist,
                              
                              									soll gewährleistet sein, dass nur ganz geringe, oder nahezu gar keine Zellstoff
                              									Verluste stattfinden.
                           Herr Schacht hat bereits in zwei Fabriken das Verfahren
                              									im Grossbetriebe erproben lassen. Die hohe Zellstoffausbeute ist bestätigt worden.
                              									Weitere Erfahrungen stehen noch aus.
                           
                        
                           3. Schweflige Säure.
                           Das Schacht'sche Verfahren, bei dem schweflige Säure,
                              
                              									wenn auch anders, als bei den eigentlichen Sulfitverfahren, eine grosse Rolle
                              									spielt, führt uns zwanglos zu jenen über.
                           Der Schwefel als so ausserordentlich wichtiges Rohmaterial 
                              									für diese Industrie wird nach wie vor entweder dem Handelsschwefel oder Kiesen
                              									entnommen. Als Rohschwefel steht der sizilianische noch immer oben an und wie sehr
                              									derselbe geschätzt wird, kann aus dem steigenden Absatz (auf 172765 Tonnen im Jahre
                              
                              									1897) der „Anglo-Sicilian Sulphur Co.“
                              									geschlossen werden, welche die sizilianische Schwefelgewinnung und den Verkauf
                              									sozusagen monopolisiert hat und trotz vielfacher Verbesserung im Betriebe, höherer
                              									Löhne an die Arbeiter u. dgl., in einem der letzteren Jahre 50 % Dividende zu
                              									bezahlen vermochte.
                           Die Verwendung der Kiese, statt des Schwefels, ist, wie schon in früheren Berichten
                              									betont, vorwaltend eine Frage ökonomischer Natur. Besonders dann, wenn die
                              									Kiesabbrände vorteilhaft verwertet werden können, ist auf günstige Oekonomie für die
                              									Erzeugung schwefliger Säure aus Kiesen zu rechnen. Thatsächlich finden sich in den
                              									Kiesabbränden eine Menge wertvoller Stoffe, von denen, wenn sich lokal günstige
                              									Bedingungen dafür finden, schon längere Zeit Eisen durch Mitverhüttung ausgelaugter
                              									Kiesabbrände in Hochöfen gewonnen wird. In letzter Zeit wird auch auf den
                              									bedeutenden Zinkgehalt mancher Kiesabbrände, sowie auf den beginnenden Zinkmangel
                              									und dadurch bedingten höheren Preis des Zinks aufmerksam gemacht. Thatsächlich sind
                              									letzter Zeit Patente auf Nutzbarmachung der Kiesabbrände genommen worden, worauf
                              									hier nur kurz hingewiesen sei. So behandelt das englische Patent 7028 vom 14. April
                              									1900 von Dr. Karl Kellner in Wien die Gewinnung von
                              									Zink und anderen Stoffen aus den Abbränden zinkhaltiger Schwefelkiese. In der
                              									Papierzeitung 1899 S. 2300 wird über ähnliche Verwendungen gesprochen, insbesondere
                              									auch auf die Herstellung einer giftfreien weissen Deckfarbe, Lithophone, hingewiesen, die aus solchen Rohstoffen sehr vorteilhaft zu
                              									gewinnen sei. Wenn man überlegt, welche Sorgen die Ablagerung der Kiesabbrände oft
                              									den Kiesröstereien verursacht, so kann man den lebhaften Wunsch nach Nutzbarmachung
                              									der Abbrände begreifen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 751
                              Fig. 22. Kiesofen von Grenshaw.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 751
                              Fig. 23. Rost zum Kiesofen von Grenshaw.
                              
                           Ein anscheinend gut gedachter Kiesofen ist jener von S. D.
                                 										Grenshaw nach D. R. P. 100243. Er enthält drei Verbrennungskammern neben
                              
                              									einander, welche durch Thüren K (Fig. 22) mit Schaulöchern g zu beschicken sind. Die Kiese gelangen auf einen Rost mit Stäben A1 gewöhnlicher Form
                              										(Fig. 23). Darauf befinden sich aber gusseiserne
                              									Aufsätze H, welche hohl, nach unten mit der
                              									Abfallkammer C (Fig. 22)
                              									und nach oben mit Schlitzen h, nach der Seite mit
                              									Löchern h1 versehen
                              									sind. Dadurch ist es nahezu ausgeschlossen, dass Luftmangel eintrete, selbst dann,
                              									wenn zusammensinternde Kiese die gewöhnlichen Rostzwischenräume verlegen sollten.
                              									Ueberdies hat man es in der Hand, durch die Oeffnung N
                              										(Fig. 22) in den Thüren M, welche die Grube C zugänglich machen, den
                              									Luftzutritt zu regeln.
                           Der richtige Zug wird ja bei Kiesöfen, wie bei vielen anderen Feuerungen meist in
                              									ähnlicher Art geregelt, wie dies soeben bei einem Beispiele gezeigt worden ist.
                              									Oeffnet man die Beschickungsthüre, so hört der Zug auf, hier bei den Kiesöfen strömt
                              									schweflige Säure in den Arbeitsraum und belästigt empfindlich. Ueberdies strömt
                              									sauerstoffhaltige Luft in die Absorptionsvorrichtungen. Diesem Uebelstande trachtet
                              									die Stassfurter chemische Fabrik vorm. Forster &
                                 										Grüneberg dadurch beizukommen, dass sie zwei Ofengruppen geeignet
                              									verbindet, D. R. P. 100708. Es arbeite in Fig. 24
                              									eine Reihe Doppelöfen 1 mit einer anderen Reihe 2 zusammen. Sie sind verbunden durch
                              									das Rohr k. Oeffnet man nun bei t die Beschickungsthür in dem Systeme 1, während 2 ungestört weiter
                              									arbeitet, so wirkt der für 2 bestehende Zug durch das Verbindungsrohr k auf 1 ebenfalls, wodurch ein Luftstrom von aussen
                              									gegen innen sich ergiebt, also gar kein Anlass gegeben ist dafür, dass die so
                              									unangenehm auf die menschlichen Atmungsorgane wirkende schweflige Säure in den
                              									Arbeitsraum tritt. Man bekommt auch keinen Sauerstoffüberschuss in das
                              									Absorptionsgefäss, weil die bei t einströmende Luft die
                              									Glutschichte in Ofen 1 und 2 durchstreicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 751
                              Fig. 24. Kiesofen-Anlage von Forster & Grüneberg.
                              
                           
                        
                           4. Kocher.
                           Auf die Art der Ausfütterung der Kocher, deren Grösse
                              									schon ganz enorm wird und auf 224 m3 Innenraum bei
                              									einem schwedischen Kocher gestiegen ist, konzentriert sich ein grosses Interesse.
                              									Die ursprünglich Mitscherlich'sche Ausfütterung unter
                              									Zuhilfenahme von Blei, dann die Ausmauerung mit Cement beherrschen nach wie vor die
                              									Lage. In Nordamerika ist es das Patent von Fred Russel,
                              									nach welchem allein, gemäss einer Entscheidung amerikanischer, höchster Gerichte,
                              									ununterbrochene Zementausfütterungen bei Kochern hergestellt werden dürfen. Weil Russel ziemlich bedeutende Patentgebühren beansprucht,
                              									so sind viele Anstrengungen gemacht worden, andere, thunlichst gleichwirksame oder
                              									sogar, noch bessere Auskleidungen zu finden, was allerdings, vielfach kaum
                              									verschleiert, den Wunsch erkennen lässt, das Patent Russel zu umgehen.
                           So haben wir bei den sogenannten „Non-Antem“ Sulfitkochern das Innere der Flusseisenschale ganz
                              									glatt, mit versenkten Nieten. Darauf liegt ein 4,5 mm dickes Bleiblech. Hierauf
                              									folgen gegen innen feuerfeste Ziegel mit möglichst engen Fugen, in Portland-Zement
                              									vermauert, dann wieder eine Bleiblechlage gleich der ersten, und zur inneren
                              									Begrenzung des Kochers eine weitere Schicht säurefester Ziegel. An Mitscherlichs Anordnung erinnert dies ungemein. Ganz
                              									eigentümliche Anordnung lässt das amerikanische Patent No. 642317 von J. L. Coker in Hartsville erkennen. Der Kocher, Fig. 25–27, hat im
                              									Innern Zementmauerwerk B, welches von der Kocherhülle
                              										A durch einen Raum C
                              									getrennt ist, in welchem durch Wechselreaktion mit der durch die Fugen von B sickernden Lauge, also durch den gefährlichen
                              									Bestandteil selbst, ein Schutz geschaffen werden soll.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 751
                              Kocher von Coxer.
                              
                           Unwillkürlich erinnert man sich an Patent Salomon-Brüngger
                              									Verg. Dingler 1890. Bd. 276, S. 54., 
                              									das übrigens an einzelnen Kochern Deutschlands und Nordamerikas noch heute nach
                              									vorliegenden Berichten in ganz befriedigender Anwendung ist. Doch ist die Cokersche Idee in der Ausführung von der Salomonschen grundverschieden, allerdings auch ungleich
                              									verwickelter. Der Raum C (Fig. 26) wird durch
                              									eingelegte Ringe b oder durch Ansätze b1 an die die
                              									Ausmauerung B bildenden Ziegel erreicht. In dieser
                              									Richtung giebt F. W. Ayer in Bangor Ziegel nach Fig. 28 an (amerikan. Patent 324608), welche für den
                              									beabsichtigten Zweck, Kanäle zwischen dem Metall und dem Futter zu gewinnen, ganz
                              									geeignet wind. In dem Hohlraum C (Fig. 26) giebt man Sand
                              									oder anderes lockeres Material, allenfalls kann auch nach Fig. 27 eine Bretterlage
                              										D gegeben werden. Ist das Mauerwerk aus
                              									gewöhnlichen, in Zement verlegten Bauziegeln fertig, so wird durch die Pumpe P und durch die Rohrleitung p mit Hähnen v, welche den Zutritt in die
                              									Hohlräume C ermöglichen, diejenige Lösung gepumpt,
                              
                              									welche sich mit dem schwefligsauren Calcium derart umsetzt, dass eine unlösliche
                              									Verbindung entsteht, z.B. Wasserglas, um kieselsaures Calcium zu bilden,
                              									schwefelsaures Natron u. dergl. Diese Umsetzung soll während des Kochens geschehen,
                              									so gedacht, dass die Kochflüssigkeit durch die Fugen in den Hohlraum C dringen will, während die von aussen eingepumpte
                              									Flüssigkeit nach innen zu kommen strebt. Bei einem Kocherdruck von 5 Atm. ist ein
                              
                              									Pumpendruck von 10 Atm. (!) gedacht, der nach Bedarf erzeugt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 752
                              Fig. 28. Ziegel für Kocher von Ayer.
                              
                           Der Erfinder behauptet, dass dadurch rasch vollkommen dichtes
                              									Mauerwerk zu erzielen und zu erhalten ist, indem bei auftretenden Rissen mittels der
                              									Pumpe P neue, zur Umsetzung erforderliche Lösung
                              									herbeigeschafft werden kann. Ob sich jedoch das Verfahren, so gut es gedacht sein
                              									mag, praktisch einführen werde, mag immerhin bezweifelt werden. Einfach ist es
                              									durchaus nicht. Der hohe Pumpendruck ist auch keineswegs einladend. F. S. Lyman in Augusta sucht nach amerikan. Patent
                              									620234 die Hauptursache für das Undichtwerden der Zementausmauerung darin, dass bei
                              									den hohen Temperaturen die Verschiedenheit der Ausdehnungskoeffizienten zwischen
                              
                              									Mauerwerk und Eisenblech sehr viel austrägt. Deshalb versucht er, unbeschadet
                              									normaler Heizung, die hohe Erwärmung der Kocherbleche hintanzuhalten, indem er eine
                              									schlecht wärmeleitende Schichte aus Papier unmittelbar an die Kocherwand legt. In
                              										Fig. 29
                              									und 30 ist
                              									diese Schichte b auf den Blechen a als eine Art dicker Pappe in mehreren Teilen
                              									aufgelegt, welche sich bei ef überlappen. Um
                              									diesen Teil gegen das Eisen dicht zu halten, wird vorerst ein Bleiring h eingelegt. Nach innen befindet sich in m eine Bleischichte, auf welche dann in Zement
                              
                              									verfugtes Mauerwerk c kommt. Wird der Kocher warm, so
                              									dehnt sich insbesonders auch der Bleiring j aus und übt
                              									dadurch einen Druck aus, welcher die Ueberlappung bei ef dichtet. So der Erfinder! Ob aber nicht vielmehr dadurch die
                              									Ausfütterung nach innen gedrückt wird, mag dahingestellt bleiben. –
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 752
                              Körper-Wand nach Lyman
                              
                           Eine Kombination von Kalk- und Zementmörtelsteinen, welche die Vorteile beider
                              									vereinen und ihre Nachteile nicht so sehr aufweisen soll, ist die Schutzschichte von
                              										S. T. Berglund nach D. R.-P. 101677. Sie wird aus
                              									verhältnismässig dünnen Platten gebildet, die schachbrettartig abwechseln und voll
                              									auf Fuge in mehreren Schichten übereinander kommen. Die innerste Schichte bilden
                              									Platten aus säurefestem Material: Blei, Glas, Stein oder dergl. Es darf wohl nicht
                              									verhehlt werden, dass die Kalkmörtelplatten ein recht bedenkliches
                              									„Schutz“-Material gegenüber der schwefligen Säure abgeben. –
                           Bei der Anordnung von J. Norton in Boston wird
                              									absichtlich geteilte Zementschichte angewendet. Nach amerikan. Patent 638267 werden
                              										(Fig. 31 und 32) durch
                              									Klinkerziegelschalen 1 Felder 2 von etwa 60–90 cm im Quadrat gebildet und mit
                              
                              									Zement ausgefüllt, während die Klinker durch möglichst wenig Zement verbunden werden
                              									und zwischen Klinker und Eisen schale überhaupt kein Zement kommt. Die
                              									Klinkerscharen halten die Zementfüllungen 2 im Verein mit ⊺-Bolzen b fest (Fig. 32). Dadurch, dass
                              									der Zement gesondert so kleine Teile bildet, sowie durch die ganze sonstige
                              
                              									Anordnung soll die Wirkung des Schrumpfens so weit eingeschränkt werden, dass
                              									Sprünge ganz zu verhindern sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 752
                              Fig. 31. Kocher von Norton.
                              
                           Bei dem amerik. Patent No. 658572 wird die Zementschichte, welche an den Kocherwänden
                              									liegt, durch Ringe unterbrochen, welche bis in die Ziegelschichte reichen, aus
                              									Metall gemacht und mit dem Kochermantel vernietet sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 752
                              Fig. 33. Kocher von Offenheimer.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 317, S. 752
                              Heizschlange zum Kocher von Offenheimer.
                              
                           G. Lanzendoerfer nimmt Elektrizität zu Hilfe, um sicher
                              									schützende Auskleidung zu erreichen. Nach amerik. Patent 641304 besteht das Futter
                              									aus einer oder mehreren Lagen von in Zement verlegten Ziegeln. Dieser soll durch
                              									einen elektrischen Schweissapparat einer so starken Hitze ausgesetzt werden, dass er
                              									schmilzt, verglast und solcher Art eine unlösliche Verbindung der Ziegel abgiebt.
                              									Naturgemäss muss der Zement für diesen Zweck geeignet gewählt werden. Der Erfinder
                              									empfiehlt eine Mischung von 50–75 % Natronsilikat, 15–30 % Bleiglätte, 10–25 % Kalk
                              									oder Kreide und 15–35 % Porzellanthon. Auch bei alten, nach anderen Systemen
                              									ausgemauerten Kochern kann das Verfahren angewendet werden, indem man. die Fuge
                              
                              									etwas auskratzt, den neuen Zement einstreicht und dann so, wie geschildert,
                              									verglast.
                           Ganz eigentümlich nimmt es sich aus, wenn nach einem Verfahren von Kupka & Wittak in Wien zur Schutzmasse für die
                              									Kocherauskleidung auch Eisen genommen wird, indem die Masse aus einem Gemenge von
                              									Chamotte, Zement und Eisendrehspähnen besteht. Nach dem Zentralblatt für die
                              									österr.-ungar. Papierindustrie wird die Masse an Ort und Stelle erzeugt, im frischen
                              									Zustand verwendet und mit glatten Platten überkleidet. Es sohl eine sehr innige
                              									Verbindung mit dem Eisenmantel entstehen.
                           Für die Heizung der Kocher findet sich eine interessante
                              									und nach Ansicht des Berichterstatters gut gedachte Neuheit in dem D. R.-P. 101906
                              									von P. Offenheimer in Okriftel. Darnach wird (Fig. 33, 34) die Heizschlange
                              									ganz oder zum Teil von den Kocherwänden weg gegen die Mitte geschoben bezw. dort
                              									aufgehängt. Es geschieht dies durch verbleite 
                              									eiserne Gestänge, welche an den oberen Mannlochdeckel gehängt werden. Die
                              									Heizschlange ist als vierkantiges, schraubenförmig gewundenes Hartbleirohr gedacht,
                              
                              									welches durch Verlöten der einzelnen Gänge zu einem Hohlzylinder R (Fig. 34) geformt wird.
                              									Die Dampfzu- und Abfuhr ist aus Fig. 33 bei a und b zu ersehen.
                           Durch diese Anordnung gewinnt man unschwer bessere Ausnutzung der Heizfläche und
                              									Zirkulation der Kocherflüssigkeit, deren ungefährer Weg aus den eingezeichneten
                              									Pfeilen erkennbar ist. Zweifellos ist die Heizschlange hier auch besser zugänglich.
                              									Aber nicht ganz unbedenklich scheint ihre Lage während der Beschickung des
                              
                              									Kochers mit Holz, wenn auch manche Gefahr durch genügende Vorsicht abgewendet werden
                              									kann. Die Ausführung und den Vertrieb hat die Akt.-Ges. vorm Jung & Lindig in Freiberg (Sachsen) übernommen. Es wäre sehr zu
                              									begrüssen, wenn durch diese Anordnung die richtige Bewegung der Kocherflüssigkeit
                              									jederzeit erreichbar wäre, indem es von dieser nach den Forschungen von P. Klason in No. 6 der „Svensk Kemisk tidskrift“
                              									Jahr 1897 abhängt, ob nicht (bei Fehlkochungen) in schwefliger Säure unlösliches
                              									Harz ausgeschieden werde.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)