| Titel: | Zur Theorie der Kühlverfahren von Linde, Siemens und Mix mittels Kaltluftmaschine. | 
| Autor: | Paul Berkitz | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 29 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zur Theorie der Kühlverfahren von Linde, Siemens und Mix mittels Kaltluftmaschine.
                        Von Dr. Paul Berkitz,
                           									Charlottenburg.
                        (Schluss v. S. 8 d. Bd.)
                        Zur Theorie der Kühlverfahren von Linde, Siemens und Mix mittels
                           								Kaltluftmaschine.
                        
                     
                        
                           Nimmt man ein grosses Ausflussgefäss mit enger Ausströmungsöffnung, so kann man
                              									die Luft im Ausflussgefässe annähernd als in Ruhe befindlich ansehen und daher ohne
                              									merklichen Fehler w1 =
                              									0 und somit auch H1 = 0
                              									setzen. Soll ferner Wärme weder zu- noch abgeführt werden, so wird dQ = 0, folglich erhält man aus Gleichung 13) für
                              									die Strömungsenergie bei horizontalem Ausflussrohr, für das dh = 0 zu setzen ist, die Gleichung
                           d\,H=\frac{k}{k-1}\,d\,(p\,v) . . . . 16)
                           während aus Gleichung 14)
                           d\,W=\frac{1}{k-1}\,(v\,d\,p+k\,p\,d\,v) . . 17)
                           und durch Addition von 16) und 17)
                           dH+ dW = – vdp .
                              										. . 18)
                           folgt. Aus Gleichung 16) folgt
                           H=\frac{1}{k-1}\,(p_1\,v_1-p\,v) . . . 19)
                           so dass nach Gleichung 2) die Ausflussgeschwindigkeit
                           m=\sqrt{\frac{2\,g\,k}{k-1}\,(p_1\,v_1-p\,v)} . . 20)
                           und die Luftmenge
                           G=\sqrt{\frac{2\,g\,k}{k-1}\cdot \frac{p_1\,v_1-p\cdot v}{v^2}} . . 21)
                           wird. Setzt man nun voraus, dass die Widerstände, welche die
                              									ausströmende Luft in der Mündung zu überwinden hat, verschwindend klein sind, also
                              										dW = 0 ist, so folgt aus
                              									Gleichung 17) vdp + kpdv = 0, so dass durch Integration die polytropische Expansionskurve
                           pvk = p1v1k sich ergiebt . . . 22)
                           Mit Rücksicht hierauf erhält man aus Gleichungen 20) und 21)
                           w=\sqrt{\frac{2\,g\,k}{k-1}\cdot p_1\,v_1\,\left[1-\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{k-1}{k}}\right]} . . 23)
                           und
                           G=\sqrt{\frac{2\,g\,k}{k-1}\cdot \frac{p_1}{v_1}\,\left[\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{2}{k}}-\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{k+1}{k}}\right]} . . 24)
                           In diesen Formeln sind jedoch die Widerstände, welche die strömende Luft zu
                              									überwinden hat, nicht berücksichtigt worden. Weisbach,
                              									der die ersten vollkommenen Versuche über Luftausfluss angestellt hat, bezeichnet
                              										w und G als
                              										„theoretische Werte“. Die wirkliche oder effektive
                              									Ausflussgeschwindigkeit, die kleiner als w ist, setzte
                              									er we = βw, worin β der
                              									Geschwindigkeitskoeffizient heisst. Die effektive Strömungsenergie wird entsprechend
                              									gesetzt
                           He = β2H,
                           so dass die Widerstandsarbeit
                           W = H –
                                 										He = (1 – β2)
                              									W=H-H_e=(1-\beta^2)\,H=\left(\frac{1}{\beta_2}-1\right)\,H_e=\varrho\,H_e 25)
                           wird und somit
                           \varrho=\frac{1}{\beta^2}-1 . . . . 26)
                           gesetzt ist und der „Widerstandskoeffizient“ heisst. Aus Gleichung 25) folgt durch
                              									Differentiation und nach Gleichung 16)
                           d\,W=\frac{k\,\varrho}{k-1}\,d\,(p\,v) . . . 27)
                           so dass man nach Gleichung 17),
                           d\,W=\frac{1}{k-1}\,(v\,d\,p+k\,p\,d\,v) ist
                              
                              								
                           durch Gleichsetzung beider Formeln
                           (1 + kρ)
                              									dpv + k (1 + ρ) pdv = 0
                           oder
                           
                              v\,d\,p+\frac{k\,(1+\varrho)}{(1+k\,\varrho)}\,p\,d\,v=0
                              
                           oder, indem man
                           u=\frac{k\,(1+\varrho)}{1+k\,\varrho} . . . . 28)
                           einführt, vdpu + updv = 0 und durch Integration, wenn und ρ damit auch u constant
                              									ist, die polytropische Druckkurve
                           pvu = p1vu1. . . . 29)
                           erhält. Hieraus folgt mit Hilfe der Clapeyronschen Zustands-Gleichung
                           \frac{T}{T_1}=\left(\frac{v_1}{v}\right)^{u-1}=\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{u-1}{u}} . . 30)
                           Aus Gleichung 30) kann man das Volumen v und die Temperatur T durch den Druck p in der Mündung ihrer wirklichen Grösse nach
                              									berechnen. Zeuner nennt die Grösse u den „Ausfluss-Exponenten“. Ist u gegeben, so erhält man aus Gleichung 28)
                           \varrho=\frac{k-u}{k\,(u-1)} . . . . 31)
                           wonach u stets kleiner als k ist. Mit Rücksicht auf die Gleichungen 29) und 21)
                              									erhält man
                           w=\sqrt{\frac{2\,g\,k}{k-1}\cdot p_1\,v_1\,\left[1-\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{u-1}{u}}\right]} . 32)
                           G=F\,\sqrt{\frac{2\,g\,k}{k-1}\cdot \frac{p}{p_1}\,\left[\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{2}{v}}\,\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{u+1}{u}}\right]} . 33)
                           und aus den Gleichungen 27) und 31) die Widerstandsarbeit
                           W=\frac{(u-1)\,(k-1)}{k-u}\cdot p_1\,v_1\,\left[1-\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{u-1}{u}}\right] 34)
                           
                           Es ist nach Gleichung 2) und 32)
                           
                              H=\frac{w^2}{2\,g}=\frac{2\,g\,k}{(k-1)\,2\,g}\cdot p_1\,v_1\,\left[1-\frac{T}{T_1}\right]
                              
                           worin nach Gleichung 30)
                           
                              \left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{u-1}{u}}=\frac{T}{T_1}
                              
                           gesetzt ist;
                           folglich erhält man, da nach der Clapeyronschen Zustandsgleichung
                           \frac{p_1\,v_1\,k}{T_1\,(k-1)}=\frac{c_p}{A} ist
                           H=\frac{c_p}{A}\,(T_1-T) ist
                           oder
                           AH = cp (T1
                              									– T) . . . . . 35)
                           und die Widerstandsarbeit ebenfalls in Wärmemass
                           A\,W=A\,\varrho\,H=\frac{k-u}{k\,(u-1)}\cdot c_p\,(T_1-T) 36)
                           und durch Addition der Gleichungen 35) und 36)
                           A\,(H+W)=\frac{u\,(k-1)}{k\,(u-1)}\cdot c_p\,(T_1-T) . 37)
                           Bei der Umrechnung der Luftmenge in Raumeinheiten (Kubikmeter) muss man angeben, an
                              									welcher Stelle gemessen werden soll. Im Innern des Gefässes ist das Volumen Gv1, in
                              									der Mündungsebene Gv und ausserhalb der Mündung
                              									nach der Ausbreitung Gv2. Im vorliegenden Falle kommt es lediglich
                              									auf die Bestimmung der Werte T, p und v in der Mündungsebene an. Man erhält für das
                              									Gefässinnere gemessen
                           G\,v_1=a\,F\,\sqrt{2\,g\,\frac{c_p\,T_1}{A}\,\left[\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{2}{u}}-\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{u+1}{u}}\right]} . 38)
                           worin a der
                              										„Kontraktionskoeffizient“ ist.
                           Die Richtigkeit der hier abgeleiteten Formeln ist von Weisbach durch Messen der Ausflussgeschwindigkeiten (Ausflussmengen)
                              									geprüft worden. Einige Beispiele dürften den Einfluss der Widerstandsarbeit auf die
                              									Werte von T erkennen lassen und zeigen, dass sich nach
                              
                              									dem Mixschen Verfahren eine Verflüssigung der Gase
                              									umsomehr erreichen lässt, als in der vorliegenden Kühlwirkung die auf der innern
                              									Molekulararbeit beruhende Kühl Wirkung, wenn eine solche überhaupt vorhanden ist,
                              									noch verstärkend hinzukommt.
                           Beispiel: Durch eine Mündung, deren Ausflussexponent u= 1,250, deren Widerstandskoeffizient somit nach
                              									Gleichung 31) ρ = 0,454 ist, ströme die Luft unter dem
                              									konstanten Druck von 1,5 Atm. aus einem sehr weiten Gefässe direkt in die freie
                              									Atmosphäre, sodass in der Mündungsebene der Atmosphärendruck p herrscht, das Druckverhältnis also
                           \frac{p}{p_1}=\frac{2}{3} ist.
                           Ist die absolute Temperatur innen und aussen T1 = 288°, so folgt aus der Zustandsgieichung
                              										p1v1 = 29,269 .
                              
                              									288 das spezifische Volumen der Luft im Gefässe v1 = 0,5438. Wenn auch die
                              									Rechnungsergebnisse für den Fall, dass keine Widerstände vorliegen, praktisch keinen
                              									Wert besitzen, so soll doch hier, um den Einfluss der Widerstände erkennen zu
                              									lassen, auch dieser Fall mitberechnet werden. Man findet für u = k = 1,401 und für u= 1,250 das spezifische Volumen in der Mündung nach Gleichung 29) v = 0,7251 bezw. v =
                              									0,7523, die absolute Temperatur in der Mündung T =
                              									256,0 resp. T = 265,6 oder nach Celsius – 17° bezw. = – 7,4°. Widerstände erhöhen die Temperatur in der
                              									Mündung, sodass zur Erklärung der Joule-Thomsonschen
                              									Versuche der erhöhte Widerstand der benutzten Diaphragmen vollkommen genügt, und die
                              									herbeigezogene Molekular arbeit überflüssig ist.
                           Die übrigen Grossen werden
                           
                              
                                 
                                    
                                       H
                                       
                                    = 3222,4
                                    
                                 
                                    resp.
                                    
                                       H
                                       
                                    = 2255,6 kgm
                                    
                                 
                              
                                 
                                    
                                       W
                                       
                                    = 0
                                    
                                 
                                      „     W = 1025,1   „
                                    
                                 
                              
                                 
                                    
                                       w
                                       
                                    = 251,4 „
                                    
                                 
                                    
                                         
                                       
                                    „
                                    
                                             w
                                       
                                    = 2104    m
                                    
                                 
                              
                           Nimmt man dagegen an, dass p1 = 4 Atm. und u = 1,380 ist, so erhält man
                              										v1 = 0,2039 und für
                              									den Fall, dassG ein Maximum werden soll, für den
                              									Druck in der Mündungsebene p = 0,5317 . p1 = 2,1267 Atm. Nach
                              									der einfach abzuleitenden Beziehung
                           \frac{p}{p_1}=\left(\frac{2}{u+1}\right)^{\frac{u}{u-1}} . . . . 39)
                           Es wird
                           
                              \frac{v}{v_1}=1,5805\,\frac{T}{T_1}=0,8403,\ T=542^{\circ}
                              
                           oder
                           = – 31° C., w = 313 m
                           Das vorliegende Problem kann man auf folgende Weise einfacher und bequemer lösen.
                              									Beim Ausströmen ohne Reibungs wider stand ist nur die dem Fortschieben der
                              									Atmosphäre entsprechende Arbeit zu leisten. Nehmen wir an, dass die Expansion
                              									zunächst isothermisch erfolgt, so verhält sich v : v1 = p1 : p, so dass, da in diesem Falle v = 0,815, p1 = 1,5 und p = 1 ist,
                              									v_1=\frac{0,815}{1,5} also v-v_1=\frac{v}{3}\cdot 0,815=0,2717 cbm wird. Die geleistete äussere Arbeit wird dann 1000\,\frac{v}{3} kgm,
                              									dieselbe ist jedoch zu gross, da die Arbeitsleistung die Temperatur erniedrigt und
                              									somit v kleiner wird. Sei die wirkliche Endtemperatur
                              										T, so ist, da T1 bekannt ist, die Volumenverminderung
                           
                              v\,a\,(T_1-T)=\frac{n\,(T_1-T)}{273}
                              
                           die Arbeitsverminderung demnach va
                              									(T1
                              									– T) . 10000 kgm. Die wirklich geleistete äussere
                              									Arbeit, also auch abzüglich der Reibungsarbeit, muss aber nach dem Mayerschen Aequivalentgesetze gleich dem mechanischen
                              									Wert der entzogenen Wärme, also gleich
                           \frac{c_p}{A}\,(T_1-T) kgm sein.
                           Man erhält somit die Gleichung
                           
                              
                                 10000\,(v-v_1)-v\,a\,(T_1-T)\cdot 10000=\frac{c_p}{A}\,(T_1-T)10000\,v\,(1-\frac{v_1}{v})-v\,a\,(T_1-T)\cdot 10000=\frac{c_p}{A}\,(T_1-T)10000\,v\,(1-\frac{p}{p_1})-v\,a\,(T_1-T)\cdot 10000=\frac{c_p}{A}\,(T_1-T)
                                    oder
                                    T=T_1-\frac{1-\frac{p}{p_1}}{(c_p/10000\,A\,v)+a}
                                 40)
                                 
                              
                           und durch Einsetzon der gegebenen Werte T = 288 – 20 = 268° oder = – 5° C. Nach der Weissbachschen Formel folgt, wie oben berechnet ist,
                              									der Wert T= 265,6° oder – 7,4° C., so dass die
                              									Uebereinstimmung vollständig ausreichend ist.
                           Für das zweite Beispiel, in welchem p1 = 4 at ist, erhält man nach der angegebenen
                              									Methode
                           
                              T=T_1-\frac{3/4}{(c_p/10000\,A\,v)+a}=288-43,5=244,5^{\circ}
                              
                           oder = – 288,8° C. während nach der Formel von Weissbach T = 242°, oder = – 31 °C. gefunden wurde.
                           Für das zweite Beispiel ist die lediglich zum Verdrängen der atmosphärischen Luft
                              									erforderliche Arbeit gleich 2717 kgm, im zweiten dagegen gleich 6113 kgm, während
                              									die nutzbare Arbeit infolge der Expansion im Arbeitszylinder im ersten Falle L = cv (T – T) / A = 2292 kgm, im zweiten Falle dagegen, da
                           T=T_1\,\left(\frac{p}{p_1}\right)^{\frac{u-1}{u}}=196^{\circ} ist,
                           L = cv (T1 – T) / A = 6588 kgm ist.
                           Aus den vorstehenden Entwickelungen, die zum Teil auf Zeuner und Mewes fussen, folgt, dass die zum
                              									Ueberwinden des Atmosphärendruckes erforderliche Arbeit in beiden betrachteten
                              									Fällen nahezu gleich der durch die Expansion im Arbeitszylinder im günstigsten Falle
                              									nutzbar zu machenden Arbeit im ersten Falle sogar grösser ist, so dass ein
                              									Uebersehen dieses Umstandes bei den Kaltluftmaschinen bezw. bei dem darauf sich
                              									gründenden Kühl verfahren gerechte Verwunderung erregen muss. Die Theorie des Lindeschen Kühlverfahrens dürfte demnach gegen früher
                              									eine wesentliche Aenderung erfahren müssen, wenn Theorie und Praxis miteinander
                              									zusammenstimmen sollen. Vorstehende Ausführungen haben ihren Zweck erfüllt, wenn sie
                              									dazu beitragen, die Kühlmaschinen-Ingenieure und die Wärmetheoretiker zur
                              									Stellungnahme zu den von mir erhobenen Bedenken anzuregen.