| Titel: | Zusammenhang zwischen der kinetischen und der Vibrations-Theorie der Gase. | 
| Autor: | Rudolf Mewes | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 75 | 
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                        Zusammenhang zwischen der kinetischen und der
                           								Vibrations-Theorie der Gase.
                        Von Rudolf Mewes, Ingenieur und
                           								Physiker.
                        (Fortsetzung und Schluss von S. 45 d.
                           
                           								Bd.)
                        Zusammenhang zwischen der kinetischen und der Vibrations-Theorie
                           								der Gase.
                        
                     
                        
                           III.
                           Am eingehendsten und genauesten ist die kinetische Gastheorie an der Hand der
                              									Versuche über die Reibung der Gase geprüft worden, so dass gerade bei dieser Frage
                              									die kinetische und die Vibrationstheorie der Gase sich besonders scharf einander
                              									gegenüberstellen und abgrenzen lassen. Da jedoch die Versuche, welche von
                              									Ingenieuren wie Weisbach, Hagen u.a. über die Reibung angestellt
                              									worden sind, nicht nach ausreichend genauen Messmethoden ausgeführt sind, so können
                              									für den vorliegenden Zweck in erster Linie nur die rein physikalischen Versuche von
                              										Maxwell, O. E.
                                    											Meyer, Kundt und Warburg über die
                              									Reibung der Gase benutzt werden.
                           Bei der Reibung hat man es ausser mit den äusseren Druckkräften, welche auf zwei sich
                              									aneinander vorbei bewegende Flüssigkeitsschichten pressen, noch mit den inneren
                              									Zugkräften zu thun, welche von der Adhäsion undKohäsion herrühren, d.h. also
                              									mit den subtilen Aeusserungen der zwischen den kleinsten Körperteilchen wirksamen
                              									Molekularkräfte. Will man daher einen sicheren und klaren Aufschluss über das Wesen
                              									der Reibung erhalten, so muss man vor allen Dingen eingehend über die Gesetze der
                              									Molekularphysik unterrichtet sein. Bevor ich jedoch von diesem Standpunkte aus die
                              									Reibungsgesetze darzulegen versuche, möchte ich nach dem oben angeführten Buche von
                              										O. E. Meyer die übliche Auffassung über das Wesen
                              									der inneren und äusseren Reibung kennzeichnen.
                           „Mit dem Namen der inneren Reibung hat Newton
                              									(Philosophiae naturalis principia mathematica, 1687, Liber II, sectio IX) eine
                              									Eigenschaft der flüssigen Medien bezeichnet, welche auch Viscosität oder Zähigkeit
                              									genannt wird. Diese Eigenschaft äussert sich in Erscheinungen, welche man – und zwar
                              									bei tropfbaren Flüssigkeiten vielleicht nicht mit Unrecht – einer Kohäsion
                              									zuzuschreiben geneigt sein möchte, die sich bei der Bewegung äussert und einer
                              									solchen widerstrebt.
                           Um auf einer ruhenden Flüssigkeit einen festen Körper oder auf einer ruhenden
                              									Flüssigkeitsschicht eine andere, jene berührende fortzuschieben, bedarf man einer
                              									gewissen Kraft, ähnlich wie Kraft aufzuwenden nötig ist, wenn ein fester Körper auf
                              									einer ruhenden festen Unterlage rollend oder gleitend fortgeschoben werden soll. Die
                              
                              									Analogie rechtfertigt, auf alle drei Erscheinungen die Bezeichnung Reibung
                              									anzuwenden, also nicht bloss den festen, sondern auch den flüssigen Stoffen eine
                              									Reibung zuzuschreiben. So nennt man äussere Reibung
                              									einer Flüssigkeit die auf der Grenzfläche. der Flüssigkeit und eines festen Körpers
                              									oder auch einer anderen Flüssigkeit wirksame Reibung, während man als innere Reibung die zwischen den verschieden rasch
                              									bewegten Schichten einer und derselben Flüssigkeit thätige Reibung bezeichnet.
                           Es ist nicht schwer, den Grund zu erkennen, weshalb Kraft aufgewandt werden muss,
                              									diese vielleicht nur scheinbare Reibung der Flüssigkeit zu überwinden. Bewegt sich
                              									ein Körper in oder auf einer Flüssigkeit, so setzt er auch diese in Bewegung; er
                              									verliert also einen Teil seiner Energie, wie durch Reibung, und es muss, um diesen
                              									Verlust zu ersetzen, Kraft aufgewandt werden. Ebenso büsst eine Flüssigkeit, die
                              									sich längs der Oberfläche eines festen Körpers oder einer zweiten Flüssigkeit
                              									bewegt, einen Teil ihrer Geschwindigkeit dadurch ein, dass sie jenem anderen festen
                              									oder flüssigen Körper Bewegung mitteilt.
                           Ebenso wie in diesen Fällen äusserer Reibung, verhält es sich mit der inneren Reibung
                              									der Flüssigkeiten. Bewegt sich im Innern einer Flüssigkeit eine Schicht rascher als
                              									ihre Nachbarn, so zieht sie diese mit sich fort und verliert, indem sie an jene
                              									abgiebt, einen Teil ihrer eigenen Geschwindigkeit, ebenso wie ein bewegter Körper
                              									durch Reibung auf seiner Unterlage an Geschwindigkeit einbüsst.
                           Die Reibung der Flüssigkeiten, und zwar sowohl die innere als auch die äussere,
                              									besteht also nur in einer Uebertragung der Bewegung; aber diese Uebertragung geht
                              									nicht ohne Verlust vor sich: ein Teil der fortschreitenden Bewegung der Schichten
                              									verwandelt sich in Wärme, und, da diese Umsetzung in Wärme fort und fort
                              									stattfindet, so verwandelt sich alle translatorische Bewegung mit der Zeit in
                              									Wärmebewegung und wird, wie bei der Reibung starrer Körper, als mechanische Bewegung
                              									vernichtet. Auch diese Verwandlung in Wärme ist leicht zu begreifen. Wärmebewegung
                              									unterscheidet sich von fortschreitender nur dadurch, dass nicht, wie bei letzterer,
                              									die Bewegung sämtlicher Teilchen als ein ganzes nach einer und derselben Richtung
                              									geschieht, sondern dass sich die einzelnen Teilchen, und zwar jedes für sich, nach
                              									allen möglichen Richtungen ohne Unterschied bewegen.
                           Ich möchte hierzu besonders betonen, dass in der That, wie ja angegeben wird, die
                              									Reibung neben dem äusseren Druck, dem die sich aneinanderreihenden Stoffe ausgesetzt
                              									sind, lediglich auf der Wirksamkeit der Kohäsion und Adhäsion beruht. Es gilt dies
                              									Gesetz jedoch nicht nur für die festen und flüssigen Substanzen, sondern auch für
                              									die Gase; denn auch zwischen den einzelnen Molekeln der letzteren sind
                              									Kohäsionskräfte wirksam, obschon dieselben unter normalen Verhältnissen infolge der
                              									aus der Umgebung kommenden und absorbierten Wellen aufgehoben werden und daher nicht
                              									vorhanden zu sein scheinen. Die Definition des gasförmigen Aggregatzustandes, dass
                              									die Molekeln der Gase jeden ihnen gebotenen Raum ausfüllen, ist streng genommen
                              									nicht richtig, sondern nur unter der Bedingung, dass die durch Druckverminderung und
                              									entsprechende Volumvergrösserung bedingte Temperaturerniedrigung durch Wärmezufuhr
                              									aus der Umgebung ersetzt wird. Dass dagegen die Kohäsionskraft zwischen den
                              									Gasmolekeln bei genügender Temperaturerniedrigung sehr erheblich werden kann, wird
                              									durch die Verflüssigung der permanenten Gase nach dem Lindeschen Verfahren deutlich bewiesen. Die Kohäsion hängt eben bei jedem
                              									Stoffe in ganz bestimmter Weise von der Temperatur desselben und dem äusseren Druck
                              									ab. Ich betone daher hier nochmals, dass die Gesetze für die Reibung bei allen drei
                              									Aggregatzuständen dieselben sind und dieReibungserscheinungen sich nur dem
                              									Grade, aber nicht der Art nach von einander unterscheiden; denn auch die festen
                              									Körper können ebenso wie die flüssigen sich jeder Form anpassen, bei sehr starkem
                              									Druck in jede beliebige Form gepresst werden, ihre Molekeln sind also ebenfalls
                              									gegen einander verschiebbar, während durch entsprechende Temperaturerhöhung feste
                              									und flüssige Stoffe auch in den dampf- oder gasförmigen Zustand übergeführt werden
                              
                              									können.
                           Zur Erklärung aller dieser Vorgänge reicht die ältere Hypothese der Molekularphysik,
                              									welche auf anziehenden und abstossenden Fernkräften beruht, nicht mehr aus, es ist
                              									daher dieselbe, namentlich mit Rücksicht auf das immer weiter um sich greifende
                              									Prinzip von der Einheit der Naturkräfte, durch die überall in der exakten
                              
                              									Naturforschung giltige Vibrationstheorie zu ersetzen. Nach derselben werden die
                              
                              									Molekularkräfte durch die von Molekül zu Molekül strömenden Wellen bedingt und
                              									bestimmt. Ist dies richtig, so müssen nach der in „Elementare Physik des
                                 										Aethers“ entwickelten Theorie die Kohäsionskräfte der einzelnen Stoffe den
                              									brechenden Kräften direkt proportional sein. Da nun die festen Körper im allgemeinen
                              									grössere Brechungsexponenten und somit auch grössere brechende Kräfte als die
                              									flüssigen Substanzen besitzen, so müssen die Kohäsionskräfte der festen Körper
                              									grösser als diejenigen der flüssigen sein; ja, es muss sogar die Anziehung, welche
                              									die Moleküle des festen Körpers auf diejenigen der Flüssigkeit ausüben, grösser sein
                              									als diejenige der Flüssigkeitsmoleküle untereinander. In der That bestätigt die
                              									Beobachtung diese Folgerung der Theorie, denn wirklich ist beispielsweise die
                              									Adhäsion des Wassers an einem Glasstabe grösser als die Kohäsion der Wasserteilchen
                              									untereinander. Taucht man nämlich ein reines Glasstäbchen ins Wasser und zieht es
                              									dann heraus, so sieht man, dass eine Wasserschicht an demselben haftet. Hält man
                              									dasselbe vertikal, so sammelt sich an seinem unteren Ende ein Tropfen an, der nicht
                              									herabfällt, sondern der Wirkung der Schwere entgegen an dem Stäbchen haften bleibt.
                              									Diese einzige Thatsache beweist das Dasein der Adhäsion des flüssigen Körpers an dem
                              									festen, wie auch das der Kohäsion der einzelnen Teile der Flüssigkeit. Denn die
                              									zunächst am Glase anhängende Wasserschicht wird durch die Adhäsion des Wassers am
                              									Glase getragen und der übrige Teil des Tropfens durch die Kohäsion der
                              									Wassermoleküle. Da also der Tropfen entgegen der Schwere getragen wird, so muss in
                              									diesem Falle sowohl die Kohäsion der Flüssigkeit als auch die Adhäsion derselben am
                              									Glase grösser als die Wirkung der Schwere sein. Der Versuch zeigt aber ferner, dass
                              									die Adhäsion des Wassers am Glase grösser ist als die Kohäsion der Wasserteile
                              									untereinander; denn beim Herausziehen des Stabes wurden die an dem Stabe haftenden
                              									Wassermoleküle von ihren Nachbarmolekülen losgerissen, mit welchen sie durch die
                              									Kohäsion zusammenhingen. Indessen ist dies nicht immer der Fall. Das
                              									bemerkenswerteste Beispiel für die entgegengesetzte Erscheinung bietet das
                              
                              									Quecksilber, das an einem eingetauchten Glasstabe beim Herausziehen desselben nicht
                              									haften bleibt. Gleichwohl aber adhäriert das Quecksilber stärker am Glase als das
                              									Wasser, wie die von Gay-Lussac mit Glasplatten
                              
                              									angestellten Messungen beweisen.
                           Die theoretische Erklärung dieser Thatsachen ergiebt sich aus der Absorptionstheorie
                              										Sellmeiers und der Giltigkeit des Reaktionsprinzips
                              									für die Aetherwellen. Nach den ausführlichen theoretischen Darlegungen und
                              									experimentellen Untersuchungen in „Die elementare Physik des Aethers“ (Verlag
                              									von M. Krayn-Berlin) erleiden die einströmenden
                              									Aetherschwingungen keinen Widerstand, können daher auch keine mechanische Arbeit in
                              									diesem Falle leisten; dagegen haben dieselben beim Ausströmen aus dem dichteren in
                              									das dünnere Medium infolge der fast totalen Reflexion einen Widerstand zu überwinden
                              									und müssen daher nach dem Segnerschen Prinzip einen
                              									Rückstoss ausüben. Die Grösse dieses Rückstosses ist dem Emissionsvermögen direkt
                              									proportional und damit im Falle des stationären Zustandes, in welchem Absorption und
                              									Emission einander gleich sind, auch dem Absorptionsvermögen, also nach den
                              									Auseinandersetzungen im ersten Abschnitt der Grösse
                           
                              V=(n^2-1)\cdot \frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot m'\,(a')^2.
                              
                           
                           Da man, wie oben auseinandergesetzt ist, den Faktor
                              									\frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot m'\,(a')^2 bei gleichem Druck und gleicher Temperatur als konstant ansehen kann, so
                              									verhalten sich somit die Kohäsionskräfte nach der Vibrationstheorie direkt wie die
                              									brechenden Kräfte n2 – 1. Die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung wird durch die nachfolgende
                              									Tabelle bestätigt, welche ich a. a. O. Th. II S. 98 veröffentlicht habe. Das Mass
                              									der Kohäsionskräfte bildet bei den Versuchen von Quincke die Oberflächenspannung H der gerade
                              									noch cohärierenden Flüssigkeitstropfen; dieselbe ist in der dritten Reihe der
                              									nachstehenden Tabelle durch Division mit der Zahl 38,36 auf die der brechenden Kraft
                              									entsprechende Masseinheit umgerechnet worden.
                           
                              
                                 Flüssigkeit
                                 Temperatur(C.)
                                 Oberflächen-spannung\frac{H}{38,36}
                                 n2 – 1
                                 
                              
                                 
                                    Zn
                                    
                                 360
                                 4,56
                                 4,31
                                 
                              
                                 
                                    Cd
                                    
                                 320
                                 3,66
                                 3,4
                                 
                              
                                 
                                    Sn
                                    
                                 230
                                 3,12
                                 3,31
                                 
                              
                                 
                                    Hg
                                    
                                 –40
                                 3,06
                                 3,1
                                 
                              
                                 
                                    Pb
                                    
                                 330
                                 2,38
                                 2,4
                                 
                              
                                 
                                    Bi
                                    
                                 265
                                 2,03
                                 2,3
                                 
                              
                                 
                                    Sb
                                    
                                 432
                                 1,30
                                 1,39
                                 
                              
                           Ganz entsprechend erhält man die Grösse der Kohäsionskraft der Gase gleich ihrer
                              									brechenden Kraft n2 –
                              									1, so dass dieselbe im Verhältnis zu derjenigen der flüssigen und festen Körper fast
                              									ganz verschwindet, da die brechenden Kräfte der permanenten Gase, wie Luft,
                              									Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenoxyd, rund gleich 0,0005 sind. Die Kraft, mit welcher
                              									die Flüssigkeitsteilchen des Zinks zusammengehalten werden, ist demnach mindestens
                              									etwa 9000 mal so gross als diejenige, welche bei gleichem äusseren Drucke zwischen
                              
                              									den Luftmolekeln zur Wirkung kommt.
                           Aus den vorstehenden Untersuchungen folgt mit Rücksicht darauf, dass die äussere
                              									Reibung von dem äusseren Drucke und von der Adhäsions- bezw. Kohäsionskraft eines
                              									Stoffes abhängig ist, ohne weiteres, dass bei gleichem äusseren Drucke der
                              									Reibungskoeffizient verschiedener Stoffe der brechenden Kraft n2 – 1 oder
                              									richtiger der infolge der Reibung erzeugten Wärme A\cdot (n^2-1)\,\frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot m'\,(a')^2 direkt proportional
                              									sein muss. Bei verschiedenen Geschwindigkeiten ist natürlich die Reibung noch von
                              									der Geschwindigkeit abhängig und zwar, wie die Versuche bestätigt haben, der
                              									Geschwindigkeit direkt proportional. Die innere Reibung η ist natürlich der lebendigen Kraft der gesamten Molekularenergie
                              									n^2\cdot \frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot m'\,(a')^2 direkt proportional. Man erhältdaher für den Quotienten der inneren
                              									und äusseren Reibung bei gleichem Druck, gleicher Temperatur und gleicher
                              									Strömungsgeschwindigkeit, d.h. für den Quotienten der Reibungskoeffizienten, die
                              									sogenannte Gleitungskonstante ξ, die Gleichung,
                           
                              \xi=\frac{\eta}{\varepsilon}=\frac{n^2\cdot \frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot m'\,(a')^2}{(n^2-1)\cdot \frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot
                                 m'\,(a')^2}=\frac{n^2}{n^2-1}
                              
                           folglich für den Reibungskoeffizienten \frac{1}{\xi}
                           \frac{1}{\xi}=\frac{n^2-1}{n^2}=1-\frac{1}{n^2} . . . . (23)
                           Aus den Transpirations- und Schwingungsbeobachtungen von Graham (Philos. Transactions 1846 und 1849), von Kundt, Warburg und O. E. Meyer (Pogg. Ann.)
                              
                              									und von Obermeyer (Repertorium der physikalischen
                              									Technik, Karl), ergiebt sich, dass die
                              									Gleitungskonstante die in der nachstehenden Tabelle angegebenen Werte besitzt;
                              
                              									daneben stehen die reciproken Werte und diejenigen für 1-\frac{1}{n^2} Luft als
                              									Masseinheit gewählt.
                           Ich bemerke zu der untenstehenden Tabelle, dass die Beobachtungen, aus welchen die
                              									dritte Reihe \frac{1}{\xi} berechnet ist, höchst unsicher sind und Abweichungen bis zu
                              									20% bei verschiedenen Beobachtern vorkommen; so betragen die
                              									Beobachtungsunterschiede beim Wasserstoff nach den Versuchen von O. E. Meyer, Kundt und Warburg 18,8%, beim Sauerstoff nach O. E.
                                 										Meyer und Obermeyer 2%, bei der Kohlensäure
                              									nach Maxwell und Obermayer
                              									4%. Es konnte daher zwischen der Beobachtung und Theorie kaum eine grössere
                              									Uebereinstimmung erzielt werden, weil die Beobachtungen selbst in so weiten Grenzen
                              									schwanken. Hiermit stimmt auch überein, dass Lothar
                                 										Meyer seine Transspirationsbeobachtungen selbst nicht für genau genug hielt
                              									und daher, wie er mir 1885 schrieb, in meinen Untersuchungen über die Atome und
                              									Molekulvolumina eine Kontrole seiner Versuche zu erhalten hoffte. Vorbeschriebene
                              									Methode dürfte ihm sicher vorteilhafter erschienen sein.
                           
                              
                                 Gase
                                 Gleitungs-konstanteξ
                                 Reibungs-koeffizient\frac{1}{\xi}
                                 
                                    \frac{n^2-1}{n^2}
                                    
                                 Differenzin %von n2 – 1.
                                 n2 – 1
                                 
                                    \frac{1}{n^2-1}
                                    
                                 
                              
                                 LuftWasserstoffKohlenoxydStickstoffStickoxydSauerstoffChlorwasserstoffKohlensäureStickoxydulKyanSchweflige
                                    											SäureChlor
                                 0,00001000,00001860,000009850,000009860,000009590,000010590,000007340,000006800,000006810,000004190,000004850,0000474
                                 1  0,54  1,02  1,02  1,04    0,9441,41,51,52,42,1  2,11
                                 10,47  1,1571,021,03  0,924  1,526  1,5251,712,832,252,62
                                         0   – 15   + 12        0   –   0,9   –  
                                    											2,2   +   8,3   +   1,7   + 12   + 15   +  
                                    											7   + 20
                                   1  0,47  1,157  1,020  1,03  0,924  1,527  1,526  1,71  2,832  2,26  2,623
                                 0,00001000,00002130,00000900,00000980,00000970,000010820,00000650,00000650,00000600,00000360,000004420,0000040
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Mittlerer Fehler 7,84%
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                        
                           IV.
                           Aus der kinetischen Gastheorie ist auf Grund des in der Einleitung erwähnten Maxwellschen Wahrscheinlichkeits- oder
                              									Verteilungsgesetzes der Satz abgeleitet worden, dass die Leitungsfähigkeit eines
                              									Gases für Wärme den Gesetzen folgen muss, welche für den Reibungskoeffizienten und
                              									für die spezifische Wärme gelten. Die aus diesem Satze gezogenen Schlussfolgerungen
                              									können aus Mangel an sicheren und unantastbaren Beobachtungen nicht geprüft werden,
                              									so dass ich ein Eingehen darauf noch für verfrüht halte. Ich beschränke mich daher
                              
                              									auf die Untersuchung der Frage, ob die Wärmeleitung thatsächlich demselben Gesetze
                              									wie die
                           
                           Reibung und die spezifische Wärme gehorcht, d.h. mit anderen Worten, ob die
                              									Wärmeleitungsfähigkeit der Gase, bezogen auf Luft als Masseinheit, ebenfalls dem
                              									Ausdrucke, \frac{n^3-1}{n^2} oder mit Rücksicht darauf, dass n2 sehr nahe gleich 1 ist, der
                              									brechenden Kraft n2 – 1 direkt proportional ist.
                           Zur Beantwortung dieser Frage muss auf das Wesen der Wärmeleitung zurückgegriffen
                              									werden. Die Grundannahmen, welche zur Entwickelung einer mathematischen Theorie der
                              									Wärmebewegung durch Leitung notwendig und ausreichend sind, sind die beiden
                              									folgenden: Erstens findet bei der Wärmeleitung eine unmittelbare Wirkung der Wärme
                              									nur in unbeschränkt kleiner Entfernung statt, sei es nun, dass sie für weitere
                              									Entfernungen entweder wirklich aufhört oder nur wegen ihrer Kleinheit sich den
                              									Sinnen entzieht, zweitens ist die Wirkung zwischen zwei unbeschränkt nahen Teilen
                              									dem Unterschied der Wärmemenge oder Temperatur proportional und zwar erfolgt
                              									dieselbe als eine ausgleichende so, dass der wärmere Teil an den weniger warmen
                              									etwas abgiebt. Auf diese beiden Voraussetzungen kommt jede Lehre von der
                              									Wärmebewegung schliesslich zurück, mag man die Wärme als einen Stoff, wie früher,
                              									ansehen oder, wie die Analogie anderer physikalischer Erscheinungen fordert, als
                              									lebendige Kraft, hervorgebracht durch die wellenförmige Bewegung des Aethers.
                           Die erste Annahme ist jedoch überflüssig und trifft in sachlicher Hinsicht für die
                              									diathermanen Körper und für die Gase nicht zu. Die zweite Annahme genügt jedoch nach
                              									der Vibrationstheorie zur Ableitung des für die Wärmeleitung giltigen Gesetzes.
                              									Unter der Wärmeleitung versteht man nicht die Fortpflanzung der Wärme durch
                              									Strahlung, d.h. durch alleinige Vermittelung des zwischen den Körpermolekülen
                              									befindlichen Aethers, sondern vielmehr die Fortpflanzung der Wärme durch Absorption
                              									der Wärmeschwingungen durch die Körperteilchen und die Abgabe der so aufgenommenen
                              									Wärmeenergie an benachbarte Körpermoleküle u.s.w. Es bleibt dabei vollkommen
                              									gleichgiltig, ob die Strahlen der Wärmequelle gleich in der ersten Körperschicht
                              									vollständig absorbiert und nunmehr von Schicht zu Schicht weiter gestrahlt werden
                              
                              									oder ob ein Teil der Strahlen etwas weiter in den Körper eindringt und erst dort
                              									sich in Molekularschwängungen umsetzt oder unverwandelt als strahlende Wärme aus dem
                              									Körper wieder austritt, wie dies mit dem grössten Teile der den Gasen zugestrahlten
                              									Wärme geschieht. Wesentlich ist nur für die Wärmeleitung die wirklich von dem
                              									leitenden Medium in jeder Schicht aufgenommene Wärmemenge, denn nur diese kann
                              									weiter geleitet werden nach Stellen geringeren Schwingungszustandes. Nun ist aber
                              
                              									diejenige Wärmemenge, welche ein Körper zu absorbieren vermag, nach der
                              									Grundgleichung der Vibrationstheorie
                           
                              A\,V=Q=A\,(n^2-1)\cdot \frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot m'\,(a')^2
                              
                           dieser Grösse muss demnach bei allen Stoffen das
                              									Leitungsvermögen direkt proportional sein, d.h. je grösser das Absorptionsvermögen,
                              									um so grösser muss auch das Leitungsvermögen der Körper sein. Nun ist aber bei den
                              									Gasen der Faktor \frac{2\,\pi^2}{\tau^2}\cdot m'\,(a')^2 mit sehr grosser Annäherung als konstant zu betrachten;
                              									folglich erhält man für das Verhältnis des Leitungsvermögens der Gase die
                              									Beziehung
                           L1 :
                              										L2 = n12 – 1
                           d.h. das Leitungsvermögen ist der brechenden Kraft n2 – 1 direkt
                              
                              									proportional. Dasselbe Gesetz ergiebt sich auch, wie ich in der elementaren Physik
                              									des Aethers gezeigt habe, für das Leitungsvermögen der festen Stoffe.
                           Dass auch die spezifische Wärme gleicher Volumina scp der brechenden Kraft direkt proportional ist, wurde bereits in
                              									Abschnitt I nachgewiesen; es bleibt daher nur übrig, den experimentellen Nachweis zu
                              									führen, dass dies auch für die Wärmeleitung der Gase zutrifft. In der nachfolgenden
                              									Tabelle sind die spärlichen hierfür wirklich brauchbaren Versuche
                              									zusammengestellt.
                           
                              
                                 Namen der Gase
                                 Brechungs-exponentenu
                                 BrechendeKraftn2 – 1
                                 Leitungs-vermögenSilber = 10
                                 Leitungs-vermögennachNatterer
                                 
                              
                                 Luft
                                 1,000294
                                 0,000588
                                 0,0005
                                 –
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 1,000272
                                 0,000543
                                 0,0005
                                 0,0005
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 1,000138
                                 0,000276
                                 ?
                                 0,000275
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 1,000300
                                 0,000408
                                 0,00049
                                 0,0004
                                 
                              
                                 Chlor
                                 1,000772
                                 0,001542
                                 ?
                                 0,00145
                                 
                              
                                 Stickoxyd
                                 1,000303
                                 0,000611
                                 ?
                                 0,0004
                                 
                              
                                 Schwefelwasserstoff
                                 1,000644
                                 0,001288
                                 ?
                                 0,0011
                                 
                              
                                 Chlorwasserstoff
                                 1,000449
                                 0,000898
                                 ?
                                 0,0008
                                 
                              
                           Angesichts der Schwierigkeiten, welche die Bestimmung der Wärmeleitung der Gase
                              
                              									bereitet, ist die Uebereinstimmung zwischen Theorie und Beobachtung vollständig
                              									ausreichend.
                           Es sei hier noch bemerkt, dass nach genauen Beobachtungen das Wärmeleitungsvermögen
                              									der Luft gleich 0,00005 ist, wenn dasjenige des Kupfers gleich 1 gesetzt wird; die
                              									Luft leitet also die Wärme 20000 mal schlechter als Kupfer. Nun ist der
                              									Brechungsexponent des Kupfers nach Wien rund 3, also
                              										n2 – 1 =
                              									8, folglich \frac{0,000588}{8}=0,000074, also ziemlich nahe gleich dem Werte 0,00005, dem man bei
                              									genauerer Ermittelung des Brechungsexponenten noch näher kommen dürfte.
                           Zum Schluss ist noch die Frage nach dem Zusammenhang der mathematischen
                              									Wahrscheinlichkeitstheorie Maxwells mit der Sellmeierschen Absorptionstheorie klarzulegen. Dies
                              									lässt sich in wenigen Worten sagen, da ich nur den Kern der Entwickelungen, nicht
                              									aber mathematische Formeln bringen will. Maxwell
                              									gelangt durch seine Wahrscheinlichkeitstheorie zu dem Resultat, dass die Gesamtmasse
                              									der Moleküle nur kurze Wege von den Dimensionen der Aetherwellen zurücklegen könne;
                              									dies ist aber sachlich dasselbe, als ob man sagte, dass die Moleküle Schwingungen um
                              									ihre Gleichgewichtslage ausführen. Nimmt man letzteres von vornherein an, so hat man
                              									nicht mehr nötig, den mathematisch schwierigen und gekünstelten Beweis für die
                              									mittlere Wegelänge oder Schwingungsbewegung der Moleküle zu führen. Ausserdem hat
                              									man noch den Vorteil, die in der Physik nach allen Richtungen hin durchgearbeitete
                              									und fast überall als richtig bestätigt gefundene Vibrationstheorie für die bei den
                              									Gasen wahrgenommenen Erscheinungen als Erklärung benutzen zu können. Man gelangt so
                              									schneller, einfacher und allgemein fasslicher zum Ziel. Die von Maxwell für den wahrscheinlichen Zustand der Gase
                              									abgeleiteten Beziehungen sind Exponentialformeln derselben Art, wie solche in der
                              									Arbeit „Uebereinstimmung der Spannungs–, Volumen –und Temperaturgesetze der
                                 
                                 										Stoffe mit den Absorptions- bezw. Emissionsgesetzen der Aetherwellen“
                              									(Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleisses 1900) von mir
                              									abgeleitet und an der Hand der Beobachtungen als richtig bestätigt worden sind.