| Titel: | Kupplungen für Eisenbahnfahrzeuge. | 
| Autor: | Hs. Ms. | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 129 | 
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                        Kupplungen für Eisenbahnfahrzeuge.
                        [Kupplungen für Eisenbahnfahrzeuge.]
                        
                     
                        
                           Die Frage der Beseitigung unserer heutigen Mittelschraubenkupplung mit
                              									Seitenbuffern hat seit vielen Jahren berufene und unberufene Erfinderköpfe eifrig
                              									beschäftigt, ohne dass bisher eine befriedigende Lösung gefunden worden wäre. Ferner
                              									sind hin und wieder in Tageszeitungen Erfindungen besprochen und auf Ausstellungen –
                              									z.B. Gewerbe-Ausstellung 1896 in Berlin – Modelle neuer Kupplungen vorgeführt
                              									worden, so dass auch weitere Kreise mit dieser für das Eisenbahnwesen so
                              									bedeutungsvollen Aufgabe bekannt geworden sind. Einen Einblick in den gegenwärtigen
                              									Stand der Frage gestattet die Abhandlung „Kupplungen für Eisenbahnfahrzeuge“
                              
                              									vom Ingenieur M. Kosch, veröffentlicht im Ergänzungsheft zum Jahrgang 1902 des „Organ für die Fortschritte des
                                       												Eisenbahnwesens“, der wir die folgenden Mitteilungen
                              									entnehmen. Die beachtenswerte, erschöpfende, systematisch wohlgeordnete Darstellung
                              									zahlreicher Konstruktionen von Kupplungen erscheint uns zu wenig im Lichte des
                              									Eisenbahnbetriebsdienstes, ist meist nur rein mechanisch-kinematisch gehalten.
                              									Allerdings ist es schwierig, das Verhalten einer Kupplung im Betriebe zu besprechen,
                              									die nur Entwurfsarbeit ist. Noch wertvoller hätte sich die Arbeit gestalten lassen,
                              									wenn die Forderungen, denen die neu einzuführende Kupplung bedingungslos entsprechen
                              									muss, im Eingange der Abhandlung aufgestellt und nicht zerstreut genannt wären bei
                              									der Besprechung der einzelnen Konstruktionen. Bevor wir auf die Abhandlung näher
                              									eingehen, stellen wir diese Forderungen übersichtlich zusammen:
                           1. Als Haupterfordernis: Die Kupplung muss eine sogenannte Uebergangskupplung
                              									sein.
                           2. Leichte Bedienung, sichere Wirkungsweise (auch bei Schnee und Eis), Sicherheit
                              									gegen das Leben der Beamten.
                           3. Geringer Verschleiss, geräuschloses Verhalten während der Fahrt; leichter Ersatz
                              									zerstörter Teile, geringe Unterhaltungskosten.
                           4. Kurze Bauart zur Verminderung der Zuglänge und des Luftwiderstandes durch das Näh
                              									errück en der Wagenstirnwände.
                           5. Geringe Anschaffungskosten.
                           Kosch bespricht in der Einleitung einige Gründe zur
                              									Einführung einer neuen Kupplung: Die derzeitige ist den immer mehr wachsenden
                              									Zugkräften der Lokomotive, namentlich beim Anziehen, nicht mehr gewachsen und eine
                              
                              									Verstärkung ist in Anbetracht der ermüdenden Arbeiten beim Kuppeln nicht mehr
                              									angängig. Alle Kupplungen mit Seitenbuffern scheiden aus dem Wettbewerb aus, da sie
                              									einen wichtigen Teil der Aufgabe, die Erhöhung der Sicherheit für das Leben der
                              									Rangierer, nicht lösen.
                           Sämtliche Kupplungen zerfallen in zwei grosse Gruppen:
                           1. Von der Seite zu bedienende „Seitenkupplungen“.
                           2. Selbsttätige Kupplungen.
                           Das Wesen der ersteren besteht darin, dass sic von der Wagenseite sowohl verbunden,
                              									als auch getrennt werden, so dass die Tätigkeit des Küpplers nicht mehr zwischen den
                              									Buffern, sondern ausserhalb stattfindet, wodurch die grössere Sicherheit erreicht
                              									ist. Es werden 6 Gruppen an Hand vonAbbildungen eingehend besprochen, deren
                              									Unterschied in der Anordnung der Kuppelglieder besteht. Allen gemeinsam ist es, dass
                              									die Wagen im geeigneten Augenblicke von einem Arbeiter gekuppelt werden müssen. Wird
                              									dies beim Zusammenstossen der Wagen versäumt, so laufen die Wagen wieder auseinander
                              									und müssen noch einmal genähert werden. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, ging man
                              									zu der Bauart über, die nur das Lösen von Hand erfolgen lässt, dagegen das Kuppeln
                              									selbsttätig besorgt, zu den selbsttätigen Kupplungen, deren Prinzip sehr einfach
                              									ist. Die Kuppelglieder befinden sich stets in der kuppelbereiten Lage, so dass beim
                              									Gegeneinanderfahren der Wagen die Verbindung selbsttätig eintritt. Zehn Gruppen, die
                              									sich nach Bauart und Bewegung der Kuppelglieder unterscheiden, werden eingehend
                              									beschrieben. Die letzte dieser Gruppen, die Klauenkupplungen, zerfällt wiederum in
                              									fünf Gruppen. Bei der Klauenkupplung, die sich als eine Vereinigung von Zug- und
                              									Stossvorrichtung in der Form der Mittelbufferkupplung darstellt, ist eine Klaue, die
                              									einen wagerecht drehbaren Haken bildet, in einem Kupplungsgehäuse untergebracht; die
                              									beiden gleichartigen Klauen drehen sich gegenseitig aus der Offenstellung in die
                              									Kuppelstellung und greifen dann in einander. Diese Bauart ist in Amerika bereits in
                              									grösserem Umfange eingeführt. Wir fügen hinzu, dass seiner Zeit der Barnum & Bailey-Zirkuszug mit dieser Kupplung
                              									ausgerüstet war; zur Beförderung auf deutschen Bahnen trugen die äussersten Wagen
                              									jedes Zuges die bei uns gebräuchliche Regelbauart der Kupplung.
                           Eine Besprechung der Vorrichtungen zum Bewegen der Kupplungen, der Spannvorrichtungen
                              									– wir erwähnen, dass unsere schnellfahrenden Personenzüge straff gekuppelt sein
                              									müssen, so dass die Bufferfedern angespannt sind –, der allgemeinen Anordnungen der
                              									Kupplungen, der elastischen Zug- und Stossvorrichtungen zeigt das häufig
                              									uhrwerksmässige Aussehen so mancher Bauart, die, wohl durchdacht von dem mit der
                              									Praxis unbekannten Erfinder, im Betriebe kaum sich bewähren dürfte, in einer
                              									Vergleichung sämtlicher Bauarten kommt Kosch zu dem
                              									Ergebnis, dass eine Verschiebung beider Kupplungshälften vermieden werden muss, was
                              									nur durch eine starre Verbindung beider geschehen kann, so dass eine starre
                              									Kuppelstange zwischen zwei Wagen hergestellt wird, die an jedem Wagen durch ein
                              									Kugellager so gelagert ist, dass sie sich in der Zugrichtung einstellen kann, um,
                              									jede Biegung ausschliessend, nur Zugkräfte zu übertragen. Hier wird auch die Frage
                              									aufgeworfen, wie schwierig es ist, so zu bauen, dass sich die Kupplungsglieder nicht
                              									verfehlen, was in Kurven leicht eintreten kann. An dieser Stelle hätte auch das
                              									Verhalten (mies langen mit Mittelbufferkupplung ausgerüsteten Zuges beim
                              									Zurückdrücken in Kurven oder durch Weichenstrassen untersucht werden können: Neigung
                              									zu Entgleisungen scheint nicht ausgeschlossen zu sein.
                           Der letzte Teil des Aufsatzes beschäftigt sich mit der schwieligsten Aufgabe auf dem
                              									Gebiete der Kupplungen, mit den „Uebergangskupplungen“, die es ermöglichen,
                              									aus dem alten System in das neue allmählich unter gleichzeitiger Verwendung beider
                              									überzugehen, da ein plötzlicher Umbau aus wirtschaftlichen, leicht erklärlichen Gründen
                              									ausgeschlossen ist. Die hierher gehörigen Bauarten werden eingehend in drei Gruppen
                              									besprochen:
                           1. Die Schraubenkupplung wird ganz oder zum Teil beibehalten.
                           2. Schraubenkupplung und Klauenkupplung haben einen gemeinsamen Schaft, auf den je
                              									nach Bedarf der Zughaken für die Schraubenkupplung oder der Kopf für die
                              									Klauenkupplung gesteckt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 130
                              Fig. 1. Kupplung von Grimme und Weddigen.
                              
                           3. Die Schraubenkupplung ist fortgelassen und an der Klauenkupplung sind
                              									Kuppelglieder angebracht, die eine Verbindung der Klauenkupplung mit der
                              									Schraubenkupplung des anderen Fahrzeuges ermöglichen.
                           Solange noch die bisherigen Kupplungen im Gebrauch sind, wird diesen
                              									Uebergangskupplungen am meisten Beachtung entgegengebracht, weswegen wir hier zwei
                              									genauer besprechen wollen. Von der Gruppe 2 erscheint uns die Bauart von Grimme und Weddigen,
                              									Fig. 1, als eine sehr gelungene Lösung der Aufgabe,
                              									um so mehr, als sie nach endgiltiger Einführung der Klauenkupplung eine leichte
                              									Auswechselung des Kuppelgehäuses gestattet. Je nach Bedarf wird der Kuppelkopf b oder der Zughaken c auf
                              									den Schaft a der Zugstange gebracht. Zum leichteren
                              									Aufbringen des schweren Kuppelgehäuses b wird das
                              									Gewicht der sich senkenden Seitenbuffer ausgenützt; zu diesem Zweck ist es mittels
                              									der Zapfen d an dem Doppelhebel g aufgehängt, der an der Querwelle o
                              									befestigt ist. Werden die Seitenbuffer um die Achse k
                              									nach unten geklappt, so wird die Welle o, auf deren
                              									Daumen m die Verlängerung n der Grundplatten p aufstösst, so weit nach
                              									oben gedreht, dass der Kuppelkopf in solche Lage kommt, dass er leicht auf den
                              									Schaft aufgeschoben werden kann. Um diese Bewegung zu ermöglichen, sind die Zapfen
                              										d nicht an den Hebeln g befestigt, sondern in Schlitzen verschiebbar. Der Zughaken muss bei
                              									Anwendung der Klauenkupplung entfernt und im Wagen aufbewahrt werden. Bei Benutzung
                              									der alten Kegelkupplung erleichtert der abwärtsgehende Kupplungskopf das Anheben der
                              									Seitenbuffer.
                           Von der Gruppe 3 heben wir noch besonders die Bauart Ringhoffer hervor, Fig. 2. Auf dem Schaft
                              										a ist der Kuppel köpf durch Keil c befestigt. Dicht hinter dem eigentlichen Kuppelkopf
                              									befindet sich eine Muffe d, drehbar auf dem Schaft,
                              									aber nicht längsverschiebbar, die aussen Gewinde trägt. Durch Drehen der Muffe
                              									mittels des Handhebels e wird das Spannen und
                              									Entspannen der Kupplung bewirkt dadurch, dass die Mutter f sich auf der Muffe verschiebt. Das eigentliche Kuppelglied besteht aus
                              									drei Teilen, den beiden Zugstangen und dem Querstück. Die Gelenke sind
                              									eingeschaltet, um beim Aneinanderfahren der Fahrzeuge ein Durchknicken der Zugstangen zu gestatten, so dass eine Beanspruchung
                              									aufKnickung vermieden wird. h ist der Haken für
                              									die Notkupplung (wir fügen hinzu, dass nach den Vorschriften des Vereins deutscher
                              									Eisenbahnverwaltungen eine doppelte Kupplung zweier Fahrzeuge stattfinden muss).
                              									Eine weitere Beschreibung erübrigt sich, da die Wirkungsweise klar aus der Figur
                              									hervorgeht, Nach vollständiger Einführung dieser Bauart würde der Schaft noch zu
                              									verkürzen sein, um durch Heranrücken des Kopfes an die Bufferbohle eine geringere
                              									Baulänge zu erzielen.
                           Dass man bisher noch nicht unter den zahlreichen Entwürfen einen zu grösseren
                              									Versuchen benützt hat, ist mit den damit verbundenen hohen Kosten zu begründen. Man
                              									wird aber nur auf diesem Wege wertvolle und brauchbare Urteile schaffen können. Die
                              									von der Firma Krupp angestellten Versuche mit neueren
                              									Kuppelungen erwähnt der Verfasser nicht. Kosch hält die
                              									Klauenkupplung nicht für die einzig richtige Lösung, glaubt vielmehr in der oben
                              									angedeuteten starren Lenkkupplung die Konstruktion zu sehen, welche die endgiltige
                              									Lösung der Frage herbeiführt.
                           Wir fügen unserer Besprechung noch die Bemerkung hinzu, dass die Namensnennung und
                              									Angabe des Berufs der Erfinder einen interessanten Einblick in das Erfinderleben
                              									gestattet hätte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 130
                              Fig. 2. Kupplung von Ringhofer.
                              
                           Aus der Abhandlung geht hervor, dass die Aufgabe, die so mannigfachen Forderungen
                              									gerecht werden muss, bisher nicht zu einer vollauf befriedigenden Lösung geführt
                              									hat. Wir dürfen sie aber erwarten von dem Unterausschuss, den der Verein deutscher
                              									Eisenbahnverwaltungen schon vor längere Zeit zur Förderung dieser Bestrebungen
                              									gebildet hat; in gemeinsamer Arbeit werden Männer, denen reiche Erfahrungen im
                              									Eisenbahnbetriebe zur Seite stehen, die Aufgabe zu einem glücklichen Ausgang
                              									führen.
                           
                              
                                 Hs.
                                    											Ms.