| Titel: | Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. | 
| Autor: | M. Richter | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 162 | 
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                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der
                           
                           								Gegenwart.
                        Von Ingenieur M. Richter,
                           									Bingen.
                        (Fortsetzung von Bd. 317, S. 652).
                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
                        
                     
                        
                           2. Die zweifach gekuppelte Schnellzuglokomotive mit
                                 										vorderem Drehgestell ist vom theoretischen Standpunkt besser als die
                              									zuletzt besprochene Anordnung, wogegen bei ihr hinsichtlich der Unterbringung der
                              									Rostfläche oft konstruktive Schwierigkeiten entstehen, welche bei hinterer Laufachse
                              									nicht auftreten. Die Entstehungsgeschichte dieser in den letzten 15 Jahren zu
                              									allgemeiner Anerkennung gelangten Type, ihre Herkunft und ihre Zukunft ist bereits
                              									eingehend besprochen; es soll nur noch daran erinnert werden, dass der Umbau der
                              									alten ⅔ gekuppelten Lokomotive aus den vier Klassen derselben selbst zu vier neuen
                              									Typen führen musste, von denen a) und d) im vorigen Kapitel erledigt wurden, während
                              									jetzt b) und c) in einzelnen Mustern vorzuführen sind. Da diese beiden kaum
                              									unterschieden werden können und besonders das de
                                 									Glehnsche Verbundsystem eine Vermischung derselben verursacht hat, weil beide
                              									Triebachsen bei demselben von je einem Zylinderpaar angetrieben werden, und weil
                              									endlich die Type c) niemals für sich zur Bedeutung gelangt ist, so soll die
                              									Unterscheidung fallen gelassen werden, um so mehr als jetzt nach der Art der
                              									Triebwerke geordnet werden soll, damit nicht Zwillings- mit Verbundlokomotiven aller
                              									Art zusammengeworfen werden. Im einzelnen ist also zu besprechen:
                           a) die Zwillingslokomotive und zwar: die des alt
                              
                              									hergebrachten Systems, welches den Höhepunkt der Leistungsfähigkeit jetzt erreicht
                              									hat, mindestens auf amerikanischer Seite, und deshalb hier zuerst auch aufgegeben
                              									worden ist, um im Inland der fünfachsigen Maschine zu weichen; Beschränkung der
                              									Achsdrücke, der zulässigen Ausladung durch Betriebsbestimmungen, sowie des
                              									Radstandes durch das System selbst sind die Ursache dieses Zurücktretens; ferner die
                              									vorerst auf ein einzelnes Betriebsfeld beschränkte, noch im Versuchsstadium
                              									befindliche Heissdampflokomotive, welche dazu berufen
                              									sein kann, vorläufig die vierachsige Maschine auf der Höhe zu halten und sogar der
                              									fünfachsigen wieder den Hang abzulaufen, wo die Leistungen nicht zu hoch geschraubt
                              									sind.
                           b) die Verbundlokomotive, nach Bauart von v. Borries, Gölsdorf u.s.w. (unsymmetrisch), Worsdell (mit 3 Zylindern), de
                                 										Glehn (mir 4 Zylindern, versetzt), Webb, v.
                                 										Borries (mit 4 Zylindern, auf eine Achse wirkend). In bezug darauf
                              									seiein für alle Mal von jetzt ab die Klassenbezeichnung der Tabelle 1901, 316, S. 350 eingeführt.
                           Ferner ist bei allen Gruppen auf Lokomotiven mit Luftschneideflächen besondere
                              									Rücksicht genommen. –
                           Es folgen daher:
                           
                        
                           a) Zwillingslokomotiven.
                           Die Hauptabmessungen und Verhältnisse einer Reihe von bemerkenswerten Mustern finden
                              									sich in nebenstehender Tabelle.
                           Im einzelnen ist zu den in der Tabelle aufgenommenen Lokomotiven zu bemerken:
                           1. Die Schnellzuglokomotive der
                                 										„Chicago-Alton-Bahn“, erbaut von Brooks
                                 										Locomotive Works 1900, ist ein sehr moderner, stattlicher Vertreter des
                              									seit 1837 in Amerika üblichen „American Type“. Die Besonderheiten der
                              									amerikanischen Bauart brauchen nicht besprochen zu werden. Die vorliegende
                              									Lokomotive zeichnet sich nur aus durch Kolbenschieber, durch den für
                              									Zwillingsmaschinen ungebräuchlichen und wahrscheinlich nicht ökonomischen
                              									Kesseldruck von fast 15 Atm., und inbetreff ihrer Ausstattung durch die
                              									Westinghousebremsung des Drehgestells und durch die elektrische Kopflaterne; der
                              									Rost ist ein Schüttelrost; im übrigen ist sie ganz normal (Fig. 46a).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 162
                              Fig. 46a.Chicago-Alton.
                              
                           Entsprechend dem Kesseldurchmesser und der Rostbreite, wie sie die grossen Heiz- und
                              									Rostflächen erfordern, ist die
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 163
                              Chicago-Alton; Cleveland-,
                                 										Chicago-Cinncinati- u. St. Louis; Delaware-Lackawanna & Western; Badische
                                 										Staatsbahn; Französische Staatsbahn; Preuss. Staatsbahn Heissdampf; Englische
                                 										Westbahn; Caledonische Bahn; Englische Ostbahn; London und Südwestbahn
                                 										Zylinderdurchmesser d mm; Kolbenhub s;
                                 										Triebraddurchmesser D; Kesseldruck p; Heizfläche H aussen
                                 										innen qm; Rostfläche R; Adhäsionsgewicht Qa;
                                 										Deienstgew. Q ohne Tender mit; Vorräte Kohlen
                                 										Wasser; Tourenzahl Höchste Leistg. bei 97km/St; Adhäsionszugkraft Z2;
                                 										Maschinenzugkraft Z1; Kraftziffer; Gewichtsziffer;
                                 										Ladeziffer; Kraftwerte kg/t; Geschw. Werte Ps/t
                              
                           Kesselhöhe bei diesen neueren amerikanischen Maschinen sehr
                              									bedeutend, ebenso gehen die Achsdrücke der Triebräder nicht mehr unter 19 t
                              									herunter, wohl aber oft darüber. Die Zugkräfte sind hoch, werden weitgehend
                              									ausgenutzt (man rechnet in Amerika bis ¼ Adhäsion, so dass bei 40 t Adhäsionsgewicht
                              									10000 kg Zugkraft verlangt werden), und die Leistungen oft beträchtlich; mit sehr
                              									schweren Zügen müssen oft Grundgeschwindigkeiten von 97 km/Std. eingehalten werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 163
                              Fig. 46b.Big Four.
                              
                           Aehnlich sind die grossen Lokomotiven anderer amerikanischer Hauptbahnen, wie z.B.
                              									der New York Central, Pensylvania, Boston und Albany, Lehigh Valley, Cleveland,
                              									Cincinnati, Chicago & St. Louis Bahn (Fig. 46b);
                              									u.s.w.
                           2. Die Personenzuglokomotive der „Delaware, Lackawanna und
                                    
                                    											Western Bahn“, erbaut von den Schenektady
                                 										Locomotive Works im Jahre 1901, wurde im gleichen Jahre auf der
                              									Panamerikanischen Ausstellung in Buffalo gezeigt. Die Woottensche Feuerbüchse mit der sehr grossen Rostfläche von nicht weniger
                              									als 8,2 qm wurde durch das auf der erwähnten Bahn übliche minderwertige
                              									Brennmaterial, Anthracitstaub niederster Sorte, erfordert. Infolge der Verwendung
                              									solchen Brennstoffs bleiben gewisse Bahnen treue Anhänger der Wootten sehen Feuerbüchse, wie z.B. die Lehigh-Valley,
                              									die Philadelphia und Reading, und besonders die Delaware, Lackawanna und
                              									Western-Bahn, welch letztere diese Form für Lokomotiven jeder Art durchwegs annimmt.
                              									Die 2/4 gekuppelte
                              									Lokomotive für Schnellzugdienst eignet sich nur unter besonderen Bedingungen dafür,
                              									welche jedochschon seit 1877 erfüllt werden konnten: die Unterbringung des sehr
                              									breiten Rostes über der hinteren Triebachse erfordert nicht zu hohe Triebräder
                              									einerseits, sowie sehr hohe Kessellage andererseits. Erstere haben in dem hier schon
                              									der konstruktiven Eigentümlichkeiten wegen angezogenen Beispiel, einen Durchmesser
                              									von 1755 mm, letztere beträgt im Mittel 2,84 m über S. O., also immer noch ein in
                              									Europa bis jetzt nicht ganz erreichtes Mass. Im übrigen ist die Lokomotive normal
                              										(Fig. 47).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 163
                              Fig. 47. Delaware Lackawanna & Western.
                              
                           Zu beachten ist das grosse Dienstgewicht von 63 t bei dieser wie bei der vorigen
                              									Gattung, sowie das Reibungsgewicht von nicht weniger als 42 t, welches zeigt, auf
                              									welche Stufe der kommerziellen Brauchbarkeit die amerikanische Lokomotive bei
                              									grösster Einfachheit getrieben worden ist; in Europa müsste bei den niedrigen
                              									Achsdrücken für dieselbe Leistung eine ⅗ gek. Lokomotive gewählt werden, d.h. eine
                              									weniger einfache, vielteiligere und häufiger reparaturbedürftige Form. Dass aber bei
                              									der amerikanischen Lokomotive in der, doch durch eine schwingende Kurbel
                              									angetriebenen, in der Stopfbüchse gerade geführten Schieberstange das dem Kreuzkopf
                              									entsprechende höchst einfache Bolzengelenk fehlt und an seiner Stelle nur eine
                              									Keilverbindung vorhanden ist, ist eine in Amerika leider sehr beliebte, vom
                              									theoretischen (und hinsichtlich der Vermeidung von Reparaturen, welche durch die
                              									Klemmung hervorgerufen werden, auch vom praktischen) Standpunkt aus als höchst
                              									unsauber zu verwerfende „Vereinfachung“ der Konstruktion, welche sich bei den
                              									schönsten amerikanischen Lokomotiven findet, und geeignet ist, alles übrige etwa in
                              									solchen vereinigte imponierende Genie mit einem hässlichen Schatten zu streifen.
                              									Merkwürdig ist es nun auch, dass, weiss Gott aus was für Gründen, derselbe Fehler
                              									absichtlich von der Firma Ernesto Breda in Mailand bei
                              									der in Paris 1900 ausgestellten 2/4 gek. Schnellzuglokomotive für die italienische
                              									Südbahn gemacht worden ist.
                           Die Leistungen der 2/4 gek. Lokomotive, des sogenannten „American
                                    											Type“ im Schnellverkehr sind bekannt genug. Erwähnt sei nur die zur
                              									Berühmtheit gewordene No. 999 der New Yorker Zentralbahn, welcher im Jahre 1893 den
                              										„Exposition Flyer“ von New York nach Buffalo führte, und mit 44 Wagen
                              									belastet, auf dieser 713 km langen Strecke eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 99
                              										km/Std.
                              									erzwang, bezw. von 102 km/Std. zwischen den einzelnen Haltestellen. Unter
                              									anderem wurde die Strecke Albany-Syracuse, 248 km, in 2 Std. 26 Min. durchfahren,
                              									also ein Durchschnitt von 102 km/Std. Die erreichte Höchstgeschwindigkeit betrug 165
                              
                              									bezw. 161 km/Std.
                              									am 9. bezw. 19. Mai 1893 (über eine Strecke von 1,6 bezw. 8 km in 35 Sek. bezw. 3
                              									Min.). (Siehe „Railroad Gazette“ vom 26. Mai und 2. Juni 1893.)
                           Aehnliche, wenn auch nicht ganz so hoch gesteigerte Leistungen, hat manche Lokomotive
                              									des „American Type“ durch sehr hohe Geschwindigkeit auf kürzeren oder hohen
                              									Durchschnitt auf längeren Strecken bewiesen; für das Aufzählen aller dieser Daten
                              									mangelt hier der Raum.
                           Dass trotz allem, trotz der grossen hochliegenden Kessel und hohen Achsdrücke, gerade
                              									in Amerika diese Type nun ihre Bedeutung verloren hat, ist nur ein Beweis für die
                              									ungeheuren Ansprüche, welche neuerdings, d.h. seit etwa 6 Jahren, drüben an die
                              									Lokomotive gestellt werden.
                           In der alten Welt ist noch keine Rede davon, dass sich die 2/4 gekuppelte
                              									Lokomotive allgemein überlebt hat; hier ist sie noch zu neu und hat noch zu wenig
                              									geleistet, d.h. leisten können. Besonders in Deutschland, wo erst seit kurzem
                              									glücklich 16 t Achsdruck und 100 km/Std. zugelassen sind, lässt sich noch viel
                              									ausrichten.
                           Schaut man sich zunächst auch hier auf dem Festland nur nach Zwillingsmaschinen um,
                              									so ist da freilich von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht viel zu berichten. Ausser
                              									der Heissdampflokomotive hat fast überall das Zwillingssystem dem Verbundsystem
                              									weichen müssen.
                           Bemerkenswert sind folgende Maschinen:
                           3. Die Schnellzuglokomotive der Badischen Staatsbahn ist
                              									die zweite Auflage der in den Jahren 1892 und 96 in in grosser Zahl beschafften,
                              									genau nach englischem Muster gebauten Gattung, im Jahre 1900 von der Sachs. Maschinenfabrik Chemnitz geliefert. Von der
                              									früheren Serie unterscheidet sich diese wesentlich garnicht, äusserlich aber durch
                              									die Luftschneideflächen zu denen die Vorder wände des Führerhauses und der
                              									Rauchkammer ausgebildet sind.
                           Die Leistungsfähigkeit der Lokomotive ist gering; die sehr kleine Heizfläche, das
                              									Zwillingssystem, die kleinen Abmessungen der Dampfzylinder, alles wirkt zusammen, um
                              									bei der geringsten Ueberlastung des Zuges (Jahresdurchschnitt etwa 29 Achsen [1898])
                              									Vorspann zu verlangen oder Verspätung zu bewirken; ersterer ist geradezu bei
                              									einigermassen schweren Zügen zur Tagesordnung geworden, während von einem Einfahren
                              									der letzteren überhaupt keine Rede ist. Daran bessern auch die in einigen Mustern
                              									dieser Gattung vorhandenen Serve-Rohre nichts, während
                              									die Luftschneiden nur in der Leerfahrt fühlbar sind; im Zug dagegen wird oft die
                              									gewöhnliche Vorspannlokomotive vor die mit
                              									Luftschneiden versehene gesetzt, woraus die Zwecklosigkeit der letzteren in diesem
                              									Beispiel wenigstens erhellt (Fig. 48).
                           So bleibt denn diese (im übrigen vorzügliche, sehr schöne) Maschine meilenweit hinter
                              									den gleichartigen englischen Mustern zurück. Eine 2/4 gekuppelte Lokomotive könnte,
                              									unbeschadet ihrer deutschen Schwächen, ganz anders beschaffen sein, wofür Beweise
                              									folgen werden. Immerhin sind nacheinander 35 Stück der „Gattung IIc“
                              									beschafft worden, ohne geringste Aenderung der erstmalig gewählten
                              									Abmessungen,welche ja für die damaligen Verhältnisse passend gewesen sein
                              									mögen, als die Maschine entworfen wurde. –
                           Der Tender dieser Maschine war ursprünglich dreiachsig, wurde aber bald durch einen
                              									vierachsigen mit 15,5 cbm Inhalt auf zwei Drehgestellen amerikanischer Bauart
                              									ersetzt.
                           Seit 1. März 1902 ist in Deutschland die Geschwindigkeit 100 km/Std.
                              									freigegeben; diese badische Maschine hat aber nichts davon erfahren, obgleich sie in
                              									ihrer Blütezeit (1892–96 etwa) bekannt war durch die 105 km/Std. die sie
                              									auf günstigen Strecken (ohne Tachometer und ohne Genehmigung) fahren konnte und zu
                              									fahren pflegte, und obgleich Maschinen von einer dem Schnellfahren weniger günstigen
                              									Anordnung, wie z.B. die 2/4 gekuppelte preussische unsymmetrische
                              									Verbundlokomotive, jetzt ganz glatt auf 100 km/Std. sich hinaufwagen und dieses Tempo bequem
                              									einhalten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 164
                              Fig. 48. Badische Staatsbahn.
                              
                           4. Die Schnellzuglokomotive der französischen
                                 										Staatsbahn. gebaut von Schneider & Co.,
                              									Creusôt, ausgestellt in Paris 1900, ist eine der vorigen, bis auf die Lage der
                              									Zylinder, welche aussen liegen, sehr ähnliche Form, jedoch mit viel höherer
                              									Leistungsfähigkeit. Die Besonderheiten sind:
                           Tiefe Belpaire-Feuerkiste zwischen den Triebrädern, im
                              									vorderen Teile mit Klapprost versehen, über dem sich ein Feuergewölbe befindet; Serve-Rohre, Ricoursche
                              									Kolbenschieber mit innerer Einströmung, denen eine hochgradige Unverwüstlichkeit,
                              									sowie eine Erhöhung des maschinellen Wirkungsgrades (bis 85 v. H.) und der
                              									Sparsamkeit im Brennstoffverbrauch (bis zu 3 v. H.) nachgerühmt wird, abgesehen von
                              									der um 10 v. H. höheren Anzugskraft; Froschmaulblasrohr, endlich planmässig
                              									durchgeführte Luftschneideflächen vor der Rauchkammer und dem Führerstand (Fig. 49a u. b).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 164
                              Fig. 49a.Französische Staatsbahn.
                              
                           Der Tender von nur 10 cbm Wasserinhalt ruht auf zwei Achsen; dieser geringe
                              									Fassungsraum rührt vielleicht davon her, dass auf der französischen Staatsbahn
                              									zwischen Chartres und Thouars ein 2 km langer Wassertrog zur Aufnahme des Vorrats in
                              									voller Fahrt beabsichtigt war, der unterdessen auch tatsächlich gelegt worden
                              									ist.
                           Diese Maschinengattung ist übrigens in zwei in der Grösse der Zylinder verschiedenen
                              									Ausführungen vorhanden; der Zylinderdurchmesser der einen beträgt 440, der andern
                              									460 mm. Die erstere wurde genauen Versuchen zur Feststellung der Anzugs- und
                              									Dauerzugkraft, der Leistung und des Kohlen- und Wasserverbrauchs unterworfen und
                              									scheint sich als vorzüglich und sparsam in jeder Beziehung erwiesen zu haben, wie
                              									aus folgendem hervorgeht:
                           
                           Die grösste Anzugskraft war 7400 kg bei 70 v. H. Füllung. Die grösste Leistung
                              									betrug 1000 PS, die Dauerleistung mindestens 800 PS, so dass die spezifische
                              									Leistung von 6 PS/qm, an sich schon hoch, zumal bei einer Zwillingslokomotive, leicht
                              									abgegeben worden ist; Züge von etwa 120 bis 140 t hinter dem Tender konnten auf der
                              									Horizontalen mit 100–105, auf der Steigung von 1/200 mit 85, auf der Steigung von 1/100 mit 70 und
                              									auf dem Gefall mit 1/200 mit 120 km/Std. mühelos und dauernd befördert werden. Das
                              									Anziehen eines solchen Zuges auf 90 km/Std. aus der Kühe erforderte nur 2 Min. 54 Sek. auf
                              									einer Wegstrecke von 2850 m. Jedenfalls eine sehr gute Leistung für eine
                              									verhältnismässig leichte und durchaus normale Lokomotive.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 165
                              Fig. 49b.Französische Staatsbahn.
                              
                           Immerhin sind die aus diesen Versuchen gezogenen Schlüsse in der Weise wenigstens,
                              									wie sie die „Revue de mécanique“ (April 1900) bringt, anfechtbar, da sie
                              									alles, was bisher zu G unsten der Verbundlokomotive ausgesagt und anerkannt worden
                              
                              									ist, über den Haufen werfen. Die erwähnte Quelle sagt nämlich (kurzgefasst):
                           
                              „Hohe Dampfdrücke können in massig grossen Zylindern nach Zwillings Wirkung sehr
                                 										vorteilhaft ausgenutzt werden, wenn nur für grosse Kanalquerschnitte und
                                 										gehörige schädliche Räume gesorgt wird; ferner
                              
                           
                              a) Bei gleicher Kesselheizfläche sind die Zugkräfte der Zwillings- und
                                 										Verbundmaschine gleich bei niederen Geschwindigkeiten; bei höheren aber ungleich
                                 										zu Gunsten der ersteren, und zwar um so mehr, je höher die Geschwindigkeit über
                                 										100 km/Std.
                                 										hinausgeht, sodass also das Zugsgewicht für eine Verbundlokomotive mehr
                                 										verringert werden muss, als für eine Zwillingslokomotive, der somit im
                                 										Schnellbetrieb der Vorzug zu geben ist, was zunächst nur die Leistung
                                 										betrifft.
                              
                           
                              b) Bei gleicher Zugkraft ist der Dampfverbrauch für die beiden Systeme ebenfalls
                                 										gleich, nur bei niederen Geschwindigkeiten macht sich ein Unterschied zu Gunsten
                                 										der Verbundmaschine geltend; bei sehr hohen Geschwindigkeiten dagegen wird die
                                 										Zwillingsmaschine nicht nur stärker, sondern auch entschieden sparsamer.
                              
                           
                              c) Der Gang der Zwillingsmaschine ist leichter, der Verbrauch für Schmierung
                                 										geringer, die Reparaturen sind seltener, die Anlagekosten sind bei der einfachen
                                 										Maschine besonders durch den Wegfall der Kröpfachsen (bei äusseren Zylindern)
                                 										geringer.
                              
                           Alles in allem sollte für den wahren Schnellbetrieb im Flachland deshalb nur die
                                 										Zwillingslokomotive Verwendung finden, während die Verbundmaschine ins Gebiet
                                 										des Güterzugbetriebes und des schweren „Schnellzug“ dienstes im Gebirge
                                 										verwiesen werden muss; erstere eignet sich somit für hohe, letztere für geringe
                                 										Tourenzahlen.“ –
                           Diese Folgerungen sind mindestens überraschend und neuartig; so sehr sie mit der
                              									bisherigen Meinung im Widerspruch stehen, so wenig kann geleugnet werden, dass etwas
                              									Wahres in Manchem enthalten sein muss. Zur Verteidigung dieser Schlüsse lässt sich
                              									auch noch anführen, dass gerade bei hohen Geschwindigkeiten Versuche bisher so
                              									eingreifend nicht vorgenommen worden sind, sodass diese Entdeckungen eher als
                              									Ergänzung, denn als Widerspruch aufzufassen. sind in einem Gebiet, wo noch keine
                              
                              									Beobachtungen bisher vorhandenwaren. Ferner hat es bisher an geeigneten
                              									Versuchsobjekten, d.h. vorzüglichen Zwillingsmaschinen, für sehr hohe
                              									Geschwindigkeiten, gefehlt, an welchen solche hervorragenden Ergebnisse hätten
                              
                              									gefunden werden können, und so geht auch die auf den preussischen Normaltypen
                              									aufgebaute Lochnersche Verbrauchstabelle nur bis 90 km/Std. hat also
                              									keine Uebertragbarkeit auf ausnehmend gute Verhältnisse. Jedenfalls ist dem Ricourschen Kolbenschieber das Haupt verdienst daran
                              									beizumessen, und einen Teil mögen die Luftschneideflächen beigetragen haben.
                           Für den Schnellbetrieb ist endlich folgende Behauptung der erwähnten Quelle
                              									wichtig:
                           
                              „Der Wasserverbrauch für ein Nutzstundenpferd pflegt 9,5 l zu betragen im
                                 										gewöhnlichen Schnellzugsdienst (?) für beide Maschinenarten, was somit den
                                 										besten ortsfesten Anlagen für dieselben Betriebsbedingungen gleichkommt. Bei
                                 										sehr hohen Geschwindigkeiten (250 bis 300 Touren in der Minute), dagegen sinkt
                                 										für die Zwillingsmaschine (nur für diese) dieser Verbrauch auf 9 l herab, was
                                 										denjenigen der besten ortsfesten Anlagen, mit oder ohne Kondensation,
                                 										unterbietet!“
                              
                           Bei solchen Ergebnissen ist der Ausbau der Zwillingslokomotive mit Ricourschen Schiebern, und – das dürfen wir ruhig
                              									hinzusetzen – mit Ueberhitzer, allerdings sehr begreiflich; letzterer sollte heute
                              									nicht mehr vergessen werden (trotz der Patentgebühren), wenn eine solche
                              									Schnellzuglokomotive, wie die soeben beschriebene der französischen Staatsbahn, sich
                              									auf der Höhe halten und erfolgreich den Kampf mit der elektrischen Zentrale
                              									aufnehmen soll. Eine an sich ausgezeichnete Maschine steigt naturgemäss noch um
                              									viele Stufen, wenn eine Dampf sparende Einrichtung, von der Bedeutung, wie sie dem
                              									Ueberhitzer beizumessen ist, zu ihren übrigen Errungenschaften hinzutritt. Ein
                              									Beispiel, welches auch die erwähnte Einrichtung aufweist, und schon die verdiente
                              									Aufmerksamkeit dadurch auf sich gezogen hat, ist
                           5. die Heissdampf-Schnellzuglokomotive der preussischen
                                 										Staatsbahn, gebaut 1902, (Fig. 50). Sie ist
                              									das endgiltige Ergebnis einer steigenden Verbesserung, welcher die ursprüngliche
                              									Ausführungsform vom Jahre 1899 auf Grund der Betriebsergebnisse unterworfen wurde.
                              									Auf konstruktive Einzelheiten soll hier nicht weiter eingegangen werden; es sei
                              									verwiesen auf die allerorts wahrscheinlich bekannten Berichte von Garbe über „die Anwendung des Heissdampfes im
                                 										Lokomotivbetrieb“, von v. Borries über
                              										„Neuere Fortschritte im Lokomotivbau“ (Organ 1901, 1902; Z. d. V. d. Ing.
                              									1901, 1902), von Brückmann über „die Lokomotiven der
                                 										Pariser Weltausstellung 1900“ (Z. d. V. d. Ing. 1901 ff.), sowie auf die
                              									erstmalige kurze Erwähnung der Heissdampflokomotive in dieser Arbeit (D. p. J. 1902,
                              										317, S. 79); im übrigen möge hier mit Bezug auf diese
                              									neueste Form wiederholt und ergänzt werden:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 165
                              Fig. 50. Preussische Staatsbahn.
                              
                           Aus dem Reglerdom gelangt der Dampf rechts vom Schornstein in eine längs der
                              									Rauchkammer in diese eingebaute Kammer, welche durch eine Scheidewand in zwei Teile
                              									getrennt ist, deren hinterer den Eintritts- und deren vorderer den Austrittsraum des
                              									Ueberhitzers darstellt. Aus dem ersteren gelangt der Dampf durch drei konzentrische
                              									Rohrbündel in eine zweite Kammer, die auf der anderen (linken) Kaminseite, der
                              									ersten symmetrisch, in der Rauchkammer liegt, wo er sich verteilt, um aus der
                              									vorderen Hälfte durch ein gleiches Rohrbündel zurück zur dritten Kammer, d.h. zur
                              									vorderen Abteilung der ersten zu gelangen. Von dort erfolgt der Austritt durch das
                              									Gabelrohr in die beiden aussen liegenden Zylinder. Diese Rohrbündel, im ganzen 65
                              									Rohre (33 mm l. W.), sind nun in eine konzentrisch um die eigentliche Rauchkammer
                              									gelegte schmale ringförmige Kammer eingebaut, in welche auf dem Boden des
                              									Langkessels unmittelbar durch ein weites Flammrohr die Heizgase aus der Feuerbüchse
                              									eingeführt werden, da die Rauchkammertemperatur zu gering ist, um eine wirksame
                              									Ueberhitzung zu ermöglichen. Dieser Schmidtsche
                              									Ueberhitzer erlaubt bei einem Temperatur gefalle der Heizgase von etwa 800° C. eine
                              									Ueberhitzung des Dampfes bis auf 380° C, während eine solche von 300° C. auf die
                              									Dauer sehr leicht eingehalten werden kann. Die Dampfmaschine ist entsprechend
                              									ausgebildet: möglichst gleichmässige Massenverteilung ist bei Zylinder und Schieber
                              									beobachtet, um Wärmeanhäufungen und damit ungleichmässige Dehnungen zu vermeiden.
                              									Der Schieber ist ein geteilter Kolbenschieber mit innerer doppelter Einströmung; er
                              									besitzt je zwei nicht aufgeschnittene Dichtungsringe; der Durchmesser beträgt nun
                              									für alle Heissdampftypen 150 mm. Die Reibungsarbeit ist so gering, dass einerseits
                              									zum Umlegen der Steuerung auch unter vollem Druck der gewöhnliche Handhebel weitaus
                              									genügt, während andererseits die Abnützung auch nach einem Lauf der Lokomotive von
                              									30000 km noch nicht merkbar ist. Die Schmierung erfolgt durch Schmierpresse von Michalk.
                           Es ist noch zu bemerken, dass der Ueberhitzer einen geräumigen Aschfall mit Rohr
                              									besitzt, dass die Wölbung der Rohre vor dem Flammrohr mit zunehmender Entfernung von
                              									demselben immer geringer wird, und dass diese Eintrittskammer der Grase in die
                              									Rauchkammer geöffnet werden kann. Dadurch ist eine möglichst grosse Ausnutzung der
                              									Heizgase erzielt, ein Verstopfen des Ueberhitzers völlig vermieden, und das ganze
                              									der Reinigung leicht zugänglich; letztere geschieht übrigens vom Gröbsten ganz
                              									einfach durch Durchblasen mittels Dampfstrahls mit Hilfe einer besonderen Blasdüse
                              									im Flammrohr. Vor dem Ueberhitzer besitzt die gut verlängerte Rauchkammer ein
                              									Aveites Aschfallrohr, sodass ein Verbrennen der Ueberhitzerwände verhütet wird, wozu
                              									im Notfall ein Spritzrohr mithilft. Die Klappen unter beiden Dampfkammern, durch
                              									welche die Ueberhitzergase vom Blasrohr abgesaugt werden, werden im Stillstand der
                              									Maschine durch das Oeffnen des Hilfsbläsers geschlossen und damit der Ueberhitzer
                              									ausgeschaltet. Die Anordnung des Ueberhitzers und der Maschine ist aus den
                              									schematischen Darstellungen (Fig. 51a u. b) im Prinzip zu entnehmen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 166
                              Fig. 51a.Schema des Ueberhitzers.
                              
                           Die nun seit zwei Jahren durchgeführten Versuche mit Heissdampflokomotiven der
                              									Eisenbahndirektionen Halle und Berlin haben sehr schöne zum Teil verblüffende
                              									Ergebnisse gezeitigt.
                           Die Dauerleistung der Maschinen ist 900–1000 PS, was spezifisch bei 105 qm
                              									Kesselheizfläche also etwa 9 PS/qm ausmacht; leicht sind aber auch 1000–1100 PS zu
                              									erreichen, und als höchste Leistung ergaben sich 1300 PS. Dies übertrifft bei weitem
                              									die Fähigkeiten der gewöhnlichen 2/4 gekuppelten Verbundlokomotive der preussischen
                              									Staatsbahn, welche nicht über 850 PS getrieben werden kann, besonders nicht bei
                              									Vorhandensein des zu eng ausgefallenen Wechselventils, welches bei grossen
                              									Geschwindigkeiten den Dampf drosselt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 166
                              Fig. 51b.Schema des Heissdampf-Kolbenschiebers.
                              a. Einströmung, b.
                                 										Ausströmung.
                              
                           Diese hohen Leistungen sprechen für die Gründlichkeit und durchdachte Feinheit der
                              									ganzen Konstruktion, abgesehen von den Eigenschaften des trockenen Heissdampfs an
                              									sich, dessen Vorteile für den Schnellbetrieb nicht überschätzt werden können. Dass
                              									in der geringen Dichte und der gasartigen Dünnflüssigkeit, sowie der Trockenheit des
                              									Heissdampfs gerade für sehr grosse Geschwindigkeiten, d.h. Tourenzahlen der
                              									Maschine, bis jetzt noch nicht untersuchte und noch nicht theoretisch bewiesene
                              									Vorzüge und brauchbare Fähigkeiten versteckt sind, ist kaum zu leugnen, wenigstens
                              									lassen sich für einen merkwürdigen Fall keine Erklärungen anderer Art
                              									herbeischaffen:
                           Mit einem Zug von 6 D-Wagen, d.h. 180 t hinter dem Tender, durchlief die Lokomotive
                              									eine horizontale Strecke von 61 km Länge in 33 Min., d.h. mit einem Durchschnitt von
                              									111 km/Std. Die
                              									Dauerleistung betrug 1100 PS, die Höchstgeschwindigkeit 115 km/Std., die
                              
                              									Tourenzahl 300 Min. und die Kolbengeschwindigkeit 6 m/Sek. im Durchschnitt. Dieser hohe
                              									Beharrungszustand wurde mühelos aufrecht erhalten und beweist, welchen Ansprüchen
                              
                              									die an sich kleine Lokomotive dieser Bauart gerecht werden kann.
                           Im gewöhnlichen Betrieb wird von derselben die Beförderung von 40, sogar 50 Achsen,
                              									d.h. 300–375 t hinter dem Tender, verlangt, was einem Gesamtzugsgewicht von 400–470
                              									t entspricht. Die Aufgabe wird glänzend gelöst, ohne dass je Vorspann erforderlich
                              									wäre; im Gegenteil, durch die Einstellung dieser Maschinen in den täglichen Betrieb
                              									ist der vorher bei Zügen über 25 Achsen fast unvermeidliche Vorspann ganz in Wegfall
                              									gekommen. Der Gang der Maschine ist so ruhig, als überhaupt von einer heutigen
                              									Zwillingslokomotive bei äusseren Zylindern zu erwarten ist, trotz der hohen
                              									Kolbendrücke (bis 25000 kg), wie sie die grossen Kolben bedingen. Gerade durch die
                              									Vergrösserung der Zylinder von den anfänglichen 480 mm (der Verbundlokomotive
                              									nachgebildet) auf 520 mm, und durch die damit zusammenhängende Verkleinerung der
                              									Dauerfüllung von 25 auf 15 v. H. ist die Leistung so stark gestiegen. Dazu trägt
                              									einerseits die Verbesserung des kalorischen Wirkungsgrades ηc durch die geringe Füllung,
                              									andererseits die Abschwächung der Blasrohrschläge bei. Thatsache ist, dass die
                              									erforderliche Leistung bei der Heissdampflokomotive mit viel geringerer
                              									Luftverdünnung in der Rauchkammer erreicht wird, als sonst der Fall, so dass die
                              									Blasrohrwirkung eine gleichmässigere Verbrennung und Verdampfung und damit eine
                              									Schonung des Kessels und der Mannschaft, sowie eine wesentliche Brennstoffersparnis
                              									herbeiführt. Die Luftverdünnung beträgt nur 75 mm Wassersäule im Mittel, geht aber
                              									bis 50 mm herunter, während man für sehr hohe Leistung mit höchstens 110 mm
                              
                              									auskommt, seitdem das Blasrohr von 115 auf 130 mm erweitert ist. Ein weiterer Vorzug
                              									ist die geringe Menge mitgerissener Flugasche, wodurch die Heizfläche von Kessel und
                              									Ueberhitzer länger rein gehalten werden kann. Nebenbei bemerkt sind aber diese bis
                              									herunter zu 2 v. H. Füllung erhaltenen Indikatordiagramme geradezu ideal. Hilft man
                              									noch durch gehörige schädliche Räume dazu, dass die Kompression bei diesen geringen
                              										Füllungen und
                              									grossen Kolbenflächen ein unschädliches, ihrem Zweck als Polster entsprechendes Mass
                              									beibehält (die französische Ostbahn nimmt deshalb bis 18 v. H. schädlichen Raum!) so
                              									hat die geringe Füllung durchaus keinen Nachteil auf die Ruhe des Ganges, sondern
                              									behält ihre Vorzüge unbeschadet. Nur auf die Beanspruchung des Triebwerks haben dann
                              									die grossen Kolbenkräfte noch unangenehmen Einfluss, und schon im Interesse der
                              									Reparaturen sollte auch die Heissdampflokomotive Verbundmaschine erhalten, um diese
                              									Kolbenkräfte zu teilen; bei der Vierzylinder-Verbundmaschine könnten zugleich die
                              									hin- und hergehenden Massen ausgeglichen werden, und damit wäre nach jeder Beziehung
                              									Genüge geleistet. Mit den heutigen Heizflächen von 260 qm könnte eine 2/6 gekuppelte
                              									Vierzylinder-Verbund-Heissdampflokomotive wohl 3000 PS höchste Leistung erzielen
                              									Schade, dass Versuche dieser Art noch auf sich warten lassen. Die Zeit wird immerhin
                              									über kurz oder lang vom Lokomotivbau den Versuch verlangen, und mindestens müsste
                              									endlich Heissdampf mit Verbundsystem vereinigt werden, um der Untersuchung der
                              									Wirtschaftlichkeit näher treten zu können.
                           Was endlich die Wirtschaftlichkeit der hier beschriebenen Lokomotive hinsichtlich
                              									Kohlen- und Wasserverbrauch betrifft (abgesehen vom Wegfall des Vorspanns, der schon
                              									hoch genug anzuschlagen ist), so hat sich gezeigt, dass die Heissdampflokomotive
                              									nicht weniger als 12 v. H Kohlen und 30 v. H. Wasser weniger braucht als die
                              									ziemlich gleiche Verbundlokomotive, die selbst von jeher als Muster von Sparsamkeit
                              									mit Recht gegolten hat. Der Kohlenverbrauchfür die Leistungseinheit ist nun
                              									schon auf etwa 0,9 kg/PS gefallen, was durch Verbundlokomotiven bisher nicht zu erreichen
                              									war.
                           Es ist unter diesen Umständen nur zu bedauern, dass, geschweige dass das Ausland sich
                              									an den Schmidtschen Ueberhitzer versuchsweise ebenfalls
                              									heranwagt, im Ausland überhaupt die Heissdampflokomotive und ihre grossen Erfolge
                              									fast unbekannt, mindestens unbeachtet bleiben, und dass höchstens Kleinigkeiten,
                              									welche mit dem Heissdampf nichts zu thun haben, ab und zu Erwähnung in der Presse
                              									finden. Im Ausland wird dieser grösste Fortschritt des deutschen Lokomotivbaues mit
                              									Stillschweigen übergangen, während die Sache ihrer grossen Bedeutung entsprechend in
                              									Wirklichkeit die Aufmerksamkeit der Welt verdient hat und hoffentlich noch erobern
                              									wird, um zu zeigen, dass die in Paris 1900 allerdings angestaunte
                              									Heissdampflokomotive nicht die einzige und letzte ihres Zeichens war, wie man
                              									vielleicht auswärts glauben könnte. Vorläufig aber haben alle diese Bestrebungen
                              									einen so internen, man möchte sagen familiär preussischen Charakter, dass sie noch
                              									nicht einmal über das Gebiet der preussischen Staatsbahnen hinaus in die anderen
                              									deutschen Bahnen gedrungen sind. –
                           Von beachtenswerten 2/4 gekuppelten Zwillingslokomotiven bietet das europäische Festland ausser den hier
                              									beschriebenen Mustern garnichts, so dass man seine Umschau daselbst beenden und zum
                              									Schluss dem Mutterland der Lokomotive, England, sich zuwenden kann.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)