| Titel: | Hochdruck-Turbinen mit 950 m Gefälle im Elektrizitätswerk Vouvry. | 
| Autor: | Wilh. Müller | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 177 | 
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                        Hochdruck-Turbinen mit 950 m Gefälle im
                           								Elektrizitätswerk Vouvry.
                        Hochdruck-Turbinen mit 950 m Gefälle im Elektrizitätswerk
                           								Vouvry.
                        
                     
                        
                           In unserer Zeit des Fortschrittes gehören Wasserkraftanlagen mit 400 und 500 m
                              									Gefälle nicht mehr zu den Seltenheiten.
                           Der höchste in der Schweiz bis jetzt ausgenützte Fall von 600 m Höhe befindet sich in
                              									Gurtanellen bei Göschenen an der Nordseite des St. Gotthardtunnels. In Frankreich
                              									wird einem Wasserfall von 612 m Höhe motorische Kraft entzogen und zwar in
                              									Chapareillon bei Chambery. Das neue Elektrizitätswerk in Vouvry (Rhonethal) –
                              									entworfen von Ing. Boucher – arbeitet mit 950 m Gefälle
                              									und dürfte infolge seiner bemerkenswerten Einzelheiten Interesse bieten; wir
                              									berichten daher im nachstehenden Näheres über die Ausführung der Wasserbauten und
                              									der Turbinen dieser AnlageIng. A. Dumas, Le Génie civil v. 18. Oktober
                                    											1902..
                           Das Werk wurde als Ergänzung eines bereits bestehenden, das mit 200 m Gefälle und
                              									1250 Sekundenliter, also mit 2500 PS Leistung arbeitet, durch die Société des forces Motrices de la Grande-Eau Genève
                              									ausgeführt.
                           Die zur Verfügung stehende Wassermenge von 346 Liter in der Sekunde wurde im ersten
                              									Ausbau auf vier 500 PS-Turbinen mit 52 Sek/l Wasserverbrauch verteilt und durch
                              									Wechselstromdynamos in elektrische Energie umgesetzt.
                           Das Wasser wird dem See von Tanay entnommen, dessen
                              									absolute grösste Höhe auf Kote 1416 liegt. Die Turbinen im Werk von Vouvry sind auf
                              									Kote 466 aufgestellt, die wirkliche Fallhöhe erreicht somit 950 in. Die Oberfläche
                              									des Sees misst 45 ha, sein Fassungsgebiet 750 ha, es könnte darin eine Jahresmenge
                              									von über 11 Millionen Kubikmeter aufgespeichert werden, was einem gleichmässigen
                              									Abfluss von 346 l i. d. Sek. entspricht. Bei einem Gefälle von 950 m und einem
                              									Wirkungsgrad von 75 v. H. für die Turbinen kommt auf ein Sekundenliter eine Leistung
                              									von 9,5 PS; trägt man den Druck Verlusten und der Verminderung des Gefälles durch
                              									Senkung des Seespiegels Rechnung, so kann man in runder Ziffer 9 PS setzen. Die
                              									Normalkraft des Gefälles für eine regelmässige Beaufschlagung mit 346 l wäre demnach
                              									346 . 9 = 3114 PS.
                           Die Ableitung des Wassers aus dem See von Tanay liegt
                              									auf Kote 1390, d.h. 20 m unter dem gewöhnlichen Stand und 26 m unter Höchststand.
                              									Die Wasserentnahme wird durch einen auf dieser Höhe liegenden Staudamm bewirkt, der
                              									jedoch keinerlei Oeffnungen besitzt. An die Wehrmau er schliesst sich ein
                              									Wasserschacht von 30 m Tiefe an, der die überfallenden Wassermengen auffängt. Von
                              									diesem Schacht zweigt ein Tunnel mit schwachem Gefälle ab. Er ist am oberen Ende
                              									durch eine Mauer mit eingelegten eisernen Balken abgeschlossen, die von fünf Röhren
                              									in drei Lagen übereinander durchbrochen wird. Das oberste Rohr mit 0,80 m
                              									Durchmesser hat zwecks Reinigung abnehmbaren Verschluss. Darunter liegt ein engeres
                              									Rohr von 0,10 m Lichtweite mit Hahnenschütze, zu unterst befinden sich drei
                              									Gussrohre von 0,40 m Durchmesser, auf der Schachtseite mit einer verschliessbaren
                              									Pfeife versehen, über welcher ein gusseiserner konischer Verschluss an einer Kette
                              									aufgehängt ist. Wird letztere nachgelassen, so legen sichdie Verschlusskolben
                              									auf die Pfeifen und der Wasseraustritt vom Sammelschacht in den Tunnel ist
                              									abgeschlossen.
                           Beim Höchststand des Wasserspiegels müsste ein Druck von über 3 t zur Hebung eines
                              									Verschlusses aufgewendet werden, wenn nicht Gegendruck vorhanden wäre; letzteren
                              									liefert das bereits bezeichnete Rohr von 0,10 m Lichtweite, Das Tunnel zur
                              									Wasserableitung hat 300 m Länge und 3 × 3 m quadratischen Querschnitt. Etwa 30 m vom
                              									Auslauf entfernt zweigt ein zweiter Tunnel von 100 m Länge als Freilauf ab.
                           Zur selbsttätigen Regelung des Wassereintrittes im Zulaufrohr zum Werk befindet sich
                              									unterhalb der Abzweigungsstelle der beiden Tunnels eine Einlassvorrichtung. Sie
                              									besteht aus zwei Röhren von 0,40 m Durchmesser mit beweglichen Schützen und einem
                              									dritten Rohr, das mit Reinigungsschütze versehen ist. Unterhalb dieser Abzweigung
                              									befindet sich eine kleine Staumauer, die einen Wasserbehälter bildet, Sobald die
                              									Turbinen arbeiten, fliesst Wasser durch die Rohrleitung ab, die Wasserhöhe sinkt,
                              									die Schwimmer der Schützen senken sich ebenfalls, öffnen und lassen Wasser zur
                              									Beaufschlagung gelangen. Umgekehrt steigen die Schwimmer wieder und der
                              									Wasserzufluss wird abgesperrt, sobald das Werk kein Wasser mehr benötigt.
                           Um den Seespiegel zu senken oder eine Ueberschreitung des Höchststandes zu
                              									verhindern, werden die Gegengewichte der Schwimmerschützen belastet; sollte auch
                              
                              									dies noch nicht ausreichen, so öffnet man die Freilaufschütze und das Wasser fliesst
                              									durch den Leerschusstunnel ab.
                           Rohrleitung. Das gemauerte hintere Ende des Tunnels für
                              									die Wasserableitung ist mit einer kleinen Kiesschütze versehen; hieran schliesst
                              									sich ein Rohr von 0,80 m Durchmesser und 100 m Länge, sodann folgt ein 300 m langer
                              									Tunnel, von dem wiederum eine Rohrleitung mit 0,80 m Durchmesser und ungefähr 5 v.
                              									H. Gefälle abzweigt, die nach Verlauf von 1200 m in drei zum AVerk hinabführende
                              									Röhren von je 0,50 m Durchmesser mündet. Eine der letzteren ist dauernd in
                              									Verwendung, die beiden andern sind geschlossen und werden nur nach Massgabe des
                              									Kraftbedarfes benützt. An dieser Zweigstelle beträgt
                              									der Druck nur 21 m, steigt von hier ab jedoch sehr rasch an. Um einen etwaigen
                              									Rückstau im Ablauf unschädlich zu machen, wurde dort eine selbsttätig wirkende
                              									Sicherheits Vorrichtung angebracht, bestehend aus einem oben offenen Standrohr von
                              									25 m Höhe und 0,40 m Weite, welches die Heftigkeit der Wasserstösse verringern
                              									soll.
                           Die Rohrleitung hat innerhalb der Gesamtlänge von 1940 m 900 m Gefälle. Auf 635 m
                              
                              									Länge ist die Leitung 0,50 m weit und ansteigend 7 bis 11 mm stark, sie geht in eine
                              									Doppelleitung über, deren jeder Zweig mit einer Schütze versehen ist und wiederum
                              
                              									den Anschluss für eine Rohrleitung von 1300 m Länge und 0,341 m äusserem Durchmesser
                              									giebt; die Wandstärke der letzteren steigt von 8 auf 18 mm. Die Hochdruckrohre sind
                              									aus Siemens–Martin–Stahl ohne jede Vernietung gefertigt, die weitesten von Hand
                              									geschweisst, die übrigen auf Maschinen gewalzt.
                           
                           Die Leitung selbst ist 1,50 m unter Tag verlegt, um sie gegen Frost zu
                              									schützen.
                           Jedes Leitungsrohr wurde in der Werkstatt mit 50% über den Normaldruck geprüft, wobei
                              									das Material nicht höher als mit 7,5 kg/qmm beansprucht war, obgleich der Druck im unteren
                              									Teil der Rohrleitung die aussergewöhnliche Höhe von 95 kg/qcm erreicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 178
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 178
                              Fig. 2.
                              
                           Das durchaus in Eisen und Backsteinmauerwerk ausgeführte Motorenhaus hat 66 m Länge und 14 m Breite, es bietet Raum für 20
                              									Maschinengruppen von je 500 PS.
                           Die Rohrleitungen and Schützen für die Turbinen sind in das Untergeschoss des
                              
                              									Gebäudes verlegt. Hinter der Abstellschütze des Zuleitungsrohres befindet sich noch
                              									eine zweite Schütze, die nicht von Hand, sondern durch Wasserdruck mittels eines
                              									beim Schaltbrett aufgestellten Ausschalters bewegt wird.
                           Von der Schütze ab teilt sich die Rohrleitung in zwei Stränge, von denen jeder eine
                              									Turbinengruppe speist. Eine dieser Abzweigungen beaufschlagt auf der rechten Seite
                              									zwei von den Konstruktionswerkstätten in Vevey gebaute Turbinen, während der andere
                              									Rohrstrang auf der linken Seite zwei von M. Duvillard
                              									in Lausanne gebaute Turbinen versorgt.
                           Die Turbinen sind im wesentlichen „Peltonräder“. Auf einer vollen Gusscheibe
                              									tragen die Räder angegossene, schalenartig geformte Schaufelchen (Fig. 1 und 2). Die
                              									letzteren sind mit der Scheibe nur an einer Seite verbunden, die Zelle ist somit
                              									nach drei Seiten offen.
                           Jede Turbine reicht für eine Beaufschlagung von 52 l und eine Leistung von 500 PS
                              									aus. Sie werden je durch zwei Düsen beaufschlagt, die in der Ausführungsform zwei
                              									Strahlapparate darstellen und zwar einen feststehenden o und einen regelbaren o1 (Fig. 2). Das
                              									zweite, feststehende Mundstück wurde nur mit Rücksicht auf die bei solch hohem Druck
                              									unausbleibliche starke Abnützung angebracht. Es war beabsichtigt, die Ingangsetzung
                              
                              									mittels der regelbaren Düse zu bewerkstelligen und dann, wenn der normale Gang
                              									erreicht ist, ohne jede Regelung mit dem feststehenden Mundstück allein zu arbeiten,
                              									das weniger Abnützung befürchten liess, da es keine beweglichen Teile enthält. Die
                              									Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass diese Vorsichtsmassregel überflüssig war und die
                              									Abnützung der Turbinen und Mundstücke weit mehr von den im Wasser enthaltenen
                              									Fremdkörpern, als von der grossen Wassergeschwindigkeit verursacht wird.
                           Jeder Leitapparat enthält zwei konvergente Ansatzröhren i und i1
                              										(Fig. 1). Jede zur Beaufschlagung einer Turbine
                              
                              									dienende Leitung von 0,15 m Weite trägt zunächst eine von Hand bewegliche
                              									Hahnenschütze, die sich alsdann in zwei Arme teilt, wovon jeder einen Leitapparat
                              									versorgt.
                           Das in jede Leitung eingebaute Kolbensicherheitsventil wird von der Schaltwand aus
                              									mittels Wasserdruck betätigt. Die Turbinen sind auf die Achsen der
                              									entsprechendenDynamomaschinen aufgesetzt, der Raddurchmesser ist 1,20 m, die
                              									Geschwindigkeit 1000 Umgänge in der Minute.
                           Regulatoren. Die Regulatoren dieser Turbinen sind sehr
                              									sinnreich konstruiert. Nachstehend geben wir die Beschreibung der von Duvillard gebauten wieder. Dieser Regulator (Fig. 3 und 4) wird von
                              									der zugehörigen Turbine durch Riemen cc
                              									angetrieben und wirkt durch ein Hebelwerk und Gestänge t auf die Zungen der regelbaren Leitapparate ein. Die
                              									Riemengeschwindigkeit wird durch die Scheibe P auf eine
                              									wagerechte Welle und von dieser durch ein Kegelräderpaar auf eine stehende Welle,
                              									auf der ein kleiner Exzenter e sitzt, übertragen. Mit
                              									dem oberen Ende der stehenden Welle ist ein in Kugellager laufendes Tachometer
                              
                              									verbunden, das die Hülse d eines flachen, in Form eines
                              									Parallelogramms aus Stahl gefertigten Hebelarms l
                              									bewegt, dessen Ausleger fein gezahnt sind. Der Exzenter e erteilt der Hülse und infolgedessen dem Hebelarm l eine schwingende Bewegung in wagerechtem Sinne. Der Hebel l befindet sich in einem aus Stahl gefertigten Rahmen
                              										ff, welcher den Exzenterbewegungen einen
                              									leichten Spielraum lässt und durch Hebel mit den Drehpunkten m, n, o mit dem Gestänge t verbunden ist.
                              									Sobald die Tachometerkugeln ihre Stellung ändern, hebt oder senkt sich die Hülse und
                              									nimmt den Hebel l mit.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 178
                              Fig. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 178
                              Fig. 4.
                              
                           Da dieser sich frei in dem ihn umgebenden Rahmen bewegt, so stösst er mit einer der
                              									schrägen Flächen gegen letzteren, schiebt ihn in der einen oder anderen Richtung und
                              									wirkt so durch das Gestänge auf die Zunge des Mundstückes der Leitapparate ein. Da
                              									die schrägen Flächen des Hebels l der
                              									Exzenterbewegungen wegen immer nur auf kurze Zeit an dem Rahmen anliegen, so ist die
                              									Beweglichkeit des Tachometers nicht beeinflusst. Es arbeitet somit vollständig frei und die
                              									Geschwindigkeit des Oeffnens oder Schliessens der Abschätzung wird vollständig von
                              									der Turbine bestimmt und geregelt.
                           Dynamomaschinen. Wie die Turbinen, so sind auch die
                              									Alternatoren durch zwei verschiedene Firmen geliefert worden. Die Turbinen der
                              									Konstruktionswerkstätten in Vevey betreiben Dynamomaschinen von Brown, Boveri & Co. in Baden (Schweiz), diejenigen
                              									von Duvillard solche der Elektrizitätsgesellschaft in Genf. Alle Alternatoren erzeugen einphasigen
                              									Wechselstrom von 60 Amperes mit einer Spannung von 5500 bis 6000 Volt und einer
                              									Stromverteilung von 50 Perioden in der Sekunde.
                           Der Gang der Maschinen ist vollständig geräuschlos, was sowohl der wohldurchdachten
                              									Anordnung, als auch dergut durchgeführten Ausgleichung aller rotierenden Teile
                              
                              									zuzuschreiben ist.
                           Die Aufstellungskosten stellten sich einschliesslich der Erwerbung der Wasserkraft
                              									ungefähr auf 640000 Mk., was bei 2000 PS-Leistung 320 Mk. für die Pferdekraft
                              									ergiebt. Um weitere 2000 PS zu erzielen, ist das Verlegen einer zweiten Rohrleitung
                              									von 0,341 m Durchmesser und die Einsetzung von vier neuen Maschinengruppen
                              									notwendig. Die Kosten hierfür sind auf 240000 Mk. berechnet. Es kämen somit 220 Mk.
                              									auf jede der ersten 4000 PS. Nach Massgabe der Ausdehnung der Anlage wird sich
                              									schliesslich der Durchschnittspreis für die Pferdekraft verhältnismässig verringern,
                              									da die Ableitung des Wassers und der obere Teil der Kanalisation für 10000 bis 12000
                              
                              									PS ausgeführt ist.
                           Wilh. Müller,Cannstatt.