| Titel: | Gewinnanteil für die Arbeiterschaft in Amerika. | 
| Autor: | E. Arp. | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 185 | 
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                        Gewinnanteil für die Arbeiterschaft in
                           								Amerika.
                        Gewinnanteil für die Arbeiterschaft in Amerika.
                        
                     
                        
                           Die United-States Steel-CorporationNach Engineering vom 23. Januar
                                       											1903. hat mit der Anteilnahme ihrer Arbeiter am Gewinn der
                              									Gesellschaft Ernst gemacht und zu Beginn dieses Jahres eine Aufstellung, nach
                              									welcher dieselbe zu erfolgen hat, in Kraft treten lassen.
                           Gerade diese grossartig angelegte Gesellschaft, welche, wie erinnerlich sein wird,
                              									vor zwei Jahren begründet wurde, dürfte wie keine andere berufen sein, allen
                              									auftretenden Schwierigkeiten die Stirn zu bieten und dieselben zu überwinden.
                           Jedenfalls verdient das Vorgehen derselben die allseitige und vollste Aufmerksamkeit
                              									unserer grossen gewerblichen Unternehmungen und lassen wir die Hauptpunkte dieses
                              									weit ausschauenden Entwurfes, welcher alle
                                 									Angestellten, vom ersten Vorsitzenden mit einem Gehalt von 400000 M. jährlich
                              									bis herab zum Arbeiter mit Picke und Schaufel umfasst, im Auszug folgen, obgleich
                              									noch augenscheinlich ein Unterschied zwischen den mit der Leitung betrauten
                              									Angestellten und den nicht-leitenden Teilen gemacht
                              									ist.
                           Unter den leitenden Angestellten hat der erste Vorsitzende das bereits oben erwähnte
                              									Gehalt von 400000 M. jährlich, welches entsprechend seiner
                                 										verantwortlichen Stellung bemessen ist.
                           Mit einem Gehalt von 40000 bis 80000 M. jährlich sind nicht über 50 Stellen bedacht,
                              									während ungefähr 200 Stellen ein Jahreseinkommen von 20000 bis 40000 M. haben, dann
                              									folgen noch etwa 1500 Anstellungen mit einer Bezahlung von 10000 bis 20000 M.
                              									jährlich, wobei der Dollar zu 4 M. gerechnet ist.
                           Diese Ziffern ergeben eine ganz ansehnliche Ausgabe für die Verwaltung dieser
                              									Riesengesellschaft.
                           Man darf, vorausgesetzt, dass alle Stellungen auch tatsächlich besetzt sind, sehr
                              									wohl eine Ausgabe von 30000000 M. jährlich für die Beaufsichtigung und Verwaltung in
                              									Anschlag bringen, wobei der technische und wissenschaftliche Stab eingeschlossen
                              									ist.
                           Es ist berechnet, dass die Gesellschaft etwa 300000000 M. jährlich verdienen muss, um
                              									nach den nötigen Abschreibungen auf ihre Vorzugsanteile 7 v. H. und auf ihre
                              									gewöhnlichen Anteile 4 v. H. Gewinnanteil zu zahlen. Zur Zeit werden 55000
                              									Anteilnehmer gezählt, welche Eigentümer dieses ganzen grossen Unternehmens sind.
                           Der Entwurf gliedert sich in 2 Teile, von denen der eine „die Erwerbung von Anteilen“, der andere „die Anteilnahme am Gewinn“ behandelt.
                           Teil I: „Die Erwerbung von Anteilen“ ist in
                              									folgender Weise ins Werk gesetzt.
                           Vom Gewinn der Gesellschaft während des Jahres 1902 z.B. werden 8000000 M. zur
                              									Verfügung gestellt und weiter ein Betrag, der es ermöglicht, wenigstens 25000
                              									Vorzugsanteile der Gesellschaft zurückzukaufen. Diese Anteile stehen jedermann, der
                              									bei der Gesellschaft seinen Unterhalt verdient, nach einer im Entwurf festgelegten
                              									Ordnung zum Ankauf zur Verfügung. Die Gesamtzahl aller Angestellten beträgt etwa
                              									168000, welche, entsprechend ihrem jährlichen Einkommen, in sechs Klassen zerfallen,
                              									und zwar umfasst Klasse I alle Angestellten abwärts bis zu 80000 M. (80000 M.
                              									ausgeschlossen); Klasse II alle Angestellten von 80000 M. bis zu 40000 M.; Klasse
                              									III von 40000 M. biszu 20000 M.; Klasse IV von 20000 M. bis zu 10000 M.; Klasse
                              									V von 10000 M. bis zu 3200 M. und endlich Klasse VI alle Angestellten von 3200 M.
                              									und weniger Einkommen.
                           Die von der Gesellschaft zu diesem Zweck zurückgekauften Anteilscheine werden den
                              									Angestellten zum Preise von je 330 M. angeboten.
                           Für den Erwerb derselben darf jedermann in Klasse I 5 v. H., in Klasse II 8 v. H., in
                              									Klasse III 10 v. H., in Klasse IV 12 v. H., in Klasse V 15 v. H. und in Klasse VI 20
                              									v. H. seines Einkommens aufwenden.
                           Der erste Vorsitzende kann also von seinem Einkommen von 400000 M. in Höhe von 20000
                              									M. für den Erwerb von Anteilscheinen aufwenden, er kann also 60 Anteile jährlich
                              									kaufen. Der höchstbezahlte Angestellte in Klasse II mit 80000 M. kann 6400 M. auf
                              									den Erwerb verwenden und etwa 19 Anteile für sich beanspruchen; der Höchstbezahlte
                              									in Klasse VI mit 3200 M. Gehalt, der 20 v. H. dieses Betrages auf den Erwerb
                              									verwenden darf, hat Anrecht auf nahezu 2 Anteile, während ein Angestellter dieser
                              									Klasse mit 1600 M. Gehalt für sich allein noch keinen Anteil erwerben kann, er darf
                              									sich aber mit seinen Arbeitsgenossen zum gemeinsamen Erwerb nach Massgabe ihres
                              									Gesamtgehalts zusammentun.
                           Wenn die zum Angebot zurückgekauften Anteile, wie z.B. diesesmal in Anzahl von 25000
                              									der entstehenden Nachfrage nicht genügen, so soll mit der Befriedigung der Ansprüche
                              									in der untersten, also VI. Klasse begonnen werden, dann folgt Klasse V u.s.w., so
                              									dass wohl der Fall eintreten kann, dass für Klasse 1 nur eine geringe Zahl Anteile
                              									oder vielleicht gar keine zur Verfügung bleiben. Mehr wie ein Anteilnehmer kann auf
                              									einen Anteil nicht eingetragen werden. Der Preis der Anteile wird sich in Zukunft
                              									jedenfalls entsprechend dem Marktpreis ändern.
                           Soweit die Verteilung der Anteile, welche keine besondere Wohltaten für die Käufer –
                              									in diesem Fall die Angestellten – erkennen lässt.
                           Vergünstigungen erscheinen jedoch sofort bei Bezahlung der Anteile, welche in
                              									monatlichen Beträgen vorgenommen werden kann und welche zwischen einer oberen und
                              
                              									unteren Grenze von dem Gehalt oder Wochenlohn in Abzug gebracht werden kann, und
                              									zwar dürfen diese Abzüge ein Viertel des gesamten Monats Verdienstes nicht
                              									überschreiten, während andererseits die ganze Kaufsumme innerhalb dreier Jahre
                              									abgetragen sein muss. Innerhalb dieser beiden Grenzen kann sich jedermann die Höhe
                              									seiner Abträge selbst bestimmen.
                           Der Bezug von Gewinnanteil beginnt für den Erwerber vom Tage seiner Zahlung an, und
                              									zwar wird ihm bei Kauf in Abträgen ein Zins von 5 v. H. gekürzt.
                           Ist z.B. jemand gezwungen, den Erwerb aufzugeben, bevor er den vollen Betrag
                              									abgezahlt hat, so ist ihm gestattet, das eingezahlte Geld zurückzuziehen und erhält
                              									er dann den Unterschied zwischen dem Gewinnanteil, z. Z. 7 v. H., und der Verzinsung
                              									des Kaufbetrages mit 5 v. H. zu bezahlt.
                           Bei vollständiger Abzahlung erhält der Käufer den Anteilschein auf den Namen des
                              									ursprünglichen Erwerbers lautend zur freien Verfügung ausgehändigt und kann mit
                              									demselben thun und lassen, was er will, d.h. er kann den Schein entweder weiter
                              									verkaufen oder ihn im eigenen Besitz behalten. In Anbetracht dessen, dass er für den
                              									vergünstigten Erwerb immerhin einen recht beträchtlichen Zinsfuss für das ihm gestundete
                              									Geld hat untergehen müssen, während die Gesellschaft den Anteilschein bis zuletzt in
                              									sicherem Faustpfand behielt, dürfte diese Berechtigung nicht mehr wie billig
                              									befunden werden.
                           Die beabsichtigte Wirkung des ganzen Vorgehens beruht jedoch darauf, dass der
                              									einzelne Angestellte recht eng an das Gedeihen des ganzen grossen Unternehmens
                              									gebunden werden soll, und muss derselbe daher noch einen besonderen Ansporn
                              									erhalten, im dauernden Besitz seiner Anteile zu bleiben.
                           Zu diesem Zweck wird für alle so erworbenen und dauernd gehaltenen Anteile ein
                              									besonderer Zusatz-Gewinnanteil gezahlt.
                           Wenn daher der Erwerber eines solchen Scheines in dessen Besitz bleibt und den
                              									Besitztitel für denselben 5 Jahre lang, jedesmal im Januar – und zwar erstmals im
                              									Januar 1904 – bei der Verwaltung nachweist, unter jedesmaliger schriftlicher
                              									Bestätigung seines höheren Vorgesetzten, dass er im abgelaufenen Jahre den Vorteil
                              									und das Gedeihen des Werkes in jeder ihm zukommenden Weise gefördert hat, so erhält
                              									er nach Ablauf dieser 5 Jahre für jedes Jahr eine Zusatzzahlung von 20 M. und zwar
                              									für jeden ihm gehörigen Anteilschein.
                           Der Eigner eines Anteiles erhält demnach 7 v. H. Gewinnanteil und einen weiteren
                              									Gewinnanteil von 20 M., letztere als besondere Vergütung für
                                 										andauerndes treues Wirken im Dienste seiner Gesellschaft.
                           Unter der Voraussetzung, dass eine ganze Anzahl von Eignern der Anteile dieser
                              									besonderen Vergütung verlustig gehen, sei es durch Austritt aus dem Dienst der
                              									Gesellschaft, sei es durch anderweitige Verfehlungen, so zahlt die Verwaltung den
                              									auf solche Anteile fallenden jährlichen Zusatzgewinnanteil in eine besondere Kasse
                              									und bringt diesen so angewachsenen Gesamtbetrag mit einem Zinszuwachs von 5 v. H. am
                              									Schlusse der fünfjährigen Zeitabschnitte ebenfalls an diejenigen zur Verteilung,
                              									welche das Anrecht auf den Zusatzgewinnanteil unter der oben beschriebenen Weise
                              
                              									erworben haben. In dieser Hinsicht sollen jedoch noch besondere Erfahrungen
                              									gesammelt werden.
                           Teil II „die Anteilnahme am Gewinn“
                              									berücksichtigt die amtlichen bezw. halbamtlichen Stellungen aller derjenigen, welche in
                              									der Leitung und Verwaltung der Geschäfte der Gesellschaft Verwendung finden.
                           Der Grundgedanke ist der: Die Beamten der Leitung und
                                 										Verwaltung teilen mit den Eignern von Anteilen allen Gewinn, welcher nach Abzug
                                 										eines gewissen Betrages von dem jährlichen Reingewinn noch vorhanden
                                 									ist.
                           Wie schon anfangs erwähnt, erfordern die Verzinsung des Grundstocks der Gesellschaft,
                              
                              									sowie die Abschreibungen jährlich 300000000 M. Wenn nun im laufenden Jahr 320 bis
                              									360 Millionen verdient werden, so wird ein Betrag in Höhe von 1 v. H. vom
                              									Gesamtverdienst zurückgelegt; bei 360 bis 400 Millionen Verdienst wächst die
                              									Rücklage auf 1,2 v. H. an, bei 400 bis 440 Millionen auf 1,4 v. H., bei 440 bis 480
                              									Millionen auf 1,6, bei 480 bis 520 Millionen auf 1,8 v. H., bei 520 bis 560
                              									Millionen auf 2 v. H., bei 560 bis 600 Millionen auf 2,25 v. H. und bei 600 bis 640
                              									Millionen auf 2,6 v. H.
                           Hierzu bemerkt „Engineering“: Der Ehrgeiz selbst einer United States Steel Corporation scheint vor dem Rein verdienst von
                              									640000000 M. für die Arbeit eines Jahres Halt machen zu sollen.
                           In welcher Weise die so erhaltene Rücklage verteilt
                              									werden soll oder welche Männer alle bei der Verteilung
                              									bedacht werden sollen, ist noch unentschieden.
                           Die heikle Aufgabe, hier Vorschläge zu machen, ist vorläufig dem Vermögensausschuss
                              									überwiesen.
                           Festgelegt ist jedoch schon jetzt, dass nicht allein der erste Vorsitzende, sowie der
                              									Stab der Verwaltung und Aufsicht einen Anteil erhalten soll, sondern auch alle
                              									anderen Angestellten, welche in irgend einer Weise für die gute Verwaltung der
                              									Angelegenheiten der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden können.
                           Die Geschäftsleitung ist hier vor die Schwierigkeit gestellt, zu bestimmen, wie weit
                              									abwärts diese Marke der Verantwortlichkeit gezogen werden soll, ohne dass noch ein
                              									triftiger Grund für ein Sichverletztfühlen für den – odersogar die –
                              									nächstkommenden Angestellten übrig bleibt. Jedenfalls aber ist die Geschäftsleitung
                              									sich bewusst, dass es noch nötig sein dürfte, in dieser Richtung eine genügende
                              									Erfahrung zu sammeln.
                           Geplant ist, von dem zur Verfügung stehenden Betrage, die eine Hälfte während des
                              									Jahres in 3 monatlichem Abstand in Bar zur Verteilung zu bringen; die andere Hälfte
                              									bleibt bis Ende des Jahres in Rücklage und wird dann in Vorzugsanteilen angelegt.
                              									Die eine Hälfte dieser letzteren Anlage wird dann wiederum an diejenigen verteilt,
                              									welche später bei der Verteilung überhaupt eingeschlossen werden, während die andere
                              									Hälfte, also ein Viertel der anfänglichen Rücklage bis ans Ende von 5 Jahren in den
                              									Händen des Schatzkämmerers der Gesellschaft verbleibt und von diesem verwaltet wird.
                              									Am Ende dieses Zeitabschnitts wird der Betrag endgiltig den Zur-Anteilnahme
                              									berechtigten überwiesen.
                           Der Gewinnanteil jedoch, der inzwischen für diese Anteile nachwächst, gelangt an die
                              									Angestellten der Gesellschaft, so lange sie sich in deren Dienst befinden, zur
                              									Verteilung.
                           Stirbt jedoch jemand, während er im Dienst der Gesellschaft steht, oder wird er als
                              									Angestellter dauernd dienstuntauglich, so wird der ihm zukommende Anteil seinen
                              									Erben oder ihm ausgehändigt.
                           Verlässt jedoch ein Angestellter ohne vorherige Erlaubnis den Dienst der
                              									Gesellschaft, so soll er jedes Anrecht auf diese Art der Anteile verlieren, wodurch
                              									die übrigen im Anrecht verbleibenden am Ende des fünfjährigen Abschnittes im Vorteil
                              									sind, ihnen sollen diese für die so ausscheidenden Angestellten verlorenen Anteile
                              									zuwachsen.
                           Dieser ganze Entwurf hat das Gute für sich, dass er nicht den Eindruck einer Wohltat
                              									– eines Almosens – nach irgend welcher Richtung hin erweckt, aber er ist gross und
                              									weitausschauend angelegt und bekundet den freien Sinn, der sowohl das Wohl der
                              									Gesellschaft, als auch seiner Angestellten gebührend in Rechnung zieht,
                              									vorausgesetzt, dass es gelingt, denselben in der gedachten Weise aufrecht zu
                              									erhalten und durchzuführen.
                           „Engeneering“ knüpft daran noch folgende Betrachtungen:
                           Lässigkeit ist die grosse Gefahr, die diesen Mammut- und Mamongesellschaften
                              									droht.
                           Doch steht diese grossartige Unternehmung auf dem Boden, auf dem das
                              									Genossenschaftswesen überhaupt geboren wurde, und auf welchem es zur mächtigen
                              									Kraftentfaltung gelangt ist, aber es stellt unbedingt die grössten Anforderungen an
                              									Alle, welche in seinen Bannkreis einbezogen sind. Aus diesem Grunde und weil die
                              									Vorbedingungen so schwer einzuhalten sind, erfolgten in den letzten Jahren viele
                              									Zusammenbrüche in dieser Richtung.
                           Die grosse Masse der Arbeiter muss Selbstbeherrschung und Massigkeit in Zeiten der
                              									Hochflut des Geschäftes lernen und nicht in Schwelgerei verfallen, wodurch dann in
                              									Zeiten des kleinen Verdienstes der Notpfennig verbraucht sein würde.
                           Auch darf der Ueberschuss über einen gewissen Verdienst den Arbeiter nicht
                              									veranlassen, seine Arbeit zu vernachlässigen, um Zeit zum Vergeuden des
                              									Mehrverdienstes zu erhalten.
                           Andererseits aber darf der Arbeiter auch nicht mit Neid und Missgunst auf die grossen
                              									in der Verwaltung und Leitung des Unternehmens gezahlten Gehaltsbeträge sehen.
                           Schwer mag es den niederen Angestellten, welche sich von
                              									einem Wochenende bis zum anderen hart mühen, fallen, zu verstehen, weshalb die an
                              									die Spitee gestellten so unendlich viel mehr wie sie selbst verdienen sollen. –
                           Schwer ist es jedenfalls auch einzusehen, dass in dieser Anordnung eine
                              									wirtschaftliche Notwendigkeit liegt, und dass, wenn ein tüchtiger Geschäftsleiter
                              									nicht gut – sagen wir selbst über die Massen gut – bezahlt wird, derselbe zu
                              									anderweitigen Werken geht, denen er jedenfalls sehr willkommen ist.
                           Im übrigen dürfte der Verwaltung dieses Riesenunternehmens sehr wohl darüber klar
                              									sein, dass die ungeheuere Entwicklung der amerikanischen Stahl-Erzeugung – eine
                              									Erscheinung, die selbst in der neuzeitigen gewerblichen Entwicklung ohne gleichen
                              									dasteht – zu schnell vor sich gegangen ist, um von Dauer zu sein. Dazu kommt, dass
                              									bisher Schutzzölle das Ausland vom heimischen Markt nach Möglichkeit fern hielten,
                              									die es der Gesellschaft ermöglichten, die Preise hochzuhalten und mit grossem Gewinn
                              									zu arbeiten. Augenblicklich haben die amerikanischen Einrichtungen mit der wachsenden
                              									Nachfrage noch nicht gleichen Schritt halten können, und auch Deutschland hat
                              									immerhin beträchtliche Mengen Stahl trotz der Schutzzölle auf den amerikanischen
                              									Markt geliefert – freilich sind die deutschen Auslandspreise derart niedrig, dass z.B. Stahlschiffe im Ausland für
                              									deutsche Rechnung und mit deutschem Baustoff billiger gebaut werden können, als auf
                              									deutschen Werften – gewiss ein trauriger nicht wohl gutzuheissender Zustand.
                           Wenn aber der Absatz nachlässt?
                           Selbst wenn Eisenbahnen sich im Masstab der letzten Jahre weiterentwickeln, Bauten
                              									mit Stahlgerippen, Stahlbrücken, Stahl wägen und namentlich Stahlschiffe ebenfalls
                              									denselben Bedarf beibehalten – namentlich die Schiffe haben bei der raschen
                              									Entwicklung der amerikanischen Schiffahrt grosse Mengen Stahl verschlungen – so ist
                              									von vorn herein einzusehen, dass sich das Wesen des Schutzolles gegenüber einer so
                              									gewaltig ausgewachsenen Körperschaft, wie es die amerikanische Stahlerzeugung ist,
                              									nicht wohl wird aufrecht erhalten lassen und das Land selbst, – umvillig sich zum
                              									Nutzen dieser Körperschaft über gewisse Grenzen hinaus besteuern zu lassen –, wird
                              									verlangen, dass ihm die Möglichkeit, allenfalls im Ausland billiger zu kaufen, offen
                              									gehalten wird, falls nicht das heimische Gewerbe mit seinen Preisen herabgehen will,
                              									die dann selbstverständlich in ihren Preisen dem Mitbewerb des Auslandes zu folgen
                              									haben.
                           Dazu kommt noch ein Drittes. Selbst die tüchtigste und gewissenhafteste
                              									Geschäftsleitung kann nicht überall sein, und Lässigkeit, die grösste Gefahr, reisst ein, während andererseits in
                              									kleineren Unternehmungen – noch dazu, wenn dieselben in einer Hand ruhen – das
                              									überwachende Auge des Besitzers, die Vorteile des Ein- und Verkaufs im grössten
                              									Masstabe wettmacht und mit gutem Erfolg seine Arbeit auf dem Markt absetzt.
                           Vielleicht liegt der Rückgang noch in weiter Ferne, jedenfalls aber erscheint es
                              									weise und voraussehend, heute schon das ziemlich künstliche Gefüge dieses ganzen
                              									ungeheuren Arbeitsverbandes durch eine Förderung des Gefühls der Zugehörigkeit jedes
                              									einzelnen zum grossen Ganzen nach Möglichkeit zu kräftigen und sich die tauglichsten
                              									und fähigsten Mitarbeiter zu sichern.
                           In einem jeden Unternehmen beruht das Gedeihen vor allen Dingen in der Fähigkeit, der
                              									Tatkraft und dem ausdauernden Fleiss und Eifer jedes einzelnen, der in dem ganzen
                              									Getriebe mitzuarbeiten berufen ist. Kein geringerer wie Carnegie, jener weitsichtige und von so glänzendem Erfolg gekrönte
                              									Stahlwerksbesitze hat darauf hingewiesen und behauptet, dass sein Stamm von
                              									Mitarbeitern dem Wert seiner Unternehmung seinerzeit die Wage gehalten habe.
                           Wie sehr aber der Morgan-Trust darauf sehen muss, diese
                              									Eigenschaften unter seiner Arbeiterschaft auszubilden, das zeigt auch die Gründungszusammenstellung für das Jahr 1902.
                           Hiernach sind im Gebiet der Stahl- und Eisenerzeugung etwa zwei Dutzend unabhängige
                              									Gesellschaften mit insgesamt 394400000 M. Grundvermögen gebildet.
                           Nach Massgabe des Volkszählungsberichtes beläuft sich derjenige Teil des in dieser
                              									Erzeugung angelegten Geldes, soweit er sich in den Händen des Morgantrusts befindet, auf 5619200000 M., während
                              									weitere 1072000000 M. sich in Händen von Gesellschaften befinden, welche ausserhalb
                              									dieses Trust stehen. Das gesamte in dieser Unternehmung angelegte Geld erreicht also
                              
                              									die Höhe von 6 691200000 M. Die gesamte Stahl- und Eisenerzeugung geht vor sich in
                              									669 Werken.
                           Der Gesamtbesitz dieser Werke an Grund und Boden, Gebäuden, Maschinen, Werkzeugen und Geräten, Barvermögen, Wechseln, ausstehenden Forderungen,
                                 										Rohstoffen, unfertiger und fertiger Waren
                              									beträgt nach Aufstellung des Schätzungsausschusses 2362121936 M.
                           Da hinzu kommen noch der Wert der Bergwerke, der
                              									Eisenbahnen und der Dampfschiffe im Besitz des Morgantrust.
                           Es muss also notwendiger Weise irgendwo eine ganz beträchtliche Ueberzeichnung der
                              									vorhandenen Werte nachzuweisen sein.
                           Der Morgan-Trust umfasst 80 v. H. der oben
                              									angegebenen, in der Stahl- und Eisenerzeugung angelegten Werte, aber nur 60 v. H.
                              									der Gesamtauskehr der roheren Formen und der Stahlerzeugung.
                           Ebenfalls sind noch zu verkokende Kohlen und Bessemererze vorhanden, die wiederum
                              									noch zur Gründung neuer I Unternehmungen Veranlassung geben werden.
                           Es liegt in der Natur der hier in Frage kommenden Sache begründet, dass die Meinungen
                              									in ein Für und Wider
                              									auseinander gehen und kann daher nicht Wunder nehmen, wenn auch in Amerika selbst,
                              									wo die Ausbeutung der Menschen und die Selbstsucht noch ganz andere und riesigere
                              									Gestalt angenommen hat, als hier in der alten Welt, einzelne Stimmen laut werden,
                              									welche diese Einrichtungen als Geschäftsmache und als ein Mittel, die grosse Menge
                              									bisher nicht untergebrachter Vorzugsanteile auf diese Weise zu verwerten,
                              									bezeichnen.
                           Allein wir stehen hier unwiderlegbar vor einer Entwickelung von
                              									Geschäftsunternehmungen, für welche die bis jetzt bestehende gesetzliche
                              									Ueberwachung und Beeinflussung nicht ausreichen dürfte, und es liegt daher schon von
                              									diesem Standpunkte aus für solche Unternehmungen die Notwendigkeit vor, die Schärfen
                              									abzuschleifen und die gute Meinung der Oeffentlichkeit für sich zu gewinnen.
                           Wenn ferner weiter darauf hingewiesen wird, dass namentlich George W. Perkins, Mitinhaber des Hauses Morgan und Vorsitzender des Finanzausschusses des Stahltrusts, – der
                              									Urheber dieses ganzen Entwurfes der Gewinnbeteiligung ist, welchen er für die auch
                              									in Deutschland vertretene New-Yorker Lebensversicherungs-Gesellschaft, in welcher er
                              									das gleiche Amt bekleidet, vergeblich zur Einführung vorschlug, so ist doch zu
                              									hoffen, dass er für die Durchführung dieser Einrichtung Mitarbeiter findet,
                              									geeignet, die anfängliche Abgeneigtheit der misstrauischen Arbeiterschaft zu
                              									überwinden.
                           Es handelt sich doch für die Arbeiterschaft darum, wie werden sich diese Anteile in
                              									schlechteren Geschäftsjahren bewähren.
                           Mit ähnlichen Massnahmen für Gewinnbeteiligung sind, wie berichtet wird, bereits im
                              									Jahre 1893 von der Illinois Centralbahn Versuche gemacht, die fehl schlugen. Nach
                              									fünf Jahren hatten nur 750 Angestellte insgesamt nicht mehr als 2500 Anteilscheine
                              									erworben; dann scheint dieselbe das ganze Vorgehen aufgegeben zu haben. Hierin liegt gewiss ein sehr grosser Fehler.
                           Die Newyork–, Newhaven- und Hartfordbahn kündigte einen ähnlichen Plan an, gab
                              									denselben aber sofort wieder auf, als sie anfänglich Mangel an Geneigtheit für
                              									denselben fand, hier tritt also der gleiche Fehler zu Tage.
                           James J. Hill stellte im Jahre 1900 für 4 Millionen Mark
                              									Great-Northern Anteilscheine für die Bahnangestellten zur Erwerbung bereit. Die
                              									Scheine selbst wurden nicht übergeben, sondern nur eine Besitz-Bestätigung, mit
                              									welcher in diesem Fall kein Stimmrecht verbunden war, kein Wunder, dass hier
                              									ebenfalls keine grosse Geneigtheit zum Erwerb hervortrat.
                           Im vorliegenden Fall wird es ebenfalls von dem Anhalten des guten Willens bei der
                              									Geschäftsleitung, von dem Eifer, die Arbeiterschaft von der Güte des ihr gemachten
                              									Anerbietens zu überzeugen, und zuletzt nicht zum wenigsten von der richtigen
                              									Erkenntnis der letzteren, sich dies Anerbieten gesetzlich zu Nutze zu machen,
                              									abhängen, ob und wie bald ein guter Erfolg zu verzeichnen sein wird.
                           Die Erzielang eines solch guten Erfolges wird aber auch ebenfalls eine weitsichtige
                              									Gesetzgebung zu berücksichtigen haben.
                           Ist auch augenblicklich noch von keinem vollständigen Genossenschaftsunternehmen
                              									zureden, so sind doch jedenfalls die Vorbedingungen gegeben und es bleibt
                              									abzuwarten, wie weit sich die amerikanische Arbeiterschaft der ihr hier
                              									gegenübertretenden Aufgabe gewachsen zeigt, zu welcher Bedeutung sie ihre durch die
                              									jetzigen kleinen Anfänge eingeleitete Vertretung innerhalb der Anteilhaber dieses
                              									Mammutunternehmens auszubilden befähigt ist.
                           
                              
                                 E.
                                    											Arp.