| Titel: | Analytisch-graphisches Verfahren zur Bestimmung der Durchbiegung zwei- und dreifach gestützter Träger. | 
| Autor: | Max Kloss | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 214 | 
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                        Analytisch-graphisches Verfahren zur Bestimmung
                           								der Durchbiegung zwei- und dreifach gestützter Träger.
                        Von Dr.-Ing. Max Kloss.
                        (Fortsetzung von S. 206 d. Bd.)
                        Analytisch-graphisches Verfahren zur Bestimmung der Durchbiegung
                           
                           								zwei- und dreifach gestützter Träger.
                        
                     
                        
                           II. Der dreifach gestützte Träger.
                           
                              a) Bestimmung der Biegungsmomente und Stützdrücke.
                              
                                 
                                    1. Träger nur in einem Felde belastet.
                                    
                                 Die Auflager mögen so eingerichtet sein, dass sie in allen zur Trägerachse
                                    											senkrechten Richtungen Stützdrücke aufnehmen können, wie es z.B. bei den
                                    											Lagern von Maschinenwellen der Fall ist. Die in Richtung der Wellenachse
                                    
                                    											auftretenden Reibungskräfte mögen vernachlässigt werden. Wir haben dann die
                                    											beiden Gleichgewichtsbedingungen, dass die Summe sämtlicher Kräfte und
                                    											ebenso die Summe aller Momente gleich Null sein müssen. Da wir jedoch 3
                                    
                                    											Unbekannte, das sind die 3 Stützdrücke, haben, so ist die Aufgabe statisch
                                    											unbestimmt. Sie kann nur gelöst werden unter Zuhilfenahme der Theorie der
                                    											elastischen Linie.
                                 Auf Grund unserer bisherigen Untersuchungen bietet jedoch die Lösung der
                                    											Aufgabe keinerlei Schwierigkeiten. Wir können nämlich den im dritten Lager
                                    											(2 in Fig. 11) auftretenden Lagerdruck als
                                    											Belastungskraft T2 für den in den Punkten 1 und 0 gestützten
                                    											Träger l1 ansehen. Dann haben wir denselben Fall, den wir im
                                    											vorhergehenden Abschnitt ausführlich behandelt haben, nämlich einen zweifach
                                    											gestützten, mit Innen- und Aussenkraft belasteten Träger. Nur ist hier
                                    											vorläufig noch die Aussenkraft T2 unbekannt. Wenn wir diese zunächst
                                    											beliebig annehmen, so können wir nach der zuletzt abgeleiteten Gleichung
                                    											(43. die im Angriffspunkt 2 der Kraft T2 auftretende
                                    											Durchbiegung y2 berechnen
                                 y_2=-\frac{l_2}{3\,E\,J}\,\left[M'\,\left(a_1+\frac{b_1}{2}\right)+M'_0\,L\right] (44.
                                 Da wir nun annehmen, dass die drei Lager 1, 0
                                    											und 2 in gleicher Höhe liegen, so muss
                                 y2 = 0
                                 sein. Hieraus ergiebt sich aber die
                                    											Bedingungsgleichung
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 318, S. 214
                                    Fig. 11.
                                    
                                 M'_0\,L+M'\,\left(a_1+\frac{b_1}{2}\right)=0 . . (45.
                                 Hierin bedeutet M' das Biegungsmoment, das die
                                    											Kraft P1 in ihrem Angriffspunkt hervorbringen würde, wenn der
                                    											Trägernur in den beiden Punkten 1 und 0 unterstützt wäre, also
                                 M'=\frac{P_1\,a_1\,b_1}{l_1} . . (46.
                                 und M0' das
                                    											vom Stützdruck T2 herrührende Biegungsmoment,
                                    											also
                                 M0' = –
                                    
                                    												T2 . l2. . .
                                    											(47.
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 318, S. 214
                                    Fig. 12.
                                    
                                 Aus (45. lässt sich nun dieses Moment berechnen
                                 M'_0=-M'\cdot \frac{a_1+\frac{b_1}{2}}{L}=-\frac{P_1\,a_1\,b_1\,\left(a_1+\frac{b_1}{2}\right)}{l_1\cdot L} (48.
                                 Was das Vorzeichen der Biegungsmomente anlangt, so wollen wir folgende Regel
                                    											festsetzen: Das in einem Trägerquerschnitte auftretende Biegungsmoment ist
                                    											positiv, wenn die gezogene Faser unten liegt, negativ, wenn sie oben liegt.
                                    											Aus den durch M' und M0' gegebenen Momentenflächen findet man dann durch algebraische
                                    											Addition die resultierende Momentenfläche. Das im Angriffspunkt 3 der Kraft P1 wirklich auftretende Biegungsmoment ist
                                    											dann
                                 M'_1=M'+M'_0\,\frac{a_1}{l_1}=M'\,\left(1-\frac{a_1\,\left(a_1+\frac{b_1}{2}\right)}{l_1\cdot L}\right) (49.
                                 Da wir nunmehr sowohl das Biegungsmoment M1' im
                                    											Punkte 3 als auch dasjenige M0' im Punkte 0 kennen, so ist die ganze Aufgabe
                                    											auf den in Fig. 10 bereits behandelten Fall
                                    											zurückgeführt.
                                 Nach Gleichung (48. lässt sich das Mittellagermoment M0' aus dem von P herrührenden M' zwar sehr einfach mit dem Rechenschieber
                                    											ermitteln. Es soll hier jedoch auch eine einfache graphische Bestimmung
                                    											gezeigt werden, da wir dieselbe später beim abgesetzten Träger anwenden werden. Die Konstruktion ist in Fig. 12 ausgeführt.
                                 3 ist der Angriffspunkt der Kraft P1, 4 der Halbierungspunkt der Strecke b1,
                                    											sodass also
                                 (1/4)=a_1+\frac{b_1}{2} ist.
                                 
                                 Man trägt nun das von P1 bei zweifacher Lagerung erzeugte
                                    											Biegungsmoment
                                 
                                    M'=\frac{P_1\,a_1\,b_1}{l_1}
                                    
                                 als Strecke (3/5) auf,
                                    											zieht 5/6 parallel 1/2 und verbindet 6 mit 1. Diese Linie schneidet die in 4 errichtete Vertikale in Punkt 7. Dann ist Strecke
                                 
                                    (4/7)=(2/6)\cdot \frac{a_1+\frac{b_1}{2}}{L}=M'\,\frac{a_1+\frac{b_1}{2}}{L}=M'_0
                                    
                                 also gleich dem gesuchten Mittellagermoment.
                                 Nunmehr macht man (0/8) = (4/7) = M0', zieht 1/8
                                    											und trägt (5/10) = (3/9) von 5 aus ab. Dann ist 1/10/11/8/2 die resultierende Momentenfläche.
                                    												(3/10) = M1' ist das in 3
                                    											wirklich auftretende Moment, aus dem sich der Stützdruck T1
                                    											ergiebt
                                 T_1=-\frac{M_1}{a_1} . . . . (50.
                                 Der Stützdruck im Lager 2 ergiebt sich aus M0'
                                 T_2=-\frac{M'_0}{l_2} . . . . (51.
                                 Den Stützdruck im Mittellager findet man dann aus der
                                    											Gleichgewichtsbedingung
                                 P1 + T1 + T2 +
                                    												T0 = 0 . .
                                    											(52.
                                 Ist der Träger im Felde l1 mit mehreren Einzelkräften
                                    											belastet, so bestimmt man für jede Kraft die Momente und addiert dann alle
                                    											Momentenflächen.
                                 
                              
                                 
                                    2. Träger in beiden Feldern belastet.
                                    
                                 Für die im rechten Trägerfelde l2 angreifende Last P2 gilt
                                    											natürlich genau dasselbe, was für die Kraft P1 abgeleitet wurde. Das
                                    											von ihr im Mittellager 0 erzeugte Biegungsmoment M0'' ergiebt sich ohne weiteres entsprechend der Gleichung (48.
                                 M''_0=-M''\,\frac{a_2+\frac{b_2}{2}}{L}=-\frac{P_2\,a_2\,b_2\,\left(a_2+\frac{b_2}{2}\right)}{l_2\cdot L} (48a.
                                 Die Konstruktion der Momentenfläche ist genau dieselbe wie die in Fig. 12 für Feld l1 ausgeführte.
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 318, S. 215
                                    Fig. 13.
                                    
                                 Wirken die beiden Kräfte P1 und P2 in der gleichen Achsialebene, so erhält
                                    											man das resultierende Momentendiagramm einfach durch Addierung der einzelnen
                                    											Momentenflächen. Das im Mittellager 0 auftretende Biegungsmoment M0 ist
                                    											dann (Fig. 13)
                                 
                                    
                                    \left{{M_0=M'_0+M''_0=-\left(M'\,\frac{a_1+\frac{b_1}{2}}{L}+M''\,\frac{a_2+\frac{b_2}{2}}{L}\right)}\atop{M_0=-\frac{P_1\,a_1\,b_1\,\left(a_1+\frac{b_1}{2}\right)}{l_1\cdot
                                       L}-\frac{P_2\,a_2\,b_2\,\left(a_2+\frac{b_2}{2}\right)}{l_2\cdot L}}}\right\}\ (53.
                                    
                                 Es ist dies die bekannte Formel zur Bestimmung des Biegungsmomentes im
                                    											Mittellager. (Vgl. „Hütte“, 17. Aufl., Seite 381, Gleichung (1. für
                                    												y0
                                    											= y1 =
                                    												y2,
                                    												M0
                                    											= 0, M2
                                    											= 0, q0 = 0,
                                    												q1
                                    											= 0.)
                                 Wirken die beiden Kräfte nicht in der gleichen Ebene, so hat man die von den
                                    											Einzelkräften herrührenden Biegungsmomente und Stützdrücke geometrisch zu
                                    
                                    											addieren.
                                 
                              
                           
                              b) Bestimmung der elastischen Linie.
                              Wenn wir nach den eben abgeleiteten Formeln die auftretenden Biegungsmomente
                                 										bestimmt haben, bietet die Aufzeichnung der elastischen Linie keine
                                 										Schwierigkeiten mehr, da sie einfach nach dem in Fig.
                                    											10 (Seite 206) dargestellten Verfahren erfolgen kann.
                              Will man nur die Durchbiegung im Angriffspunkte der Kraft P1 haben, so braucht man natürlich
                                 										nicht erst die ganze elastische Linie aufzuzeichnen. Man kann dann f1 direkt
                                 										berechnen. Die Ableitung der Gleichung würde hier zu weit führen, sie ergiebt
                                 										sich aber ohne weiteres aus den früher gegebenen Sätzen. Wir finden dann
                              f_1=\frac{a_1\,b_1}{3\,E\,J}\,\left[M'+M_0\,\frac{a_1+\frac{b_1}{2}}{l_1}\right] . . . (54.
                              Hierin ist
                              M_0=-\left(M'\,\frac{a_1+\frac{b_1}{2}}{L}+M''\,\frac{a_2+\frac{b_2}{2}}{L}\right) . . . (53.
                              und
                              M'=\frac{P_1\,a_1\,b_1}{l_1} und M''=\frac{P_2\,a_2\,b_2}{l_2}
                                 									
                              Die Gleichung (54. hat dieselbe Form wie für einen zweifach gestützten
                                 										Träger:
                              f_1=\frac{\frakfamily{M}\,a_1\,b_1}{3\,E\,J} . . . (54a.
                              Wir können also M als äquivalentes Biegungsmoment
                                 
                                 										ansehen, das bei frei aufliegendem, zweifach gestützten Träger die gleiche
                                 										Durchbiegung hervorbringen würde. Dieses äquivalente Moment M setzt sich zusammen aus dem Moment M', das die Kraft P1 hervorrufen würde, wenn der Träger l1 nur in den
                                 										beiden Endpunkten 1 und 0 frei aufliegend gestützt wäre, und der zum Punkte x=a_1+\frac{b_1}{2}
                                 										gehörigen Ordinate des von M0 über L
                                 										gebildeten Momentendreiecks. Es mag auch bei dieser Gelegenheit darauf
                                 										hingewiesen werden, dass man bei Einsetzung von Zahlenwerten genau auf die
                                 										Vorzeichen zu achten hat.
                              Will man den Einfluss der Kraft P1 für sich allein untersuchen, so hat
                                 
                                 										man einfach in Gleichung (53. M'' = 0 zu setzen. Für die Durchbiegung im Angriffspunkte
                                 										der Kraft P1 erhält
                                 										man dann
                              f'_1=\frac{M'\,a_1\,b_1}{3\,E\,J}\,\left[1-\frac{\left(a_1+\frac{b_1}{2}\right)^2}{l_1\,L}\right] (55.
                              Diese Gleichung zeigt deutlich den Einfluss des dritten Lagers auf die
                                 										Durchbiegung. Denken wir uns das dritte Lager in die Unendlichkeit gerückt, so
                                 										hat es keinen Einfluss mehr auf die Form der elastischen Linie, wir müssen also
                                 										dann denselben Wert erhalten, wie für einen zweifach gestützten Träger. In der Tat wird
                                 										für l2 = ∞ auch L = ∞, das zweite Glied in der Klammer wird = 0,
                                 										und die Gleichung nimmt die Form an
                              
                                 f'_1=\frac{M'\cdot a_1\,b_1}{3\,E\,J}
                                 
                              Dies gilt aber für einen frei aufliegenden zweifach gestützten Träger.
                              Wenn wir andererseits wieder das dritte Lager uns unendlich nahe an das
                                 										Mittellager verschoben denken, also l2 = 0 und
                                 											L = l1 annehmen, so heisst das nichts anderes, als
                                 										dass zwei unendlich benachbarte Punkte der elastischen Linie auf einer
                                 										Horizontalen liegen müssen, dass also die Tangente der elastischen Linie im
                                 										Mittellager horizontal verläuft. Dies ist aber das Kennzeichen für den einseitig
                                 										eingespannten Träger. Wir erhalten zunächst aus Gleichung (55.
                              
                                 f'_1=\frac{M'\,a_1\,b_1}{3\,E\,J}\,\left(\frac{4\,{l_1}^2-(2\,a_1+b_1)^2}{4\,{l_1}^2}\right)
                                 
                              Diese Gleichung geht nach einigen einfachen Umformungen über in die Form:
                              f'_1=\frac{M'\,a_1\,{b_1}^2}{12\,E\,J\,{l_1}^2}\,(4\,a_1+3\,b_1)=\frac{P_1\,{a_1}^2\,{b_1}^3\,(4\,a_1+3\,b_1)}{12\,E\,J\,{l_1}^3} (56.
                              (Vergl. „Hütte“, 17. Auflage. Seite 370, Zeile 17 für Q = 0.)
                              Will man nur den Einfluss der Kraft P2 auf die Durchbiegung im Punkte x = a1 für sich allein untersuchen, so hat man in
                                 										Gleichung (53. und (54. M' = 0 zu setzen. Man
                                 										erhält dann für die durch P2 im Punkte x = a1 hervorgerufene
                                 										Durchbiegung:
                              f''_1=-\frac{M''\,a_1\,b_1\,\left(a_1+\frac{b_1}{2}\right)\,\left(a_2+\frac{b_2}{2}\right)}{3\,E\,J\,l_1\,L} (57.
                              Wirken die beiden Kräfte P1 und P2
                                 										nicht in einer Ebene, so bestimmt man die von jeder einzelnen Kraft
                                 										hervorgerufenen Durchbiegungen f1' und f1'' nach den eben entwickelten Gleichungen (55.
                                 										und 57. und setzt beide vektoriell zusammen.
                              In der Praxis kommt oft der Fall vor, dass die drei Lager und die beiden
                                 										Belastungskräfte Pi und P2 ganz symmetrisch zu
                                 										einander angeordnet sind, dass also
                              l_1=l_2=\frac{L}{2} und a_1=b_1=a_2=b_2=\frac{l_1}{2} ist.
                              Für diesen Fall lassen sich natürlich die oben angegebenen Formeln wesentlich
                                 										vereinfachen.
                              Die Gleichung (55. die uns die von P1 hervorgerufene Durchbiegung im Punkte x = a1 gibt, geht in die Form über:
                              f'_1=\frac{P_1\,l^3}{66,7\cdot E\,J} . . . (55a.
                              Entsprechend erhalten wir für die von P2 herrührende Durchbiegung im selben Punkte x = a1 nach Gleichung (57.
                              f''_1=\frac{P_2\,l^3}{170,5\cdot E\,J} . . . (57a.
                              Trifft der hier angenommene Fall der symmetrischen Anordnung nicht zu, so kann
                                 										man dann doch die eben abgeleiteten Formeln (55a. und 57a. für eine erste
                                 										Ueberschlagsrechnung gut verwenden, um sich wenigstens von der ungefähren
                                 										Grössenordnung des erforderlichen Trägheitsmomentes einen Begriff zu machen.
                              
                                 
                                    (Fortsetzung folgt.)