| Titel: | Die Uebertragung grobstichiger Karten auf Feinstich. | 
| Autor: | M. R. Köhler | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 305 | 
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                        Die Uebertragung grobstichiger Karten auf
                           								Feinstich.
                        Von M. R. Köhler.
                        [Die Uebertragung grobstichiger Karten auf Feinstich.]
                        
                     
                        
                           Die Entstehung der verschiedenen neuen Feinsticharten in Jacquardmaschinen und
                              									in der Dessinschlägerei führten zu dem Bedürfnis, die vorhandenen Grobstichkarten
                              									unmittelbar auf feinen Stich beliebiger Sorte übertragenen können, ohne dass man
                              									nötig hätte, die betreffenden Dessins erst nochmals neu zu levieren, d.h. nach
                              									besonders gefertigten Patronen auszuschlagen.
                           Aufgabe des Vorliegenden soll es sein, zu schildern, wie diese Anforderung gelöst
                              									wurde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 305
                              
                           Zunächst ist nach Fig. 1 eine Jacquardmaschine A des
                              									betreffenden Grobstiches nötig, auf deren Zylinder oder Prisma C die auf den feineren Stich zu übertragende
                              									Musterkarte aufgelegt wird, ihr gegenüber gelagert befindet sich eine zweite
                              									Jacquardmaschine B von dem gewünschten feineren Stich,
                              									welche im vorliegenden Falle die Stössel S der
                              									Feinstichschlagmaschine unmittelbar betätigt.
                           Letztere ist genau so gebaut, wie die französische Schlagmaschine für den
                              									Vinzenzistich. Sie hat also wagerecht gelagerte Schlagplatten und senkrecht stehende
                              									und wirkende Stössel. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den gewöhnlichen
                              									Jacquardmaschinen und der Uebertragungsmaschine B
                              									besteht darin, dass die Platinen p2 der letzteren verkehrt eingesetzt sind.
                              									Die Nasen bzw. Haken dieser Platinen p2 weisen demgemäss nicht nach vorn, also
                              									nach der Prismenseite zu, sondern umgekehrt nach der hinteren Seite der Maschine,
                              									dem hinteren Nadelbrett zu. Ein Federhaus besteht bei dieser Maschine nicht, da die
                              									Platine p2 so
                              									aus Draht gebogen ist, dass ihr kurzer hinterer Schenkel s die Tätigkeit des Federns selbst besorgt. Dieser kurze Platinenschenkel
                              									legt sich gegen den Stab eines Drahtrechens r im Innern
                              									der Maschine, an welchem er auf und niedergleitet.
                           Fig. 2
                              									zeigt die Konstruktion der Stössel S. Diese Stössel,
                              									aus rundem Stahldraht gefertigt, besitzen drei Aussparungen, I II und III, von denen die oberste I zu ihrer Führung dient. Sie sind paarweise
                              									nebeneinander auf einem feststehenden Kamm mit vierkantigen Zähnen N1
                              									Fig. 1
                              									aufgereiht. Die unteren Einschnitte II und III sind zum Feststellen der Stössel mittels eines
                              									zweiten, gleichgearteten, aber beweglichen Kammes N2 vorgesehen, der mittels eines Handgriffes
                              									zwischen die Stössel hereingezogen wird, nachdem die Jacquardmaschine B die mustergemässe Auswahl unter ihnen getroffen und
                              									diejenigen Stössel hochgezogen hat, welche nicht zur Wirkung des Schlagens gelangen
                              									sollen.
                           Fig. 3 zeigt
                              									den Schlagmechanismus. O, O1 und O2 sind
                              									die dem Feinstich entsprechend gebohrten Führungsplatten für die Stössel.
                           Sie sind feststehend zwischen den Maschinenwänden gelagert. Dagegen ist O3 eine bewegliche
                              									Schlagplatte, welche im Ruhezustande des Schlagmechanismus so tief steht, dass die
                              									geschärften, unteren Enden der Stössel nicht herausragen. Die Stösselenden sollen
                              									hierdurch geschützt werden. O4 ist die untere bewegliche Gegenschlagplatte. Auf letztere wird das zu
                              									schlagende Kartenblatt aufgelegt. Soll ein Blatt ausgepresst werden, so wird der
                              									Hebel H, Fig. 1, nach vorn
                              									gezogen.
                           Die Hebelübersetzung H1 und H2 sorgt alsdann dafür, dass die Schlagplatte O4 mitsamt dem auf ihr ruhenden
                              									Kartenblatt gegen die Platte O3 gepresst wird, denn O4 ist ebenso wie O3 in Geleisführung beweglich
                              									gelagert. O3 nimmt beim
                              									Schlagen diese Abwärtsbewegung auf, die von der Maschine mustergemäss
                              
                              									liegengelassenen und durch den Schlagkamm N2 festgehaltenen Stössel S treten hervor und durchstossen das Blatt. Zuvor mussten
                              									natürlich die Maschinen A und B nacheinander aufgetreten werden.
                           Um eine mustergemässe Aushebung der Platinen p2, Fig. 1, und Betätigung
                              									der Stössel S zu ermöglichen, ist die grobstichige
                              									Jacquardmaschin A mit der feinstichigen B auf folgende Weise in Verbindung gebracht.
                           Die Platinen p1
                              									sind unten mit einer Harnischschnur K1 versehen, in welcher zum sicheren
                              									Niedergange und Einfallen der Platinen ein Bleigewicht G1 eingeschaltet ist.
                           Am unteren Ende sind diese Harnischschnuren mit einem doppelten Harnischeisen G2 und G3 versehen.
                              										R7 sind die
                              									Stäbe eines kräftigen Glasrechens. Eine Verbindungsschnur K2 führt nun von den unteren
                              									Harnischeisen G2 und G3 über
                              
                              									diesen Rechen hinweg nach der Uebertragungsmaschine B.
                              									Das Ende dieser Uebertragungsschnur K2 ist an die zugehörige Platinennadel D der Maschine B geknüpft.
                              									Ruht der ganze Apparat, so strecken die Harnischeisen G2 und G3 die Harnisch- und
                              									Uebertragungsschnuren straff an. Infolgedessen werden die Platinen p2 der Maschine
                              										B nach hinten rechts über die Messer m2 gezogen.
                           Wird nun auf Maschine A eine zu übertragende Karte k1 aufgelegt und
                              									Maschine A aufgetreten, z.B. bei „Loch in
                                 										Grobstichkarte,“ so bleibt die betreffende Platine p1 stehen, wird vom Messerkasten
                              										m1 mit
                              									hochgenommen und die Uebertragungsschnur K2 wird gelockert, weil die sie anstreckenden
                              									Harnischeisen G2 und G3 mit der Platine p1 zugleich hochgingen. Infolgedessen geht
                              									die zugehörige Platine p2 in Maschine B
                              									vermöge ihrer Federkraft vom Messer m2 weg. Maschine B wird aufgetreten, und das zu dieser Platine p2 gehörige Stössel S bleibt in seinem tiefsten Ruhepunkte stehen. Es
                              									schlägt deshalb ein Loch in das neue auf O4 liegende Kartenblatt. War in der Grobstichkarte
                              										k1 kein
                              									Loch vorhanden, so wurde p1 nicht ausgehoben, sondern vom Messer
                              									abgedrückt.
                           Alle Schnuren blieben straff und die zugehörige Platine p2 der Maschine B wurde beim Auftreten mit hochgezogen. Infolgedessen
                              									wurde aber auch das zugehörige Stössel S mit
                              									hochgenommen und konnte nicht schlagen. Die Karte k1 wird also ganz gleichartig wiedergegeben.
                              									Der Uebersicht wegen sind in Fig. 1 und 3 nur je eine
                              									Platine samt einem Schnurenpaar und je einer Platinennadel und einem Stössel
                              									gezeichnet.
                           Erwähnt sei noch, dass auch in die Verbindungschnuren, welche die Platinen p2 mit ihren
                              									Stösseln verbinden, Bindeeisen G4 und kurze straffe Messingzugfedern M eingeschaltet sind. Diese Bindeeisen G4 haben den Zweck, die
                              									Platinen p2
                              									beim Einfallen der Maschine B wieder in ihren tiefsten
                              									Standpunkt zurückzuziehen. Die Federn M dienen zur
                              									Schonung der Stössel und der Stösselschnuren, für den Fall, dass ein Stössel krumm
                              									wurde und sitzen blieb. Die Schnur würde in diesem Fall sonst jedesmal zersprengt
                              									werden. R2, R3 und R4 sind
                              									Führungsrechen.
                           Das Eigenartige an dieser Schlagmaschine ist weiterhin, dass man sie auch noch
                              									dazu benutzen kann, Karten desselben Feinstiches umgekehrt zu schlagen, sodass man
                              									die rechte Warenseite in der Karte zur linken machen kann. Maschine A bleibt in diesem Falle völlig unbenutzt in Ruhe. Man
                              									verwendet nur die Maschine B zum entgegengesetzten
                              									Kopieren, legt einfach die umgekehrt zu übertragende Originalkarte desselben
                              									Feinstiches auf das Prisma C2 der Maschine B auf, und kopiert. Hierbei müssen die Harnischeisen G2 und G3 anstrecken,
                              									also heruntergelassen sein.
                           Will man aber eine zu kopierende Karte desselben Feinstiches im Original getreu
                              									wiedergeben, so bleibt Maschine A ebenfalls wieder
                              									unbenutzt, Nur werden alsdann sämtliche Harnischeisen G2 und G3 mittels des Rechens R3 hochgehoben, zu
                              									welchem Zwecke eine Auf winde Vorrichtung an R3 angebracht ist. Die Verbindungsschnuren K2 werden
                              									dadurch sämtlich gelockert und die Platinen p2 treten von den Messern weg. Die Maschine
                              										B kann also nunmehr positiv wirken.
                           Das Verschnüren der Platinen p1 von Maschine A mit den Platinennadeln D der Maschine B geschieht so, dass bei überzähligen Platinen p2 in der
                              									Feinstichmaschine B diese zu Anfang und zu Ende
                              									regelmässig stehen bleiben, damit sämtliche zur Verwendung gelangenden Platinen in
                              
                              									der Mitte der vollgezählten Maschine zur Arbeit gelangen.
                           Handelt es sich um den Vinzenzistich, so lässt man auch noch die 14 er kurzen
                              									Warzenreihen liegen, je nachdem, wie es die gegebene Platinenzahl zulässt. Diese
                              									14er Reihen lässt man deswegen gern stehen, weil das Kartenblatt dadurch an Halt
                              									gewinnt. Man bekommt eine dauerhaftere Karte. Bei Grobstichkarten ist nämlich die
                              									Platinenzahl in den Maschinen gewöhnlich eine kleinere, als bei den
                              									Feinstichmaschinen. Man hat also Platinen in Maschine B
                              									übrig und diese verteilt man möglichst gleichmässig. Eine gute Ausnahme hiervon
                              									macht der Wiener Feinstich, welcher mit dem Vinzenzi- und Verdolstich annähernd in
                              									der Platinenzahl übereinstimmt.
                           Eine weitere Konstruktion zur Uebertragung anderstichiger Karten ist diejenige, bei
                              									welcher die Schlagmaschine nach alter deutscher Art, also mit wagerecht gelagerten
                              									Stösseln gebaut ist.
                           Bei diesen wird einfach statt einer Kopiermaschine gleichen Stiches eine solche
                              									Grobstichmaschine auf die Schlagmaschine montiert und die Platinen dieser
                              									Grobstichmaschine mit den flachen Schlagplatinen des feinstichigen Schlagwerkes in
                              									entsprechender Reihenfolge verschnürt, Diese Maschine wirkt einfach und positiv. Sie
                              									ist aber nur noch zum Levieren des betreffenden Feinstiches, nicht aber zum Kopieren
                              									desselben zu benutzen.
                           Diese Anordnung der Maschinen ist also nicht so vielseitig verwendbar, als die zu
                              									Anfang geschilderte und deshalb nicht so praktisch in der Anschaffung.